Vermieter darf Kamera-Attrappen anbringen

Vermieter darf Kamera-Attrappen anbringen

Das Anbringen von Kamera-Attrappen im Hauseingangsbereich verstößt nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter, wenn diese wissen, dass es sich nicht um funktionsfähige Kameras handelt.

Hintergrund
Der Mieter einer Wohnung verlangt, dem Vermieter per einstweiliger Verfügung den Betrieb einer Überwachungsanlage im Eingangsbereich des Hauses zu untersagen.

Der Vermieter hatte im Eingangsbereich Geräte anbringen lassen, die wie Videokameras aussehen, bei denen es sich allerdings um Attrappen handelte, um Vandalismus in diesem Bereich zu verhindern. Er informierte den Mieter, dass es sich bei den im Hausflur installierten Geräten um Attrappen handelt. Dennoch beantragte und bekam der Mieter eine einstweilige Verfügung, die dem Vermieter untersagte, im Hauseingangsbereich eine Überwachungsanlage zu betreiben. Hiergegen hat der Vermieter Widerspruch eingelegt.

Entscheidung
Das Gericht hebt die einstweilige Verfügung auf. Der Mieter hat keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter die Anbringung von Videokameras im Eingangsbereich unterlässt. Eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mieters liegt nicht vor, weil es sich bei den installierten Geräten nur um Attrappen handelt.

Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass bereits die Attrappen einen Überwachungsdruck entstehen lassen. Es kommt nicht darauf an, ob Besucher des Hauses oder andere Mieter die Geräte für tatsächlich funktionierende Videokameras halten. Entscheidend ist, dass der klagende Mieter weiß, dass er von den Geräten keine Überwachung zu befürchten hat.

Auch die Befürchtung, der Vermieter könnte die Attrappen eines Tages gegen echte Kameras tauschen, ist kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Vermieter einen solchen Austausch beabsichtigt. Selbst wenn man insoweit von einem Unterlassungsanspruch ausginge, könnte eine einstweilige Verfügung mangels Eilbedürftigkeit nicht ergehen. Einen solchen vorbeugenden Unterlassungsanspruch müsste der Mieter in einem ordentlichen Verfahren geltend machen.

Kein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt für zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer

Kein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt für zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer

Ein Leistungsempfänger kann die ihm zu Unrecht vom leistenden Unternehmer in Rechnung gestellte und an diesen gezahlte Umsatzsteuer auch dann nicht vom Finanzamt erstattet verlangen, wenn der Rechnungsaussteller zur Rückerstattung nicht bereit oder in der Lage ist.

Hintergrund
Die Klägerin, eine GmbH, nahm aus Eingangsrechnungen verschiedener Kapitalgesellschaften einen Vorsteuerabzug in Anspruch. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung versagte ihr das Finanzamt diesen Anspruch, weil die Rechnungen eine unzutreffende Leistungsbezeichnung enthielten. Nachdem entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide ergangen waren, zahlte die Klägerin die zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurück.

Etwa 2 Jahre später begehrte die Klägerin die Erstattung eines Teils der zurückgezahlten Vorsteuern vom Finanzamt, weil ihr insoweit eine Inanspruchnahme der Rechnungsaussteller nicht möglich sei. Hierzu berief sie sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der einem gutgläubigen Leistungsempfänger ein unmittelbarer Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt zustehe, wenn der Leistende zahlungsunfähig oder -unwillig sei. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Klägerin keinen Anspruch habe, da die geänderten Umsatzsteuerbescheide einen Rechtsgrund für die Rückzahlung der Vorsteuerbeträge darstellten. Überdies habe sie ihre Gutgläubigkeit nicht nachgewiesen.

Entscheidung
Das Finanzgericht Münster, das die Ablehnung des Finanzamts als Abrechnungsbescheid auslegte, wies die Klage ab. Für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen das Finanzamt fehle es an einer Rechtsgrundlage. Einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Umsatzsteuer hätten allein die Rechnungsaussteller, die ihre Rechnungen berichtigt haben. Dem stehe der europarechtliche Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer nicht entgegen. Dieser werde grundsätzlich auch dann beachtet, wenn der Leistungsempfänger im Hinblick auf die Erstattung zu Unrecht gezahlter Vorsteuerbeträge auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne sich der Rechnungsempfänger zwar ausnahmsweise unmittelbar an die Steuerbehörde wenden, wenn die Erstattung unmöglich oder übermäßig erschwert sei. Da diese Rechtsprechung zu einem grenzüberschreitenden Sachverhalt im Vorsteuervergütungsverfahren ergangen sei, sei sie auf einen reinen Inlandssachverhalt nicht übertragbar. Anderenfalls würde der Leistungsempfänger im Insolvenzfall gegenüber anderen Gläubigern des Rechnungsausstellers bevorzugt werden.

EU-Finanzminister bekämpfen Steuervermeidung von Unternehmen

Die EU-Finanzminister kommen im Kampf gegen die Steuervermeidung von Unternehmen und aggressive Steuerplanung voran: Der Rat hat am 09.12.2014 seine politische Unterstützung für die Missbrauchsklausel in der Mutter-Tochter-Richtlinie und den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der EU gegeben. „Ich begrüße die beiden bahnbrechenden Entscheidungen“, sagte Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Steuern und Zoll. Die Finanzminister einigten sich auch auf die Bankenabgaben für den europäischen Bankenabwicklungsfonds.
„Die aktuellen Ereignisse erfordern, dass wir unsere Anstrengungen gegen Unternehmenssteuervermeidung und aggressive Steuerplanung an allen Fronten verstärken müssen“, sagte Moscovici weiter. „Wir sind entschlossen, diese Agenda so schnell wie möglich durchzusetzen. Zu diesem Zweck bekräftigen wir unsere Zusage, den automatischen Informationsaustausch zu erweitern um Steuerentscheidungen. Ein Gesetzgebungsvorschlag wird Anfang 2015 vorgelegt.“

Der Rat erzielte auch eine politische Einigung über eine Durchführungsverordnung über die Beiträge, die Banken in den EU-Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Fund) zahlen müssen. Der Fonds wird über einen Zeitraum von acht Jahren aufgebaut und soll eine Zielmarke von mindestens einem Prozent aller gedeckten Einlagen der Kreditinstitute erreichen. Banken müssen jährliche Beiträge an den Fonds zahlen. Sie werden auf Grundlage ihrer Verbindlichkeiten risikoadjustiert ermittelt. In den Mitgliedstaaten, die an der Bankenunion teilnehmen, werden die nationalen Bankenrettungsfonds ab dem 1. Januar 2016 durch den europäischen Abwicklungsfonds ersetzt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 09.12.2014

 

Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Einschränkungen beim Sonderausgabenabzug für Beiträge zu einer „Rürup-Rente“ wegen einer daneben bestehenden Direktversicherung verfassungswidrig?

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte darüber zu entscheiden, ob eine seit dem Jahr 2008 geltende Einschränkung des Sonderausgabenabzugs bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) vereinbar ist. Aufgrund einer Gesetzesänderung können diese als nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer ihre für eine private Altersvorsorge in Form einer sog. „Rürup-Rente“ geleisteten Beiträge seit dem Jahr 2008 unter Umständen nur in (sehr) eingeschränktem Umfang als Sonderausgaben abziehen, falls sie daneben auch über eine Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung verfügen.
Im Streitfall hatte die GmbH des Klägers bereits im Jahr 1992 zu seinen Gunsten eine Direktversicherung abgeschlossen. Die Beiträge waren vergleichsweise gering (im Streitjahr betrugen sie 1.534 Euro) und wurden vom Kläger im Wege einer Gehaltsumwandlung erbracht. Im Streitjahr 2008 zahlte der Kläger zudem 22.050 Euro in einen „Rürup-Rentenvertrag“ ein. Von letzteren Aufwendungen konnte er aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes letztlich nur 6.108 Euro als Sonderausgaben abziehen. Ohne die vorhandene Direktversicherung hätte der Kläger dagegen 13.200 Euro absetzen können.

Der BFH konnte sich der Auffassung des Klägers nicht anschließen, nach der diese Kürzung unverhältnismäßig sei und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab dem Jahr 2008 angeordnet, dass die Kürzung des Sonderausgabenabzugs im Fall der Gewährung von Zukunftssicherungsleistungen durch den Arbeitgeber nicht davon abhängt, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer hierzu eigene Beitragsleistungen erbringt. Damit wird abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BFH z. B. ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der eine betriebliche Altersvorsorge erhält, bei der Kürzung des Sonderausgabenabzugs den rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und den Beamten ohne Rücksicht darauf gleichgestellt, ob sein Anspruch auf betriebliche Altersvorsorge vollständig auf eigenen Beiträgen beruht. Dass der Gesetzgeber zu einer solchen groben Typisierung berechtigt war, hat der BFH u. a. damit begründet, dass es (beherrschende) Gesellschafter-Geschäftsführer in der Hand haben, ihre Altersversorgung zu gestalten und entsprechend auf die Auswirkungen der Gesetzgebung reagieren können. Nach Ansicht des BFH bewegt sich der Gesetzgeber mit den verschiedenen Typisierungen und Pauschalierungen, die – wie im Streitfall – kumulativ zu einer sehr eingeschränkten Abzugsfähigkeit der „Rürup-Beiträge“ führen können, insgesamt noch innerhalb des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 82/14 vom 10.12.2014 zum Urteil X R 35/12 vom 15.07.2014

 

Kosten des Scheidungsprozesses weiterhin als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Mit am 10.12.2014 veröffentlichtem Urteil vom 21. November 2014 (Az. 4 K 1829/14 E) hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass Scheidungsprozesskosten auch nach der ab dem Jahr 2013 geltenden gesetzlichen Neuregelung als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
Die Klägerin und ihr Ehemann ließen sich im Jahr 2013 scheiden. Bereits im Vorfeld hatten die Eheleute eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, mit der die Klägerin den hälftigen Miteigentumsanteil am gemeinsamen Grundstück erwarb und sich zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages an ihren Ehemann zur Abgeltung aller Ansprüche verpflichtete. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin die Kosten des Scheidungsprozesses und der Scheidungsfolgenvereinbarung sowie die Ausgleichszahlung an ihren Ehemann als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug vollständig und wies auf die ab 2013 geltende Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG hin, nach der Prozesskosten und damit auch Scheidungskosten grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen seien.

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klage teilweise statt. Die Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsprozesses seien außergewöhnliche Belastungen. Die Kosten seien zwangsläufig entstanden, weil eine Ehe nur durch ein Gerichtsverfahren aufgelöst werden könne. Dem stehe die Neuregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht entgegen, denn ohne den Scheidungsprozess und die dadurch entstandenen Prozesskosten liefe die Klägerin Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Der Begriff der Existenzgrundlage sei nicht rein materiell zu verstehen, sondern umfasse auch den Bereich des bürgerlichen Lebens und der gesellschaftlichen Stellung. Dies erfordere die Möglichkeit, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können. Für ein solch weites Verständnis des Begriffs spreche auch die Absicht des Gesetzgebers, lediglich die umfassende Ausweitung der Abzugsfähigkeit von Prozesskosten durch die seit dem Jahr 2011 geltende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wieder einzuschränken. Zwangsläufig entstandene Scheidungskosten seien aber schon seit früherer langjähriger Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastungen anerkannt gewesen. Diese Abzugsmöglichkeit habe der Gesetzgeber nicht einschränken wollen.

Allerdings seien die Kosten für die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht abzugsfähig, da diese Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden und auch nach der früheren Rechtsprechung nicht abzugsfähig gewesen seien. Die Ausgleichszahlung selbst stelle bereits keine außergewöhnliche Belastung dar, sondern vielmehr eine Gegenleistung der Klägerin für den Erwerb des Miteigentums am Grundstück und für die Abgeltung weiterer Ansprüche.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 10.12.2014 zum Urteil 4 K 1829/14 vom 21.11.2014

 

Wann Alkohol eine Kündigung rechtfertigt

Wann Alkohol eine Kündigung rechtfertigt

Alkoholisiert Autofahren im Dienst, das geht nicht. Daher hatte das Arbeitsgericht Berlin die Kündigung eines Berufskraftfahrers bestätigt. Nicht so das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz: Da der alkoholabhängige Beschäftigte zu einer Therapie bereit war, kann die Krankheit eventuell geheilt werden.

Natürlich verletze ein Berufskraftfahrer seine Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag in erheblichem Maße, wenn er das Firmenfahrzeug unter Alkoholeinfluss am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme, urteilte nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Allerdings hielten die Richter dem Beschäftigten seine Alkoholabhängigkeit zugute. Aufgrund der Krankheit sei dem Beschäftigten kein Schuldvorwurf zu machen.

Bei Alkoholkrankheit: Bereit zur Therapie?
Für eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist in diesem Fall eine Prognose zu treffen: Wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann, kann die Kündigung gerechtfertigt sein. Von einer solchen negativen Prognose könne man jedoch nicht ausgehen, wenn der Arbeitnehmer – wie im entschiedenen Fall – im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war.

Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer als Berufskraftfahrer beschäftigt und verursachte mit seinem Lkw unter Alkoholeinfluss (0,64 Promille) einen Unfall. Es entstand ein größerer Sachschaden, der Unfallgegner wurde dabei verletzt. Im Betrieb bestand ein absolutes Alkoholverbot.

Bundesarbeitsgericht: Keine Therapie, keine positive Prognose
Letztlich orientierte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Bundesarbeitsgericht. Das oberste Arbeitsgericht entschied zum Beispiel über die Kündigung eines alkoholkranken Mitarbeiters; für den zweiten Senat kam es damals auf folgendes an: „Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein.“

Das Bundesarbeitsgericht billigte damals die Kündigung, da der Mitarbeiter gerade nicht zu einer entsprechenden Therapie bereit war. „Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur beziehungsweise Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird“, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Da die Alkoholerkrankung zudem die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigte und eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfiel, war die damalige Kündigung für das Bundesarbeitsgericht rechtmäßig.

Landesarbeitsgericht: Abmahnung hätte genügt
Im Ergebnis anders entschied nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Es lehnte die Kündigung im aktuellen Fall ab. Bei einer – im aktuellen Fall – bestehenden Therapiebereitschaft könne vom Arbeitgeber in der Regel erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Das Arbeitsgericht Berlin hatte noch die ordentliche Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Arbeitsrichter urteilten: Ob alkoholerkrank oder nicht, dem Beschäftigten sei vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben. Wegen der Schwere der Pflichtverletzung rechtfertige dieses Verhalten die Kündigung – auch ohne Ausspruch einer Abmahnung.

Arbeitsgericht: Keine Abmahnung wegen schwerer Pflichtverletzung
Der Arbeitgeber müsse dafür Sorge tragen, dass das Alkoholverbot von allen Fahrern beachtet werde. Dies sei mit einer bloßen Abmahnung nicht zu erreichen, argumentierten noch die Richter der ersten Instanz. Auch habe der Arbeitnehmer letztlich keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.

Dieser Argumentation ist das Landesarbeitsgericht letztlich nicht gefolgt.

Nachträgliche Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben ist möglich

Nachträgliche Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben ist möglich

Übersieht ein Finanzamt, dass ein Unternehmer in seiner Umsatzsteuererklärung zwar Umsatzsteuerzahlungen erklärt hat, diese aber versehentlich nicht in seiner Gewinnermittlung als Betriebsausgaben erfasst hat, können diese Zahlungen später noch im Wege einer Änderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt werden.

Die entsprechende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat nun die Oberfinanzdirektion Koblenz aufgegriffen.

Hintergrund
Es war aus steuerlicher Sicht ein „teurer“ Fehler, der einem selbstständigen Ingenieur aus Berlin unterlaufen war: Über Jahre hinweg hatte er seine an das Finanzamt geleisteten Umsatzsteuerzahlungen zwar in seinen Umsatzsteuererklärungen abgerechnet, es aber versäumt, diese Beträge in seiner Einnahmen-Überschussrechnung als Betriebsausgaben zu verbuchen. Das Finanzamt veranlagte erklärungsgemäß, sodass sich über die Jahre Umsatzsteuerbeträge von insgesamt rund 65.000 EUR nicht gewinnmindernd auswirkten. Nachdem Bestandskraft der Bescheide eingetreten war, legte der Unternehmer schließlich Einspruch ein und begehrte die nachträgliche Berücksichtigung der Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben. Der Bundesfinanzhof hielt eine Bescheidänderung für möglich.

Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz
Die Oberfinanzdirektion Koblenz hat sich mit Verfügung vom 12.5.2014 näher mit den Urteilsgründen auseinandergesetzt und zur allgemeinen Anwendbarkeit der Rechtsprechung geäußert. Danach gilt:

Nach dem Urteil konnten die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide geändert werden, da der Bundesfinanzhof eine offenbare Unrichtigkeit annahm.

Der Bundesfinanzhof nahm im Urteilsfall ein mechanisches Übersehen an, weil die Umsatzsteuerzahlungen bei der Festsetzung der Umsatzsteuer stets berücksichtigt worden waren. Einer Änderung stand dabei nicht entgegen, dass noch zu ermitteln war, welche Umsatzsteuerbeträge tatsächlich als Betriebsausgaben abgezogen werden konnten. Mit dieser Entscheidung rückte der Bundesfinanzhof von seinem Grundsatz ab, dass eine mangelnde Sachverhaltsermittlung eine Änderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit eigentlich ausschließt.

Die Oberfinanzdirektion weist darauf hin, dass der Bundesfinanzhof seine Entscheidung offensichtlich darauf stützte, dass die vollständige Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuerbeträge „offenbar“ war. Demnach blieb offen, ob eine Änderung auch dann möglich ist, wenn gezahlte Umsatzsteuerbeträge zuvor nur zum Teil als Betriebsausgaben erklärt worden sind.

Weiter erklärt die Oberfinanzdirektion, dass die Finanzämter die Urteilsgrundsätze ab sofort auch in anderen Fällen (allgemein) anwenden. Auch der Anwendungserlass zur Abgabenordnung soll um einen Passus ergänzt werden, wonach eine offenbare Unrichtigkeit auch dann anzunehmen ist, wenn das Finanzamt zur Berichtigung des übernommenen offenbaren Fehlers noch Sachverhaltsermittlungen zur Höhe des berücksichtigungsfähigen Betrags anstellen muss.

Lohnsteuer-Nachschau: Wenn das Finanzamt spontan vorbeischaut

Lohnsteuer-Nachschau: Wenn das Finanzamt spontan vorbeischaut

Lohnsteuer-Nachschau ohne Ankündigung möglich
Die Lohnsteuer-Nachschau muss nicht angekündigt werden. Der Arbeitgeber hat dem mit der Lohnsteuer-Nachschau beauftragten Amtsträger auf Verlangen Lohn- und Gehaltsunterlagen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden vorzulegen. Zudem muss er Auskünfte erteilen, soweit dies zur Feststellung steuerlich erheblicher Sachverhalte zweckdienlich ist.

Darüber hinaus haben die Mitarbeiter dem Amtsträger jede gewünschte Auskunft über Art und Höhe ihrer Einnahmen zu geben und auf Verlangen in ihrem Besitz befindliche Bescheinigungen über den Lohnsteuerabzug sowie Belege über bereits entrichtete Lohnsteuer vorzulegen.

Nahtloser Übergang zur Außenprüfung zulässig
Geben die bei der Lohnsteuer-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Lohnsteuer-Außenprüfung übergegangen werden. Dies kann insbesondere angezeigt sein,

  • wenn bei der Lohnsteuer-Nachschau erhebliche Fehler beim Steuerabzug vom Arbeitslohn festgestellt wurden,
  • wenn der Sachverhalt im Rahmen der Lohnsteuer-Nachschau nicht abschließend geprüft werden kann und weitere Ermittlungen erforderlich sind,
  • wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen der Lohnsteuer-Nachschau nicht nachkommt oder
  • wenn die Ermittlung aufgrund fehlenden Datenzugriffs nicht oder nur erschwert möglich ist.

Kein Werbungskostenabzug für nachträgliche Schuldzinsen bei Kapitaleinkünften

Kein Werbungskostenabzug für nachträgliche Schuldzinsen bei Kapitaleinkünften

Nachträgliche Schuldzinsen für die Anschaffung einer Beteiligung sind ab 2009 nicht als Werbungskosten abziehbar.

Hintergrund
X hielt ab 1999 eine wesentliche Beteiligung (15 %) an einer GmbH. In 2001 veräußerte er seine Geschäftsanteile zum Preis von 1 DM, wobei ein gewisses Eigenkapital der GmbH garantiert wurde. Hieraus ergab sich ein an den Erwerber zu leistender Ausgleichsbetrag. Um seiner Ausgleichsverpflichtung nachzukommen, verzichtete X auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens, das er bei einer Bank refinanziert hatte. Außerdem leistete er eine Sonderzahlung, die durch ein weiteres Bankdarlehen finanziert wurde.

Die Finanzierungskosten (Schuldzinsen) wurden vom Finanzamt für 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften des X aus Kapitalvermögen anerkannt. Für das Streitjahr 2009 versagte das Finanzamt jedoch den Abzug. Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Das ab 2009 geltende Abzugsverbot komme nicht zur Anwendung, da die Zinsen – wegen der Veräußerung der Beteiligung bereits in 2001 – mit Kapitalerträgen der Vorjahre zusammenhingen.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hält die Sachbehandlung durch das Finanzamt für zutreffend. Er hob das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab.

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer für private Kapitalerträge wurde ab 2009 der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausgeschlossen. Abziehbar ist lediglich noch der Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR (bei Zusammenveranlagung: 1.602 EUR). Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung sieht der Bundesfinanzhof keine Bedenken. Der Gesetzgeber hat einerseits mit der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags bei den Beziehern niedriger Kapitaleinkünfte und andererseits mit der Senkung des Steuertarifs von bisher 45 % auf nunmehr 25 % bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten vorgenommen. Denn bei Kleinanlegern fallen regelmäßig nicht mehr als 801 EUR an Werbungskosten an und bei Spitzeninvestoren dürfte das Abzugsverbot durch die Senkung des Steuertarifs ausgeglichen sein.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts gilt das Abzugsverbot auch für den Fall, dass – nach 2009 – keine Erträge fließen. Eine einschränkende Betrachtung auf Kapitalerträge, die erst nach 2008 zufließen, ist mit dem Wortlaut und den Besonderheiten der Abgeltungsteuer nicht vereinbar.

Steuerberater darf Einspruch nicht eigenmächtig zurücknehmen

Steuerberater darf Einspruch nicht eigenmächtig zurücknehmen

Nimmt ein Steuerberater einen Einspruch ohne vorherige Rücksprache mit seinem Mandanten zurück, verstößt er gegen seine Pflichten aus dem Beratungsvertrag und macht sich schadensersatzpflichtig.

Hintergrund
Streckt ein Steuerberater im Streit mit dem Finanzamt vorzeitig die Waffen ohne sich zuvor mit seinem Mandanten abzusprechen, so kann dieses Vorgehen für ihn in einer Schadensersatzzahlung münden. So geschehen kürzlich in einem Fall vor dem Bundesgerichtshof, in dem ein Steuerberater für seinen Mandanten die Kosten einer doppelten Haushaltsführung geltend gemacht hatte; der Mandant hatte seinen Ersthaushalt jedoch aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt (sog. Wegverlegungsfall), was von der damals geltenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht steuerlich anerkannt wurde. Nachdem das Finanzamt den Kostenabzug verwehrt hatte, legte der Berater zunächst im Auftrag seines Mandanten Einspruch ein. Als das Amt jedoch signalisierte, dass es an seiner ablehnenden Auffassung festhalten wird, nahm der Steuerberater den Einspruch am 12.2.2009 zurück – ohne diesen Schritt mit seinem Mandanten zu besprechen. Es kam wie es kommen musste: 3 Wochen später, am 5.3.2009, änderte der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung und erkannte eine doppelte Haushaltsführung nun auch in Wegverlegungsfällen an. Aufgrund des zurückgenommenen Einspruchs konnte der Mandant nun nicht mehr von der Rechtsprechungsänderung profitieren, sodass er vom Berater einen Schadensersatz in Höhe der entgangenen Steuerersparnis verlangte. Das Amtsgericht verurteilte den Berater zur Zahlung von 1.100 EUR und das Berufungsgericht folgte der Entscheidung. Auch die Revision des Beraters vor dem Bundesgerichtshof blieb nun ohne Erfolg

Bundesgerichtshof nimmt Pflichtverletzung des Beraters an
Der Bundesgerichtshof urteilte, dass der Berater gegen seine Pflichten aus dem Beratungsvertrag verstoßen hatte, indem er den Einspruch eigenmächtig zurückgenommen hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Steuerberater grundsätzlich verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen. Will er von dessen Weisungen abweichen, muss er ihn darüber informieren und (grundsätzlich) dessen Entscheidung abwarten. Da der Mandant das Misserfolgs- und Kostenrisiko des Auftrags trägt, hat er und nicht der steuerliche Berater die grundlegenden Entscheidungen darüber zu treffen, in welcher Weise seine Interessen wahrgenommen werden sollen. Trotz höherer Sachkunde darf ein Berater seine Entscheidung nicht an die Stelle derjenigen seines Mandanten stellen.

Vorliegend hat der Berater mit seiner Einspruchsrücknahme gegen die Weisung seines Mandanten verstoßen, da ein Auftrag zur Einspruchseinlegung nach Ansicht des Bundesgerichtshofs in aller Regel zugleich beinhaltet, dass der Einspruch auch „durchgefochten“ und eben nicht zurückgenommen wird.

Pflichtverletzung hat Schaden versursacht
Der Bundesgerichtshof ging zudem davon aus, dass die begangene Pflichtverletzung den vorliegend geltend gemachten Schaden des Mandanten auch verursacht hat. Zwar hatte der Berater mehrfach erklärt, dass sein Mandant einer Einspruchsrücknahme zugestimmt hätte, wenn er zuvor informiert worden wäre. Der Bundesgerichtshof ließ dieses Argument jedoch unberücksichtigt und zog stattdessen den Beweis des ersten Anscheins heran. Dieser sprach dafür, dass der Mandant der Einspruchsrücknahme nicht zugestimmt hätte. Denn er hatte die Einlegung eines Einspruchs zuvor beauftragt, obwohl die Zeichen gegen ihn standen (= die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seinem Anliegen entgegenstand). Daraus wird deutlich, dass er einen Kostenabzug nur mit „durchgefochtenem“ Einspruch hätte erreichen können.

Aussagen zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters
Das Berufungsgericht hatte die Pflichtverletzung zuvor noch darin gesehen, dass der Berater von dem möglicherweise anstehenden Rechtsprechungswechsel hätte wissen müssen. Demnach sei er gehalten gewesen, den Jahresbericht des Bundesfinanzhofs zu lesen, in dem über das anhängige Revisionsverfahren berichtet worden sei.

Der Bundesgerichtshof erteilte diesem Argument jedoch eine klare Absage und erklärte, dass dem Berater nicht vorgeworfen werden kann, dass er bei Rücknahme des Einspruchs auf den Fortbestand der (ablehnenden) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Wegverlegungsfällen vertraut hatte. Denn ein Berater ist (ohne besonderen Anlass) nicht verpflichtet, die Jahresberichte des Bundesfinanzhofs einzusehen. Zum Themenkreis „Pflichtlektüre eines Steuerberaters“ machte der Bundesgerichtshof zudem folgende Aussagen:

  • Ein Steuerberater darf grundsätzlich auf den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Er muss sich aber über deren Entwicklung anhand der amtlichen Sammlungen und der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten.
  • Eine Änderung der Rechtsprechung muss der Berater in Betracht ziehen, wenn ein oberstes Gericht sie in Aussicht stellt oder neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft sich auf eine ältere Rechtsprechung auswirken können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen Erkenntnissen fehlt.
  • Ausnahmsweise kann der Berater verpflichtet sein, die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum (einschließlich Aufsatzliteratur) heranzuziehen, wenn sich ein Rechtsgebiet eindeutig fortentwickelt und neue höchstrichterliche Rechtsprechung erwartet werden kann. Hat der Berater einen entsprechenden Fall zu bearbeiten, muss er auch Spezialzeitschriften durchsehen.
  • Als Pflichtlektüre eines Beraters kommen vor allem das Bundessteuerblatt und die Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ in Betracht.
  • Reine Entscheidungssammlungen wie z. B. die Zeitschrift „BFH/NV“ muss der Berater nicht vollständig auswerten.
  • Die monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinende Liste der anhängigen Verfahren beim Bundesfinanzhof muss der Berater ebenfalls nicht durchsehen.
  • Die Zeitschrift „Der Ertragsteuerberater“ gehört nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin