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Gleichbehandlung von Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern bei Grunderwerbsteuer

Kernaussage

Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 4 GrEStG). Die Befreiungsvorschrift wurde mit dem Jahressteuergesetz 2010 auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Anders als die vergleichbaren Regelungen zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht jedoch nicht rückwirkend, sondern erst ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2010 am 14.12.2010.

Sachverhalt

Der Antragsteller trennte sich im Jahr 2009 von seinem Lebenspartner. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erhielt der Antragsteller von seinem Lebenspartner dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück und beantragte die Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Das Finanzamt verweigert die Befreiung und verwies auf den seiner Meinung nach eindeutigen Wortlaut der grunderwerbsteuerlichen Vorschrift (§ 3 Nr. 4 GrEStG), der eine Steuerbefreiung im Streitjahr nur für „Ehegatten“ vorsehe und diese nicht auf „Lebenspartner“ ausdehne.

Entscheidung

Das niedersächsische Finanzgericht gewährte dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz in Form der Aufhebung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids. Es folgt dabei den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und überträgt die dort vorgebrachten Gründe vollumfänglich auf die Grunderwerbsteuer. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht zur Gleichbehandlung zielen nach Ansicht des Finanzgerichts auf die gesamte Rechtsordnung ab, mithin auch auf das Steuerrecht und damit auf das Grunderwerbsteuerrecht und nicht allein auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Nach Ansicht des Finanzgerichts sei es zumindest „grenzwertig“, wenn der Gesetzgeber die noch offenen Lebenspartner-Altfälle (Erwerbsvorgänge zwischen dem 1.8.2001 und dem 13.12.2010) bei der Grunderwerbsteuer nicht den Ehegattenerwerbsvorgängen gleichstelle und damit nicht von der Besteuerung befreit.

Konsequenz

Das Gericht fordert in seinem Beschluss den Gesetzgeber unmissverständlich auf, eine entsprechende Gesetzeskorrektur bei der Grunderwerbsteuer mit einer Anwendungsregelung für die Vergangenheit, wie etwa bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, vornehmen. Andernfalls werde man die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

 

BVerfG: Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig

BVerfG Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 16/11

Pressemitteilung Nr. 62/2012 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):

“Mit dem am 14. Dezember 2010 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2010 hat der Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich sämtlicher für sie geltenden grunderwerbsteuerlichen Befreiungen gleichgestellt. Diese Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gilt jedoch nicht rückwirkend, sondern ist auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt. Für alle noch nicht bestandskräftigen Altfälle ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 gelten daher weiterhin die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung von 1997 (GrEStG a. F.), das für eingetragene Lebenspartner – anders als für Ehegatten – keine Ausnahme von der Besteuerung des Grunderwerbs vorsieht. Nach der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit. Von der Besteuerung ausgenommen ist auch der Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung durch den früheren Ehegatten des Veräußerers (§ 3 Nr. 5 GrEStG a. F.). Ferner sieht § 3 GrEStG a. F. – vorwiegend aus güterrechtlichen Gründen – weitere Befreiungsvorschriften für Ehegatten vor.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind eingetragene Lebenspartner und schlossen im Rahmen ihrer Trennung im Jahre 2009 eine Auseinandersetzungsvereinbarung, mit der sie sich wechselseitig ihre Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden Immobilien zum Zwecke des jeweiligen Alleineigentums übertrugen. Ihre gegen die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer gerichteten Klagen führten zur Vorlage durch das Finanzgericht, das die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig hält. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. sowie auch die übrigen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG a. F. mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreien. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2012 eine Neuregelung für die Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum 1. August 2001 bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 beseitigt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern hinsichtlich der Befreiung von der Grunderwerbsteuer muss sich – neben den spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Gleichheitssatzes – an strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen, weil die Differenzierung an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft. Hinreichend gewichtige Unterschiede, welche die Schlechterstellung der Lebenspartner im Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung von 1997 rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern lässt sich nicht unter familien- und erbrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten familien- und erbrechtlich gleichgestellt sowie persönlich und wirtschaftlich in gleicher Weise in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft miteinander verbunden. Die der Steuerbefreiung zugrundeliegende gesetzgeberische Vermutung, dass Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten wie bei den ebenfalls steuerbefreiten nahen Verwandten häufig zur Regelung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten untereinander oder in Vorwegnahme eines Erbfalls erfolgen, gilt daher ebenso für eingetragene Lebenspartner. Des Weiteren begründet die eingetragene Lebenspartnerschaft ebenso wie die Ehe eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht, so dass die Ungleichbehandlung auch nicht mit einem aus besonderen rechtlichen Bindungen gespeisten Familienprinzip zu rechtfertigen ist.

Schließlich kann die Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den Ehegatten auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt werden. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

2. Es besteht keine Veranlassung, den Gesetzgeber von der Pflicht zur rückwirkenden Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zu entbinden. Insbesondere ist die Weitergeltung der für verfassungswidrig erklärten Befreiungsvorschriften nicht wegen einer zuvor nicht hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage anzuordnen. Eine solche, von der grundsätzlichen Rückwirkung sowohl einer Nichtigkeits- als auch Unvereinbarkeitserklärung abweichende Anordnung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht und bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Allein die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Gesetz gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, vermag indessen nicht ohne weiteres eine in diesem Sinne zuvor ungeklärte Verfassungsrechtslage zu indizieren und damit den Gesetzgeber von einer Pflicht zur rückwirkenden Behebung verfassungswidriger Zustände zu befreien.”

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)