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Vorsteuerabzug: Verweis auf Geschäftsunterlagen in Rechnungen zulässig

Vorsteuerabzug: Verweis auf Geschäftsunterlagen in Rechnungen zulässig

Rechtslage
Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist eine ordnungsgemäße Rechnung. In letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen Unternehmen der Vorsteuerabzug versagt wird, weil die Beschreibung der abgerechneten Leistung in der Rechnung unzureichend ist. Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) kann hier aber Abhilfe schaffen.

Sachverhalt
Strittig war der Vorsteuerabzug aus Rechnungen, die in der Leistungsbeschreibung auf die „getroffenen Vereinbarungen“ verwies, ohne diese näher zu erläutern. Die Finanzverwaltung und das Finanzgericht in erster Instanz lehnten einen Vorsteuerabzug ab, da die Leistungsbeschreibung keine Identifizierung der erbrachten Leistung ermögliche. Ein Verweis auf die getroffenen Vereinbarungen reiche hierfür schon deshalb nicht aus, da die Vereinbarungen nicht den Rechnungen beigefügt waren.

Entscheidung
Der BFH erteilt der Finanzverwaltung eine klare Absage. Demnach ist es für den Vorsteuerabzug ausreichend, wenn in der Rechnung auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen wird, die die Identifizierung der erbrachten Leistung ermöglichen. Bedingung hierfür ist lediglich, dass der Verweis die entsprechenden Geschäftsunterlagen eindeutig bezeichnet; eine Beifügung der Unterlagen zur Rechnung ist hingegen nicht erforderlich.

Konsequenz
Das Urteil des BFH ist nicht nur sachgerecht, sondern auch praxistauglich. Unternehmen, die komplexe Leistungen erbringen, brauchen nunmehr keine umfangreichen, den Rahmen einer normalen Rechnung sprengenden, Leistungsbeschreibungen in die Rechnungen aufzunehmen. Ein einfacher, aber eindeutiger Verweis auf den zugehörigen Vertrag, Auftrag o. ä. reicht aus. Zu beachten ist lediglich, dass die bezeichnete Unterlage sowohl dem Rechnungsaussteller, als auch dem Leistungsempfänger vorliegen muss.

Vorsteuerabzug bei Betrug durch Lieferant

Vorsteuerabzug bei Betrug durch Lieferant

Einführung
Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) steht es dem Vorsteuerabzug nicht entgegen, wenn der Lieferant zivilrechtlich nicht Eigentümer des gelieferten Gegenstandes war und zudem noch beabsichtigte den Gegenstand in betrügerischer Absicht noch an andere Erwerber zu „veräußern“. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist demnach nicht die zivilrechtliche Betrachtung, sondern ob dem Erwerber der Liefergegenstand so übertragen worden ist, dass dieser faktisch wie ein Eigentümer hierüber verfügen kann.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) folgt nun der Entscheidung des BFH.

Konsequenzen
Das BMF weist nun auf die Entscheidung des BFH im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) hin. Dass dies aber nur widerwillig geschieht wird deutlich, wenn auch die ergänzenden Aussagen des zugehörigen Schreibens aufmerksam gelesen werden. Demnach steht dem Vorsteuerabzug entgegen, wenn der Abnehmer vom Betrug des Lieferanten wusste bzw. hiervon hätte wissen müssen. Dies entspricht zwar den Aussagen des BFH, problematisch ist jedoch, dass die Beweislast hierfür den Erwerber trifft, sobald die Finanzverwaltung „objektive“ Umstände vorlegt, dass er dies hätte wissen können. Der Erwerber muss dann nachweisen, dass er alle Maßnahmen ergriffen hat, um nicht in einen Betrug einbezogen zu werden. Hierzu soll er dokumentieren, dass er sich über die Unternehmereigenschaft des Lieferanten versichert hat. Ebenso sollen die Geräteidentifikationsnummern der Ware aufgezeichnet werden. Wer die Praxis kennt, muss befürchten, dass ein Betriebsprüfer z. B. sehr schnell „objektive“ Umstände findet, die zu einer Umkehr der Beweislast führen. Gerade Unternehmer, die tatsächlich nicht wussten, dass sie in einen Betrug involviert sind, dürften dann selten derartige Aufzeichnungen besitzen. Hier sollte dann auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurückgegriffen werden, die nur in bestimmten Fällen Nachweise der Erwerber fordert, also weniger restriktiv ist, als die Vorstellungen der deutschen Verwaltung.

Vorsteuerabzug bei Verpachtung an Ehegatten

Vorsteuerabzug bei Verpachtung an Ehegatten

Einführung
Nur derjenige, der eine Leistung empfängt ist zum Vorsteuerabzug hieraus berechtigt. Doch nicht immer ist es einfach zu bestimmen, wer Leistungsempfänger ist.

Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Kfz-Werkstatt in gepachteten Räumlichkeiten. Der Pachtvertrag war allerdings auf ihn und seine Ehefrau ausgestellt. Strittig war nun, ob dem Kläger der hälftige oder volle Vorsteuerabzug zusteht. Der Kläger brachte vor, dass er allein die Pacht bezahle und auch die Räumlichkeiten zu 100 % für sein Unternehmen nutze. Das Finanzamt hingegen orientierte sich am Zivilrecht und sah den Kläger nur zu 50 % als Empfänger der Pachtleistung.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf folgte der Begründung des Finanzamtes und lehnte die Klage ab.

Konsequenzen
In den meisten Fällen sollte es möglich sein, den Vertrag so zu gestalten, dass der volle Vorsteuerabzug möglich ist. Entweder pachtet der Unternehmer alleine die Räume oder die Eheleute als Gemeinschaft, die dann diese wiederum an den Unternehmer verpachtet. Ist dies nicht möglich, so bedeutet das Urteil aber noch nicht, dass der Vorsteuerabzug definitiv weg ist. Das FG hat bewusst die Revision zugelassen, in der geklärt werden soll, ob in solchen Fällen, wie im Urteil, der zivilrechtlichen Betrachtung der Vorrang einzuräumen ist. Entsprechende Fälle können daher unter Bezug auf dieses Verfahren offen gehalten werden.

Profifußball: Zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Spielervermittlern

Profifußball: Zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Spielervermittlern

Kernaussage

Bekanntlich ist die Vermittlung von mehr oder minder begabten Profifußballern ein lukratives Geschäft. Für Außenstehende ist das Zustandekommen eines Transfers oft schwer nachvollziehbar. Kein Wunder, denn selbst der Bundesfinanzhof (BFH) hat Schwierigkeiten zu klären, wer hier mit wem ein Geschäft gemacht hat.

Sachverhalt

Der Kläger war ein Verein mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb. Teil dieses wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes war eine Fußballabteilung, deren Profimannschaft aus angestellten Berufsfußballspielern bestand. Strittig war der Vorsteuerabzug des Vereins aus Rechnungen von Spielervermittlern. Problematisch war, dass ein Teil der Spielervermittler auch gegenüber den vermittelten Spielern vertraglich gebunden war. Das Finanzamt vertrat daher die Ansicht, dass die Spielervermittler nicht dem Verein, sondern den Spielern gegenüber tätig geworden seien. Der Verein habe lediglich deren Zahlungsverpflichtung übernommen. Zur Begründung verwies das Finanzamt u. a. auf die einschlägigen Regelungen der FIFA. Hiernach dürfen Spielervermittler bei einem Transfer nur die Interessen einer Vertragspartei vertreten.

Entscheidung

Nach Ansicht des BFH müssen besondere Umstände vorliegen, damit der Verein selbst als Auftraggeber der Spielervermittler in Frage kommt. Die bloße Entgegennahme von Spielerangeboten durch den Verein reicht dazu nicht aus. Zudem sieht der BFH gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Spielervermittler auch Leistungen gegenüber den Spielern erbracht haben. Da die Feststellungen des Finanzgerichts insgesamt für ein abschließendes Urteil nicht ausreichten, hat der BFH das Urteil an die Unterinstanz zurückverwiesen.

Konsequenz

Einem Bericht des Magazins Kicker zur Folge, könnte das Urteil Steuernachzahlungen für die Profivereine von ca. 70 Mio. EUR nach sich ziehen. Ebenso sollen staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die Vereinsfunktionäre wegen des Verdachts der Untreue drohen. Dies kann, muss aber nicht sein. Der BFH hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass der jeweilige Einzelfall zu betrachten ist. Soweit allerdings die Spielervermittler Beraterverträge mit den zu vermittelnden Spielern unterhielten, ist es wahrscheinlich, dass das FG den Vorsteuerabzug teilweise oder ggf. komplett streichen wird. Darüber hinaus betrifft das Urteil nicht nur den Profifußball, sondern alle Arten von Vermittlungen, in denen der Vermittler Vertragsbeziehungen zu beiden Vertragsparteien unterhält.

Umsatzsteuer: Kein Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten

Umsatzsteuer: Kein Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten

Kernaussage
Wer sich als Unternehmer gegen den Verdacht zur Wehr setzt, im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben, kann die an seinen Strafverteidiger entrichtete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst so entschieden.

Sachverhalt
Der Kläger, ein Bauunternehmer, hatte mutmaßlich eine Zuwendung an einen Entscheidungsträger eines potentiellen Auftraggebers geleistet, um einen Bauauftrag zu erlangen. Gegen ihn und einen seiner Angestellten wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger und sein Angestellter ließen sich durch Strafverteidiger vertreten. Das Bauunternehmen machte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beider Strafverteidiger geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung; ein Vorsteuerabzug kam daher nicht in Betracht.

Entscheidung
Abziehen kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer „für sein Unternehmen“ ausgeführt worden sind. Streitig war, ob die Strafverteidiger Leistungen für das Unternehmen oder für die Privatpersonen erbracht hatten. Deswegen hatte der BFH in derselben Sache zuvor beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefragt, ob es für den Vorsteuerabzug auf den maßgeblichen Entstehungsgrund der Aufwendungen ankomme, dass nämlich die mutmaßliche Straftat im Interesse des Unternehmens begangen wurde oder ob das unmittelbare Ziel der erbrachten Leistung, eine Bestrafung zu verhindern, entscheidend sei. Letzteres ist nach dem in diesem Streitfall ergangenen EuGH-Urteil zutreffend. Leistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu verhindern, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, eröffnen danach kein Recht auf Vorsteuerabzug. Dem hat sich der BFH in dem jetzt veröffentlichten Urteil angeschlossen. Die Vorlage an den EuGH beruhte auf der europarechtlichen Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts und der sich hieraus ergebenden Verpflichtung zur so genannten richtlinienkonformen Auslegung.

Konsequenz
Die Entscheidung hat nur für die Umsatzsteuer Bedeutung. Die ertragssteuerrechtliche Frage, ob Aufwendungen für eine Strafverteidigung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sein können, wird davon nicht berührt.

Vorsteuerabzug: Mindestlizenzgebühren als Teilleistungen

Vorsteuerabzug: Mindestlizenzgebühren als Teilleistungen

Kernaussage
Aus Eingangsrechnungen, die noch nicht bezahlt sind, ist ein Vorsteuerabzug nur möglich, wenn die zugehörige Leistung schon erbracht wurde. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie z. B. Mieten ist die Leistung erst am Ende der Mietzeit erbracht, es sei denn es werden z. B. monatliche Teilleistungen vereinbart.

Sachverhalt
Eine GmbH erwarb eine Lizenz von einer GbR. Die Höhe der Lizenzgebühr war abhängig von der Anzahl der mit der Lizenz verkauften Produkte. Daneben wurde eine Mindestlizenzgebühr vereinbart. Die GbR stellte diese Mindestlizenzgebühr im Dezember 2000 in Rechnung. Die GmbH meldete die Vorsteuer aus dieser Rechnung mit der Voranmeldung für Dezember 2000 an. Nachdem die GmbH festgestellt hatte, dass die Lizenz der GbR zu Unrecht bestand, kündigte sie den Lizenzvertrag im März 2001, eine Bezahlung der Rechnung über die Mindestlizenzgebühr unterblieb. Mit der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2000 berichtigte die GmbH die Vorsteuer. Der hieraus resultierende Erstattungsanspruch des Finanzamts wurde nicht beglichen, da die GmbH mittlerweile insolvent war. Der Geschäftsführer wurde daraufhin wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Ferner erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen ihn für die rückständige Umsatzsteuer 2000. Ihm wurde vorgeworfen, dass die GmbH die Vorsteuer, mangels Bezahlung, nicht hätte geltend machen dürfen, da die Leistung nicht erbracht worden war.

Entscheidung
Der BFH hält den Vorsteuerabzug im Dezember 2000 für korrekt, weil es sich bei der Vereinbarung der Mindestlizenzgebühr um eine Teilleistung handelt. Da diese erbracht war, kam es auf deren Bezahlung nicht mehr an. Auch bestand für die GmbH nach Kündigung des Vertrages zwar die Pflicht die Vorsteuer zu berichtigen, aber nicht im Jahr 2000. Vielmehr muss die Korrektur in dem Jahr erfolgen in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist, also in 2001.

Konsequenz
Der Prozess vor dem Finanzgericht endet erfreulicher für den Kläger als der Strafprozess. Eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers ist nicht möglich, da es an einer Steuerhinterziehung fehlt. Unerfreulich ist vorliegend jedoch, dass das Urteil nichts an der strafrechtlichen Verurteilung des Geschäftsführers wegen Steuerhinterziehung mehr ändert.

Springpferde: Kein höherer Vorsteuerabzug durch EuGH-Rechtsprechung

Springpferde: Kein höherer Vorsteuerabzug durch EuGH-Rechtsprechung

Kernaussage
Die Lieferung von Pferden unterlag nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) bis zum 30.6.2012 dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in 2011 geurteilt hatte, dass diese Regelung gegen geltendes EU-Recht verstößt, wurde die Begünstigung mit Wirkung vom 1.7.2012 abgeschafft.

Sachverhalt
Der Kläger kaufte in 2011 ein Springpferd für ca. 78.000 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer von ca. 15.000 EUR. Das Finanzamt kürzte den Vorsteuerabzug auf 7 %. Zur Begründung verwies es auf das geltende deutsche Recht, das zu diesem Zeitpunkt noch einen Steuersatz von 7 % vorsah. Demnach seien die restlichen 12 % zu Unrecht vom Lieferanten in Rechnung gestellt worden und somit nicht abzugsfähig. Hiergegen wandte sich der Kläger unter Berufung auf die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL).

Entscheidung
Das niedersächsische Finanzgericht lehnte die Klage ab. Es sah keine Berechtigung des Klägers, sich direkt auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu berufen. Dieses Recht könne im vorliegenden Fall allenfalls dem Lieferanten zustehen. Allerdings sei auch dies nicht möglich, da das europäische Recht nur dann Vorrang habe, wenn es günstiger sei, was im Fall aufgrund des Ansatzes des höheren Steuersatzes nicht gegeben sei.

Konsequenz
Gegen das Urteil ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Es wird daher zu beobachten sein, ob dieser die Rechtsauffassung des Finanzgerichts teilt. Eine Klärung wäre für die Praxis zu wünschen, da die Entscheidung auch in anderen Fällen von Bedeutung ist. Immer wieder gibt es Urteile des EuGH, die Bestimmungen des UStG in Frage stellen oder sogar als nicht vereinbar mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie darstellen. In solchen Fällen besteht dann durchaus die Unsicherheit in der Praxis, ob die Rechnungen noch nach dem veralteten UStG zu stellen sind oder nicht. So steht zu vermuten, dass der Lieferant des Pferdes mit 19 % fakturiert hat, um auf der „sicheren Seite“ zu stehen. Soweit es bei dem Urteil verbleibt, muss der Leistungsempfänger jedoch auf einer Rechnung nach dem UStG bestehen, um nicht auf der Vorsteuer sitzen zu bleiben.

Vorsteuerabzug bei vollständigem Verlust sämtlicher Eingangsrechnungen

 Leitsatz

1. Sind sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert worden, ist dieser gestohlen worden und ist deshalb die Vorlage der Originalunterlagen unmöglich geworden, sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt (hier: Schätzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit 60 % der voranmeldeten Vorsteuerbeträge).

2. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung i. S. d. § 14 UStG ; das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden. Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben.

3. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis des Leistungseingangs nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben.

4. Bei Verlust der Eingangsrechnungen muss der Unternehmer die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs darlegen und hierfür Beweis anbieten; insbesondere muss vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der Vorsteuerabzug beantragt wird. Dieser Nachweis wird nicht durch den Beweisantrag erbracht, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, wenn zugleich jedoch eingeräumt wird, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich sind.

 Gesetze

AO § 162 Abs. 1
AO § 162 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
AO § 14

 Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der nach einer Außenprüfung ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 1998 bis 2001 vom 21. Juni 2007.

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der … GmbH (GmbH 1). Bei dieser hatte Anfang 1999 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1997 stattgefunden. Dabei wurde festgestellt, dass zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH 1 als Organgesellschaft seit 1996 eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. In Tz. 21 des Betriebsprüfungsberichts betreffend die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 führte das FA aus, dass die Umsätze des Organkreises durch den Kläger als Organträger zu erklären seien und er ab dem 1. Januar 1999 eingereichte Voranmeldungen zu berichtigen habe. Sodann führte das FA im Bp-Bericht aus, dass aus verwaltungstechnischen Gründen die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft nicht geändert würden.

Im Mai 2003 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) gegen den Kläger eine Prüfungsanordnung wegen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Feststellung des Gewinns für die Jahre 1998 bis 2001. Der Prüfer bat den Kläger im Sommer 2003 erfolglos um Vorlage der für die Prüfung notwendigen Unterlagen. Der Kläger beantragte wiederholt die Verschiebung des Prüfungsbeginns. Parallel hierzu beschloss die Gesellschafterversammlung im August 2003 die Umfirmierung der GmbH 1 in C. GmbH. Im Jahre 2004 veräußerte diese im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen an die neu gegründete D. GmbH, die im Dezember 2004 umfirmierte in … GmbH (GmbH 2).

Im Sommer 2004 teilte der Kläger dem Prüfer mit, dass ihm die Vorlage der erbetenen Unterlagen inzwischen unmöglich geworden sei. Zur Begründung führte er aus, im Zuge des Verkaufs sei das bestehende „Miet- und Pachtverhältnis” zwischen ihm, dem Kläger, und der GmbH 1 einvernehmlich aufgehoben worden. Das Anlage- und Umlaufvermögen habe die GmbH 2 übernommen. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH 2 sei M. S. gewesen. Nach der Veräußerung des Anlage- und Umlaufvermögens sei für die GmbH 1 die Liquidation eingeleitet und beim Handelsregister angemeldet worden. Die gesamten Buchführungsunterlagen der GmbH 1 hätten nunmehr vom Betriebsgelände entfernt werden müssen. Er habe daher die Unterlagen und die EDV-Anlage, auf der die Buchhaltung gespeichert war, auf einen Kleinlaster geladen und auf diesem bereitgehalten, als der Kleinlaster am 23. Juni 2004 entwendet worden sei. Die nicht für die Betriebsprüfung benötigten Unterlagen habe er zwecks Einlagerung nach O. verbringen wollen.

Nach der Beschaffung vereinzelter Belegzweitschriften erfolgte die Prüfung zwischen Januar 2006 und April 2007. Aufgrund des Prüfungsberichts vom 23. Mai 2007 ergingen am 21. Juni 2007 die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide. Mangels Unterlagen hatte das FA über die durch Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuern hinaus 60 % der erklärten Vorsteuern anerkannt.

Zur Begründung der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhoben Klage trägt der Kläger vor, die Bescheide seien nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Die umsatzsteuerliche Organschaft sei durch den Verkauf und die Liquidation der GmbH im Jahre 2004 beendet worden. Deshalb hätten die mit der Klage angefochtenen Bescheide nicht ihm, dem Kläger, sondern der GmbH 1 zugestellt werden müssen. Für die GmbH 1 hätte entsprechend dem Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Februar 1993 X B 165/92 , BFH/NV 1994, 214 ein Nachtragsliquidator bestellt werden müssen. Die Zustellung an ihn, den Kläger, sei fehlerhaft, da die Umsatzsteuerbescheide nun dem falschen Steuerschuldner bekannt gegeben worden seien.

Im Übrigen sei dem FA bei der Schätzung der Höhe der zu berücksichtigenden Vorsteuern gravierende Fehler unterlaufen.

Für die Umsatzsteuer 1998 sei im Rahmen der Vorprüfung betreffend die Jahre 1994 bis 1997 eine umsatzsteuerliche Organschaft auch für das Jahr 1998 festgestellt worden. Unter Punkt 21 des Prüfungsberichts vom 14. Juli 1999 habe das FA ausgeführt, dass die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft für die Jahre 1996 bis 1998 aus verwaltungstechnischen Vereinfachungsgründen nicht geändert würden. Durch diese Aussage sei ein Vertrauenstatbestand gem. § 176 AO geschaffen worden, an den das FA gebunden sei.

Außerdem habe er, der Kläger, für die Umsatzsteuer der Jahre 1999 bis 2001 den Nachweis über die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuern erbracht. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 12. Mai 2003 V B 226/02, BFH/NV 2003, 1226 , ausgeführt, dass es in Fällen, in denen Originalrechnungen nicht mehr vorhanden seien, zulässig sei, den erforderlichen Nachweis auch auf andere Weise zu erbringen. Hierzu könne sich der Steuerpflichtige aller verfahrensrechtlich zulässigen Beweismittel bedienen. Er, der Kläger, habe sich bemüht, von seinen Lieferanten, die für die streitigen Zeiträume Waren und ähnliche Güter geliefert und darüber ordnungsgemäß Rechnung erteilt hätten, Zweitschriften bzw. schriftliche Bestätigungen zu erhalten. Er habe dabei rund 240 Firmen angeschrieben mit der Bitte, eine vorgefertigte Erklärung zu unterschreiben und exemplarisch eine Rechnung beizufügen. So habe beispielsweise die Firma E. GmbH am 16. August 2007 bestätigt, dass sie regelmäßig Rechnungen im Sinne des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) erteilt habe und exemplarisch die Rechnung Nr. 40738 vom 7. Dezember 2001 beigefügt. Das FA habe dieses Bemühen zu Unrecht als mangelhaft erachtet. Das FA habe nicht berücksichtigt, dass steuerrechtliche und handelsrechtliche Aufbewahrungspflichten längst abgelaufen waren und eine Übersendung der gesamten Rechnungen aller Lieferanten aus Kostengründen nicht möglich gewesen sei. Ein solcher Aufwand sei schlicht unverhältnismäßig gewesen. Die von den Lieferanten erhaltenen Erklärungen und Rechnungszweitschriften würden immerhin 3 Leitzordner umfassen. Diese Unterlagen besäßen daher quantitativ und qualitativ eine hohe Aussagekraft. Von einem mangelhaften Bemühen könne unter diesen Umständen keine Rede sein. Außerdem sei die laufende Buchhaltung durch die Steuerkanzlei … und Partner KG erfolgt. Dieser Kanzlei hätten die Originalrechnungen vorgelegen. Die Mitarbeiterin B. A. habe an Eides Statt versichert, dass sie nur Rechnungen verbucht habe, die den Anforderungen des § 14 UStG entsprochen hätten. Dies könnten auch Steuerberater K. T. und die Sachbearbeiterin A. O. bezeugen.

Hinsichtlich der Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuerbeträge habe sich das FA darauf berufen, dass im Rahmen der Vorprüfung Vorsteuern in einer Größenordnung von rund 40 % nicht anzuerkennen waren. Diese Argumentation sei unhaltbar, denn die fälschlicherweise gezogene Vorsteuer habe mit dem Erwerb eines Grundstücks ganz überwiegend nur einen einzigen Vorgang betroffen. Unter Außerachtlassung dieses Vorganges seien die Vorsteuern in der Vorprüfung zwischen 0 und 5,08 % gekürzt worden. In den Streitjahren sei jedoch kein Anlagevermögen erworben worden, so dass sich ein solcher Fehler auch nicht habe wiederholen können. Die Umsatzsteuerforderungen des FA seien in den Vorjahren viel geringer als nun aufgrund der Prüfung in den Streitjahren.

Soweit das FA meint, die vorgelegten Rechnungskopien würden teilweise nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, verkenne das FA, dass sich die Rechtslage im Laufe der Jahre geändert habe. § 14 UStG habe in den letzten Jahren erhebliche Änderungen erfahren. Die vorgelegten Rechnungen entsprächen sämtlich den in den Streitjahren maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1998 – 2001 vom 21. Juni 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Es meint, es sei zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt gewesen. Im Hinblick auf die fehlenden Unterlagen sei es nötig gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Dabei habe das FA deutlich höhere Vorsteuerbeträge berücksichtigt als der Kläger glaubhaft gemacht habe.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt.

Die angefochtenen Umsatzsteuersteuerbescheide sind zutreffender Weise an den Kläger gerichtet und diesem bekannt gegeben worden.

Ein Steuerbescheid ist demjenigen gegenüber bekanntzugeben, der von ihm inhaltlich betroffen ist. Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist der Organträger Unternehmer, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG . Deshalb ist ihm gegenüber der Umsatzsteuerbescheid bekanntzugeben. Nach dem Vortrag des Klägers wurde das Organschaftsverhältnis im Jahre 2004 beendet. Die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft führt dazu, dass für die Zeit ab deren Beendigung wieder zwei Unternehmer existieren. Für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Streitjahre hat die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft im Jahre 2004 keine Auswirkung. Die angefochtenen Bescheide waren daher dem Kläger als damaligem Organträger bekanntzugeben.

Im Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Für das Jahr 1998 drohte der Eintritt der Festsetzungsverjährung allenfalls zum 31. Dezember 2003 (§§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung – AO –). Das FA hatte allerdings zuvor eine Außenprüfung angeordnet, deren Beginn auf Antrag des Kläger wiederholt hinausgeschoben wurde (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Die Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuern ist nicht zu beanstanden.

Das FA war zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dürfen die Finanzbehörden die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Der Kläger hat vorgetragen, dass sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert waren, als dieser gestohlen wurde und ihm deshalb die Vorlage der Unterlagen unmöglich geworden ist. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt.

Das Finanzamt hat die Vorsteuern in Höhe von 60 % der vom Kläger im Voranmeldungsverfahren erklärten Beträge berücksichtigt. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung im Sinne des § 14 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der in den Streitjahren maßgebenden Fassung); das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung § 162 AO Rz. 27). Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Hiervon ist das FA offenbar ausgegangen, denn es hat über die vom Kläger aufgrund der Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuerbeträge darüber hinausgehend weitere Vorsteuerbeträge berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug ergeben sich aus den §§ 14 , 15 UStG. Der Vorsteuerabzug u.a. ist nur möglich, wenn bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts bezeichnet werden. Den Umfang der dem Kläger zustehenden Vorsteuer konnte der Senat nicht feststellen. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis darüber, dass ihm ein anderer Unternehmer Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellt hat, nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 156/06 Rz. 13, BFH/NV 2008, 416 ). Dieser Nachweis ist dem Kläger nach Auffassung des Senats nicht gelungen.

Der Kläger hat nämlich die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht dargelegt und hierfür Beweis angeboten. Er hat insbesondere nicht vorgetragen, für welche konkrete Leistung ihm der Vorsteuerabzug zusteht. Der Kläger hat lediglich beantragt, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, zugleich aber eingeräumt, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich seien. Damit aber hat der Kläger nicht die zum Vorsteuerabzug notwendigen Tatsachen vorgetragen. Dabei verkennt der Kläger, dass nicht das Vorliegen von Rechnungen streitig ist, sondern ob ihm aus den einst in seinem Besitz befindlichen Rechnungen der Vorsteuerabzug zusteht. Bei der Behauptung des ausschließlichen Vorliegens und Verbuchens von ordnungsgemäßen, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen handelt es sich nicht um Tatsachen, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung – nämlich um das Vorliegen von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen –. Dies kann das Gericht aber nur aufgrund der Vorlage der Rechnungen oder nach einer Beweisaufnahme feststellen; denn erst, wenn im Einzelnen bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts festgestellt werden kann, kann das Gericht darüber befinden, ob eine ordnungsgemäße Rechnung vorlag, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür hat der Kläger keinen Beweis angeboten.

Die von den Lieferanten unterzeichneten Erklärungen über die Üblichkeit der Rechnungsausstellung mit gesondertem Vorsteuerausweis für den Vorsteuerabzug genügen ebenfalls nicht für den begehrten Vorsteuerabzug, weil auch aus ihnen die für den Vorsteuerabzug notwendigen Angaben nicht entnommen werden können.

Der Kläger hat durch Vorlage von Rechnungszweitschriften Vorsteuern zwischen 20.877,73 DM (2001) und 27.433,71 DM (1998) glaubhaft gemacht. Das FA hat hingegen in den angefochtenen Bescheiden Vorsteuern zwischen 338.634,70 DM (2001) und 584.544,69 DM (1998), also ein Vielfaches der glaubhaft gemachten Vorsteuern berücksichtigt. Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Möglichkeit, weitere Vorsteuern zu berücksichtigen.

Der Hinweis des Klägers auf die Vorprüfung geht fehl. In der Vorprüfung lagen – anders als im vorliegenden Verfahren – sämtliche Belege vor.

Für das Jahr 1998 ist kein Vertrauenstatbestand im Sinne von § 176 AO geschaffen worden. § 176 AO setzt in allen Fallvarianten eine Entscheidung eines Gerichts voraus. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist aus den Akten sonst ersichtlich, dass das FA eine Steuerfestsetzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu seinem Nachteil geändert hätte. Auch im Übrigen kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensgrundsätze beruhen.

Das FA hat im Bp-Bericht der GmbH 1 nur mitgeteilt, dass die eingereichten Erklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 nicht geändert werden müssen und eine solche erst ab dem 1. Januar 1999 zu erfolgen hat. Damit hatte das FA aber keine Aussage darüber getroffen, dass die Steuerbescheide nicht später noch geändert werden könnten. Dies ergibt sich für das Jahr 1998 insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieses Jahr gar nicht Gegenstand der Betriebsprüfung gewesen war.

Im Übrigen käme ein Vertrauensschutz allenfalls bei unveränderter Sachlage (insbesondere der fortbestehenden Zahlungsfähigkeit der Organgesellschaft) in Betracht. Im vorliegenden Verfahren hat sich aber die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt der Abfassung des Berichts über die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 in wesentlichen Punkten verändert, da die Organtochter ihr gesamtes Anlage- und Umlaufvermögen vor Beginn der Betriebsprüfung beim Kläger veräußert hatte und ihre Löschung im Handelsregister beantragt worden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage des Umfangs des möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem Verlust sämtlicher Belege zugelassen.

Kein Vorsteuerabzug aus Strafverteidigungskosten

Wer sich als Unternehmer gegen den Verdacht zur Wehr setzt, im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben, kann die an seinen Strafverteidiger entrichtete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 11. April 2013 (V R 29/10) entschieden.

Der Kläger, ein Bauunternehmer, hatte mutmaßlich eine Zuwendung an einen Entscheidungsträger eines potenziellen Auftraggebers geleistet, um einen Bauauftrag zu erlangen. Gegen ihn und einen seiner Angestellten wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger und sein Angestellter ließen sich durch Strafverteidiger vertreten. Das Bauunternehmen machte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beider Strafverteidiger geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Das Finanzgericht gab der Klage statt.

Der BFH hat nun die Auffassung des Finanzamts bestätigt. Abziehen kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer „für sein Unternehmen“ ausgeführt worden sind. Streitig war, ob die Strafverteidiger Leistungen für das Unternehmen oder für die Privatpersonen erbracht hatten. Deswegen hatte der BFH in derselben Sache zuvor bei dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) angefragt, ob es für den Vorsteuerabzug auf den maßgeblichen Entstehungsgrund der Aufwendungen ankomme, dass nämlich die mutmaßliche Straftat im Interesse des Unternehmens begangen wurde oder ob das unmittelbare Ziel der erbrachten Leistung, eine Bestrafung zu verhindern, entscheidend sei (BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10 (BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441).

Letzteres ist nach dem in diesem Streitfall ergangenen EuGH-Urteil vom 21. Februar 2013 C-104/12 zutreffend. Leistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu verhindern, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, eröffnen danach kein Recht auf Vorsteuerabzug. Dem hat sich der BFH in dem jetzt veröffentlichten Urteil angeschlossen.

Die Vorlage an den EuGH beruhte auf der europarechtlichen Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts und der sich hieraus ergebenden Verpflichtung zur sog. richtlinienkonformen Auslegung.

Hinweis: Die Entscheidung hat nur für die Umsatzsteuer Bedeutung. Die ertragssteuerrechtliche Frage, ob Aufwendungen für eine Strafverteidigung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sein können, wird davon nicht berührt.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 40/13 vom 17.07.2013 zum Urteil V R 29/10 vom 11.04.2013

BUNDESFINANZHOF Entscheidung vom 22.12.2011, V R 29/10EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten und zum Leistungsbezug durch mehrere Empfänger

Leitsätze

1. Bestimmt sich der von der EuGH-Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs für „Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ i.S. von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG als maßgeblich erachtete direkte und unmittelbare Zusammenhang

– nach dem objektiven Inhalt der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung (hier: Tätigkeit eines Strafverteidigers, damit eine natürliche Person nicht strafrechtlich verurteilt wird) oder

– nach dem Entstehungsgrund der bezogenen Leistung (hier: wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen, bei der angeblich eine Straftat durch eine natürliche Person begangen wurde)?

2. Falls es auf den Entstehungsgrund ankommt: Ist ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung zusammen mit einem Angestellten in Auftrag gibt, gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zum vollen oder nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt und welche Anforderungen bestehen bei Bezug einer Leistung durch mehrere Empfänger an die Rechnungserteilung gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG?

Tatbestand

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I. Zum Sachverhalt Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Einzelunternehmer und Mehrheitsgesellschafter der A-GmbH (GmbH), einer juristischen Person nach deutschem Recht. Der Kläger und X waren Geschäftsführer der GmbH, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerpflichtige Bauleistungen gegen Entgelt erbrachte. Prokurist und später ebenfalls Geschäftsführer der GmbH war P.
2
Zwischen dem Kläger und der GmbH bestand auf der unionsrechtlichen Grundlage des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eine sog. Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG). Der Kläger und die GmbH werden danach als ein Steuerpflichtiger behandelt, wobei den Kläger –als sog. Organträger– die steuerrechtlichen Verpflichtungen des aus seinem Einzelunternehmen und der GmbH bestehenden Gesamtunternehmens treffen.
3
Nachdem die GmbH einen Bauauftrag erhalten und diesen gegen Entgelt steuerpflichtig ausgeführt hatte, eröffnete die für die Strafverfolgung zuständige Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und P, da der Verdacht bestand, die GmbH habe zur Erlangung dieses Auftrags bei der Ausschreibung eines Bauprojekts vertrauliche Informationen über Angebote konkurrierender Bauunternehmen erhalten und habe deshalb Konkurrenzangebote bei der Ausschreibung unterbieten können. Die GmbH habe für die Erlangung dieser Informationen Zuwendungen geleistet, die strafrechtlich als „Bestechung“ oder Beihilfe durch den Kläger, X und P und für den Zuwendungsempfänger als „Bestechlichkeit“ zu würdigen seien.
4
Die gegen den Kläger und gegen P eröffneten Strafverfahren wurden gemäß § 153a der Strafprozessordnung gegen Zahlung von Geldbeträgen eingestellt.
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Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde der Kläger durch einen Rechtsanwalt und P durch eine Rechtsanwältin anwaltlich vertreten. Nach den bei der jeweiligen Mandatserteilung getroffenen Honorarvereinbarungen waren Auftraggeber des Rechtsanwalts der Kläger als Beschuldigter und die GmbH sowie Auftraggeber der Rechtsanwältin der Beschuldigte P und die GmbH. Beide Vereinbarungen waren auf Seiten der Auftraggeber nur für die GmbH, vertreten durch den Kläger und P als Geschäftsführer unterschrieben und mit dem Firmenstempel der GmbH versehen.
6
Beide Rechtsanwälte erteilten über ihr Honorar jeweils eine an die GmbH adressierte Rechnung. Aus den Rechnungen der beiden Rechtsanwälte nahm der Kläger –als Organträger der GmbH– im Streitjahr 2005 den Vorsteuerabzug vor.

Entscheidungsgründe

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II. Entscheidungsgründe 1.     Rechtlicher Rahmen
a)     Unionsrecht
Der Mehrwertsteuer unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt erbringt.
8
Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige, der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.
9
Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) setzt der Vorsteuerabzug einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung voraus. Dabei differenziert der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 6. April 1995 C-4/94, BLP, Slg. 1995, I-983; vom 8. Juni 2000 C-98/98, Midland Bank, Slg. 2000, I-4177; vom 22. Februar 2001 C-408/98, Abbey National, Slg. 2001, I-1361; vom 13. März 2008 C-437/06, Securenta, Slg. 2008, I-1597, und vom 29. Oktober 2009 C-29/08, SKF, Slg. 2009, I-10413) wie folgt:
10
aa) Besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu einem einzelnen Ausgangsumsatz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, der steuerpflichtig ist (gleichgestellt: Umsatz i.S. von Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG), kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen dieses Ausgangsumsatzes.
11
bb) Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Ausgangsumsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt oder –ohne Anwendung von Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG– steuerfrei ist, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug.
12
Dies gilt auch, wenn der Unternehmer z.B. eine Leistung für einen steuerfreien Ausgangsumsatz bezieht, um mittelbar seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu stärken, da „der vom Steuerpflichtigen verfolgte endgültige Zweck unerheblich ist“ (EuGH-Urteile BLP in Slg. 1995, I-983 Rdnr. 19; Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 20, und Abbey National in Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 25).
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cc) Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und –als solche– Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug.
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b)      Nationales Recht
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Der erkennende Senat legt diese Vorschrift entsprechend Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH aus (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, unter II.1.b; vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.1.b, und vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2.b).
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2.      Zur ersten Vorlagefrage
Der Senat hat Zweifel, wie der Begriff „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ i.S. von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG unter Berücksichtigung des sich aus der EuGH-Rechtsprechung ergebenden Kriteriums des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs auszulegen ist. Dabei stellt sich die Frage, ob bei der Bestimmung dieses Zusammenhangs der objektive Inhalt der bezogenen Leistung oder der –ggf. aus Sicht des Unternehmers zu beurteilende– Entstehungsgrund für den Bezug der Leistung maßgeblich ist.
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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es für die Bestimmung des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs auf die „objektiven Umstände“ (EuGH-Urteil Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 32 und Leitsatz 2) und die „objektive Natur des betreffenden Umsatzes“ an (EuGH-Urteil BLP in Slg. 1995, I-983 Rdnr. 24). Nach ihrer objektiven Natur diente die Anwaltsleistung direkt und unmittelbar dazu, das private und daher nichtwirtschaftliche Interesse der beiden Beschuldigten gegen die nur sie persönlich treffenden Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen.
18
b) Für den nach der EuGH-Rechtsprechung maßgeblichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang ist aber auch zu beachten, ob die bezogene Leistung ihren „ausschließlichen Entstehungsgrund“ (EuGH-Urteil vom 8. Februar 2007 C-435/05, Investrand, Slg. 2007, I-1315 Rdnr. 33) in den steuerpflichtigen Tätigkeiten hat. Dies ist im Streitfall insoweit zu bejahen, als die Leistungen der beiden Rechtsanwälte –unabhängig von subjektiven Vorstellungen der GmbH und ihres Organs (s. nachstehend d)– ohne die steuerpflichtige Umsatztätigkeit der GmbH nicht bezogen worden wären. Es könnte daher entsprechend den anwaltlichen Beratungsleistungen, um die es im EuGH-Urteil Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 ging, zumindest ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen bestehen. Der Kläger als Organträger der GmbH wäre dann zum Vorsteuerabzug berechtigt.
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c) Bei der Entscheidung über die erste Vorlagefrage kann auch zu berücksichtigen sein, dass Beschuldigte in den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nur die beiden natürlichen Personen waren, nicht dagegen die GmbH sein konnte, und daher kein rechtlicher Zusammenhang der Strafverfolgung zur GmbH bestand. Dies könnte auch der Annahme eines in der wirtschaftlichen Tätigkeit liegenden Entstehungsgrundes entgegenstehen. Dementsprechend darf nach der BFH-Rechtsprechung eine wirtschaftlich tätige Personengesellschaft die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für von ihr bezogene Dienstleistungen nicht als Vorsteuer abziehen, wenn diese Dienstleistungen der Erfüllung der persönlichen einkommensteuerrechtlichen Verpflichtungen ihrer Gesellschafter dienen (BFH-Urteil vom 8. September 2010 XI R 31/08, BFHE 231, 335, BStBl II 2011, 197).
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d) Subjektive Vorstellungen der GmbH und ihrer Organe wie z.B. das Interesse an der Verhinderung eines Reputationsschadens für die GmbH durch eine strafrechtliche Verurteilung ihrer Mitarbeiter aus Anlass von Handlungen, die diese im Interesse der wirtschaftlichen Tätigkeit der GmbH (angeblich) begangen haben, sind demgegenüber ggf. als nur indirekte und mittelbare Umstände unerheblich; Gleiches gilt für das Interesse der GmbH, eine strafrechtliche Verurteilung ihrer Mitarbeiter zu verhindern und auch in der Zukunft an Bauausschreibungen der öffentlichen Hand wie z.B. von Gemeinden teilnehmen zu können (vgl. zur Unbeachtlichkeit des vom Steuerpflichtigen verfolgten endgültigen Zwecks EuGH-Urteile BLP in Slg. 1995, I-983 Rdnr. 19; Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 20, und Abbey National in Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 25; vgl. auch EuGH-Urteil SKF in Slg. 2009, I-10413 Rdnr. 59).
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e) Nicht von Bedeutung für die Entscheidung der Vorlagefrage ist nach Auffassung des erkennenden Senats schließlich auch der Ausgang des Strafverfahrens, da es für den Vorsteuerabzug auf die maßgebliche Zweckverfolgung beim Leistungsbezug, nicht aber auf die Zweckerreichung ankommt.
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3.      Zur zweiten Vorlagefrage
Besteht dem Grunde nach eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug, stellt sich im Streitfall die weitere Frage, ob die Beauftragung durch zwei Auftraggeber einem Vorsteuerabzug des Klägers als Organträger der GmbH entgegensteht.
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a) Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gegen Entgelt ausgeführte Leistung einen unmittelbaren Zusammenhang voraus (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 3. März 1994 C-16/93, Tolsma, Slg. 1994, I-743 Rdnr. 13; vom 16. Oktober 1997 C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577 Rdnr. 12; vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer Golf & Country Club, Slg. 2002, I-3293 Rdnr. 39), der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben muss, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (EuGH-Urteile Tolsma in Slg. 1994, I-743 Rdnr. 14; Kennemer Golf & Country Club in Slg. 2002, I-3293 Rdnr. 39; vom 17. September 2002 C-498/99, Town & County Factors Ltd., Slg. 2002, I-7173 Rdnr. 18).
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b) Nicht zweifelhaft ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass eine dem Steuerpflichtigen erbrachte Dienstleistung i.S. von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige Empfänger dieser Dienstleistung ist, und dass sich die Person des Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (s. oben II.3.a) bestimmt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa).
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c) Auslegungsbedürftig ist Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG aber insoweit, als sich aus dieser Bestimmung nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, wie über den Vorsteuerabzug zu entscheiden ist, wenn der Steuerpflichtige nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht allein Auftraggeber, sondern zusammen mit einer weiteren Person, die nicht Steuerpflichtige ist, Auftraggeber der Leistung ist.
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aa) Bestehen –wie im Streitfall– im Verhältnis zum Leistenden keine weiteren Vereinbarungen dazu, welcher der Auftraggeber in welchem Umfang die Leistung zu vergüten hat, sind nach nationalem Zivilrecht beide Auftraggeber zur Zahlung des Entgelts für die Leistung in vollem Umfang verpflichtet; der Leistende kann den Anspruch auf Entgelt zwar nur einmal fordern, dabei jedoch nach seinem Belieben jeden der beiden Auftraggeber ganz oder zum Teil in Anspruch nehmen (§ 421 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–). Bei einer –wie im Streitfall– unteilbaren Leistung kann der Leistende seine Leistung nur gemeinschaftlich an alle erbringen; die Auftraggeber können nur Leistung an alle fordern (§ 432 BGB).
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bb) Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG kann für den Fall, dass mehrere Auftraggeber gemeinsam eine Leistung bestellen, ohne nähere Vereinbarungen mit dem Leistenden dazu zu treffen, wer in welchem Umfang das Entgelt hierfür zu entrichten hat, dahingehend auszulegen sein, dass sich das nach dieser Bestimmung bestehende Recht auf Vorsteuerabzug
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–       nach der von einem oder beiden Auftraggebern akzeptierten Rechnung des Leistenden und der Zahlung durch den Rechnungsempfänger,
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–       nach der Anzahl der Auftraggeber oder
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–       nach den Vereinbarungen zwischen den Auftraggebern über die Tragung der Kosten für die bezogene Leistung bestimmt.
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Für die erste Lösung spricht, dass es den an der Leistung Beteiligten und damit dem Leistenden und seinen Auftraggeber offensteht, ausdrückliche Vereinbarungen für die Bestimmung der Zahlungsverpflichtungen zu treffen. So hätte sich z.B. die GmbH zumindest stillschweigend oder konkludent zur vorrangigen Zahlung gegenüber den Rechtsanwälten verpflichten können; dies könnte sich z.B. aus der Zahlung des Rechnungsbetrages durch den Rechnungsempfänger ergeben. Hiergegen könnte aber angeführt werden, dass derartige Vereinbarungen bis zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und –im Streitfall– damit bis zur Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit vorliegen müssen, da sonst nachträgliche und ggf. mehrfach geänderte Vereinbarungen und Rechnungsänderungen anzuerkennen wären. Darüber hinaus könnte eine derartige Auslegung missbräuchliche Gestaltungen begünstigen. So könnten anwaltliche Beratungsleistungen bei Beauftragung eines Rechtsanwalts durch eine im Inland und eine außerhalb der Gemeinschaft ansässige Person der Besteuerung dadurch entzogen werden, dass der Rechtsanwalt die Leistung an die außerhalb der Gemeinschaft ansässige Person abrechnet und hierdurch gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG ein außerhalb der Gemeinschaft liegender Leistungsort begründet wird. Eine Weiterbelastung der Kosten durch die außerhalb der Gemeinschaft ansässige an die im Inland ansässige Person wäre –wenn die außerhalb der Gemeinschaft ansässige Person keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt– dann gleichfalls steuerlich nicht zu erfassen, so dass derartige Leistungen ohne steuerliche Belastung erbracht und bezogen werden könnten.
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Für die zweite Lösung kann ihre Einfachheit für den Fall des Fehlens weiterer Vereinbarungen mit dem Leistenden –wie im Streitfall– angeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 2001 V R 79/99, BFHE 194, 488, BStBl II 2008, 495, und vom 7. November 2000 V R 49/99, BFHE 194, 270, BStBl II 2008, 493).
33
Für die dritte Lösung spricht schließlich, dass sie die zwischen den Auftraggebern bestehende Kostenverteilung berücksichtigt, nach der entweder nur einer der Auftraggeber die Kosten für die bezogene Leistung zu tragen hat und diese Kosten zwischen den beiden Auftraggebern aufzuteilen sind. Hiergegen könnte allerdings sprechen, dass diese dem Leistenden unter Umständen nicht bekannt ist oder z.B. nach dem Willen der Auftraggeber nicht bekannt sein sollen.
34
d) Zu bedenken sind auch die Folgen für die Rechnungsstellung. So hat die Rechnung gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Änderungsrichtlinie 2001/115/EG vom 20. Dezember 2001 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. L 15 S. 24) „den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und seines Kunden“ anzugeben. Dies könnte es erforderlich machen, bei einer Beauftragung durch mehrere Auftraggeber die Namen und die Anschriften aller Auftraggeber gleichrangig als Leistungsempfänger in der Rechnung anzugeben, so dass eine Rechnung, die wie im Streitfall nur einen der Auftraggeber als „Kunden“ und den anderen Auftraggeber nur im Zusammenhang mit der Leistungsbeschreibung nennt, bereits aus diesem Grund nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
35
Wäre der dritten Lösung (s. oben II.3.c bb) zu folgen, müsste entschieden werden, ob sich der Aufteilungsmaßstab zur vollständigen oder nur teilweisen Zahlung durch einen oder mehrere Auftraggeber –z.B. zur Vermeidung von Missbräuchen– aus der Rechnung ergeben muss oder ob diese Aufteilung aus anderen Umständen abgeleitet werden kann.
36
Eine eindeutige Beurteilung ist dabei auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 21. April 2005 C-25/03, HE (Slg 2005, I-3123) nicht möglich, da dieses Urteil zur Rechtslage vor Inkrafttreten der im Streitfall zu beachtenden Änderungsrichtlinie 2001/115/EG ergangen ist. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um den Erwerb eines Investitionsguts durch zwei eine Gemeinschaft bildende Ehegatten, von denen einer einen Teil des Gegenstands ausschließlich für unternehmerische Zwecke verwendete. Der EuGH sah diesen Ehegatten und Miteigentümer als zum Vorsteuerabzug berechtigt an, sofern der Abzugsbetrag nicht über seinen Miteigentumsanteil an dem Gegenstand hinausgeht. Im Hinblick auf die Rechnung entschied der EuGH, dass eine Rechnung, die ohne Unterscheidung an die Ehegatten dieser Ehegattengemeinschaft ausgestellt ist und in der keine Teilbeträge ausgewiesen sind, ausreicht, damit der unternehmerisch (wirtschaftlich) tätige Ehegatte den Anspruch auf Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann. Vor Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie 2001/115/EG kam es daher zumindest für den Sonderfall der Beauftragung durch zwei eine Gemeinschaft bildende Ehegatten nicht darauf an, dass die Rechnung Angaben zum Aufteilungsmaßstab, der durch den Umfang der –durch den Miteigentumsanteil beschränkten– Nutzung durch den unternehmerisch tätigen Ehegatten bestimmt wurde, enthält.
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4.      Zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen
Beide Vorlagefragen sind entscheidungserheblich für die Beantwortung der Frage, ob dem Kläger als Organträger der GmbH der geltend gemachte Vorsteuerabzug zusteht.
38
Andere Gründe, die gegen den Vorsteuerabzug sprechen, liegen nicht vor. Zwar schränkt das UStG –auf der unionsrechtlichen Grundlage des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG– in § 15 Abs. 1a UStG durch Verweisung auf § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes den Vorsteuerabzug für „Aufwendungen der Lebensführung“ ein. Hierzu gehören aber nicht Strafverteidigungskosten, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen und damit unternehmerischen Tätigkeit begangen wurde (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1994 VIII R 34/93, BFHE 176, 564, BStBl II 1995, 457).

 

Zum Vorsteuerabzug von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft

Zum Vorsteuerabzug von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft

Kernaussage
Nach Auffassung der Finanzverwaltung und nach der bisherigen Rechtsprechung herrscht im Hinblick auf den Vorsteuerabzug eine klare Trennung zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern. Gesellschafter können daher z. B. nur den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern geltend machen, die sie ihrer Gesellschaft überlassen, wenn sie selbst hiermit unternehmerisch tätig werden. Dies ist bei entgeltlicher, nicht jedoch bei unentgeltlicher Überlassung der Fall. Wird dies nicht beachtet, so ist der Vorsteuerabzug sowohl für die Gesellschaft als auch für den Gesellschafter verloren. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat nun im Anschluss an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Bedenken, ob diese Rechtslage aufrecht erhalten werden kann.

Sachverhalt
Der Gesellschafter einer Steuerberater-GbR (i. W. GbR) erwarb einen Mandantenstamm und überließ diesen unentgeltlich seiner GbR. Das Finanzamt versagte ihm den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstammes.

Entscheidung
Der XI. Senat des BFH tendiert dazu, dem Gesellschafter den Vorsteuerabzug zu gewähren. Er beruft sich hierbei auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH. Dieser hatte einer Gesellschaft den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb eines Wirtschaftsguts durch einen ihrer Gesellschafter zugestanden, das dieser steuerfrei auf seine Gesellschaft übertragen hatte. Der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige V. Senat des BFH hat es jedoch auf Anfrage abgelehnt, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Er vertritt den Standpunkt, dass das Urteil des EuGH nicht auf unentgeltliche Nutzungsüberlassungen anwendbar ist. Der XI. Senat hat nun zur Klärung den Fall dem EuGH vorgelegt.

Konsequenz
Es ist zu hoffen, dass der EuGH nun für Rechtssicherheit sorgt. Denn nicht nur die Senate des BFH sind sich uneins hinsichtlich der Konsequenzen des Urteils, sondern auch die Fachliteratur. Zum einen misst diese dem Urteil nur in wenigen Fällen Bedeutung bei, zum anderen wird die Auffassung vertreten, dass Gesellschaftern nun der Vorsteuerabzug aus allen Ausgaben für ihre Gesellschaft zustehen müsste, sofern deren Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bedeutung hätte dies z. B. für Holdinggesellschaften. Bis zur Entscheidung sind Gestaltungen zu vermeiden, die den Vorsteuerabzug gefährden. Wirtschaftsgüter sollten daher den Gesellschaften entgeltlich von den Gesellschaftern überlassen werden. In noch offenen Fällen können unter Berufung auf das beim EuGH anhängige Verfahren Rechtsmittel eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.