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Antragserfordernis für die Fortzahlung von Kindergeld bei befristeter Kindergeldzahlung

Antragserfordernis für die Fortzahlung von Kindergeld bei befristeter Kindergeldzahlung – Erfüllung des Kindergeldanspruchs bei Berechtigtenbestimmung

Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus.

Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr.

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – BFH-Az.: III B 117/12

Niedersächsisches Finanzgericht 8. Senat, Urteil vom 03.07.2012, 8 K 121/11
§ 170 Abs 2 Nr 1 AO, § 64 Abs 2 S 2 EStG 2002
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Klägerin für ihren Sohn A., geb. am 10.3.1980, für die Zeit vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für ihren Sohn B. geb. am 23.6.1982, für die Zeit vom 1.8.2003 bis Mai 2011 Kindergeld beanspruchen kann.
2
Die Klägerin war bis zum 31.7.2003 als Lehrerin im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen beschäftigt. Auf einen Kindergeldantrag der Klägerin setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 19.4.2000 das Kindergeld für B. weiterhin bis zum 30.6.2003 und mit Bescheid vom 4.4.2001 für A. vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2004 fest.
3
Am 22.12.2010 ging bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen ein Schreiben der Steuerberater der Klägerin vom 21.12.2010 ein, mit der die Klägerin Kindergeld für die Zeit ab August 2003 für ihre Söhne B. und A. nebst 1.727,88 € Zinsen forderte. Sie trug vor, dass bei ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst die Kindergeldakte an sich an die Agentur für Arbeit hätte weitergeleitet werden müssen. Die Agentur für Arbeit hätte das Kindergeld weiter zu zahlen gehabt. Ein neuer Kindergeldantrag habe von ihr nicht gestellt werden müssen, denn der ursprüngliche Kindergeldantrag, mit dem auch die Berechtigtenbestimmung getroffen worden sei, gelte fort. Soweit die Klägerin bei dem Kindergeldantrag des Ehemannes zugestimmt habe, dass das Kindergeld an den Ehemann ausgezahlt werde, handele es sich um keine wirksame Berechtigtenbestimmung, da dazu erforderlich gewesen wäre, dass die Familienkasse die an sie gerichteten Bescheide aufgehoben hätte. Eine Verjährung der Kindergeldansprüche sei nicht eingetreten, da nicht rückwirkend erstmals Kindergeld festgesetzt werde. Dies wäre nur der Fall, wenn von einem Neuantrag ausgegangen werde. Falls Zahlungsverjährung eingetreten sein sollte, werde Schadensersatz geltend gemacht.
4
Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die die Kindergeldakte der Klägerin vernichtet hat, leitete das Schreiben vom 21.12.2010 an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 10.1.2011 lehnte die Beklagte die rückwirkende Gewährung von Kindergeld ab, weil Kindergeldansprüche vor 2007 verjährt seien. Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie trug vor, dass die Familienkasse nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst für die Zahlung des Kindergeldes zuständig geworden sei. Da das Kindergeld nicht an sie ausgezahlt worden sei, sei ihr Antrag begründet. Die zwischenzeitliche Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann ändere daran nichts, denn allenfalls könne die Zahlung des Kindergeldes an den Ehemann rechtswidrig sein.
5
Mit Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte wies darauf hin, dass für Zeiträume bis 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ab Januar 2005 sei das Kindergeld für den Ehemann der Klägerin festgesetzt und gezahlt worden.
6
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin hält im Wesentlichen an dem Vorbringen des Vorverfahrens fest und weist nochmals darauf hin, dass ihrer Auffassung nach kein neuer Kindergeldantrag erforderlich gewesen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie einen befristeten Kindergeldantrag gestellt habe. Für die Zeit nach dem 30.6.2003 für B. und nach dem 30.9.2004 für A. sei ihr Kindergeldantrag noch nicht von der Beklagten beschieden worden.
7
Die Klägerin beantragt,
8
den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10.1.2011 und den Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten Kindergeld für A. vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für B. vom 1.8.2003 bis laufend zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte weist darauf hin, dass für beide Kinder das Kindergeld befristet für die Klägerin festgesetzt worden sei. Sie trägt vor, dass Kindergeldansprüche vor 2006 verjährt seien. Im Übrigen sei das Kindergeld für A. von Januar bis April 2005 und für B. ab Januar 2005 bis laufend an den Ehemann der Klägerin gezahlt worden.
12
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die Kindergeldakten der Klägerin und ihres Ehemannes.
Entscheidungsgründe
13
Die Klage ist nicht begründet.
14
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzungen für die Söhne A. und B. für die Klägerin für die Zeit ab August 2003 für A. und für die Zeit ab Juli 2004 für B. und die Auszahlung für die geltend gemachten Zeiträume abgelehnt, denn die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 70 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Festsetzung von Kindergeld für ihre Söhne A. und B. für diesen Zeitraum.
15
Aus den Bescheiden der Familienkasse vom 19.4.2000 für B. und vom 4.4.2001 für A. ergibt sich in aller Deutlichkeit, dass die Familienkasse das Kindergeld für B. befristet bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres von B. und für A. bis über dessen 24. Lebensjahr hinaus befristet festgesetzt hat. In beiden Bescheiden ist festgelegt, dass Schul- und Studienbescheinigungen vorzulegen sind. Damit waren die ursprünglichen Kindergeldanträge der Klägerin beschieden. Wenn die Klägerin mit diesen Bescheiden nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie dagegen ggf. Einspruch einlegen müssen. Durch die Befristung der Kindergeldfestsetzungen waren die Kindergeldansprüche für die Zeit nach Ablauf der Befristung nicht abgelehnt. Die Klägerin hätte innerhalb der Festsetzungsfrist neue Kindergeldanträge stellen müssen. Dass die Klägerin innerhalb der Festsetzungsfrist Kindergeldanträge gestellt hat, die für B. die Zeit nach dem 30.6.2003 und für A. die Zeit nach dem 30.9.2004 betrafen, hat die Klägerin selbst nicht einmal behauptet und weder Abschriften von Kindergeldanträgen noch etwaigen weiteren Bescheiden vorgelegt. Da infolge des Ausscheidens der Klägerin aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 die Kindergeldakten vernichtet worden sind, kann der Senat auch nicht auf andere Weise feststellen, dass die Klägerin weitere Anträge gestellt bzw. weitere Bescheide erhalten hat. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin insoweit bis Dezember 2010 nichts unternommen, insbesondere die Nichtzahlung des Kindergeldes an sie nicht gerügt hat, geht der Senat vielmehr davon aus, dass die Klägerin sich nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 nicht mehr an die Familienkasse gewandt hat.
16
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 Kindergeld beantragt hat, ist dieser Antrag unbegründet. Bei den Kindergeldfestsetzungen handelt es sich um Steuervergütungen, die nach § 169 Abs. Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nach 4 Jahren verjähren. Die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem der jeweilige Vergütungsanspruch entstanden ist. Danach hat die Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, dass für Kindergeldansprüche vor 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
17
Auch für die Zeit ab 2006 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für B., denn sie hat der Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann zugestimmt. Nach § 64 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld, wenn das Kind in den Haushalt aufgenommen ist, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG demjenigen gezahlt, den die Berechtigten untereinander bestimmt haben. Dies war, wie aus der Kindergeldakte des Ehemannes der Klägerin folgt, der Ehemann der Klägerin, denn am 11.9.2009 hat die Klägerin sich gegenüber der Familienkasse damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld an den Antragsteller, vorliegend also ihren Ehemann und Kindesvater, ausgezahlt wird. Tatsächlich hat die Familienkasse das Kindergeld ab Januar 2005 bis April 2005 für A. mit Bescheid vom 22.10.2010 an den Ehemann der Klägerin und ab Januar 2005 bis laufend für B. mit Bescheid vom 28.9.2009 an den Ehemann Kläger festgesetzt. Danach steht der Klägerin aber das Kindergeld für die Kinder A. und B. weder für die sich aus dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 ergebenden Zeiträume noch für B. für die Zeit ab Januar 2011 zu, denn mit dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 hat die Klägerin nicht etwa die Berechtigtenbestimmung widerrufen, sondern lediglich geltend gemacht, dass ihr das Kindergeld aufgrund der Bewilligungen vor 2005 weiter zu gewähren ist. Dies hat auch der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht.
18
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass ihr das Kindergeld nur bis Juli 2003 für A. gezahlt worden sei, ist dieser Vortrag im vorliegenden Verfahren wegen Kindergeldfestsetzung unerheblich. Unstimmigkeiten der Kindergeldauszahlung wären ggf. im Wege eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) zu klären. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass allerdings Zahlungsverjährung (§ 228 AO) eingetreten sein dürfte.
19
Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
21
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

 

Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung

Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung – Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Redakteurstätigkeit

1. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden, soweit die Änderung reicht.
2. Die Honorar-Tätigkeit einer Redakteurin in einem Übergangszeitraum von 2 Monaten zwischen einer angestellten Redakteurstätigkeit (Schwangerschaftsvertretung) und dem geplanten Antritt einer Planstelle als Angestellte bei dem gleichen Verlag kann als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sein, auch wenn bei Krankheit und Urlaub in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltsfortzahlung bestanden hat.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 23.01.2013, 9 K 43/12
§ 165 Abs 2 AO, § 177 Abs 4 AO, § 18 Abs 1 EStG 2002, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 7g Abs 7 EStG 2002
Tatbestand
1
Streitig ist die Zulässigkeit und inhaltliche Richtigkeit einer Rechtsfehlerkompensation im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO.
2
Die Klägerin erwarb zum 1. Juli 2000 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Forsthof G. Die Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 2000 – 2002 waren hinsichtlich der Aufteilung des Kaufpreises für den bezeichneten Betrieb und der hieraus resultierenden Absetzungen für Abnutzung nach § 165 Abgabenordnung (AO) vorläufig ergangen (vgl. Tz. 19 des Bp-Berichts vom 15. Juni 2005).
3
Der Vorläufigkeitsvermerk in den geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden für die Jahre 2000 – 2002 vom 13. Dezember 2006 lautet wie folgt:
4
„Der Bescheid ergeht vorläufig gem. § 165 Abgabenordnung hinsichtlich der Kaufpreisaufteilung des Grundstückskaufs von Herrn W O (vgl. Tz. 18 des Bp-Berichts vom 15. Juni 2005). Die Vorläufigkeit umfasst die Bewertung der erworbenen Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierende Absetzung für Abnutzung.“
5
Nach Vorlage eines von den Sachverständigen der Oberfinanzdirektion erstellten Gutachtens zur Kaufpreisaufteilung waren die sich hieraus ergebenden Abschreibungsgrundlagen und Abschreibungen zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Mehrabschreibungen sind unter Tz. 15.1 des Bp-Berichts vom 12. April 2010 (Anschlussbetriebsprüfung für die Folgejahre) für die einzelnen Streitjahre wie folgt dargestellt:
6
Kalenderjahr 2000:
22.870,00 €
Kalenderjahr 2001:
45.758,00 €
Kalenderjahr 2002:
28.984,00 €
7
Von der vorausgehenden Betriebsprüfung für die Streitjahre 2000 – 2002 (Bp-Bericht vom 15. Juni 2005) war die seinerzeit gebildete Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. anerkannt worden. Durch die Anschlussbetriebsprüfung für die Folgejahre 2003 – 2006 (Bp-Bericht vom 12. April 2010) wurde gleichwohl die Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. aus der Vorprüfung erneut überprüft (vgl. Tz. 14 des Bp-Berichts vom 12. April 2010). Die Betriebsprüfung vertrat danach die Auffassung, dass mangels Existenzgründereigenschaft der Klägerin die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. nicht vorliegend waren. Die Klägerin habe im Vorgründungszeitraum Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, und zwar in den Monaten Mai und Juni 1997 im Rahmen einer journalistischen Tätigkeit. Diese Einkünfte stünden einer Anerkennung der Eigenschaft als Existenzgründer entgegen.
8
Nach den Feststellungen des Senats liegt der Tätigkeit der Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1997 folgender Sachverhalt zugrunde:
9
Die Klägerin war nach Ableistung ihres Volontariats für die L Rundschau C zunächst im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages (Schwangerschaftsvertretung) bis zum 31. März 1997 tätig. Dieser Arbeitsvertrag wurde um einen Monat bis zum 30. April 1997 verlängert. Im Rahmen dieses befristeten Arbeitsverhältnisses war die Klägerin als Redakteurin in einer Lokalredaktion tätig. Im Anschluss daran sollte die Klägerin in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Eine für sie vorgesehene Planstelle stand jedoch erst zum 1. Juli 1997 zur Verfügung. Aufgrund dessen kam sie mit dem in der damaligen Zeit verantwortlichen stellvertretenen Chefredakteur, Herrn Dr. R W, überein, in den dazwischen liegenden Monaten wie zuvor am gleichen Arbeitsplatz mit der gleichen festgelegten Arbeitszeit und dem gleichen redaktionellen Aufgabengebiet tätig zu sein. Auf Vorschlag ihres Vorgesetzten sollte sie für die abgeleisteten Arbeitstage Pauschalhonorare in Rechnung stellen, und zwar in Höhe von 230,00 DM pro Tag. Der sich so ergebende Monatsbetrag entsprach in etwa ihrem vorherigen Gehalt. Entsprechend dieser mündlichen Absprache war die Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1997 für den LR – Medienverlag GmbH, C, tätig und stellte am 3. Juni bzw. 4. August 1997 entsprechende Rechnungen aus, auf die bezüglich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Datum des 27. April 2010 bestätigte der damalige stellvertretende Chefredakteur, Dr. R W, diesen vorstehenden Sachverhalt schriftlich. Er wies darauf hin, dass die Klägerin in den Monaten Mai/Juni 1997 mit den gleichen redaktionellen Aufgaben betraut war, wie in der Zeit davor und danach. Sie sei ihm gegenüber weisungsgebunden und in der Redaktion H unverändert am gleichen Arbeitsplatz tätig gewesen. Sie sei dem Verlag gegenüber in keinerlei Weise unternehmerisch tätig gewesen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin darüber hinaus, dass es in der Lokalredaktion auch so genannte freie Mitarbeiter gegeben habe. Diese hätten in einem anderen, abgegrenzten Arbeitsgebiet bestimmte Aufgaben bei Bedarf (nach Anruf der Sekretärin) übernommen und seien – anders als die Klägerin – nicht in den zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf eingebunden gewesen.
10
Bei der Einkommensteuererklärung 1997 unterließ es die Klägerin zunächst, die in Rechnung gestellten Beträge dem Finanzamt gegenüber zu erklären. Auf Nachfrage des Finanzamts holte sie dies nach und erklärte schriftlich, dass sie in den Monaten Mai/Juni 1997 „als freier Mitarbeiter gearbeitet und 2 Rechnungen über 9.220,00 DM geschrieben habe“. Gleichzeitig machte sie 54 Fahrten zur Arbeitsstelle nach H (einfache Entfernung: 30 km) geltend. Das Finanzamt beurteilte diese Fahrten – in geminderter Anzahl (20 Fahrten wurden anerkannt) – als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,70 DM pro Entfernungskilometer. Die weiteren geltend gemachten Dienstfahrten wurden nach Dienstreisegrundsätzen anerkannt. Im Einkommensteuerbescheid von 1997 berücksichtigte das Finanzamt den erzielten Überschuss als Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 7.760,00 DM.
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Soweit ersichtlich ist dieser vorgenannte Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Rahmen der vorgenannten Anschlussbetriebsprüfung war jedoch die Bewertung dieses Sachverhaltes im Hinblick auf die Einordnung der Einkünfte streitig. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie in dem Zeitraum zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ebenfalls nichtselbstständig tätig gewesen und damit zu Recht als Existenzgründerin beurteilt worden sei. Die Betriebsprüfung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Journalistin erzielt habe. Das gesamte Unternehmerrisiko während der 2 Monate ohne Vertrag habe auf Seiten der Klägerin gelegen. Bei Erkrankung hätte der Auftraggeber keinen Lohn/kein Honorar gezahlt. Im Krankheitsfall hätte die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus Eigenmitteln bestreiten müssen. Eine behauptete Scheinselbstständigkeit sei nicht nachgewiesen. Der Auftraggeber habe sie tatsächlich nicht als Arbeitnehmerin geführt. Das Entgelt sei nicht über eine Lohnsteuerkarte abgerechnet worden. Das Schreiben von Honorarrechnungen sei in nichtselbstständigen Arbeitsverhältnissen unüblich. Üblich sei jedoch, dass selbstständige Auftragnehmer ihrem Auftraggeber gegenüber durchaus projektbezogen weisungsgebunden seien. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 14 des Bp-Berichts vom 12. April 2010 Bezug genommen.
12
Ausgehend von dieser Beurteilung ging die Betriebsprüfung davon aus, dass die gesamte gebildete Rücklage nur als eine § 7g Abs. 3 EStG a.F. anzusehen sei mit der Folge, dass eine Neubildung in den Jahren 2000/2001 und 2001/2002 nur bis zur Höhe von 310.000,00 DM/154.000,00 € möglich gewesen sei und das bei der gewinnerhöhenden Auflösung ein außerbilanzieller Gewinnzuschlag/eine Verzinsung zu erfolgen habe. Insoweit ging die Betriebsprüfung von einem Rechtsfehler aus, der im Rahmen der vorzunehmenden Änderung der Feststellungsbescheide 2000 – 2002 gemäß § 165 Abs. 2 AO saldiert werden könne. Aufgrund dieser Rechtsfehlersaldierung kam es nur zu geringfügigen Gewinnminderungen.
13
Gegen die entsprechenden Änderungsbescheide vom 21. Juni 2010 legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wendete sie sich alleine gegen die vorgenommene Rechtsfehlersaldierung. Die Einsprüche hatten jedoch keinen Erfolg.
14
Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus den Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Die vorgenommene Rechtsfehlersaldierung bei einer Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Teilbestandskraft). Die Reichweite der Vorläufigkeit sei dem im Bescheid dafür angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei sei entscheidend, wie der Adressat des Vorläufigkeitsvermerks nach den ihm bekannten Umständen – seinem objektiven Verständnishorizont – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Die Klägerin verweist zudem auf die verstärkte Bestandskraft nach Abschluss einer Außenprüfung. Die Änderungssperre nach einer Außenprüfung diene damit in besonderem Maße dem Rechtsfrieden. Der Gesetzgeber gebe damit dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit Vorrang vor der materiellen Richtigkeit der Besteuerung. Die Berichtigung von materiellen Fehlern gemäß § 177 AO im Rahmen der Bescheidänderung aufgrund anders gelagerte Sachverhalte, derentwegen die Feststellungsbescheide punktuell vorläufig gemäß § 165 AO ergangen sind, sei gemäß § 177 Abs. 4 AO nicht zulässig. Diese Vorschrift bestimme ausdrücklich, dass unter anderem § 165 Abs. 2 AO unberührt bleibe, so dass Änderungen nach § 165 Abs. 2 AO nicht kompensiert werden könnten mit einer Berichtigung materieller Fehler nach § 177 AO. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO, dessen Gesetzesbegründung, der systematischen Stellung des § 177 AO und dem Sinn und Zweck des § 177 Abs. 4 AO. Die Klägerin verweist hierzu auf die Ausführungen in dem Aufsatz von Bergan, Martin (in DStR 2007, 658) und auf die Kommentierung von Tipke/Kruse (AO/FGO-Kommentar, § 177 AO Rz. 2).
15
Die Klägerin beantragt,
16
die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für 2000 – 2002 vom 21. Juni 2010 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2012 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf 58.037 € für das Jahr 2000, 67.344 € für das Jahr 2001 und 15.226 € für das Jahr 2002 festgestellt werden.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom 12. Januar 2012 und das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. März 2000 (VI R 48/97). Die Bestimmung der zutreffenden Höhe der Besteuerungsgrundlagen sei Ziel der Festsetzungen. Dieses sei in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden erfolgt. Eine Änderungssperre aufgrund erhöhter Bestandskraft nach der Vor-Betriebsprüfung komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da kein Fall einer Änderung nach §§ 172 ff. AO vorliege. Auf einen Vertrauensschutz gemäß § 176 AO könne sich die Klägerin nicht berufen, da keine Änderungen der Rechtsprechung oder von Verwaltungsanweisungen maßgeblich gewesen seien.
20
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin ausführlich zu ihrer Tätigkeit in den Monaten Mai/Juni 1997 befragt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23. Januar 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist begründet.
22
Der Beklagte ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-) Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden dürfen, soweit die Änderung reicht. Der Änderung der angefochtenen geänderten Gewinnfeststellungs-bescheide 2000 bis 2002 in dem von der Klägerin begehrten Umfang stand jedoch eine Rechtsfehlerkompensation in Höhe der Einkommensteuer, die durch Umwandlung der zuvor gewährten Existenzgründerrücklage (§ 7g Abs. 7 EStG a.F.) in eine Ansparrücklage (§ 7g Abs. 3 EStG a.F.) entsteht, nicht entgegen, da der Beklagte die Existenzgründereigenschaft der Klägerin zu Unrecht verneint hat.
23
a. Aus verfahrensrechtlicher Sicht war der Beklagte – entgegen der Auffassung der Klägerin – grundsätzlich nicht gehindert, Rechtsfehler, die mit dem Grund der vorläufigen Steuerfestsetzung der angefochtenen Steuerbescheide nicht im Zusammenhang stehen, im Rahmen einer gegenläufigen Kompensation zu korrigieren.
24
aa. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der herrschenden Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum sind bei einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO im Rahmen des Änderungsbetrages auch solche Fehler zu berücksichtigen, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen. Die materielle Bestandskraft des Steuerbescheides bleibt danach lediglich in dem Umfang offen, in dem die Steuer auf der im Bescheid als vorläufig gekennzeichneten Besteuerungsgrundlage beruht (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 2000 VI R 48/97, BStBl. II 2003, 332; BFH-Beschluss vom 6. März 2003 IX B 197/02, BFH/NV 2003, 742; BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2000 IV A 4-S0130a-9/00, BStBl. I 2000, 1549; u.a. Cöster in: Pahlke/Koenig, AO-Kommentar, 2. Aufl. München 2009, § 165 AO Rz. 46 bzw. Koenig in Pahlke/Koenig, § 177 AO Rz. 25; Rüsken in Klein, AO, § 165 Rz. 47 und § 177 Rz. 16, Kühn, AO/FGO, 20. Auflage 2011, § 177 Rz. 36; von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 177 AO Rz. 202; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO § 177 AO Tz. 2).
25
bb. Dieser Rechtsauslegung schließt sich der Senat an. Die hiergegen von der Klägerin auf der Grundlage des Aufsatzes von Bergan/Martin (DStR 2007, 658) vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. So steht der Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO einer Kompensation im Rahmen einer Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO nicht entgegen. Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 FGO bleibt die Vorschrift des § 165 Abs. 2 AO lediglich unberührt. Nach dem Verständnis des Senats soll damit aber nicht die Saldierungsmöglichkeit, die § 177 Abs. 1 und Abs. 2 AO vorsieht, ausgeschlossen sein. Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO soll lediglich klargestellt werden, dass die Möglichkeit der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO nicht ausgeschlossen sein soll. Damit läuft im Ergebnis die Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO genau genommen ins Leere. In dem Umfang der vorläufig festgesetzten Steuer – nicht Bemessungsgrundlage – tritt eine materiell-rechtliche Bestandskraft nicht ein (aA Eschenbach, DStZ 1997, 624). Eine Fehlerberichtigung ist in diesem Rahmen damit uneingeschränkt möglich, ohne dass es der Anwendung des § 177 AO überhaupt bedarf (vgl. Kühn, AO/FGO, 20. Auflage 2011, § 177 AO, Rz. 36). Im Ergebnis dürfen also auch Fehler uneingeschränkt berücksichtigt werden, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen.
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Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung des historischen Gesetzgebers zu § 177 Abs. 4 AO. In der Begründung zu § 158 des Entwurfs zur AO (BT-Drucks. VI/1982, S. 155) ist lediglich ausgeführt, dass „die Vorschrift nicht gilt, soweit es sich um eine Änderung eines Steuerbescheides nach …§ 146 Satz 3 (entspricht § 165 Abs. 2 Satz 1 AO) handelt.“ Hier wird aus Sicht des Senats besonders deutlich, dass es einer Anwendung des § 177 AO im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO – wie im Übrigen auch bei einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO – nicht bedarf.
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Nach diesem vorgenannten Verständnis des Senates von der Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO verbietet auch die Systematik der AO nicht eine entsprechende Fehlerberichtigung im Rahmen des § 165 Abs. 2 AO. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift des § 177 AO grundsätzlich aufgrund der systematischen Stellung nur zur Anwendung kommt, wenn eine Berichtigungsvorschrift der §§ 172 ff. AO einschlägig ist. Wie zuvor erläutert bedarf es im Streitfall für die Rechtsfehlersaldierung nicht der Vorschrift des § 177 AO. Die Saldierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Vorläufigkeit der Steuer und der damit im Zusammenhang stehenden fehlenden materiellen Bestandskraft selbst. Aufgrund dessen bedarf es auch entgegen der Auffassung der Klägerin keiner Vorschrift zur Durchbrechung einer Bestandkraft.
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Dies führt im Ergebnis auch dazu, dass das Argument einer erhöhten Bestandskraft nach einer Außenprüfung (§ 173 Abs. 2 AO) ins Leere läuft, weil im Rahmen einer Rechtsfehlersaldierung im Umfang der Vorläufigkeit gerade keine Bestandskraft durchbrochen wird.
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b. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen jedoch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rechtsfehlerberichtigung nicht vor, denn die streitbefangene Existenzgründerrücklage ist von der Klägerin zu Recht gebildet worden. Die Tätigkeit der Klägerin in dem Zeitraum Mai/Juni 1997, also im sog. Vorgründungszeitraum, steht der Existenzgründereigenschaft der Klägerin nicht entgegen. Zwar sind die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 1997 als solche aus selbständiger Arbeit – und damit „schädlich“ im Sinne des § 7 g Abs. 7 EStG a.F. – aufgeführt. Diese steuerrechtliche Einordnung im Einkommensteuerbescheid entfaltet aber keine Bindungswirkung für die Beurteilung der Existenzgründereigenschaft im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage.
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Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem grundsätzlich auch im Steuerrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben. Insbesondere kann der Senat ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin zur Erlangung von Steuervorteilen in Bezug auf die Zuordnung der im Zeitraum Mai/Juni 1997 zu einer Einkunftsart nicht feststellen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105; FG München, Beschluss vom 28. September 2009 7 V 2320/09 betr. Existenzgründereigenschaft). Im Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 hat die Klägerin gegenüber dem Finanzamt lediglich die Einnahmen aus der Arbeit als „freie Mitarbeiterin“ nacherklärt und schließlich die Zuordnung der Einkünfte als solche aus § 18 EStG widerspruchlos hingenommen, ohne eine eigene Wertung abzugeben.
31
Entgegen der Beurteilung der Betriebsprüfung erfüllt die Tätigkeit der Klägerin als Redakteurin für den L-Verlag, C, im Zeitraum Mai/Juni 1997 nicht die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit in Sinne des § 18 EStG. Die diesbezüglichen Einkünfte der Klägerin sind vielmehr den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzuordnen. Damit hat die Klägerin im maßgeblichen Vorgründungszeitraum keine schädlichen Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 3 EStG erzielt (§ 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung).
32
aa. Für die im Streitfall entscheidende Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer nichtselbständigen Betätigung sieht § 1 Abs. 1 LStDV solche Personen als „Arbeitnehmer“ an, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein „Dienstverhältnis“ in diesem Sinne liegt vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 LStDV). Demgegenüber ist nicht Arbeitnehmer, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt (§ 1 Abs. 3 LStDV).
33
Unter Beachtung dieser Begriffsbestimmungen ist die Frage, ob ein Steuerpflichtiger mit einer bestimmten Betätigung Arbeitnehmer ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Denn es handelt sich um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann (BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 5/06, BStBl II 2009, 931, unter II.1.). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere die folgenden Merkmale von Bedeutung, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen können (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 14/10, BStBl II 2012, 511 m.w.N.): – persönliche Abhängigkeit, – Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, – feste Arbeitszeiten, – Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, – feste Bezüge, – Urlaubsanspruch, – Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, – Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, – Überstundenvergütung, – zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, – Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, – fehlendes Unternehmerrisiko, – fehlende Unternehmerinitiative, – kein Kapitaleinsatz, – keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, – Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, – Eingliederung in den Betrieb, – geschuldet wird die Arbeitskraft, nicht aber ein Arbeitserfolg, – Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.
34
Alle diese Einzelmerkmale lassen sich zum Zwecke der Systematisierung letztlich den beiden Oberbegriffen der „Unternehmerinitiative“ und des „Unternehmerrisikos“ zuordnen. An der Unternehmerinitiative fehlt es – in Aufnahme der Kernmerkmale des § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV -, wenn der Beschäftigte vom Auftraggeber persönlich abhängig, also hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit weisungsgebunden ist. Ferner muss er in den Betrieb des Auftraggebers und in die dortigen Organisationsabläufe eingegliedert sein. Für eine solche Eingliederung spricht wiederum die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, die Ausübung der Tätigkeit zu festen Arbeitszeiten sowie gleichbleibend an einem bestimmten Ort und der zeitliche Umfang der Dienstleistungen. Denn je kürzer die zeitliche Berührung des Auftragnehmers mit dem Betrieb des Auftraggebers ist, desto geringer wird der Grad von dessen Eingliederung und Weisungsgebundenheit sein.
35
Anzeichen für das Fehlen eines Unternehmerrisikos sind der Erhalt fester Bezüge, die gesonderte Vergütung anfallender Überstunden und die Fortzahlung der Bezüge auch in Fällen, in denen der Auftragnehmer aus persönlichen Gründen an der Erbringung seiner Leistungen gehindert ist (z.B. Urlaubsanspruch, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall). Gegen das Vorhandensein eines Unternehmerrisikos spricht auch, wenn der Auftragnehmer lediglich seine Arbeitskraft, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet, und wenn der Arbeitsplatz vom Auftraggeber gestellt wird, der Auftragnehmer also weder zum Kapitaleinsatz noch zur Beschaffung von Arbeitsmitteln verpflichtet ist.
36
Dagegen ist die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig für die steuerrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend (BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BStBl II 2009, 873 m.w.N.).
37
bb. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, erfüllt die Klägerin in dem Zeitraum Mai/Juni 1997 die für die Annahme der Einkünfte aus selbständiger Arbeit erforderlichen Merkmale der Selbständigkeit nicht. Insbesondere fehlen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Unternehmerinitiative und das Unternehmerrisiko.
38
Nach der von dem damaligen Vorgesetzten, Dr. W, abgegebenen schriftlichen Erklärung und den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geht der Senat davon aus, dass die Klägerin im Zeitraum Mai/Juni 1997 wie zuvor und im Anschluss an diesen Zeitraum weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt ihrer Redakteurstätigkeit war. Die Weisungsgebundenheit bezog sich dabei nicht auf einzelne Projekte, sondern umfasste die gesamte Tätigkeit. Die Klägerin war in den Betrieb des Verlags und in die dortigen Organisationsabläufe der Lokalredaktion eingegliedert. Nach der Schilderung der Klägerin begann sie wie zuvor und danach jeden Arbeitstag mit der Teilnahme an der Redaktionsbesprechung und der Verteilung der Aufgaben. Sie war für die Erstellung eines Teils der Zeitung im Bereich des Lokalteils zuständig und verantwortlich, arbeitete am gleichen Arbeitsplatz mit den gleichen Arbeitskollegen zusammen und hatte sich an die festen Arbeitszeiten und den gleichbleibenden zeitlichen Umfang der Tätigkeit wie zuvor zu richten. Damit fehlten ihr in jeder Hinsicht die Merkmale, die die Rechtsprechung für die Unternehmerinitiative herausgearbeitet hat. Insoweit konnte der Senat keine Unterschiede zu der unstreitig als nichtselbständig einzustufenden Arbeitnehmertätigkeit in den Zeiträumen vor Mai 1997 und nach Juni 1997 feststellen. Die Arbeitnehmertätigkeit wurde nach der schriftlichen Bestätigung des Vorgesetzten vom 27. April 2010 insoweit vielmehr unverändert fortgesetzt. Soweit ersichtlich hat der Beklagte hiergegen weder Einwendungen erhoben noch die aus Sicht des Senats glaubhafte Schilderung der Klägerin in der mündliche Verhandlung bzw. des Vorgesetzen in Zweifel gezogen.
39
Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Klägerin im Zeitraum Mai/Juni 1997 bei Krankheit und Urlaub keinen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge gehabt hätte. Dieser Umstand spricht für sich betrachtet für ein von ihr getragenes Unternehmerrisiko. Dagegen spricht jedoch, dass die Klägerin allein ihre Arbeitskraft schuldete, und keinen speziellen Arbeitserfolg. Im Unterschied zu anderen in der gleichen Lokalredaktion tätigen freien Mitarbeitern wurde sie nicht nur bei Bedarf für spezielle Aufträge beauftragt, sondern arbeitete wie zuvor im Rahmen einer regelmäßigen, für Arbeitnehmer festgesetzten Arbeitszeit. Eine Verpflichtung zum Kapitaleinsatz und zur Gestellung von Arbeitsmitteln bestanden nicht. Vielmehr erhielt sie eine vorher festgelegte Vergütung in gleichbleibender Höhe in Abhängigkeit von der Ableistung einer vereinbarten Arbeitszeit. Sie erhielt insoweit 230,00 DM pro Arbeitstag, ein Betrag, der auf den Monat addiert in etwa ihrem vorherigen monatlichen Arbeitslohn entsprechen sollte. Hinsichtlich der Abrechnung von Fotos ergab sich gegenüber der Arbeitnehmertätigkeit ebenfalls keine Änderung, da diese auch im Rahmen der Arbeitnehmertätigkeit üblicherweise gesondert abgerechnet werden können.
40
Im Rahmen der Gesamtwürdigung misst der Senat den Umständen der fehlenden Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub bzw. der fehlenden Absicherung im Krankheitsfall bei der Beurteilung des Unternehmerrisikos keine durchschlagende Bedeutung bei. Dabei ist nach Überzeugung des Senats entscheidend, dass der Zeitraum des Tragens dieses speziellen Risikos nur auf 2 Monate beschränkt war und daher aus Sicht der Klägerin keine große Bedeutung hatte. Weitaus wichtiger war für die Klägerin, dass sie in dem Zwischenzeitraum zu in etwa gleichen Bedingungen auch ohne einen formellen Arbeitsvertrag weiterarbeiten konnte, bis ihre Planstelle zu Verfügung stand. Gegenüber den übrigen, gegen das Unternehmerrisiko sprechenden Umstände treten daher dieser Punkte in den Hintergrund.
41
Abgesehen von der Art der Abrechnung hat sich für die Klägerin auch nichts Wesentliches im Vergleich zu der Tätigkeit im Zeitraum vor und nach Mai/Juni 1997 verändert. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Punkte (nicht als Arbeitnehmerin geführt, keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, kein Arbeitsvertrag, sondern Honorarrechnungen) betreffen dagegen die arbeits- und sozialversicherungstechnische Seite, also die äußere Hülle der Tätigkeit, die für die steuerliche Gesamtbeurteilung maximal indizielle Bedeutung hat, im Übrigen aber nicht ausschlaggebend ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BStBl II 2009, 873 m.w.N.).
42
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse geht der Senat deshalb davon aus, dass die Klägerin die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit im Zeitraum Mai/Juni 1997 nicht erfüllt hat.
43
Mangels Rechtsfehlers bei der Bildung der Existenzgründerrücklage scheidet damit eine Kompensation aus. Der Beklagte war im Ergebnis verpflichtet, die begehrte Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO im beantragten Umfang durchzuführen.
44
Die Klage hat damit im vollen Umfang Erfolg.
45
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
46
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Zurechnung von Umsätzen bei einem Bordellbetrieb

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Steuerpflichtiger als Betreiber (Unternehmer) eines Bordellbetriebs angesehen werden kann.

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Urteil vom 14.02.2013, 5 K 318/10

§ 2 Abs 1 UStG 2005, UStG VZ 2007, UStG VZ 2008, UStG VZ 2009
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage der Zurechnung von Umsätzen.
2
Streitig ist, ob die Klägerin … einen Bordellbetrieb in der A als Unternehmerin betrieben hat, mit der Folge, dass ihr die Umsätze der in dem Objekt tätigen Prostituierten zuzurechnen sind.
3
Die Klägerin hat in ihren Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2009 Umsätze aus der Vermietung der in Objekt X vorhandenen Zimmer an die Prostituierten erklärt. Die erklärten Umsätze beliefen sich
4
2007 auf

2008 auf

2009 auf
….
5
Im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung kam der Beklagte (das Finanzamt – FA -) zu abweichenden Umsätzen. Das FA kam zu der Feststellung, dass in dem Objekt X täglich ca. 7 – 8 Prostituierte arbeiteten.
6
Im Anschluss an die Fahndungsprüfung kam das FA zu der Überzeugung, dass auch die Einnahmen der Prostituierten der Klägerin zuzurechnen seien. Aufgrund zum Prüfungszeitpunkt vorgefundener Unterlagen ergab sich, dass 7 Prostituierte am … (Sonntag) und … (Montag) tätig waren. Die Steuerfahndung hatte zum Prüfungszeitpunkt handschriftliche Aufzeichnungen der Prostituierten vorgefunden, aus denen zu ersehen war, welche Umsätze die Prostituierten im Verlauf eines Tages getätigt hatten. Aus den Aufzeichnungen ergibt sich auch, dass die Prostituierten jeweils einen Betrag im Umfang von ca. 50% von ihren Tageseinnahmen abgezogen hatten. In der Küche … hatte die Steuerfahndung im Übrigen einen Karton mit Bargeld vorgefunden. Nach Aussagen der Prostituierten hatten diese ihre Einnahmen in den Karton gelegt und abends aufgeteilt. Weiterhin stellte die Steuerfahndung fest, dass das Objekt X in den Streitjahren über einen einheitlichen Internetauftritt verfügte, in dem ein Direktkontakt zu einzelnen Prostituierten nicht beworben wurde. Angegeben war auf der Homepage, dass täglich 8 Damen anwesend seien. Neben Dienstleistungen … wurden auch Haus- und Hotelbesuche, Übernachtungen und ein Escortservice angeboten. In den Streitjahren waren die Preise aller Prostituierten ausweislich der Internetseite … einheitlich. Der Betrieb war von Sonntag bis Donnerstag von 10 Uhr bis = 0 Uhr und Freitag und Samstag von 10 Uhr bis 3 Uhr geöffnet. nach den Feststellungen der Steuerfahndung war die Klägerin am …. und … im Betrieb anwesend.
7
Aus den vorliegenden Aufzeichnungen der Prostituierten errechnete das FA Umsätze in der Summe von … und …. Es ging aufgrund der vorgefundenen Unterlagen davon aus, dass der Klägerin durchschnittlich 3.000 € pro Tag als Umsatz zuzurechnen seien. und schätzte die Umsätze einschließlich Umsatzsteuer für das Streitjahr 2007 zunächst auf 540.000 € (180 Tage x 3.000 €).
8
Die Klägerin erklärte demgegenüber, sie erhalte von den Prostituierten lediglich 50 € täglich; weitere Umsätze erziele sie nicht. Weiterhin legte die Klägerin dar, dass die Vermietung ab 01.10.2009 nicht mehr durch sie, sondern durch B vorgenommen werde. Den unbestritten gebliebenen Feststellungen des FA zufolge liefen die Telefonanschlüsse und die Internetdomain zumindest bis Januar 2011 weiter auf den Namen der Klägerin.
9
Gegen den entsprechenden Änderungsbescheid des FA hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 06.07.2010 als unbegründet zurückgewiesen hat.
10
In der Einspruchsentscheidung hat das FA im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Klägerin diejenige gewesen sei, die nach außen mit den Kunden in Kontakt getreten sei. Außerdem sei die gesamte Werbung von der Klägerin (und ihrem Ehemann) in Auftrag gegeben worden; auch der Internetauftritt … und die gesamte Geschäftsabwicklung seien über die Klägerin erfolgt, sie habe die Kunden in Empfang genommen, die Prostituierten präsentiert und die Buchungen entgegen genommen. Die Preise aller Prostituierten seien einheitlich gewesen, Nachlässe hätten die Kunden mit der Klägerin vereinbaren müssen. Dies alles spreche für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb. Auch wenn die Prostituierten das Geld vereinnahmt hätten, sei es letztlich die Klägerin gewesen, die die Kunden in Empfang genommen habe, die Prostituierten präsentiert und die Buchungen vorgenommen habe.
11
Hiergegen richtet sich die Klage.
12
Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre geändert und den Tagesumsatz aus Prostitutionsumsätzen nur noch mit 2.500 EUR angesetzt.
13
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie könne nicht als Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs.1 UStG angesehen werden. An den Tageseinnahmen der Prostituierten sei die Klägerin nicht beteiligt. Die Präsenz der Klägerin während der Fahndungsprüfung an drei Tagen innerhalb von drei Jahren sei kein hinreichendes Indiz für eine Zurechnung der Umsätze. Grund für die gelegentliche Anwesenheit der Klägerin sei der Umstand, dass sie die einzige Person sei, die polnisch und deutsch spreche. Sie habe sich deshalb als „Ansprechpartnerin“ bereit erklärt, den Kundenkontakt zu moderieren. Soweit sie in Internetforen von Stammkunden als Empfangsdame oder „Chefin“ bezeichnet worden sei, rechtfertige dies ebenfalls keine juristische Beurteilung. Im Übrigen seien die Tagesaufzeichnungen der Prostituierten kein Nachweis für eine Zurechnung der Umsätze bei der Klägerin. Die Argumentation des FA sei widersinnig, denn ein „Betreiber“ eines Unternehmens werde es nicht zulassen Aufzeichnungen durch die Beschäftigten selbst vornehmen zu lassen. Vielmehr würde er selbst diese Aufzeichnungen vornehmen. Seitens der Klägerin sei dies jedoch nicht erfolgt.
14
Auch der in der Küche vorgefundene Geldkarton rechtfertige keine Zurechnung auf die Klägerin. Die bloße Existenz eines solchen Kartons sei kein Hinweis oder Beweis für eine Verbindung zur Klägerin. Die Prostituierten hätten vielmehr den Karton in der Küche als Sammelstelle verwendet, um es diebstahlsicher zu lagern. Am Ende des Tages seien dann die Einnahmen aufgeteilt worden. Entsprechendes gelte auch für die „einheitliche Preisgestaltung“. Die Prostituierten hätten ein Agreement getroffen und einheitliche Preise vereinbart, um gemeinsam zum Geschäftserfolg zu gelangen und nicht einen „Dumpingkampf“ führen zu müssen.
15
Die Klägerin bringt weiter vor, dass die vorgefundenen Aufzeichnungen es nicht rechtfertigten, von einer Tageseinnahme i. H. v. 2.500 € auszugehen. Das FA habe der Klägerin zu Unrecht die von den Prostituierten vereinnahmten Beträge zugerechnet. Es sei vielmehr so, dass die Antragstellerin den Prostituierten gegen Zahlung eines Betrages von 50 € täglich Räumlichkeiten zur Verfügung stelle. Hierüber seien mündliche Mietverträge geschlossen worden. Die im Betrieb der Klägerin beschäftigten Prostituierten zahlten keine weiteren Beträge an die Klägerin. Die vom FA vorgenommene Schätzung sei rechtsfehlerhaft. Die angenommenen Umsätze ergäben sich lediglich aus 3 Zetteln, die intern von Prostituierten erstellt worden seien. Im Übrigen sei es völlig lebensfremd, davon auszugehen, dass ein Bordell in der vorhandenen Größe einen Jahresumsatz von ca. 900.000 € erzielen könne.
16
Auch die Art und Weise der Werbung lasse keinen Rückschluss auf eine Unternehmereigenschaft der Klägerin zu. Die Klägerin sei zu keiner Zeit im Internet oder an anderer Stelle „nach außen“ aufgetreten. Daran ändere auch die Rechnungsadresse der Klägerin für den Telefonanschluss nichts. Im Übrigen habe die Klägerin – wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorlegten Telefonrechnung der Deutschen Telekom vom 30.06.2008 ergebe – gerade inversen Rufnummernsuche und der Aufnahme in Kommunikationsverzeichnisse widersprochen.
17
Die Klägerin beantragt,
18

19
Der Beklagte beantragt,
20
die Klage abzuweisen.
21
Das FA verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass für die Streitjahre zutreffend die Umsätze unter Berücksichtigung einer Tageseinnahme von geschätzten 2.500 € angesetzt worden seien. Die Aufzeichnungen der Klägerin seien nicht geeignet, hinreichende Auskunft über ihre steuerlichen Angelegenheiten zu geben. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die im Betrieb der Klägerin tätigen Prostituierten lediglich 50 € am Tag an sie hätten abführen müssen.
22
Im Übrigen seien auch dann die erklärten Umsätze zu niedrig. Gehe man davon aus, dass täglich durchschnittlich 6 Prostituierte in dem Objekt X anwesend seien, so müsse sich daraus ein Umsatz von ca. 300 € pro Tag x 360 Tage/Jahr = 108.000 €/Jahr ergeben. Allerdings sei dieser von der Klägerin geschilderte Betriebsablauf nicht glaubhaft. Vielmehr müssten auch die Umsätze der Prostituierten der Klägerin als eigene Umsätze zugerechnet werden. Entscheidend sei, wer im Außenverhältnis zu den Gästen als Leistender in Erscheinung trete. Treten Bordelle oder bordellartige Betriebe gegenüber den Gästen in Erscheinung, seien die Betreiber als Unternehmer anzusehen. Die Prostituierten seien dann unabhängig von den Umständen des Einzelfalles entweder als Arbeitnehmer oder selbständige Subunternehmer anzusehen. Die Betreiber eines Bordells hätten in diesen Fällen neben den Mieten, den Entgelten für Eintritt, Getränke, Speisen und Hilfsmittel auch die gesamten Dirnenlöhne der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
23
Im Streitfall sei die gesamte Werbung von der Klägerin und ihrem Ehemann in Auftrag gegeben worden. Außerdem existiere zu Werbezwecken ein einheitlicher Internetauftritt. Darin würden nicht die einzelnen Prostituierten als solche werben. Als Kontaktmöglichkeiten seien eine einheitliche E-Mail-Adresse und eine einheitliche Telefonnummer …angegeben. Ein Direktkontakt zu einzelnen Prostituierten werde nicht beworben.
24
Für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb spreche auch, dass die Preise aller Prostituierten einheitlich seien (50 € für 15 Minuten, 80 € für 30 Minuten, 150 € für eine Stunde etc.). Im Übrigen sei in der Küche … ein Karton gefunden worden, in dem sich Bargeld befunden habe. Nach Aussagen der Prostituierten vor den Beamten der Steuerfahndung hätten sie ihre Einnahmen in diesen Karton gelegt und dessen Inhalt am Abend wieder unter den einzelnen Prostituierten nach den von ihnen erwirtschafteten Einnahmen aufgeteilt. Diese Aussagen seien jedoch nicht glaubhaft. Wenn die Prostituierten tatsächlich selbst die gesamten Einnahmen für ihre Dienste erhalten würden, sei dieser Zwischenschritt nicht notwendig und bei dem dann zu erwartenden Konkurrenzkampf unter den einzelnen Prostituierten auch widersinnig. Sie würden dann die Einnahmen sofort behalten und lediglich ihre Zimmermiete an die Klägerin abführen. Es bestünde demgemäß überhaupt keine Notwendigkeit, die Einnahmen mit den Einnahmen der anderen Prostituierten zunächst zusammenzuführen, um sie dann am Abend wieder zu teilen. Bei den geschätzten Tageseinnahmen seien nur die Einnahmen aus der Tätigkeit der Prostituierten zugrunde gelegt worden.
25
Zu berücksichtigen sei zudem, dass Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken, dem von der Klägerin angebotenen Escortservice und Hausbesuchen vom FA bei seiner Schätzung nicht berücksichtigt seien, die tatsächlichen Umsätze also tatsächlich eher noch höher ausgefallen seien. Des Weiteren seien die beiden Tage … solche, an denen das Objekt X von 10:00 Uhr – 0:00 Uhr geöffnet habe. Freitags und samstags sei dagegen 3 Stunden länger – bis 3:00 Uhr – geöffnet. Typischerweise dürften am Wochenende auch mehr Kunden die angebotenen Leistungen in Anspruch nehmen und daher die Tageseinnahmen deutlich höher ausfallen. Nach alldem sei eine Schätzung der täglichen Umsätze in Höhe von durchschnittlich 2.500 € noch im unteren Bereich des Schätzungsrahmens.
26
Wenn die Klägerin im Übrigen in Internetforen als „Chefin“ bezeichnet werde, belege dies gerade ihre Wirkung nach außen, mithin ihre Unternehmerstellung.
Entscheidungsgründe
27
Die Klage ist teilweise begründet.
28
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
29
Zutreffend hat das FA zwar die Umsätze der Prostituierten der Klägerin als Unternehmerin (§ 2 Abs. 1 UStG) zugerechnet; allerdings erachtet der erkennende Senat die vom FA vorgenommene Schätzung als zu hoch.
30
1. Zurechnung der Umsätze
31
Nach Auffassung des Senats ist das FA zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin die gesamten Tageseinnahmen (einschließlich der Einnahmen der Prostituierten) zuzurechnen sind. Die Klägerin muss deshalb hinsichtlich der Gesamtumsätze als Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – angesehen werden.
32
Nach § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Steuerschuldner ist grundsätzlich der Unternehmer (§ 13 a Abs. 1 UStG), der die Leistung erbracht hat. Leistender ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde im Außenverhältnis gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen des anderen aufgetreten ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt (BFH-Urteil vom 11.10.1990 – V R 75/85, BStBl II 1991, 191; BFH-Urteil vom 09.09.1993 – V R 63/89, BFH/NV 1994, 589; BFH-Beschluss vom 20.02.2001 – V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152).
33
Im Streitfall ist die Klägerin nach außen als Unternehmerin aufgetreten. Das ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Senats bereits daraus, dass in den Streitjahren zu Werbezwecken ein (einheitlicher) Internetauftritt … existierte. Als Kontaktmöglichkeiten wurde hierbei nicht nur eine einheitliche Adresse und eine einheitliche Telefonnummer des Objekts X angegeben. Hinzu kommt auch, dass ein Kontakt zu den einzelnen Prostituierten im Internetauftritt …nicht beworben wird. Auch die im Zusammenhang mit der Steuerfahndungsprüfung vernommenen Kunden … haben angegeben, dass die Klägerin die Verhandlungen geführt hat. Unerheblich ist nach Meinung des Senats, dass die Klägerin bei ihrem Telefonanschluss eine inverse Suche (sog. „Rückwärtssuche“) untersagt und einer Veröffentlichung in Kontaktmedien (z. B. Telefonbücher, Internetdatenbanken) widersprochen habe. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin sowohl eine Festnetznummer als auch eine unter ihrem Namen geführte Mobilfunknummer auf der Internetseite zu Werbezwecken ausgewiesen hatte und immer noch hat.
34
Für eine Zurechnung auf die Klägerin spricht auch, dass ausweislich des damaligen Internetauftritts und der vorgefundenen Aufzeichnungen eine einheitliche Preisgestaltung für alle Prostituierten vorgenommen wurde. Derartige Aufzeichnungen ergeben nur dann einen wirtschaftlichen Sinn, wenn sie einer Kontrolle durch den Betreiber des Unternehmens – in diesem Fall also der Klägerin – dienen sollen.
35
Ein weiteres Indiz für die Zurechnung der Umsätze auf die Klägerin ist auch ihre Präsenz vor Ort. Es mag zwar sein, dass diese Anwesenheit auch dazu diente, einen besseren Kontakt zwischen den Kunden und den vorwiegend polnisch sprechenden Prostituierten herzustellen; gleichwohl spricht dieses jedoch in erster Linie dafür, dass die Klägerin die Organisation und Zuteilung der Kunden zu einzelnen Prostituierten in den eigenen Händen halten wollte. Jedenfalls hat sich daraus eine Außenwirkung dergestalt ergeben, dass die Klägerin ausweislich der Beiträge in Internetforen regelmäßig als „Chefin“ bezeichnet wurde. Sie war danach diejenige, die die Fäden in der Hand hielt.
36
Für die Zurechnung der Gesamtumsätze an die Antragstellerin spricht entgegen der Auffassung der Klägerin, dass die Prostituierten die Einnahmen in einen Karton in der Küche sammelten. Es mag zwar sein, dass ein solcher Geldkarton einen „billigen Stilbruch“ der „erlesenen Geschäftsführung“ darstellt (so die Klägerin im Schriftsatz vom 14.01.2013, S. 4 oben). Die Einlassung der Prostituierten, sie würden diese Einnahmen am Ende des Arbeitstages wieder untereinander aufteilen, ist allerdings nicht schlüssig und ergibt keinen wirtschaftlichen Sinn. Würden die Prostituierten als selbständige Unternehmerinnen behandelt, wäre es widersinnig, wenn sie die Tageseinnahmen zunächst zusammenführten, um sie am Ende des Tages wieder untereinander aufzuteilen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass hier die Tageseinnahmen für die Klägerin gesammelt werden sollten.
37
Insgesamt ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin als Unternehmerin für die Gesamtumsätze anzusehen ist. Dies gilt auch für das gesamte Jahr 2009. Soweit die Klägerin vorbringt, ab 01.10.2009 habe ggfs. eine Zurechnung auf Frau B zu erfolgen, folgt der Senat dem nicht. Dagegen spricht, dass nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des FA zumindest die Internetdomain und die Telefonanschlüsse noch bis Januar 2011 auf den Namen der Klägerin lauteten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich für Außenstehende ab Oktober 2009 etwas verändert hatte.
38
2. Höhe der zugerechneten Umsätze
39
Die vom FA vorgenommene Schätzung unter Zugrundelegung von 2.500 € pro Tag ist allerdings überhöht.
40
Im Grundsatz war das FA jedoch berechtigt, eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO vorzunehmen. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist das FA u. a. dann zur Schätzung befugt, wenn der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, dem FA nicht vorlegen kann. Im Streitfall hat die Klägerin keine Einzelaufzeichnungen über die Prostitutionsumsätze geführt. Sie hat damit gegen ihre Verpflichtung zur Aufzeichnungspflicht aus § 22 Abs. 1 UStG verstoßen. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin die Auffassung vertritt, die Umsätze der Prostituierten seien ihr nicht zuzurechnen, mit der Folge, dass sie entsprechende Aufzeichnungen nicht führen müsse. Der Grund, warum der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen nicht vorlegen kann, ist unerheblich. Ein Verschulden des Steuerpflichtigen ist keine Voraussetzung für eine Schätzung nach § 162 Abs.2 Satz 2 AO (Cöster, in Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, 2. Aufl., § 162 Rz. 61 m. w. N. auf die ständige Rechtsprechung des BFH).
41
In der Sache ist die vom FA vorgenommene Schätzung allerdings zu hoch angesetzt worden. Der Senat legt deshalb gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO seine eigene Schätzung zugrunde.
42
Im Streitfall ist die Schätzung des FA schon deshalb unzutreffend, weil es der Klägerin nicht nur die mit 2.500 € pro Tag angesetzten Umsätze der Prostituierten zurechnet, sondern darüber hinaus noch zusätzlich die von der Klägerin erklärten Vermietungsumsätze in Ansatz bringt. Diese Handhabung ist – auch nach dem Vorbringen des FA – unschlüssig, da man der Klägerin die Gesamtumsätze der Prostituierten zurechnen wollte. Darin enthalten waren aber nach allen Feststellungen der Steuerfahndung auch die Vermietungsumsätze (das „Eintrittsgeld“).
43
Im Einzelnen waren danach vorab aus den Schätzungen folgende Beträge auszuscheiden:
44
2007

2008

2009

45
Im Übrigen ist der Tagesumsatz mit 2.500 € pro Tag zu hoch angesetzt. Der Senat schätzt insofern den Umsatz mit täglich lediglich 1.800 €. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das FA lediglich (angenommene) Umsätze von 2 Tagen im Jahr 2009 der Schätzung zugrunde gelegt hat. Es existieren keinerlei Feststellungen darüber, dass tatsächlich – wie vom FA angenommen – täglich bis zu 8 Prostituierte vor Ort … tätig waren. Möglich ist vielmehr auch, dass es zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten weniger Personen waren. Ein (Prüfungs-)Zeitraum von zwei Tagen im Juni 2009 kann jedenfalls nicht als repräsentativ angesehen werden. Das FA selbst hat im Übrigen vorgetragen, dass der „tatsächliche Bruttoumsatz“ zwischen 1.300 € und 3.405 € pro Tag liegen dürfte.
46
Gegen den Ansatz des unteren Rahmens spricht nach Auffassung des Senats, dass in der vom FA vorgenommenen Schätzung weitere Leistungen – wie z. B. Haus- und Hotelbesuche, Escortservice und Getränke – nicht enthalten waren.
47
Angesichts der geschilderten Unsicherheiten schätzt der Senat die täglichen Umsätze deshalb auf 1.800 €. Die Vorsteuerbeträge lässt der Senat unverändert, weil insoweit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Beträge zu hoch oder zu niedrig angesetzt sind. Hinsichtlich der Jahre 2007 und 2009 folgt das Gericht insofern den Umsatzsteuererklärungen der Klägerin. Hinsichtlich des Jahres 2008 hat das FA abweichend höhere Vorsteuerbeträge angesetzt. Erkenntnisse über eine fehlerhafte Handhabung liegen insoweit nicht vor.
48
Hinsichtlich des Schätzungsumfangs hat die Klage mithin teilweise Erfolg. Im Übrigen war sie aus den genannten Gründen abzuweisen.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Umsätze aus Pensionspferdehaltung

Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist.

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Urteil vom 14.02.2013, 5 K 281/11
Art 25 Abs 2 EWGRL 388/77, § 24 Abs 2 S 1 UStG, UStG VZ 2005
Tatbestand
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Streitig ist, ob Zuchtleistungen eines Landwirts für Nichtlandwirte der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegen.
2
Der Kläger betreibt eine Pferdezucht mit 30 eigenen Pferden. Zusätzlich unterhält er eine Pferdepension für ca. 70 Pferde. Im Rahmen dieser Pension bietet er folgende Dienstleistungen an:
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– Belegung der Stuten durch künstliche Besamung
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– Abfohlung
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– Aufzucht und Ausbildung der Fohlen
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– Präsentation und Ausbildung für Pferdeschauen und Leistungsprüfungen
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– Beratung über die Zuchtmöglichkeiten
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– Betreuung (Futter, Stall, Auslauf, Tierarzt während der Trächtigkeit und bei und nach der Geburt)
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– Hilfe beim Kauf oder Verkauf von Pferden.
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Der gesamte Zuchtprozess gliedert sich im Wesentlichen wie folgt:
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1. Abschnitt
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Die Stuten werden künstlich belegt. Sie sind dann 11 Monate trächtig und werden während dieser Zeit umfangreich betreut. Neben der täglichen Bewegung, Fütterung und Pflege der Pferde findet insbesondere eine regelmäßige Trächtigkeitskontrolle statt.
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2. Abschnitt
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Während der Geburt findet eine Geburtshilfe statt. Die Geburt wird auch elektronisch überwacht und begleitet. Auch eine Intensiv- und Frühchenversorgung wird durchgeführt.
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3. Abschnitt
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In den ersten sechs Monaten nach der Geburt verbleibt das Fohlen bei der Stute. In dieser Zeit wird die Stute wieder neu belegt. Das Fohlen wird versorgt, erhält ein Pflichtkennzeichen (sog. Fohlenbrennen) und wird zur ersten Klassifizierung einer Prämierungsvorführung unterzogen.
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4. Abschnitt
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Im siebten Lebensmonat wird das Fohlen von der Mutter getrennt. Die Fohlen werden nach Geschlecht getrennt und in Gruppenhaltung aufgezogen. Die Aufzucht dauert bis zum 2. Lebensjahr des Fohlens.
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5. Abschnitt
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In diesem Abschnitt beginnt die Auslese. Die Hengste werden zwecks Körung nach Qualität sortiert. Soll ein Hengst zur Zucht eingesetzt werden, so ist der erste Schritt die Körung, die eine Vorauswahl zur Hengstleistungsprüfung darstellt. Die zur Körung vorgesehenen Hengste werden zur Ausbildung und Vorbereitung auf die Körung an ein eigens dafür geeignetes Unternehmen abgegeben. Nach etwa vier Monaten entscheidet sich, welches Pferd zur Körung zugelassen ist (ca. 25 v. H.). Von den nicht zur Körung zugelassenen Hengsten kommt erfahrungsgemäß jedes zweite Pferd zurück auf den Hof des Klägers. Diese und die nicht zur Körung abgegebenen Hengste werden im Alter von 2 1/2 Jahren kastriert.
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6. Abschnitt
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Im Alter von ca. 3 Jahren beginnt die Grundausbildung der Stuten und Wallache. Die Stuten werden für die Stutenleistungsprüfung (vier- bis fünfmonatigen Grundausbildung) vorbereitet. Nach der abgelegten Stutenleistungsprüfung endet die Ausbildung. Die Stutenleistungsprüfung ist Grundlage für die Zucht und die Prämierung der Stute durch die Zuchtverbände. Die belegten Stuten gehen anschließend in die Herde (siehe Abschnitt 1) und die nicht belegten Stuten an den Eigentümer zurück. Die Wallache gehen nach einer vier bis fünfmonatigen Grundausbildung ebenfalls zurück an den Eigentümer.
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Der Kläger hat mit den jeweiligen Pferdeeinstellern Pensionsverträge abgeschlossen. Der monatliche Pensionspreis betrug ausweislich der vom Kläger unter dem 11.02.2013 vorgelegten Abrechnungen durchschnittlich 185,– € pro Stute. Sofern – wie regelmäßig – zusätzliche Leitungen vom Kläger oder von Dritten (z. B. Hufschmied) erbracht wurden, sind diese jeweils monatlich vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt worden. Die Tierarztleistungen sind den Pferdeeinstellern regelmäßig direkt in Rechnung gestellt worden.
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Zu den Kunden des Klägers zählen Landwirte, gewerbliche Pferdezüchter, Privatpersonen und ausländische Bürger aus EU-Staaten.
25
In der Zeit vom 7. April 2008 bis zum 19. November 2009 fand beim Kläger eine landwirtschaftliche Betriebsprüfung statt. Der Prüfer beurteilte die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen an Nichtlandwirte als einheitliche Pensionsleistung, die außerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erbracht und damit nicht der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Die darauf entfallenden Umsätze in Höhe von 193.013,61 € unterwarf er der Regelbesteuerung. Die Umsätze aus der Unterbringung von Pferden, deren Eigentümer Land- und Forstwirte sind, wurden vom Prüfer unverändert der Durchschnittssatzbesteuerung unterworfen.
26
Bei der Ermittlung der Vorsteuern wurde im Vorfeld geklärt, dass 30 v. H. der gesamten Vorsteuern auf die eigene Pferdezucht und -haltung entfallen. Auf den Gesamtbereich der untergestellten Fremdpferde entfallen damit 70 v. H. Da der Kläger aus dem Ankauf von Heu, Hafer und Grundfutter zu Unrecht 16 v. H. (statt 7 v. H.) herausgerechnet hatte. nahm der Prüfer eine entsprechende Korrektur der Vorsteuern vor. Außerdem wurde bei den Vorsteuern ein Abzug von 10,91 v. H. vorgenommen. Diese Quote entsprach dem Verhältnis der Pensionsumsätze (brutto) der landwirtschaftlichen zu den nichtlandwirtschaftlichen Pferdeeinstellern (24.448,– € zu 223.895,79 €).
27
Gegen den aufgrund der Prüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 18. März 2010 wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.
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Er trägt vor, dass die hier streitigen Umsätze nach der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 24 UStG zu besteuern seien. Nach § 24 UStG seien Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe als landwirtschaftliche Betriebe anzusehen, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51 a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehörten. Das Gesetz stelle insoweit allein darauf ab, ob der jeweilige Betrieb für die gehaltenen Tiere eine ausreichende Futtergrundlage biete. Da der Betrieb des Klägers mit seinen 30 ha eine ausreichende Futtergrundlage für die Pferde und Fohlen biete, liege ein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Die Eigentumsfrage der Pferde spiele bei der Tierzucht und -haltung keine Rolle.
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Die von ihm geschuldete Hauptleistung bestehe darin, Pferde zu züchten. Damit in Zusammenhang erbringe er als Nebenleistung die Versorgung der Pferde durch Unterkunft, Füttern, Pflege und Auslauf. Nach Ansicht des BFH fielen Leistungen wie das Einstellen und Betreuen von Reitpferden nicht unter den Begriff „Halten von Vieh“ i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG und auch nicht unter die Durchschnittsbesteuerung, wenn die Reitpferde zur Ausübung des Freizeitsports genutzt würden. Anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen stünden die Reitanlagen des Klägers den Pferdebesitzern gerade nicht zur Ausübung ihrer Reit- und Freizeitaktivitäten zur Verfügung. Vielmehr dienten die Reitanlagen des Klägers ausschließlich der Betreuung und Ausbildung der Pferde im Rahmen der oben dargestellten Zucht.
30
Die erbrachten Zuchtleistungen unterfielen auch der Pauschalbesteuerung nach Art. 25 der 6. EG-Richtlinie, die bei der Auslegung des § 24 UStG zu berücksichtigen sei. Nach Art. 25 Abs. 2 1. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelte als landwirtschaftlicher Erzeuger ein Steuerpflichtiger, der seine Tätigkeit im Rahmen eines der in Art. 25 angeführten Betriebe ausübe. Nach Art 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich i. V. m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG stelle auch ein Betrieb, der die dort aufgezählten Dienstleistungen erbringe, einen landwirtschaftlichen Betrieb dar. Als Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, seien gerade das Hüten, die Zucht und das Mästen von Vieh im Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG genannt. Damit stelle ein Zuchtbetrieb einen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb dar, dessen landwirtschaftliches Produkt eben die Fohlen seien.
31
Da die landwirtschaftlichen Dienstleistungen auf die eigene landwirtschaftliche Produktion des Klägers gerichtet seien, komme es nicht darauf an, wer letztlich der jeweilige Leistungsempfänger sei. Vielmehr sei dem Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 05.11.2009, 16 K 10340/07 – Rz. 36) darin zuzustimmen, dass auch eine landwirtschaftliche Dienstleistung an einen Nichtlandwirt zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen und damit landwirtschaftlichen Zwecken dienen könne.
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Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Bundesfinanzhof (Urteil vom 13.01.2011 – V R 65/09) die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts aufgehoben habe. Zum einen habe der BFH nicht zu der Frage Stellung genommen, ob landwirtschaftliche Dienstleistungen nur dann unter die Durchschnittssatzbesteuerung fielen, wenn sie an Landwirte erbracht würden. Zum anderen habe der BFH klargestellt, dass § 24 UStG anwendbar sei, wenn es sich – wie hier – um Zucht- oder Arbeitspferde handele.
33
Der Kläger beantragt,
34
den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 18. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2011 dahingehend zu ändern, dass Umsätze in Höhe von 193.013,61 € des klägerischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nach der Durchschnittsbesteuerung des § 24 UStG besteuert werden.
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Der Beklagte beantragt,
36
die Klage abzuweisen.
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Landwirtschaftliche Zuchtleistungen erbringe der Kläger nur gegenüber seinen eigenen Pferden bzw. Pferden anderer Landwirte. Nur insoweit handele es sich um landwirtschaftlich Tierzucht und -haltung. Bei den züchterischen Dienstleistungen, die er gegenüber den Pferden der „privaten Pferdebesitzer“ (Nichtlandwirte) erbringe, handele es sich nicht um Dienstleistungen, die für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt seien, sondern um Pferdepensionsleistungen. Hierzu habe der BFH (Urteil vom 22.01.2004 V R 41/02) ausgeführt:
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„Eine Dienstleistung, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt ist, könnte beispielsweise vorliegen, wenn Zuchtpferde eines Gestüts oder land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde untergestellt werden“
39
Bei den eingestellten Pferden der „privaten Pferdebesitzer“ handele es nicht um Zuchtpferde eines (landwirtschaftlichen) Gestüts oder um land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde. Diese ergebe sich bereits daraus, dass die „privaten Pferdebesitzer“ als Empfänger der Dienstleistungen des Klägers mangels einer eigenen landwirtschaftlich genutzten Fläche keine Landwirtschaft betrieben.
40
Das „Hüten und die Zucht von Vieh“ gehöre zwar zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen nach Art 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich i. V. m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG. Befreit seien danach aber nur solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen würden landwirtschaftliche Erzeuger, also Personen, die ihre Tätigkeiten im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausübten. Nichtlandwirte übten keine entsprechende Tätigkeit aus mit der Folge, dass die an diese Personen erbrachten Dienstleistungen nicht unter § 24 UStG fielen.
Entscheidungsgründe
41
Die Klage ist unbegründet.
42
Der Beklagte hat zu Recht die streitbefangenen Umsätze als der Regelbesteuerung und dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Umsätze behandelt. Die Voraussetzungen des § 24 UStG liegen bezüglich der Umsätze aus der „Pensionspferdehaltung“ nicht vor.
43
1. Die Durchschnittssatzbesteuerung gilt gemäß § 24 UStG grundsätzlich für alle „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze“. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
44
„1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
45
2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören“.
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§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform entsprechend Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 V R 65/09, BStBl II 2011, 465, vom 19. November 2009 V R 16/08, BStBl II 2010, 319; vom 13. August 2008 XI R 8/08, BStBl II 2009, 216).
47
2. Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere nach dem vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“.
48
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung (EuGH-Urteile vom 15. Juli 2004 C-321/02, Harbs, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnrn. 31 und 36, sowie vom 26. Mai 2005 C-43/04, Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 21). Weiter sind die von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen (EuGH-Urteil Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 24). Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist (EuGH-Urteile Harbs, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnr. 27, und Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 27). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen. Als „landwirtschaftliche Dienstleistungen“ sind daher nicht Leistungen anzusehen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen (EuGH-Urteile Harbs, BFH/NV 2004, 371 Rdnr. 31, und Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 29).
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3. Der Kläger hat gegenüber den Einstellern der Pensionspferde zu Zuchtzwecken keine Lieferungen, sondern jeweils einheitliche sonstige Leistungen gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG (Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG) erbracht.
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a) Nach § 3 Abs. 1 UStG, der Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG umsetzt, sind Lieferungen eines Unternehmens Leistungen, durch die dieser den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen oder Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Werden mehrere unterschiedliche Leistungen zusammenhängend erbracht, so liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 15. Januar 2009 V R 91/07, BFH/NV 2009, 865 und vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH-NV 2008, 1712 mit weiteren Nachweisen).
51
b) Im Streitfall hat der Kläger gegenüber den Einstellern zum einen die für Pensionspferdehaltung üblichen Leistungen wie Unterbringung und Versorgung der Tiere in Form der Fütterung, des Tränkens, der Fell- und Hufpflege und der Bewegung der Tiere erbracht. Zum anderen hat er – und dadurch unterscheidet sich der Streitfall von der üblichen Pferdepension zu Reitsportzwecken – die im Sachverhalt dargestellten züchterischen Leistungen erbracht. Beide Leistungen (Pensions- und Zuchtleistungen) stellen unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang dar, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bilden. So konnte der Kläger die Zuchtleistungen an den Fremdpferden der Einsteller nur erbringen, wenn er deren Tiere in Pension nimmt. Pension und Zuchtleistungen sind besonders aufeinander abgestimmt (spezielles Futter für Stuten und Fohlen, Bewegung und Kontrolle der Stuten während der Trächtigkeit, Geburtsbegleitung durch fachliche und elektronische Überwachung, Aufzucht der Fohlen in Gruppenhaltung, Ausbildung auf den hofeigenen Reitanlagen, etc.) und untrennbar miteinander verbunden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Pension ein fester monatlicher Betrag (185,– € pro Stute) geschuldet und zusätzliche Zuchtleistungen vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt wurden.
52
c) In diese vom Kläger erbrachte einheitliche „Pensionsleistung“ zu Zuchtzwecken geht sowohl die von ihm erfolgte Lieferung von selbst erzeugtem oder zugekauftem Futter, als auch die evtl. Lieferung auf dem Hof produziertem Heu und Stroh unter. Die Lieferungen sind lediglich Teil der Gesamtleistung „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken und versetzen den Kläger (lediglich) in die Lage, seinen Pflichten aus den „Pensionsverträgen“ unter optimalen Bedingungen nachzukommen. Sie stellen damit unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung dar und teilen deren Schicksal.
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4. Der Kläger hat mit den „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erbracht. Nach Art. 25 Abs. 2 5. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG („Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen“) gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:
54
– Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens;
55
– Verpackung und Zubereitung, wie beispielsweise Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion und Einsilierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
56
– Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
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– Hüten, Zucht und Mästen von Vieh;
58
– Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken;
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– technische Hilfe;
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– Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen;
61
– Betrieb von Be- und Entwässerungsanlagen;
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– Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen.
63
a) Die vom Kläger gegenüber den Einstellern jeweils erbrachte (einheitliche) sonstige Leistung/Dienstleistung gehört nicht zu den in dem Katalog aufgeführten Dienstleistungen. Auch die unter Spiegelstrich 4 aufgeführten Leistungen „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ sind nicht einschlägig, denn nach dem Einleitungssatz zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen (nur) solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zudem ist zu beachten, dass – wie bereits ausgeführt – die Vorschrift restriktiv auszulegen ist. Der EuGH hat in dem Urteil vom 26. Mai 2005 (Rs. C-43/04 -Stadt Sundern-, BFH/NV 2005 Beilage 4, 320) ausgeführt, dass eine Dienstleistung, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dient und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel bezieht, weder der Art noch dem Ziel der Regelung entspricht.
64
Nach Ansicht des Senats setzt das Tatbestandsmerkmal „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass der jeweilige Leistungsempfänger der „Pensionsleistung“, mithin im Streitfall der jeweilige Einsteller der Pferde, selbst ein landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG ist, denn eine „Pensionsleistung“ an einen Nichtlandwirt trägt nicht zur landwirtschaftlichen Produktion bei, dient keinen landwirtschaftlichen Zwecken (so ausdrücklich FG Münster, Urteil vom 18. August 2009 15 K 3176/05 U, EFG 2009, 1979; so wohl auch FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Februar 2009 1 K 107/08, EFG 2009, 877 und die Finanzverwaltung in Abschnitt 24.3 Abs. 5 Satz 6 und Abs. 11 Satz 2 UStAE sowie Windecker in Plückebaum/Widmann, UStG, § 24 Rz 148f; anderer Auffassung: Niedersächsisches FG, Urteil vom 5. November 2009 16 K 10340/07, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2011 6 K 2287/09, EFG 2011, 2025, Revision: XI R 27/11 – Klärschlammtransporte für Samtgemeinde).
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Als landwirtschaftliche Erzeuger gelten solche Betriebe, die eine der in Art. 25 Abs. 2 Spiegelstrich 1 und 2 i. V. m. Anhang A der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten ausüben, d. h. die unter anderem Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung betreiben. Eine private bzw. gewerbliche Tierzucht der Einsteller ohne Bodenbewirtschaftung fällt hingegen nicht unter die Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung. Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Recht die Einstellumsätze, die an Nichtlandwirte erbracht wurden, der Regelbesteuerung unterworfen.
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b) Die „Pensionsleistungen“ des Klägers sind nicht „Teil seiner eigenen Pferdezucht“ und stehen mit dieser auch nicht unmittelbar in Verbindung.
67
Zwar betreibt der Kläger mit seinen eigenen Pferden eine landwirtschaftliche Pferdezucht. Unstreitig ist auch, dass der eigene Tierbestand zusammen mit den eingestellten Fremdpferden die nach der Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebs (ca. 30 ha) mögliche Zahl der Vieheinheiten (276 VE) nicht übersteigt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die vom Kläger durchgeführte Zucht von fremdem Vieh nicht als eigene landwirtschaftliche Erzeugung sondern als landwirtschaftliche Dienstleistung zu beurteilen ist. Anders als bei der eigenen Zucht stehen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Fohlen) aus dem „Pensionszuchtbetrieb“ auch nicht dem Kläger sondern dem jeweiligen Einsteller zu.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
69
6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Prozesskostenhilfeverfahren: Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind

Eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung.

Klage nach diesem Beschluss zurückgenommen.

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Beschluss vom 28.11.2012, 2 K 240/12

§ 32 Abs 4 EStG, § 62 Abs 1 EStG

Gründe

I.

1
Die Klägerin begehrt die Fortzahlung von Kindergeld für ihren Sohn über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Dieser ist durch Urteil des Jugendschöffengerichts wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilt worden. Er ist im geschlossenen Jugendstrafvollzug inhaftiert. Aufgrund seiner Drogensucht nimmt er dort an der anstaltsinternen Suchttherapie teil und wird arbeitstherapeutisch beschäftigt. Das Behandlungsende ist noch nicht absehbar; nach der Entlassung plant er die Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen zu erwerben und eine Beschäftigung im Güterverkehr zu finden.

2
Die Klägerin ist entgegen der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung der Meinung, dass die Suchttherapie ihres Sohnes als ausbildungsvorbereitende Maßnahme zur Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG führe. Ohne die Therapie könne ihr Sohn keine Ausbildung beginnen.

3
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

II.

4
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen.

5
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

6
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991, II S 15/90, BStBl. II 1991, 366 m.w.N.).

7
2. Nach dieser Prämisse hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte ist in dem angefochtenen Aufhebungsbescheid zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für ihren Sohn kein Kindergeld mehr zusteht.

8
a) Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG (arbeitssuchende Kinder unter 21 Jahren) kommt wegen der Inhaftierung und der ersichtlich fehlenden entsprechenden Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht in Betracht (vgl. Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 12. Februar 2008, 4 K 435/06, EFG 2008, 1393f.).

9
b) Eine Suchterkrankung eines volljährigen Kindes als solche ist kein Tatbestand, der zu einer Kindergeldberechtigung führt. Die Behandlung dieser Sucht dient ersichtlich der Verbesserung der Gesundheit und auch der Verhinderung weiterer Delinquenz.

10
aa) Die Suchtbehandlung ist keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG. Dies ist nur eine ernstlich betriebene, konkrete Vorbereitung auf einen künftigen Beruf im Sinne des Erwerbs von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs oder diesbezügliche (Weiter-)Qualifizierungen, nicht aber allgemeine Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes oder der sozialen Kompetenz (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, Rz. 26 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.2.1.1). Mithin dürfte (erst) der nach der Haftentlassung angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG anzusehen sein.

11
Schon wegen der insgesamt nur zweijährigen Haftzeit ist – auch unter Würdigung des vorgelegten Erziehungs- und Förderplans – nicht ersichtlich, dass die Drogentherapie integraler Bestandteil einer konkreten, zur Kindergeldberechtigung führenden, Berufsausbildung im Jugendstrafvollzug sein könnte.

12
bb) Aus der Teilnahme an der Suchtbehandlung lässt sich auch keine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG (keine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes) ableiten.

13
Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG kommt nur in Betracht, wenn ein ausbildungsfähiges Kind nur wegen Fehlens eines Ausbildungsplatzes keine Ausbildung beginnen oder fortsetzen kann. Fehlt dem Kind die objektive Fähigkeit zu der angestrebten Ausbildung, besteht kein Kindergeldanspruch (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2003, VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473; FG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; Loschelder, a.a.O., Rz. 33 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.4). Genau dies ist der Fall. Wohl auch wegen seiner Drogensucht, aber vor allem wegen seiner Inhaftierung kann der Sohn der Klägerin gegenwärtig keine Ausbildung beginnen; insbesondere der von ihm angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis wird erst möglich sein, wenn er die Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat.

14
c) Eine Drogensucht des Kindes kann als Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG allerdings zu einem Kindergeldanspruch, sogar über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus, führen.

15
Dass die gegenwärtige Drogensucht hierfür ausreichen könnte (vgl. zu den diesbezüglichen Erfordernissen BFH-Beschluss vom 30. November 2005, III B 117/05, BFH/NV 2006, 540ff.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2004, 5 K 2618/03, EFG 2004, 1627f.; FG Hamburg, Urteil vom 5. August 2008, 3 K 117/07, EFG 2010, 1052ff.), ist aus der beigezogenen Kindergeldakte und den bisher vorgelegten weiteren Unterlagen, die allesamt nicht von einem Arzt stammen oder die Anerkennung als Schwerbehinderten umfassen (vgl. zu diesen Nachweiskriterien Loschelder, a.a.O., Rz. 39, DA-FamEStG 63.3.6.2 Abs. 1), nicht ersichtlich.

16
Zudem würde ein entsprechender Kindergeldanspruch auch daran scheitern, dass hierfür erforderlich ist, dass das (volljährige) behinderte Kind sich wegen seiner Behinderung nicht selbst unterhalten kann. Dies ist bei inhaftierten Kindern nicht der Fall; bei einer Inhaftierung ist diese und nicht eine etwaige Behinderung ursächlich für die fehlende Möglichkeit zur Deckung des eigenen Existenzminimums (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2009, III B 47/08; BFH/NV 2009, 929f.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Januar 2010, 6 K 2465/08, EFG 2010, 658f.; Loschelder, a.a.O., Rn. 47).

Kapitalgesellschaften – Verdeckte Gewinnausschüttung: Überweisung auf Privatkonto des Gesellschafter-Geschäftsführers

Bei einer Kapitalgesellschaft ist der betriebliche Bereich vom privaten Bereich des Gesellschafter-Geschäftsführers strikt zu trennen. Überweisen Schuldner einer GmbH zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten nämlich Geld auf das private Konto desGesellschafter-Geschäftsführers, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, die zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Folge von seinem privaten Konto an die GmbH gerichtete Rechnungen begleicht und die Zahlungsvorgänge in der Buchhaltung der GmbH erfasst werden (FG Baden-Württemberg 8.2.12, 4 K 3064/10, Rev. BFH VIII R 11/12).

Überweisung eines Schuldners einer GmbH auf das private Konto des Gesellschafters istTrotz anschließender Weiterleitung der Beträge (ohne vertragliche Vereinbarung) an die GmbHeine vGA

 Leitsatz

1. Überweisen Schuldner der GmbH zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten Geld auf das private Konto des Gesellschafters der GmbH, liegt eine vGA auch dann vor, wenn der Gesellschafter in der Folge von seinem privaten Konto an die GmbH gerichtete Rechnungen begleicht und die Zahlungsvorgänge in der Buchhaltung der GmbH erfasst werden.

2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Gesellschafter in Bezug auf die dem privaten Bankkonto gutgeschriebenen Beträge fehlt, so dass die Verwendung der Gelder im Belieben des Gesellschafters steht.

 Gesetze

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2

 Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte (Bekl) zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an den Kläger (Kl) angenommen hat.

Die Kl sind Eheleute, die für das Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wurden. Der Kl war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH. Die Klägerin (Klin) war im Streitjahr als Altenpflegerin nichtselbständig tätig und erzielte einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 23.842 EUR.

Im April 2007 wurde bei der X GmbH mit einer Betriebsprüfung begonnen, die u.a. die Körperschaftsteuer (KSt) für die Jahre 2003 bis 2005 zum Gegenstand hatte. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die spanische Firma Y in den Monaten November und Dezember 2005 mehrere ihr von der X GmbH in Rechnung gestellte Beträge in Höhe von insgesamt 64.986 EUR nicht auf das in den Rechnungen angegebene Konto der X GmbH bei der A-Bank, sondern auf das gemeinsame Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank überwiesen hatte. Im geänderten Prüfungsbericht vom 24. November 2009 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die genannten Zahlungseingänge auf dem Privatkonto der Kl als vGA in Höhe von 64.986 EUR an den Kl zu bewerten seien. In Tz. 30, Buchst. b) des genannten Prüfungsberichts begründete er die Annahme einer vGA wie folgt:

„  Zahlungen Y

Im November und Dezember 2005 erfolgten Zahlungseingänge auf dem privaten Bankkonto von Herrn O (Kl). Diese Zahlungseingänge wurden als Bareinzahlungen in der Kasse verbucht, obwohl die Einzahlungen in die Kasse nicht erfolgten. Da die Zahlungseingänge ohne rechtlichen Grund auf dem privaten Bankkonto verblieben, waren diese Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 3 KStG anzusetzen.”

Ferner stellte der Prüfer fest, dass von dem genannten Konto der Kl bei der B-Bank umgekehrt auch an die X GmbH gerichtete Rechnungen von Lieferanten usw. bezahlt worden waren. Diese Zahlungen vom Konto der Kl zugunsten der GmbH bewertete der Prüfer als verdeckte Einlagen des Kl. In Tz. 31 des Prüfungsberichts vom 24. November 2009 führte er diesbezüglich Folgendes aus:

Einlagen, die das Nennkapital nicht erhöht haben

 

   2005

 Wert vor Prüfung

 0.00 Euro

 Wert lt. Prüfung

 37.604,00 Euro

 Differenz

 37.604,00 Euro

 

Ab dem 04.11.2005 (erster Zahlungseingang von betrieblichen Erträgen auf dem privaten Bankkonto) wurden Barauszahlungen aus der Kasse verbucht, obwohl auf Grund des tatsächlichen Kassenbestands diese nicht möglich waren. Die gebuchten Auszahlungen erfolgten somit vom privaten Bankkonto (Hinweis auf Tz. 19). Es handelt sich somit um verdeckte Einlagen, die den Gewinn mindern. Diese verdeckten Einlagen erhöhen die Anschaffungskosten der Beteiligung des Gesellschafters.”

In der in Bezug genommenen Tz. 19 führte der Prüfer Folgendes aus:

 

 „  Kasse

   31.12.2005

 Wert vor Prüfung

 27.381,59 Euro

 Wert lt. Prüfung

 0,00 Euro

 Differenz

 -27.381,59 Euro

 

Im November und Dezember 2005 erfolgten Zahlungseingänge auf dem privaten Bankkonto von Herrn O (Kl). Diese Zahlungseingänge wurden als Bareinzahlungen in der Kasse verbucht, obwohl die Einzahlungen in die Kasse nicht erfolgten. Ebenso wurden ab dem 04.11.2005 (erster Zahlungseingang auf privatem Bankkonto) Barauszahlungen aus der Kasse verbucht, obwohl auf Grund des tatsächlichen Kassenbestands diese nicht möglich waren. Die gebuchten Auszahlungen erfolgten somit vom privaten Bankkonto.

Der Kassenbestand zum 31.12.2005 war deshalb mit 0,00 EUR anzusetzen. Weitere Ausführungen vgl. Tz. 30 und 31).”

Schon vor Erstellung des vorstehend erwähnten geänderten Prüfungsberichts vom 24. November 2009 teilte der Prüfer der Veranlagungsstelle des Bekl mit Kontrollmitteilung vom 25. März 2008 (Bl. 8 der ESt-Akten 2005) mit, dass seiner Auffassung nach für das Jahr 2005 eine vGA in Höhe von 64.986 EUR als Einnahme bei den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sei und dass die Anschaffungskosten der Beteiligung an der X GmbH um 37.604,00 EUR zu erhöhen seien. Der Kontrollmitteilung war ein Auszug aus einer früheren Fassung des Prüfungsberichts beigefügt, die unter den Tz. 34 und 35 bereits die Texte der späteren Tz. 30 und 31 des Prüfungsberichts vom 24. November 2009 enthielt.

Der Bekl schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und setzte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 10. April 2008 bei der Ermittlung der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen Einnahmen in Höhe von 32.493 EUR (= 64.986 EUR × 1/2) an. Den Bruttoarbeitslohn der Klin setzte der Bekl mit 23.842 EUR an. Im Übrigen schätze er die Besteuerungsgrundlagen, da die Kl bis dahin keine ESt-Erklärung für das Streitjahr abgegeben hatten. Den Ansatz einer vGA begründete der Bekl in den Erläuterungen zum Bescheid wie folgt:

„Die Dividende stellt eine vGA der X GmbH dar. Dies ergibt sich aufgrund der Betriebsprüfung bei der X GmbH.”

Gegen den ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 10. April 2008 legte die damalige Vertreterin der Kl mit Schreiben vom 19. April 2008 (Bl. 1 der Rechtsbehelfsakten) Einspruch ein und kündigte die Nachreichung einer Begründung an. Der Einspruch wurde in der Folge jedoch nicht begründet. Vielmehr stellten die Kl, nachdem sie von der Rechtsbehelfsstelle des Bekl mit Schreiben vom 08. Juni 2010 (Bl. 14 der Rechtsbehelfsakten) aufgefordert worden waren, den Einspruch bis zum 30. Juni 2010 unter Vorlage der ausstehenden ESt-Erklärung zu begründen, mit Schreiben vom 22. Juni 2010 (Bl. 15 der Rechtsbehelfsakten) den Antrag, die Frist für die Einspruchsbegründung bis zum 30. September 2010 zu verlängern. Der Bekl entsprach diesem Antrag jedoch nicht, sondern wies den Einspruch der Kl mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 (Bl. 25 ff. der Rechtsbehelfsakten) als unbegründet zurück. Gleichzeitig hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2010, der am 16. August 2010 beim Finanzgericht (FG) einging, erhoben die Kl Klage und machten zunächst geltend, dass sie zur Abgabe einer ESt-Erklärung für das Streitjahr nicht verpflichtet seien. Auf Anraten des Berichterstatters reichten die Kl jedoch am 29. Dezember 2011 eine ESt-Erklärung für das Streitjahr beim Bekl ein (vgl. die mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2011 vorgelegte Kopie der Erklärung, Bl. 100 ff. der FG-Akten). Darin erklärten sie für das Objekt W-Straße 1 Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 1.164,80 EUR (150 EUR für das EG und 1.014,80 EUR für das 2. OG = Dachgeschoss) sowie Werbungskosten in Höhe von insgesamt 1.162,57 EUR. Eine vGA erklärten die Kl in der genannten ESt-Erklärung nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannte Steuererklärung Bezug genommen.

Nachdem die Kl vom Berichterstatter gebeten worden waren, ihre – zu vermutende -Rechtsauffassung, dass die vom Bekl angenommene vGA nicht anzusetzen sei, näher zu begründen und dabei insbesondere auf die Frage einzugehen, ob der Sachverhalt in Tz. 30, Buchst. b) des geänderten Prüfungsberichts vom 24. November 2009 zutreffend dargestellt sei, reichten sie mit Schriftsatz vom 15. Januar 2012 (Bl. 143 ff. der FG-Akten) die folgenden Unterlagen (s. Anlagenband) beim FG ein:

  • • 3 Rechnungen der X GmbH an die Fa. Y –  Anlagen 1-3
  • • Kontoauszüge zum Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank für die Monate November 2005 bis Januar 2006 –  Anlagen 4-6
  • • einen Teilausdruck des Kontos 1000 für den Monat September 2004 mit einer Gutschrift über 6.366,16 EUR mit dem Buchungstext „USt FA A über E. O.” –  Anlage 7
  • • einen Kontoauszug vom 22. September 2004 zum Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank mit einer Gutschrift in Höhe von 6.366,16 EUR und der zugehörigen Buchungsinformation „USt 0804 STNR. 88… X GmbH” –  Anlage 8
  • • einen Ausdruck des Kontos 1000 („Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”) für den Monat November 2005 incl. 32 Seiten Lieferantenrechnungen November 2005 –  Anlage 9
  • • einen Ausdruck des Kontos 1000 („Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”) für den Monat Dezember 2005 incl. 28 Seiten Lieferantenrechnungen Dezember 2005 –  Anlage 10
  • • einen Ausdruck des Kontos 1000 („Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”) für den Monat Januar 2006 incl. 2 Seiten Lieferantenrechnungen –  Anlage 11

 

und trugen unter Bezugnahme auf die genannten Unterlagen Folgendes vor:

Sie hätten schon seit Jahren ordnungsgemäß über ein intern als „Kasse” bezeichnetes Verrechnungskonto verbucht. Dies sei „dokumentiert und belegt für jede Buchung in den vielen Jahren”. „Das Abwickeln über das Gesellschafterverrechnungskonto” sei einfach aus Zeitgründen erfolgt. Überweisungen von B-Bank an B-Bank seien binnen Minuten/Stunden beim Empfänger sichtbar. Bei herkömmlichen Konten sei dies zum damaligen Zeitpunkt nicht so schnell machbar gewesen, da oft sogar noch per Papierüberweisung gearbeitet worden sei. Bei der B-Bank habe es eben schon Onlinebanking gegeben – und zwar 24 Stunden, sieben Tage in der Woche. Das Buchungsverhalten der Banken habe „sein Übriges dazu beigetragen”. Trotz gesetzlicher Vorgaben hätten Banken sogar noch bis zum Dezember 2011 bis zu 3 Werktage für eine Onlinebuchung veranschlagt. Das habe „nicht oft” (gemeint ist vermutlich: „nicht selten”) zum Zahlungsverzug bei Überweisungen geführt. Auch hätten viele Geschäfte einen schnellen Geldtransfer erfordert, den erfahrungsgemäß allein die B-Bank zuverlässig ausgeführt habe. Es sei nicht selten vorgekommen, dass Überweisungen sogar bis zu sieben Zeittage gedauert hätten. Erst seit Januar 2012 sei die Frist für Überweisungen durch den Gesetzgeber auf 24 Stunden (Zeitstunden) vorgeschrieben. Wann es dazu die ersten Abmahnungen geben werde, werde sich nun zeigen!

Unter dem Datum vom 22.09.2004 sei ein Zahlungseingang des Finanzamts (FA) A zur Erstattung der Umsatzsteuer (USt) „X GmbH” für den Monat 08/2004 explizit „auf dem Gesellschafterverrechnungskonto”, Kontoinhaber „I. & E. O”, zu verzeichnen. Die vorgelegten Unterlagen würden aufzeigen, dass auch das FA A „auf das Gesellschafterverrechnungskonto” Zahlungen geleistet habe. Somit sei das Konto dem FA sehr wohl „als Verrechnungskonto bekannt” gewesen! Allein diese wenigen Unterlagen würden bereits zeigen, dass die Betriebsprüfung ergebnisorientiert durchgeführt worden sei mit dem Ziel, zu Lasten des Unternehmens und der Kl (Eheleute) Steuerlasten zu erzeugen. Von einer ordnungsgemäß abgelaufenen Betriebsprüfung und ordentlichen Ermittlungen im Rahmen der geltenden Gesetzeslage könne keine Rede sein. Dass kein rechtliches Gehör habe gewährt werden sollen, ergebe sich sowohl „aus diesem Tun” als auch aus dem Prüfungsbericht und der Abschlussbesprechung. Bereits Monate vor dem ersten Treffen zur Besprechung über die Ergebnisse der Betriebsprüfung habe der Betriebsprüfer durch seine Meldung (Kontrollmitteilung) vom März 2008 die Gewährung rechtlichen Gehörs verweigert. Durch Schaffung von Fakten in Form von Steuerbescheiden habe er wohl Druck erzeugen wollen, um damit Gefügigkeit in der anstehenden Abschlussbesprechung zur Betriebsprüfung herbeiführen zu können. Dazu passe auch die Weigerung der Rechtsbehelfsstelle, der berechtigten Forderung nach einer Verlängerung der Frist für die Abgabe der ESt-Erklärung 2005 bis nach dem Abschluss der Betriebsprüfung nachzukommen. Dies zeige auf, dass den Sachbearbeitern insgesamt auch rechtsbeugende Mittel nicht fremd seien, wenn sie widerrechtlich Druck erzeugen wollten, der zur Gefügigkeit führen solle. Eigenartigerweise sei ihrem Rechtsanwalt (Herrn C) in den Verfahren der Jahre 2001/2003, denen im Kern derselbe Sachverhalt zugrunde liege, auf dessen Antrag hin großzügig und ohne Probleme Fristverlängerung gewährt worden. Faires Verhalten sehe anders aus.

Bezüglich der Nachfragen zum Vorgang Y werde hier aufgezeigt, dass über das Gesellschafterverrechnungskonto ordnungsgemäß gebucht worden sei. Die Existenz des Kontos sei dem FA bereits vor der Betriebsprüfung bekannt gewesen und sei dokumentiert. Dies sei zweifelsfrei für den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2005 durch den Außenprüfer selbst überprüft worden. Dieser habe bestätigt, dass die „Lieferantenrechnungen als „Zahlung an Lieferanten” durch ihn bei der hier zugrunde liegenden Betriebsprüfung bestätigt” worden seien. Somit dürfte es also zweifelsfrei als erwiesen gelten, dass die Lieferantenrechnungen auch aus dem Gesellschafterverrechnungskonto bezahlt worden seien.

Sie hätten neben den geforderten Rechnungskopien (Y) auch das Konto 1000 (Gesellschafterverrechnungskonto) für die Monate November 2005, Dezember 2005 und Januar 2006 beigefügt. Ferner die Kontoauszüge der B-Bank für die Monate November 2005, Dezember 2005 und Januar 2006 sowie in Kopie jeweils „die bezahlten Lieferantenrechnungen aus dem Gesellschafterverrechnungskonto für die benannten Monate”. Der Betriebsprüfer habe während und nach seiner Prüfung zu keiner Zeit Bedenken geäußert, „dass Lieferantenrechnungen, Kosten und Kontenausgleiche in Form von Zahlungen aus dem Gesellschafterverrechnungskonto stattgefunden hätten”. Abschließend bleibe festzustellen, dass es nicht nachvollziehbar sei, wieso eine – zur Lieferantenbefriedigung genutzte – Zahlung des FA keine vGA sein solle, eine – ebenfalls zur Zahlung von Firmenrechnungen verwandte – Zahlung eines Kunden auf das gleiche Konto, nämlich das Gesellschafterverrechnungskonto, hingegen eine solche darstellen solle.

Dem Bekl sei genau bekannt, dass der vorliegende einkommensteuerrechtliche Rechtsstreit in der Hauptsache seine Ursache im körperschaftsteuerrechtlichen Rechtsstreit der X GmbH gegen den Bekl habe. Er wisse auch genau, dass der Kl als Geschäftsführer der X GmbH die Feststellungen der Betriebsprüfungsstelle des Bekl bei dieser als „unrichtig” gerügt habe. Und er wisse ebenfalls, dass die aufgrund der Prüfungsfeststellungen des Bekl erlassenen KSt-Bescheide mit Einsprüchen und mit Klagen vor dem FG angefochten worden seien. Wenn der Bekl also wisse, dass die Gefahr divergierender Steuerfestsetzungen bestehe, dann habe er alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Vermeidung einer solchen Situation zwingend auszuschöpfen.

Die Einspruchsentscheidung des Bekl rechtfertige die Besteuerung von Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen mit dem Hinweis auf den geänderten Betriebsprüfungsbericht vom 24. November 2009. In den dortigen Ausführungen zu Tz. 30 habe der Betriebsprüfer vGA zu Lasten der Kl angenommen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen von vGA trage nach ständiger Rechtsprechung der Bekl die Feststellungslast.

Bei der im Einkommensteuerverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides bestünden, ergebe sich, dass die Berichterstattung des Betriebsprüfers materiellrechtlich fehlerhaft sei, weil der Betriebsprüfer überhaupt keine Tatsachen festgestellt habe, die eine höhere Besteuerung der Kl rechtfertigen könnten. Der Betriebsprüfer habe in seinem Bericht lediglich seine persönlichen Rechtsauffassungen dargestellt. Deshalb seien die vom Betriebsprüfer übernommenen Ausführungen des Bekl in seiner Einspruchsentscheidung auch fehlerhaft und damit rechtswidrig. In Tz. 30 b) seines Betriebsprüfungsberichtes habe der Betriebsprüfer hinsichtlich der Zahlungen von Kundenrechnungen vorgetragen, dass es Zahlungseingänge auf dem „Bankkonto von Herrn O”, also dem Gesellschafterverrechnungskonto, gegeben habe. Er verschweige jedoch die umgehende Zahlung von an die X GmbH gerichteten Lieferantenrechnungen eben aus diesem Konto. Das Verschweigen seiner eigenen Überprüfungen sei sicherlich erklärungsbedürftig. Der Betriebsprüfer selbst habe die Rechnungen ja geprüft und akzeptiert. Wie bereits vorgetragen, sei dieses Konto der X GmbH schon viele Jahre existent und der Finanzbehörde bekannt, was aus anderen Prüfungsberichten und Zahlungen nachgewiesen gewesen sei und somit zum Zeitpunkt dieser Betriebsprüfung nichts Neues dargestellt habe. Die Feststellung, dass diese Zahlungseingänge als vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 KStG anzusetzen seien, sei „absurd und reine Spekulation”. Dieser Vortrag des Betriebsprüfers und des Bekl in der Einspruchsentscheidung sei materiell-rechtlich falsch.

Im Streitfall sei eine vGA deshalb nicht gegeben, weil die X GmbH dem Kl keinen Vermögensvorteil zugewandt habe. An der erforderlichen Vorteilszuwendung fehle es, wenn die X GmbH an ihren Gesellschafter etwas leiste und dabei von vornherein feststehe, dass es sich um eine Verrechnung seitens der X GmbH handele. Da keine Vermögensminderung zulasten der X GmbH eingetreten sei, würden bereits die Voraussetzungen für die Annahme einer vGA fehlen.

Die Frage, ob es sich um eine vGA handle, sei nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die bereits im Verfahren wegen ESt 2003 (Aktenzeichen 4 K 3298/10) für die Darlehensgewährung an den Kl dargestellt worden seien. Somit sei auch in diesem Fall zu prüfen, ob hier vGA deshalb ausscheiden müssten, weil die X GmbH dem Kl keinen Vermögensvorteil zugewandt habe, sondern „lediglich einige Zahlungen zu Gunsten der X GmbH erfolgt” seien, um Rechnungen schneller und bequemer bezahlen zu können, und bei der X GmbH keine Vermögensminderung eingetreten sei. Eine substantiierte Prüfung zu dieser Frage finde sich weder im Betriebsprüfungsbericht noch in der Einspruchsentscheidung des Bekl.

Im Ergebnis ließen die hier vorgetragenen Argumente erkennen, dass der angefochtene ESt-Bescheid 2005 „mit erheblichen ernstlichen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit belastet” sei. Die hier dargestellten Argumente der Kl würden offenbaren, dass der angefochtene ESt-Bescheid sogar mit schwerwiegenden Mängeln behaftet sei. Diese Mängel würden einerseits darauf beruhen, dass weder der Betriebsprüfer noch der Bekl einen verbindlichen Sachverhalt festgestellt hätten und andererseits abwegige Rechtsauffassungen zu vGA vertreten hätten. Es werde nach der willkürlichen Arbeitsmethode gehandelt: „Wir können und dürfen alles machen, was wir wollen. Der Kl kann sich ja dagegen wehren, wenn er will!”

Es erscheine fast unerträglich, dass der Bekl sein Vorgehen noch zusätzlich mit der Schaffung von Fakten durch Vereinnahmung von Zahlungen erreichen wolle, die er sich sogar selbst verschaffen dürfe, um so die Kl unter Druck zu setzen. Hinzu komme, dass sich der Bekl nicht die geringste Mühe gemacht habe, sich mit den Argumenten der Kl auseinander zu setzen. Lapidar, ja geradezu abwertend, weise er die geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner angefochtenen Bescheide als „nicht so bedeutsam” zurück und erkläre das Zahlungsbegehren – wie selbstverständlich – als „zumutbar”. Würden die Kl so argumentieren, müssten sie damit rechnen, dass ihr Vortrag als unsubstantiiert und unschlüssig zurückgewiesen würde. Die Arbeitsweise der beteiligten Personen und des Bekl kennzeichne obrigkeitsstaatliches Verhalten. Es sei rechtsstaatswidrig.

Da sowohl in den Einkommensteuerverfahren als auch in den noch zur Klärung anstehenden Verfahren der X GmbH u.a. für die Jahre 2001, 2003, 2004 und 2005 frühzeitig Einspruch eingelegt und um Begründung gebeten worden sei, würden sie um Hinzuziehung der Verfahrensakten zu diesen Verfahren bitten.

Eine Begründung hätten bis heute weder der Außenprüfer, noch die Sachbearbeiterin der Veranlagungsstelle, noch – am Ende – der Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle geliefert. Zur ordnungsgemäßen Begründung aufgefordert, werde stets nur auf die Tz. 30 im Prüfungsbericht vom 24. November 2009 verwiesen. Dieses stelle jedoch keine Tatsachenermittlung dar. Damit hätten weder der Außenprüfer noch die Veranlagungsstelle oder die Rechtsbehelfsstelle des Bekl eine hinreichende Begründung erbracht „zu den Ermittlungen oder tatsächlichen Fakten, die zur Steuerfestsetzung führten”. Es werde mit Mutmaßungen, Spekulationen bis hin zu wilden Beschuldigungen geantwortet. Spätestens die Rechtsbehelfsstelle hätte ordnungsgemäß begründen müssen, was jedoch zu keinem Zeitpunkt bis heute geschehen sei. Ein Hinweis auf die Tz. 30 im Prüfungsbericht, „Mutmaßungen über Bonität bis hin zur Nötigung” würden vor dem Gesetz nicht ausreichen. Es sei seitens des Bekl in den vergangenen Jahren auch nicht mit Strafanzeigen bei der Straf- und Bußgeldsachenstelle in T gespart worden. Selbstverständlich sei die Zahllast für die involvierten Anwälte zu Lasten der Kl gegangen. Daher würden sie erneut darum bitten, die beteiligten Personen als Zeugen über das Gericht zu laden, „um ausführlich, wie vom Gesetz vorgesehen, die Ermittlungen darzulegen aus der Betriebsprüfung und somit zu begründen!” Zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung würden sie ferner die Hinzuziehung der Akten aus den Verfahren wegen ESt 2001 und 2003 (Aktenzeichen 4 K 4769/10 und 4 K 3298/10) beantragen. Dort sei der Sachverhalt mehrfach ausführlich dargestellt worden, vor allem in Hinblick auf die Pflichten der ermittelnden Beamten.

Mit Schriftsatz vom 07. Februar 2012 (Bl. 292 f. der FG-Akten) trug der zwischenzeitlich bestellte Vertreter der Kl zu den bei der X GmbH geführten Konten 750, 751, 1000 und 1508 Folgendes vor:

Verrechnungskonten

Die X GmbH – vom Klägervertreter im nachfolgenden Text als „Firma” bezeichnet – führe schon seit Mitte der 90er Jahre „zwei Arten von Verrechnungskonten”. Dies seien „ein Darlehensverrechnungskonto und auch ein Verrechnungskonto für laufende Vorgänge”. Diese Konten seien „in ihrer Führung wie rechtlichen Beurteilung von den Betriebsprüfungen durch das FA S nie beanstandet” worden. Von je her gebe es die Konten 1000 und 1508 wie auch das Konto 750; das Konto 751 sei „irrtümlich entstanden”. In der Vergangenheit sei „in den Konten 750, 751 und 1508 falsch gebucht” worden, worauf nachfolgend eingegangen werde.

Darlehensverrechnungskonto

Anlässlich der Erarbeitung der Jahresabschlüsse für 2007 und 2008 sei dem bearbeitenden Steuerberater im Jahr 2010 aufgefallen, dass „einige Konten nicht korrekt gebucht” gewesen seien, weshalb alle Konten zu prüfen und aufeinander abzustimmen gewesen seien. Dieser Anlass habe zu einer Änderung der Konten 750, 751 und 1508 geführt, ohne dass das Zahlenwerk als solches angetastet worden sei. Die Änderungen würden nichts daran ändern, dass die Firma die für den Kl getätigte Leistungen als Forderungen gegen den Kl gebucht habe.

Das  Konto 750  habe von Anfang an die Einlage des stillen Gesellschafters betroffen und sei auf den Ursprungsbetrag von 51.129,19 EUR = 100.000,00 DM zurückgesetzt worden. Die dort irrtümlich aufgelaufenen Buchungen seien per 31.12. eines jeden Jahres auf das Konto 1508 gebucht worden, und zwar vom Jahr 2001 an, also auch für das Streitjahr.

Das  Konto 751  sei infolge der Falschbuchungen „im Konto 750 eröffnet” worden und habe Buchungen enthalten, die „mit dem Darlehen zu tun” gehabt hätten, weswegen „diese Buchungen nun im Konto 1508 (Darlehensverrechnungskonto) zu erkennen” seien; das Konto 751 sei 2004 aufgelöst worden.

Es gebe jetzt nur noch das Konto 750 für den stillen Gesellschafter und „das Konto 1508 für wechselseitige Darlehen zwischen der Firma und dem Kl”.

Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)

Das Konto 1000 sei ausweislich der Bilanz „Kasse” genannt worden. Eine Kasse im Sinne einer Barkasse habe die Firma indes nie gehabt, weil hierfür keine Notwendigkeit bestanden habe. Die Firma habe nie bare Einnahmen oder Ausgaben gehabt. Der gesamte Geldverkehr sei stets unbar erfolgt. Dieser Umstand sei dem Bekl nicht neu. Diesem sei auch bekannt, dass das Konto 1000 „als Gesellschafterverrechnungskonto geführt” werde. Der Bekl habe sich „den Umfang und die Sichtweise der Betriebsprüfung aus den Jahren 2003 bis 2005 zu Eigen gemacht”.

Im Jahr 2005 seien über das Konto 1000 betriebliche Vorgänge erfasst worden. Es sei „ein Spiegel dessen, was auf dem ehelichen B-Bankkonto an betrieblichen Vorgängen geschehen” sei. Rechnungen der Firma an Kunden seien „dorthin bezahlt und im Konto 1000 wie in den für den jeweiligen Kunden angelegten Sachkonten erfasst” worden, wodurch die Forderung gegen den Kunden erloschen sei (Erfüllung). Selbiges sei mit den Verbindlichkeiten der Firma geschehen, die der Kl vom ehelichen B-Bankkonto beglichen habe. Folge sei gewesen, dass in der Buchhaltung der Firma Debitoren und Kreditoren stets ausgeglichen gewesen seien. Zu einer persönlichen Bereicherung der Kl – insbesondere des Kl – sei es nicht gekommen, zumal „die Befriedigung von Verbindlichkeiten” höher ausfalle als der Eingang von Zahlungen der Kunden. Eine „Vermögensminderung aus Sicht der Firma” habe nicht stattgefunden und werde „nicht durch den reinen Geldfluss indiziert”.

Weder die Betriebsprüfung noch der Bekl würden erwähnen, dass die Kl im Jahr 2005 bis zum 04. November 2005, dem Tag der Zahlung seitens der Firma Y, 13.063,40 EUR (zugunsten der X GmbH) gezahlt hätten. Erwähnt werde auch nicht, dass am Jahresende 2005 die Firma Y zwar Zahlungen von 64.985,75 EUR erbracht, die Kl jedoch Verbindlichkeiten der Firma in Höhe von 73.669,78 EUR getilgt hätten. Die Firma habe „die Fa. Y nicht angewiesen, aufs B-Bankkonto zu zahlen”.

Mit seinem Schriftsatz vom 07. Februar 2012 (Bl. 292 f. der FG-Akten) legte der Vertreter der Kl folgende Unterlagen vor:

1.) Auszüge aus den Konten 1000 „Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”), 1508 „Ford. gg. Ges.”) und 750 „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter Restlaufzeit ab 5 Jahre”) (Bl. 294 ff. der FG-Akten), aus denen insbesondere die im Jahr 2010 erfolgten Ein-/Umbuchungen auf das Konto 1508 ersichtlich sind;

2.) eine von ihm als „tabellarische Zusammenstellung in Bezug auf Zahlungen der Fa. Y” bezeichnete „Tabelle 1” (Bl. 303 ff. der FG-Akten), in der die mit der X GmbH im Zusammenhang stehenden „Einnahmen und Ausgaben” auf dem Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank einander gegenübergestellt sind.

Auf die genannten Unterlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 07. Februar 2012 legte der Vertreter der Kl zur näheren Erläuterung seines Vortrags schließlich noch einen „Vermerk der Buchhaltung zu den Konten 750 und 1508” (Bl. 310 der FG-Akten) mit folgendem Wortlaut vor:

 

 „Betr. Umbuchung Konto 0750 / 1508  U, 06.02.2012

 

Im Rahmen der Jahresabschlüsse 2007 und 2008 wurden mit dem damaligen Steuerberater alle Konten abgestimmt. Bei dieser Abstimmung wurde festgestellt,

dass in den Vorjahren 2001 – 2006 die Konten 0750 und 1508 falsch bebucht wurden.

Da das Konto 0750 eine Verbindlichkeit ist, die aus einer stillen Einlage für die GmbH resultiert, hätte dieses Konto jedoch nicht bebucht werden dürfen.

In den Jahren 2001 – 2006 / Anf. 09 wurden sowohl Ein- als auch Auszahlungen versehentlich auf das Konto 0750 statt 1508 gebucht. Dadurch wurde obendrein auch noch seitenverkehrt gebucht, da das Konto 0750 ein Haben-Konto und das 1508 ein Soll-Konto ist.

Somit wurden – in Absprache mit dem Steuerberater – beide Konten berichtigt. Im Rahmen dieser Umbuchungen wurde das Konto 0750 wieder auf seinen Ursprungsbetrag gesetzt und dem Konto 1508 wurden die Ein- und Auszahlungen zugeordnet.

Dadurch wurde auch die Übersichtlichkeit der Entwicklung der gewährten Darlehen für das Gericht erleichtert.”

Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellten die Kl den Antrag,

die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass beim Kl keine Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 2 Euro berücksichtigt werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Vertreter des Bekl erklärten im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass die Einkünfte (des Kl) aus Vermietung und Verpachtung mit 2 Euro der Höhe nach unstreitig gestellt würden. Alle übrigen in der Steuererklärung angegebenen Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme der von ihnen angenommenen vGA stellten die Vertreter des Bekl ebenfalls unstreitig. Im Übrigen (bezüglich der angenommenen vGA) beantragten sie,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Mit Schriftsatz vom 01. Februar 2012 (Bl. 229 ff. der FG-Akten) nahm der Bekl zum Schriftsatz der Kl vom 15. Januar 2012 wie folgt Stellung:

Der Kl erkläre eingangs, dass in der GmbH seit Jahren über ein intern als „Kasse” bezeichnetes „Verrechnungsskonto” gebucht worden sei. „Bis heute” sei dem beklagten FA nicht bekannt gewesen, dass die Gesellschaft das Konto „Kasse” als „Gesellschafterverrechnungskonto” führe. Als Nachweis würden Kontenblätter des Kontos 1000 „Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)” gereicht. Dieses sei jedoch „in den Bilanzen eindeutig als „Kasse” bezeichnet und auch entsprechend der Gliederung des § 266 HGB in den Bilanzen so dargestellt” worden. Auch in den der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellten digitalen Buchführungsdaten laute die Kontenbezeichnung des Kontos 1000 sowohl in der laufenden als auch in der Abschlussbuchhaltung ausschließlich „Kasse” und nicht – wie in den jetzt vorgelegten Sachkontenausdrucken – „Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”. Sollte die GmbH zusätzlich zum „Gesellschafterverrechnungskonto 1508” das Konto 1000 „Kasse” als ein weiteres „Gesellschafterverrechnungskonto” geführt haben, wären die bisher zur Verfügung gestellten Unterlagen und auch der Ausweis in der Bilanz falsch. Weiter übersehe der Kl, dass ein „GeseIlschafterverrechnungskonto” nie ein Geldkonto (Bank, Kasse) sein könne und „keine eigentliche Abrechnungsstelle eines Bilanzpostens” sei, sondern lediglich ein Hilfskonto aus buchungstechnischen Gründen darstelle.

Selbst der Kl sei – wie auch die damalige Steuerberaterin R – im Zeitpunkt der Abschlussarbeiten für das Jahr 2005 davon ausgegangen, dass es sich hierbei um die „Kasse” handele. So sei der Kl am 11.10.2006 von der Steuerberaterin der GmbH auf den hohen Kassenbestand von rund 30.000,– EUR hingewiesen worden:

„Dies liegt daran, dass Sie Geldeingänge von Kunden über Kassenkonto verbucht haben, die auf Ihr privates Postscheckkonto eingegangen sind. Diese Vorgehensweise ist m.E. nicht gut, denn das FA kann dann auch Ihr Privatkonto durchsehen, da es ja sein kann, dass noch andere Beträge….” (Anl. 1, Bl. 251 der FG-Akten)

Darauf habe der Kl am 18.10.2006 geantwortet:

„Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das FA ja ‚so gut’ zu mir ist, bin ich gezwungen, diesen hohen Kassenbestand zu führen. Da ja es an der Tagesordnung zeitweilig war, willkürlich Pfändungen auf unserem Konto durchzuführen. Um meine Geschäfte in Ruhe führen zu können, halte ich diesen Kassenbestand für notwendig. Aus diesem Kassenbestand heraus zahlen wir auch heute noch Lieferantenrechnungen.” (Anl. 2, Bl. 252 der FG-Akten).

Es sei darin keine Rede davon, dass es sich, wie jetzt behauptet werde, um ein „Gesellschafterverrechnungskonto” handeln solle.

Bei der Betriebsprüfung sei allerdings der bei einem derartigen Unternehmen unüblich hohe Kassenbestand zum 31.12.2005 thematisiert worden. Auf Befragen sei mitgeteilt worden, dass keine „Kasse” im klassischen Sinn vorhanden sei. Somit hätten auf diesem Konto weder Einzahlungen noch Auszahlungen erfolgt sein können. Daher sei der Kassenbestand zum 31.12.2005 mit 0,00 EUR anzusetzen gewesen (s. BP-Bericht vom 24. November 2009, Tz. 19). Einwendungen dagegen würden – soweit ersichtlich – keine vorgebracht.

Aus der vom Kl dargestellten Abwicklung von Überweisungen werde deutlich, dass dieser – außer dem Konto „Kasse” – auch das  private  B-Girokonto, dessen Inhaber unstreitig Herr und Frau O (die Kl) seien, als (weiteres) „Gesellschafterverrechnungskonto” bezeichne. Eine derartige Behandlung eines privaten Bankkontos sei „buchhaltungstechnisch nicht vorgesehen”.

Unrichtig sei die Behauptung des Kl, dem beklagten FA sei dieses Konto „als Verrechnungskonto sehr wohl bekannt gewesen”, da es „auf dieses Gesellschafterverrechnungskonto” Zahlungen geleistet habe. Richtigerweise sei der Erstattungsbetrag aus der USt-Voranmeldung August 2004 vom FA auf das private Postgirokonto der Kl überwiesen worden. Dies sei auf ausdrücklichen Wunsch des Kl geschehen (vgl. das Schreiben vom 15.09.2004, Anl. 3, Bl. 253 der FG-Akten: „fordere ich Sie daher auf, auf das gemeinsame Privatkonto meiner Gemahlin und mir zu überweisen…”). Damit sei das private Bankkonto der Kl keineswegs zu einem „Gesellschafterverrechnungskonto” der GmbH geworden.

Auf den Grund der Verbuchungen auf seinem privaten Konto angesprochen, habe der Kl anlässlich der Betriebsprüfung erklärt, dass vom FA Konten der GmbH gepfändet worden seien. Deshalb habe er keine Geldgeschäfte mehr über die GmbH-Konten abgewickelt. Auf seine Anweisung hin hätten die Kunden die Beträge auf sein Privatkonto überwiesen. Das FA habe den Kl umgehend darauf hingewiesen, dass damit der Straftatbestand einer „Vollstreckungsvereitelung” erfüllt sein könnte, und habe sich eine Meldung an die Straf- und Bußgeldsachenstelle vorbehalten. Dies gehe aus dem Protokoll des Rechtsanwalts M über die Besprechung vom 03.07.2008 unter Tz. 20 [Kasse] eindeutig hervor (s. Anl. 4, Seite 2; Bl. 254 f. der FG-Akten).

Der Vorwurf des Kl, ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden, könne durch den Ablauf der Betriebsprüfung leicht entkräftet werden. Außerdem sei der von den Kl erhobene Rechtsbehelf erstmals durch die Einreichung der ESt-Erklärung für das Streitjahr am 29.12.2011 begründet worden.

Entgegen der Auffassung des Kl habe der Betriebsprüfer nicht sämtliche Buchungen des Kontos 1000 „Gesellschafterverrechnungskonto” geprüft. Aufgrund des hohen Kassenbestands zum 31.12.2005 sei lediglich eine Prüfung der Buchungen ab November 2005 erfolgt. Hierbei habe sich ergeben, dass die  in diesem Zeitraum  auf dem Konto 1000 gebuchten Zugänge Zahlungen betroffen hätten, die der Kunde „Y” auf das private Bankkonto der Eheleute O geleistet gehabt habe. Da keinerlei schriftliche Vereinbarungen über die Handhabung dieser Zahlungseingänge zwischen der Gesellschaft und den Eheleuten O habe vorgelegt werden können, seien diese Geldeingänge als vGA behandelt und als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 64.986,– EUR im Wege des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40d EStG ) mit 50% angesetzt worden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die vGA in seiner Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 09. November 2005 I R 89/04, Bundessteuerblatt (BStBI) II 2008, 523) wie folgt definiert (vgl. R 36 Abs. 1 S. 1 KStR ):

„Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensvermehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 04.09.2002 I R 48/01 . BFH/NV 2003, 347 ; vom 22.10.2003 l R 37/02, BStBI II 2004, 121. jeweils m.w.N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BFH-Urteil vom 16.03.1967 I R 261/63 , BStBI III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 17.12.1997 I R 70/97 , BStBI II 1998, 545, m.w.N.).”

Im hier zu entscheidenden Rechtsstreit handle es sich um einen beherrschenden (Allein-)Gesellschafter. Damit sei eine vGA bereits dann anzunehmen, wenn die Leistung der GmbH nicht klar und eindeutig vereinbart worden sei. In diesen Fällen bestehe nach dem BFH-Urteil vom 18. November 2001 I R 44/00 (BFH/NV 2002, 543 , m.w.N.) „eine Vermutung dafür, dass die Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist und ernsthafte schuldrechtliche Leistungsverpflichtungen nicht begründet werden sollten”. Um Gewinnmanipulationen zu vermeiden, verlange die Rechtsprechung hier eindeutige Vereinbarungen, die im Streitfall  nicht  getroffen worden seien.

Anlässlich der Prüfung der Buchungen des Kontos 1000 ab November 2005 sei auch festgestellt worden, dass Betriebsausgaben der GmbH von demselben privaten Bankkonto der Eheleute O bezahlt worden seien. Diese in Höhe von 37.604,– EUR für die GmbH geleisteten Zahlungen seien im Gegenzug als verdeckte Einlagen behandelt worden (s. BP-Bericht v. 24.11,2009, Tz. 31).

Sobald die Voraussetzungen für die Annahme eine vGA erfüllt seien, erfolge die Behandlung im Rahmen der ESt-Veranlagung des Gesellschafters grundsätzlich unabhängig von einem erfolgten Ansatz bei der KSt der Gesellschaft. Im Einzelfall seien sogar divergierende Festsetzungen möglich, sollte beispielsweise eine Änderung der KSt aus formalrechtlichen Gründen verwehrt sein, die ESt dagegen noch geändert werden können.

Die Ausführungen des Kl (auf Seite 4 seines Schriftsatzes) zur Aussetzung der Vollziehung beträfen nicht das hier anhängige Klageverfahren und würden daher vom beklagten FA nicht aufgegriffen.

In seinem abschließenden Vorbringen moniere der Kl die seiner Meinung nach bis heute fehlende Begründung des Verwaltungsaktes. Er übersehe dabei die Tatsache, dass er und seine Ehefrau selbst durch die Nichtabgabe der ESt-Erklärung für das Streitjahr die Fakten geschaffen hätten, die zu einer Schätzung der Steuerfestsetzung geführt hätten. Die Kl seien auch nicht willens gewesen, im darauf folgenden Rechtsbehelfsverfahren ihrer Erklärungspflicht baldmöglichst nachzukommen. Erst vor wenigen Tagen sei die Steuererklärung eingereicht worden. Jetzt bestehe für das beklagte FA die Möglichkeit, sich mit den bestrittenen Besteuerungsgrundlagen definitiv auseinanderzusetzen. Dies sei hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen in dieser Stellungnahme erfolgt.

Der Senat hat antragsgemäß die Akten zu den Verfahren der Kl wegen ESt 2001 und 2003 (Aktenzeichen: 4 K 4769/10 und 4 K 3298/10) sowie die Akten zu den Verfahren der X GmbH wegen KSt 2001, 2003, 2004 und 2005 (Aktenzeichen: 6 K 2947/10, 6 K 422/11, 6 K 427/11 und 6 K 2643/10) beigezogen. Auf die genannten Akten wird vollinhaltlich Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur insoweit begründet, als die Kl mit dieser neben einer Änderung des Ansatzes der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen auch einen (entsprechend der im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens beim Bekl eingereichten ESt-Erklärung) geänderten Ansatz der Einkünfte des Kl aus Vermietung und Verpachtung und der übrigen Besteuerungsgrundlagen (mit Ausnahme der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen) begehrt haben. Im Übrigen (soweit die Kl zusätzlich eine Änderung des Ansatzes der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen begehrt haben) ist die Klage jedoch unbegründet, da der Bekl zu Recht eine vGA als Einnahme bei den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen angesetzt hat.

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG ) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. auch Gewinnanteile, Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zu den „sonstigen Bezügen” im Sinne der genannten Vorschrift gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG auch vGA.

Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (Urteile des BFH vom 09. Dezember 2009 X R 52/06 , BFH/NV 2010, 1246 , und vom 19. Juni 2007 VIII R 34/06, BFH/NV 2007, 2291 ).

Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (Urteile des BFH vom 09. Dezember 2009 X R 52/06 , a.a.O., vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103 ; vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BStBl II 2007, 393; Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 240; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 75; Schmidt/ Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 60 f.).

2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt – und zwar auch dann, wenn die streitbefangenen Überweisungen der Firma Y auf das private Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank – wie von den Kl zuletzt behauptet – ohne eine entsprechende Anweisung der X GmbH erfolgt sein sollten. Sollten die genannten Überweisungen auf das private Konto der Kl tatsächlich ohne eine entsprechende Anweisung der X GmbH erfolgt sein, so wären zwar nicht bereits die erfolgten Gutschriften der überwiesenen Beträge auf dem privaten Konto der Kl als vGA an den Kl zu werten, wohl aber der Umstand, dass die X GmbH vom Kl nicht die unverzügliche Weiterleitung der gutgeschriebenen Beträge auf ihr eigenes Konto bei der A-Bank verlangt hat. Denn das Unterbleiben eines solchen Verlangens wäre zweifellos als gesellschaftlich veranlasst anzusehen, da bei einem Nichtgesellschafter eine solche Behandlung eines fälschlicherweise auf sein privates Konto überwiesenen Rechnungsbetrages nicht denkbar gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als es sich bei diesem Konto nicht um ein Konto des Kl allein, sondern um ein gemeinsames Konto beider Kl (Ehegatten) gehandelt hat. Dass der Kl in der Folge von dem privaten Konto bei der B-Bank auch an die X GmbH gerichtete Rechnungen beglichen hat und dass die verschiedenen Zahlungsvorgänge (sowohl die Zuflüsse auf dem privaten Konto als auch die Abflüsse von diesem Konto) in der Buchhaltung der GmbH (auf dem Konto 1000) erfasst wurden, vermag an der Beurteilung der streitbefangenen Vorgänge als vGA nichts zu ändern, da es an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Kl in Bezug auf die auf dem privaten B-Bankkonto gutgeschriebenen Beträge fehlt mit der Folge, dass deren Verwendung letztlich im Belieben des Kl stand.

Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Bekl beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 135 Abs. 1 und 137 Satz 1 FGO. Die Kosten des Verfahrens waren in voller Höhe den Kl aufzuerlegen, obwohl die Klage teilweise Erfolg hatte, da dies allein darauf zurückzuführen ist, dass die Kl die ESt-Erklärung für das Streitjahr erst im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens – nach Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung – beim Bekl eingereicht haben.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) zuzulassen.

Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen in der Rechnungslegung für Kleinkapitalgesellschaften (MicroBilG) – Blog.Steuer.org

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Justiz Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen in der Rechnungslegung für Kleinkapitalgesellschaften (MicroBilG)

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Zusendung des Referentenentwurfs zur Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen der Rechnungslegung für Kleinstkapitalgesellschaften (MicroBilG).
Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt die rasche Umsetzung der EU-Richtlinie 2012/6/EU.
Gestatten Sie uns vorab die folgende Anmerkung:

Wir regen an, die Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU zum Anlass zu nehmen, das Ordnungsgeldverfahren bei Nichtvorlage, bzw. nicht fristgemäßer Vorlage des Jahresabschlusses zu überprüfen. Denn die praktische Anwendung der §§ 325 ff. HGB hat leider gezeigt, dass insbesondere der Automatismus hinsichtlich der Festsetzung der Mindesthöhe des Ordnungsgeldes über 2.500,00 € gem. § 335 Abs. 1 HGB zu nicht tragbaren Schärfen führt. Dieses gilt insbesondere auch deshalb, weil dieses Ordnungsgeld ggf. mehrfach festgesetzt wird, völlig unabhängig von der Schwere des Verstoßes und vor allen Dingen der Größe des Unternehmens, das betroffen ist.

Vor allen Dingen gibt es keine Möglichkeit, ein fehlendes Verschulden der Geschäftsführung einer Gesellschaft sowohl dem Grunde als vor allen Dingen auch der Höhe nach bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen. Zu denken ist etwa an den Fall, dass der alleinige Geschäftsführer eines Kleinstunternehmens schwer erkrankt ist und seinen rechtlichen Verpflichtungen nicht – rechtzeitig – nachkommen kann.

Aus diesem Grunde regen wir an, bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes, vor allen Dingen jedoch bei der Mindesthöhe des Ordnungsgeldes, Änderungen vorzunehmen. Es sollte zudem überlegt werden, ggf. den Erlass des Ordnungsgeldes im Billigkeitswege vorzusehen.

Dies gilt u. E. umso mehr, als dass auf europäischer Ebene durch die Europäische Richtlinie 78/660/EU in den Artikeln 47 ff. keine Mindestvorgaben für die Sanktionierung durch die Mitgliedstaaten vorgesehen ist.
Für die praktische Anwendung durch die Steuerberater wäre es u. E. sinnvoll, einen klarstellenden Hinweis aufzunehmen, dass die in Rede stehenden Vorschriften auch für Gesellschaften i. S. d. § 264 a HGB gelten.
Hinsichtlich der vorgesehenen Regelungen im Referentenentwurf selbst nehmen wir auf die beigefügte Anlage Bezug.

Mit freundlichen Grüßen
i. V.
Jörg Schwenker
Geschäftsführer

Anlage
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen in der Rechnungslegung für Kleinkapitalgesellschaften (MicroBilG)

Artikel 1 – Änderung des Handelsgesetzbuchs
Zu 3. Einfügung eines Satzes in § 253 Abs. 1
Wir begrüßen die deutliche Absage einer Bewertung zum Zeitwert für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB), sofern sie von den vorgesehenen Erleichterungen Gebrauch machen.
Denn generell lehnt die Bundessteuerberaterkammer eine Bewertung zum Zeitwert für Bilanzierende, die nach dem HGB Rechnung legen, ab. Dennoch regen wir an, den allgemein gültigen Terminus „beizulegender Zeitwert“ auch an dieser Stelle zu verwenden.

Zu Nr. 4 – § 264 HGB
Zwar ist der Verzicht auf einen Anhang prinzipiell zu begrüßen, es stellt sich uns allerdings die Frage, wie der dann vorgesehene Ausweis unter der Bilanz konkret aussehen sollte. Völlig unabhängig davon sollte es besser statt … unter der der Bilanz ausweisen … unter der Bilanz angeben … heißen. Wegen der leichteren Lesbarkeit wäre es unter Umständen sinnvoller, ebenfalls in § 288 HGB eine Befreiung vorzunehmen und die in den Nr. 1, 2 und 3 geforderten Angaben in einer „Anlage“ zum Jahresabschluss aufzuführen.

Zu Nr. 6 – Anfügung eines Abs. 5 in § 264c HGB
Die Aussage dieses Absatzes bleibt im Dunkeln. Insbesondere ist nicht klar, was mit „Berechnung der Bilanzposten“ tatsächlich gemeint ist.
Leider erschließt sich der Sinngehalt des Abs. 5 auch nicht aus der Gesetzesbegründung und es bleibt unklar, ob nun ein Ausweis erforderlich ist oder nicht.
Soll damit erreicht werden, dass kleine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften die Wahlrechte für kleine, bzw. Kleinstunternehmen hinsichtlich der Gliederungstiefe in Anspruch nehmen können?
Aus den vorstehenden Gründen regen wir eine Klarstellung an.

Zu Nr. 7 – Anfügung der Sätze 4 f. in § 266 Abs. 1
Diese Regelung beinhaltet die Möglichkeit, dass Kleinstkapitalgesellschaften auf den gesonderten Ausweis der Rechnungsabgrenzungsposten verzichten. Allerdings soll der Ausweis der Rechnungsabgrenzungsposten innerhalb der Forderungen bzw. Verbindlichkeiten erfolgen.
Wenn jedoch ein gesonderter Ausweis der materiell einzustufenden Rechnungsabgrenzungsposten als Forderungen/Verbindlichkeiten erfolgen muss, ist eine Erleichterung nicht damit verbunden, weil die gesonderte Berechnung der Posten auf jeden Fall erfolgen muss.
Vielmehr führt diese vermeintliche Erleichterung eher zu einer weiteren Erschwernis, weil entsprechend vorhandene Zuordnungstabellen abgeändert werden müssten.

Zu Nr. 9 Anfügung des Abs. 5 in § 275 HGB
Hier soll die verdichtete Gewinn- und Verlustrechnung geregelt werden. Dieses Gliederungsschema ist so aus der Richtlinie unverändert übernommen worden. Allerdings enthält die Richtlinie insoweit nur eine Mindestvorgabe, denn es heißt dort: „…b) gegebenenfalls nur eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen, in der zumindest folgende Posten gesondert ausgewiesen werden…“.
Dieses ist u. E. jedoch unter folgenden Aspekten missglückt:

1. Nettoumsatzerlöse
Dieser Terminus ist bisher gesetzlich nicht in § 275 HGB definiert. Es könnte auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, als seien damit die Erlöse ohne Umsatzsteuer gemeint.
Gemeint sind jedoch „Erlöse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit abzüglich Umsatzsteuer und Erlösschmälerungen“, wie sich aus einem Blick in die Richtlinie zu Art. 28 78/660/EWG ergibt. Hier sollte auf jeden Fall eine entsprechende Klarstellung erfolgen, da dem Rechtsanwender ein Studium der Richtlinientexte nicht zugemutet werden sollte.

2. Bestandsveränderungen, aktivierte Eigenleistungen usw.
Völlig im Dunkeln bleibt auch, wo aktivierte Eigenleistungen und Bestandsveränderungen bei einer Anwendung des Gesamtkostenverfahrens zuzuordnen sind.

3. Zinsaufwendungen, Zinserträge, Beteiligungserträge usw.
Dies gilt auch für das gesamte Finanzergebnis, also insbesondere Zinserträge und Zinsaufwendungen und Beteiligungserträge usw.

Im Rahmen der unterjährigen Buchhaltung werden aber die vorstehend genannten Positionen auf getrennten Konten gebucht, so dass es mittels einer Zuordnungstabelle ohne Weiteres möglich ist, die nicht verdichtete Gewinn- und Verlustrechnung entsprechend auszufüllen und darzustellen. Insofern ist keinerlei Erleichterung aus dieser „Verdichtung“ ersichtlich.

Gestatten Sie es uns noch auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen. Gerade bei Kleinstkapitalgesellschaften kann es sinnvoll sein, die Gewinn- und Verlustrechnung stärker aufzugliedern als in § 275 Abs. 5 HBG-E vorgesehen. Denn die Buchhaltung und der Jahresabschluss übernehmen bei Kleinstkapitalgesellschaften häufig auch Controllingzwecke, so dass der Kaufmann etwa Abweichungen in einem Mehrjahresvergleich nachverfolgen kann und hieraus ggf. notwendige wirtschaftliche Maßnahmen ergreifen kann.

Fazit
Als Fazit unserer obigen Ausführungen sind die vorgesehenen Erleichterungen betreffend des Anhangs und der Offenlegung zu begrüßen. Die sog. „Verdichtungen“ sind aber u. E. eher kontraproduktiv und abzulehnen.
Unseres Erachtens wäre in diesem Zusammenhang zudem zu überprüfen, ob eine Konvergenz mit den Erfordernissen der E-Bilanz besteht, so dass ohne größeren Bürokratieaufwand die verdichteten Posten in die E-Bilanzierung Eingang finden können. Wäre dieses nicht der Fall, so würde der Sinn und Zweck dieses Gesetzes konterkariert, nämlich Bürokratie abzuschaffen und Kosten zu verringern. Dieses Petitum gilt gerade für Kleinstkapitalgesellschaften.

Kein Ehegattensplitting bei Zweitfrau

Finanzgericht Köln: Kein Ehegattensplitting bei Zweitfrau

Eine Zusammenveranlagung mit der im Koma liegenden Ehefrau kommt nicht in Betracht, wenn der Ehemann bereits mit einer neuen Partnerin zusammenlebt und aus dieser Beziehung ein Kind hervorgegangen ist. Dies hat der 10. Senat des FG Köln in seinem Urteil vom 16. Juni 2011 (10 K 4736/07) entschieden.

In dem Verfahren klagte ein Mann auf Zusammenveranlagung mit seiner im Wachkoma liegenden Ehefrau, die in einem Pflegeheim untergebracht war. Zur Haushaltsführung und Versorgung der beiden ehelichen Kinder nahm der Kläger gegen Kost und Logis eine Frau auf, die im Streitjahr vom Kläger ein Kind bekam. Das Finanzamt lehnte daraufhin die Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau ab.

Dies bestätigte der 10. Senat. Er hielt es wie das Finanzamt für ausgeschlossen, die Kindsmutter lediglich als “Hausangestellte“ zu sehen. Der Senat ging vielmehr spätestens mit der Geburt des gemeinsamen Kindes von der Begründung einer neuen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft aus, durch die die Gemeinschaft mit der im Koma liegenden Ehefrau aufgehoben worden sei. Nach dem grundgesetzlichen Gebot der Einehe (Art. 6 GG) könnten bei einer Person nicht gleichzeitig zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften vorliegen.

Der 10. Senat hat die Revision gegen sein Urteil zum BFH zugelassen, weil bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob besondere Lebensumstände das gleichzeitige Vorliegen von zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften rechtfertigen könnten.

FG Köln, 01.08.2011

Anhebung des Grundfreibetrags

 Auswirkungen für Arbeitnehmer ab April

Der Bundesrat hat in seiner ersten Sitzung im neuen Jahr der Anhebung des Grundfreibetrags zugestimmt. Für das Jahr 2013 beträgt dieser 8.130 Euro sowie 8.354 Euro für das Jahr 2014. Der Bund der Steuerzahler begrüßt die Entscheidung des Bundesrates. Allerdings war die Anhebung des Grundfreibetrags erforderlich, um das verfassungsrechtliche Existenzminimum in ausreichendem Maße steuerfrei zu stellen.

Von der Anhebung des Grundfreibetrags profitieren alle Steuerzahler, denn sie müssen Steuern nur für das Einkommen zahlen, das über dem Grundfreibetrag liegt. Bei den Arbeitnehmern wird sich der höhere Grundfreibetrag in der Lohntüte aber frühestens im April 2013 auswirken, denn nun müssen erst die Softwareprogramme zum Lohnsteuerabzug umgestellt werden. Viele Selbstständige werden sogar erst mit der Einkommensteuererklärung 2013 etwas von der Anpassung spüren. Zu große Hoffnungen sollten sich die Steuerzahler aber nicht machen. Denn diese Regelung macht sich bei den Steuerzahlern mit maximal 24 Euro gegenüber dem Vorjahr bemerkbar.

Darüber hinaus fordert der Bund der Steuerzahler weitergehende Schritte zur Entlastung der Steuerzahler, z.B. über den Abbau der kalten Progression oder des Solidaritätszuschlags.

BdSt fordert praxisgerechte Umsetzung

Erst im Februar 2013 hat der Bundesrat der rückwirkenden Anhebung des steuerfreien Grundfreibetrags von 8.004 Euro auf 8.130 Euro pro Jahr zugestimmt. „Die Politik konnte sich nicht frühzeitig auf die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des Grundfreibetrags einigen, sodass gegenwärtig noch der niedrigere Grundfreibetrag bei der Lohnabrechnung angewendet wird. Nun muss eine schnelle und pragmatische Lösung gefunden werden, damit die Steuerzahler bereits in diesem Jahr vollständig von der Anhebung des Grundfreibetrags profitieren“, fordert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt).

Die Anhebung des Grundfreibetrags wird sich nämlich wahrscheinlich erst im April 2013 in der Lohntüte auswirken, denn nun müssen die Softwareprogramme zum Lohnsteuerabzug umgestellt werden. Damit wird für die Monate Januar, Februar und März 2013 zu viel Lohnsteuer abgezogen. Der BdSt fordert das Bundesministerium der Finanzen auf, eine unbürokratische Lösung für die Korrektur der Lohnabrechnungen Januar bis März 2013 zu finden. Einen entsprechenden Vorschlag hat der BdSt in einem Schreiben an das Bundesministerium der Finanzen unterbreitet. Er sieht vor, eine entsprechende Korrektur für die ersten drei Kalendermonate direkt im April vorzunehmen oder die Berichtigung über die verbleibenden neun Monate zu strecken.

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Bundesregierung: Existenzminimumbericht bestätigt steuerpolitischen Kurs zum Abbau der kalten Progression

Das Bundeskabinett hat am heutigen 7. November 2012 den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern beschlossen. Der Bericht bestätigt den steuerpolitischen Kurs der Bundesregierung zum Abbau der kalten Progression.

Erwerbseinkommen, soweit es zum dem Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich ist, darf in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht besteuert werden. Um die Einhaltung dieser Vorgabe exakt zu überprüfen, legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei Jahre einen Bericht vor, in dem die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern auf der Basis statistischer Daten ermittelt wird. Künftig wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch alle zwei Jahre einen regelmäßigen Bericht zum Umfang der kalten Progression vorlegen.

Bereits der letzte (achte) Existenzminimumbericht aus dem Frühjahr 2011 hatte klar gemacht, dass der bestehende Grundfreibetrag (8.004 Euro) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreichen würde, um das Existenzminimum von Erwachsenen im Jahr 2013 steuerfrei zu halten. Die Bundesregierung hat deshalb die notwendige Anpassung des Grundfreibetrages bereits mit dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression auf den Weg gebracht. Der jetzt vorgelegte 9. Existenzminimumbericht bestätigt die in den parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf vorgelegten Berechnungen. Die Unterdeckung beim Grundfreibetrag beträgt im Jahr 2013 120 Euro und im Jahr 2014 348 Euro. Das Gesetz zum Abbau der kalten Progression, mit dem die zentralen Tarifeckwerte an die Preisentwicklung angepasst werden, sieht eine Erhöhung des Grundfreibetrages um 126 Euro in 2013 und um weitere 224 Euro in 2014, also insgesamt um 350 Euro vor. Die Anpassungen des Grundfreibetrages sind damit hinreichend groß, zugleich aber auch zwingend erforderlich, um nicht zum 1. Januar 2013 eine verfassungswidrige Situation zu schaffen. Es gilt daher das in den parlamentarischen Beratungen befindliche Gesetz zum Abbau der kalten Progression zügig zu verabschieden, damit die Bürger in Deutschland nicht mit jeder Lohnerhöhung heimlich höher besteuert werden als zuvor.

Hinsichtlich des Kinderfreibetrags hat der 9. Existenzminimumbericht aufgezeigt, dass bis einschließlich 2013 kein Erhöhungsbedarf besteht. Erst ab 2014 weist der Kinderfreibetrag eine leichte Unterdeckung von 72 Euro auf, so dass eine Erhöhung erforderlich wird. Auch dies wird die Bundesregierung rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen.

Der Bericht wird nun dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet. Er ist, wie unten angegeben, auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen veröffentlicht.

Broschüre: Schutz vor versteckten Steuererhöhungen (PDF, 2,5 MB)
Bundesregierung
Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Bericht zum Abbau der kalten Progression

BdSt-Forderung zeigt Wirkung

Der Bund der Steuerzahler begrüßt den Entschluss des Bundestages, künftig alle zwei Jahre einen Bericht zur Auswirkung der kalten Progression auf die steuerliche Belastung der Arbeitnehmer zu erstellen „Damit erfüllt die Politik nicht nur eine Forderung des Bundes der Steuerzahler, sondern verdeutlicht die Belastung der Arbeitnehmer durch die kalte Progression. Bei einer alleinigen Dokumentation der Belastung der Arbeitnehmer darf es jedoch nicht bleiben. Vielmehr muss die Politik jetzt Wege finden, um den Abbau der kalten Progression voranzutreiben“, kommentiert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, den Beschluss des Bundestages.

„Der geplante Bericht wird verdeutlichen, dass der Staat derzeit überproportional von Lohnzuwächsen zum Ausgleich der Inflation profitiert, weil die Bürger zusätzlich besteuert werden. Die Blockadehaltung der von SPD und Grünen regierten Bundesländer im Bundesrat beim Abbau der kalten Progression ist nicht nachzuvollziehen und sollte schleunigst überwunden werden; schließlich sind davon alle Wähler betroffen“, so Holznagel. Die alleinige Anhebung des Grundfreibetrages auf 8.130 Euro rückwirkend zum 01. Januar 2013 ist für die Steuerzahler keine ausreichende Antwort auf ihre steigende Steuerbelastung. Hier erwarten die Steuerzahler von allen Parteien mehr Einsatz für ihre Belange und weniger Wahlkampfgetöse.

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.