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Steuerberater

Elektronische Einkommensteuererklärung ohne elektronische Signatur

Elektronische Einkommensteuererklärung ohne elektronische Signatur kann steuerlich bedeutend seinKernaussage

Fehlt bei einer per „Elster“ übermittelten Steuererklärung die elektronische Signatur, ist die Erklärung mangels Einhaltung der Formvorschrift nicht wirksam. Sie kann aber steuerliche Bedeutung erlangen, z. B. als schlichter Änderungsantrag.

Sachverhalt

Das beklagte Finanzamt erließ am 23.7.2008 einen gegen die Klägerin gerichteten Schätzbescheid, da diese auch nach Aufforderung keine Steuererklärung eingereicht hatte. Um das Finanzamt von der überhöhten Schätzung abzubringen, holte die Klägerin am 29.7.2008 per elektronischer Steuererklärung „Elster“ die Erklärung nach. Allerdings enthielt diese keine elektronische Signatur. Den eigenhändig unterzeichneten komprimierten Papierausdruck reichte die Klägerin erst am 22.9.2008, also nach Ablauf der Einspruchsfrist, beim Finanzamt ein. Das Finanzamt verweigerte die begehrte Änderung zugunsten der Klägerin und argumentierte, dass die unterschriebene Steuererklärung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen und daher wegen Fristablaufes nicht mehr zu berücksichtigen sei. Die zuvor eingereichte elektronische Erklärung habe mangels Unterschrift keine Rechtswirkung. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht. Die über Elster übermittelten Daten sind nicht unbeachtlich, sondern sind als Antrag auf schlichte Änderung des Steuerbescheides zu interpretieren. Für diesen Antrag gilt anders als für die Einkommensteuererklärung oder das Rechtsmittel des Einspruchs kein Unterschriftenerfordernis. Der Änderungsantrag kann auch formlos, z. B. telefonisch oder stillschweigend, gestellt werden. Entscheidend ist, dass konkretisiert wird, inwieweit und aus welchen Gründen der ergangene Steuerbescheid zu ändern ist. Ob das beklagte Finanzamt den Antrag auf schlichte Änderung als solchen erkennt, ist unbeachtlich. Da die Elsterübertragung innerhalb der Einspruchsfrist stattfand, wurde das beklagte Finanzamt vom Gericht zur Änderung verpflichtet.

Konsequenz

Einen Änderungsantrag beim Finanzamt stellen oder dort einen Einspruch einlegen kann der Steuerpflichtige nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des betreffenden Bescheids. Danach wird der Steuerbescheid bestandskräftig, und ist grundsätzlich nicht mehr änderbar. Die Fristen sind daher in jedem Fall zu beachten.

Ärztlicher Vergütungsanspruch gegen Privatpatienten entsteht mit Rechnungserteilung

Ärztlicher Vergütungsanspruch gegen Privatpatienten entsteht mit Rechnungserteilung

Rechtslage

Die regelmäßige Verjährung von Ansprüchen beträgt 3 Jahre. Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist mit Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden und fällig ist. Die Erteilung einer Rechnung ist in der Regel keine Fälligkeitsvoraussetzung. Bei ärztlichen Honorarforderungen wird nach einer eine Sondervorschrift der Gebührenordnung für Ärzte (§ 12 GOÄ) die Vergütung für ärztliche Leistungen erst fällig, wenn dem Patienten eine Rechnung erteilt worden ist. Erst dann beginnt auch die Verjährungsfrist zu laufen. Ähnliche Sondervorschriften, die für die Fälligkeit eine Rechnungsstellung fordern, existieren für Werklohnforderungen (wenn VOB/B 16 Nr. 3 anwendbar ist), Architektenhonorare oder Nachforderungen von Versorgungsunternehmen.

Sachverhalt 

Der Beklagte war bei dem Kläger von Juni 2003 bis September 2004 in fachärztlicher urologischer Behandlung. Der Kläger berechnete seine Leistungen mit Rechnungen vom Dezember 2006 und Dezember 2007. Der Beklagte bezahlte beide Rechnungen nicht. Der Kläger beantragte im Dezember 2009 einen Mahnbescheid, gegen den der Beklagte Widerspruch erhob, weil die Forderungen verjährt seien. Das Amtsgericht gab der Klage schließlich statt.

Entscheidung 

Durch die Einreichung des Mahnbescheids wurde die Verjährung der Forderungen gehemmt. Eine Verjährung der Forderungen ist nicht eingetreten, denn nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte ist die Erteilung einer ordnungsgemäßen Gebührenrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs für die ärztliche Leistung. Die Verjährung beginnt daher nicht bereits mit Ende des Jahres der Leistungserbringung, sondern mit dem Ende des Jahres der Rechnungsstellung. Für eine Verwirkung des Honoraranspruchs ist auch der Zeitablauf allein nicht ausreichend. Hinzutreten müssen weitere Umstände, z. B. ein Verhalten des Arztes, aus dem der Patient hätte schließen können, dass er die Forderung nicht mehr geltend machen würde.

Konsequenz 

Mit der Rechnungsstellung kann ein Arzt den Beginn der Verjährung hinauszögern. Privatrechnungen sind daher zeitnah zu erstellen. Der Honoraranspruch eines Arztes kann im Einzelfall dann verwirkt sein, wenn dieser mit der Stellung seiner Rechnung mehr als 3 Jahre nach Leistungserbringung zuwartet. Der Patient ist in diesen Fällen häufig zu schützen, da die Rechnung erschwert auf Richtigkeit geprüft werden kann.

Bei psychischem Druck durch FA kann Einspruchsrücknahme unwirksam sein

Bei psychischem Druck durch FA kann Einspruchsrücknahme unwirksam sein

Kernaussage

Ein Steuerpflichtiger, der sich gegen seinen Steuerbescheid zur Wehr setzen will, richtet zunächst einen Einspruch an das zuständige Finanzamt. Nimmt der Steuerpflichtige den Einspruch später zurück, etwa weil er die Erfolgsaussichten als nicht gegeben ansieht, wird der Bescheid bestandskräftig und kann im Regelfall nicht mehr geändert werden. Das gilt dann nicht, wenn die Rücknahme des Einspruchs unwirksam ist. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied nun, dass eine unwirksame Einspruchsrücknahme dann vorliegt, wenn die Finanzbehörde in unzulässiger Weise auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen eingewirkt hat.

Sachverhalt

Die klagende Geschäftsführerin einer GmbH, die für diese einen zunächst eingelegten Einspruch zurückgenommen hatte, machte geltend, sie sei vom Finanzamt zu diesem Schritt genötigt worden. Dies sei durch die Anordnung und Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung geschehen sowie durch ein gegen sie eingeleitetes Steuerstrafverfahren. Ferner habe sie sich durch ein 4 Monate vor der Einspruchsrücknahme an sie gesandtes Schreiben des beklagten Finanzamtes unter Druck gesetzt gefühlt, in dem ihr die Festsetzung einer – irrtümlich in Euro statt in DM ausgewiesenen und damit zu hohen – Zahllast für den Fall der Weiterverfolgung ihres Einspruchs angedroht worden sei. Die Klägerin blieb vor dem Finanzgericht erfolglos; die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist beim Bundesfinanzhof anhängig.

Entscheidung

Das Gericht hielt das klägerische Vorbringen nicht für ausreichend, um eine Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr ein unzulässige Einwirkung der Behörde auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen. Psychischer Druck, der von einem Erläuterungsschreiben des Finanzamtes und der Einleitung eines Strafverfahrens ausgeht, ist jedenfalls dann nicht geeignet, die Rücknahme des Einspruchs als unwirksam anzusehen, wenn zwischen diesen Ereignissen und der Einspruchsrücknahme mehrere Monate liegen und der Steuerpflichtige sich in der Zwischenzeit in sachgerechter Weise mit der Finanzbehörde auseinandersetzt.

Konsequenz

An die Unwirksamkeit einer Einspruchsrücknahme gegen einen Steuerbescheid sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein dafür erforderlicher, seitens der Behörde ausgeübter, psychischer Druck ist allerdings regelmäßig weder in der Durchführung einer Außenprüfung noch in der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zu sehen.

Illegale Downloads: Beschwerderecht im Auskunftsverfahren nach dem Urhebergesetz

Illegale Downloads: Beschwerderecht im Auskunftsverfahren nach dem Urhebergesetz

Einführung

Das Landgericht Köln erlässt seit einiger Zeit fortlaufend eine Vielzahl von Beschlüssen in Auskunftsverfahren nach dem Urhebergesetz (§ 101 Abs. 9 UrhG). Hintergrund ist das illegale so genannte File-Sharing in Tauschbörsen: Bei Rechtsverletzungen im Internet kann der Urheber eines Werkes zwar regelmäßig die IP-Adresse des Rechtsverletzers ermitteln (lassen); er weiß aber nicht, wer sich hinter der IP-Adresse verbirgt. Die Regelung in § 101 Abs. 9 UrhG gibt dem Urheber eines Werkes im Falle der Verletzung seines Urheberrechts in gewerblichem Ausmaß einen Anspruch auf Auskunft gegenüber Internetprovidern. Er kann verlangen, dass die Verletzter ihm Namen und Anschrift derjenigen ihrer Kunden, denen eine bestimmte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, benennen müssen. Solche Auskunftsansprüche sind regelmäßig nur die erste Stufe einer Handlungskette, die der Urheber zur Abwehr der angeblichen Rechtsverletzung einleiten wird. Mit den vom Internetprovider erlangten Informationen kann er einzelne Nutzer identifizieren, die unter Umständen seine Urheberrechte verletzt haben (zum Beispiel Personen, die mutmaßlich Musikdateien in File-Sharing-Netzwerken heruntergeladen und eingestellt haben). Mit dem Gestattungsbeschluss ist das Verfahren zunächst abgeschlossen. Das Oberlandesgericht Köln entschied nun, dass dem Anschlussinhaber im Auskunftsverfahren gegebenenfalls ein Beschwerderecht zusteht (§ 62 FamFG).

Sachverhalt

Ein Musikunternehmen, das die Urheberrechte seiner Künstler wahrnimmt, hatte festgestellt, dass ein Pop-Album in einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Das Landgericht Köln hatte dem beteiligten Internet-Provider auf Antrag der Musikfirma gestattet, Auskunft über Namen und Anschrift des Nutzers zu erteilen, dem die IP-Adresse zugewiesen war und von dessen Anschluss das Album angeboten wurde. Die so benannte Anschlussinhaberin wurde von der Plattenfirma zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Kostenübernahme oder Zahlung eines abschließenden Vergleichsbetrages von 1.200 EUR aufgefordert. Mit ihrer Beschwerde wehrt sie sich dagegen, dass der Provider ihre Daten auf Gestattung des Landgerichts weitergegeben hat, ohne sie davon zu unterrichten.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Köln bejahte das Beschwerderecht der Anschlussinhaberin. Sie habe ein Interesse daran, die Rechtswidrigkeit des Gestattungsbeschlusses auch nachträglich feststellen zu lassen. Der Anschlussinhaber wird durch die richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, weil sich der Rechtsinhaber nach Auskunftserteilung zunächst an ihn wendet und er gezwungen wird, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu verteidigen. Diese Verteidigung wäre ohne das Beschwerderecht im Anordnungsverfahren aber wesentlich erschwert. Denn der Anschlussinhaber könnte die aus seiner Sicht unrichtigen Feststellungen des anordnenden Gerichts erst in einem späteren Klageverfahren überprüfen lassen, wenn er auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Im Rahmen seiner Beschwerde wird der Anschlussinhaber aber nicht mit Einwänden gehört wie z. B. er selbst habe den Internet-Anschluss zum fraglichen Zeitpunkt nicht genutzt. Diese spielen im Gestattungsverfahren keine Rolle. Im konkreten Fall war die Anschlussinhaberin in ihren Rechten verletzt, weil das gewerbliche Ausmaß der Urheberrechtsverletzung nicht feststellbar war. Bei einem vor fast 2 Jahren erschienenen Musikalbum müssen besondere Umstände vorliegen, um eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß annehmen zu können. Das OLG ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu.

Konsequenz

Im Rahmen des Auskunftsverfahrens wird nicht geprüft, ob eine bestimmte Person eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Es wird z. B. auch nicht darüber entschieden, ob ein Anschlussinhaber sein W-LAN ungenügend gesichert oder im Haushalt wohnende Kinder, die Tauschbörsen genutzt haben, unzureichend beaufsichtigt hat. Auch über die Berechtigung von Abmahnkosten wird in diesem Verfahren keine Entscheidung getroffen. Erst nachdem der Urheber die Namen und Anschriften der Anschlussinhaber erhalten hat, kann er auf der zweiten Stufe – zumeist über außergerichtliche Abmahnungen – gesonderte rechtliche Schritte gegen die ermittelten Nutzer (Unterlassungs- oder Schadensersatzbegehren) einleiten. Führen diese nicht zu einer außergerichtlichen Einigung und wird sodann der Rechtsweg beschritten (insbesondere zur Klärung der vorgenannten Fragen, die nicht Gegenstand des Auskunftsverfahrens sind), handelt es sich dabei um gesonderte, von dem Auskunftsbegehren zu trennende Verfahren, die vor den ordentlichen Gerichten verhandelt werden.

Kein Anspruch auf Aufwendungsersatz für angestellte Lehrer

Kein Anspruch auf Aufwendungsersatz für angestellte Lehrer

Rechtslage

Grundsätzlich können Arbeitnehmer Aufwendungen, die sie für den Arbeitgeber in Ansehung der Tätigkeit gemacht haben, ersetzt verlangen. Stellt der Arbeitgeber sämtliche Betriebsmittel, ist ein Aufwendungsersatz insoweit ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen ist der Aufwendungsersatzanspruch, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages eine ausdrückliche Regelung getroffen haben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nun darüber zu entscheiden, ob eine Regelung, die es dem Arbeitnehmer erlaubt, frei zu bestimmen, wann und wo er einen Teil der Arbeit erledigt, einen Aufwendungsersatz ausschließen kann. Konkret ging es um die Aufwendungen eines Lehrers für sein häusliches Arbeitszimmer.

Sachverhalt

Der Kläger war angestellter Lehrer. Das für die 100 beschäftigten Lehrer vorhandene Lehrerzimmer war mit 50 Sitzplätzen ausgestattet. Die Vor- und Nachbereitungen des Unterrichts verrichtete der Kläger in seinem häuslichen Arbeitszimmer, dessen Kosten er steuerlich geltend machte. Mit Wegfall der steuerlichen Vergünstigungen für das häusliche Arbeitszimmer verlangte er vom Arbeitgeber die Einrichtung eines dienstlichen Arbeitszimmers, hilfsweise die Übernahme der Kosten für das häusliche Arbeitszimmer. Nach Ablehnung durch den Arbeitgeber machte der Kläger Aufwendungsersatzansprüche für die Nutzung seines häuslichen Arbeitszimmers sowie dessen Ausstattung geltend, unterlag jedoch.

Entscheidung

Nach Ansicht des BAG besteht zwar grundsätzlich ein Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers; dessen Voraussetzungen lagen aber hier nicht vor. Insbesondere fehle es an einer Regelungslücke. Denn die Parteien des Arbeitsvertrages hätten dem Kläger bewusst das Recht eingeräumt, weitgehend frei darüber zu entscheiden, wo und wann der Kläger den Unterricht vor- und nachbereite.

Konsequenz

Ein Aufwendungsersatzanspruch für ein häusliches Arbeitszimmer ist ausgeschlossen. Die Entscheidung wird darüber hinaus im Kontext der – inzwischen in Teilen wieder rückgängig gemachten – Änderungen im Bereich der steuerlichen Absetzbarkeit häuslicher Arbeitszimmer zu sehen sein.

Fristversäumnis durch Vorlage von Fristsachen als nicht fristgebunden

Fristversäumnis durch Vorlage von Fristsachen als nicht fristgebunden

Kernaussage

Auch wenn eine Fristsache aufgrund eines Büroversehens als nicht fristgebunden vorgelegt wird, hat sich der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt durch einen Blick in die Akten davon zu überzeugen, was zu tun ist und in welcher Frist die Bearbeitung zu erfolgen hat. Kommt er diesen Anforderungen nicht nach, ist ihm ein eigens Verschulden zur Last zu legen.

Sachverhalt

Die Klage der anwaltlich vertretenen Klägerin wurde in der ersten Instanz abgewiesen. Das Urteil wurde dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt der Klägerin am 25.1.2010 zugestellt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.2.2010 legte dieser für die Klägerin fristgerecht Berufung ein. Die Begründung der Berufung erfolgte jedoch erst am 30.3.2010. Zugleich wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Versäumung der Frist beruhe darauf, dass die bisher sorgfältig arbeitende und ordnungsgemäß überwachte Anwaltsgehilfin für die Berufungsbegründungsfrist nur die Vorfrist im Fristenkalender vermerkt und diese Frist als normale Vorlagefrist behandelt habe. Dies hatte zur Folge, dass die Akte am Tag des Ablaufs der Vorfrist ohne den sonst üblichen auffälligen Vermerk „Fristsache“ vorgelegt wurde. Der Fristablauf sei erst am 29.3.2010 bemerkt worden, als der Prozessbevollmächtigte die Akte zur Hand genommen habe. Das Oberlandesgericht (OLG) hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dem Berufungsgericht recht. Die Klägerin hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Den Prozessbevollmächtigten trifft hinsichtlich der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist ein eigenes Verschulden, das der Klägerin zuzurechnen ist. Er hätte sich nämlich in angemessener Frist durch einen Blick in die Akten davon überzeugen müssen, was zu tun ist und wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen kann. Innerhalb der gebotenen Frist von einer Woche hätte er unschwer feststellen können, wann die Berufungsbegründung einzureichen ist.

Konsequenz

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wird bei Versäumung einer Notfrist, Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist nur gewährt, wenn der Prozessbevollmächtigte den Fehler nicht selbst zu verantworten hat. Im Zusammenhang mit einem Büroversehen hat die Rechtsprechung den Maßstab an die Organisationspflichten sehr hoch angelegt, so dass eine Entlastung in den meisten Fällen nicht gelingt.

Anrechnungsbegrenzung des § 34c EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?

Anrechnungsbegrenzung des § 34c EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?

Kernproblem

Erzielen unbeschränkt steuerpflichtige Personen ausländische Einkünfte und zahlen darauf im Ausland Steuern, so können diese Steuern unter bestimmten Voraussetzungen auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden. Hierdurch soll eine doppelte Besteuerung der Einkünfte im In- und Ausland vermieden werden. Die Steueranrechnung ist jedoch der Höhe nach beschränkt. Der Anrechnungshöchstbetrag ergibt sich dabei aus folgender Verhältnisrechnung: Die deutsche Einkommensteuer, die auf das zu versteuernde Einkommen einschließlich der ausländischen Einkünfte entfällt, wird im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt. Das hat zur Folge, dass vor allem privat veranlasste Ausgaben der Lebensführung (insbesondere Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) das Anrechnungsvolumen mindern. Diese Anrechnungsbegrenzung der Höhe nach begegnet europarechtlichen Bedenken.

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, die Anteile an Kapitalgesellschaften in EU-Staaten (Niederlanden, Frankreich und Luxemburg) und Nicht-EU-Staaten (Schweiz, USA und Japan) halten. Auf die hieraus erzielten Dividenden wurde im Ausland jeweils Kapitalertragsteuer einbehalten, die – aufgrund der beschriebenen Verhältnisrechnung – im Inland nur beschränkt angerechnet werden kann. Die Eheleute sehen hierin einen Verstoß gegen das höherrangige Europarecht. Sie begehren eine weitergehende Anrechnung der Kapitalertragsteuer, die zu einer entsprechenden Herabsetzung der inländischen Steuerschuld führt. Die Klage beim Finanzgericht blieb erfolglos. Im Revisionsverfahren teilte aber nunmehr der Bundesfinanzhof (BFH) die geäußerten Zweifel an der Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung und hat die Frage nunmehr dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt.

Entscheidung

Der BFH begründet seine Zweifel an der Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach privat veranlasste Abzugsposten (insbes. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) vorrangig vom Wohnsitzstaat, nicht aber von demjenigen Staat, in dem die betreffenden Einkünfte erwirtschaftet werden, zu berücksichtigen sind. Die Anrechnungsbegrenzung könne dieser unionsrechtlichen Anforderung ggf. aber nicht standhalten.

Konsequenzen

Die vom BFH geäußerten Zweifel an der Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung sind nachvollziehbar. Da nach Auffassung des BFH sogar eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, betrifft die Frage der Europarechtskonformität nicht nur Einkünfte aus EU-Staaten, sondern auch solche aus Drittstaaten. Die letztendliche Klärung der Frage durch den EuGH darf mit Spannung erwartet werden. In der Praxis sollten entsprechende Bescheide mit Hinweis auf das anhängige Verfahren offen gehalten werden.

Einkommensteuer für Lohneinkünfte nach Insolvenz-Eröffnung keine Masseverbindlichkeit

Einkommensteuer für Lohneinkünfte nach Insolvenz-Eröffnung keine Masseverbindlichkeit

Rechtslage

Der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens eines Insolvenzschuldners gelangt als Neuerwerb in die Insolvenzmasse. Die Höhe berechnet sich nach dem Nettolohn. War der Nettolohn während des laufenden Jahres zu hoch, weil zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurden, ergibt sich im Rahmen der jährlichen Einkommensteuerveranlagung eine Nachzahlung. Da die Steuerverbindlichkeit nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet wird, ist diese keine Masseverbindlichkeit. Der Insolvenzschuldner hat die Verbindlichkeit damit grundsätzlich aus seinem insolvenzfreien Vermögen zu begleichen.

Sachverhalt

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und deren Ehemannes wurde im Jahr 2005 jeweils das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger ist in beiden Verfahren Treuhänder. Die Eheleute wurden in den Jahren 2005 und 2006 erklärungsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach beantragter Aufteilung der Steuerschuld erließ das beklagte Finanzamt für die Zeit nach Insolvenzeröffnung jeweils Einkommensteuerbescheide an den Kläger, wonach auf die Insolvenzschuldnerin Nachzahlungsbeträge entfielen. Die Bescheide enthielten den Hinweis, dass die Steuerfestsetzung als Masseverbindlichkeit einzuordnen sei. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof gaben dem Kläger Recht. Die Einkommensteuerschuld der Insolvenzschuldnerin ist keine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO. Hierzu müsste die Entstehung der Schuld auf eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein. Weder die Arbeitstätigkeit der Insolvenzschuldnerin als solche noch die Tatsache, dass ein Teil des Arbeitseinkommens als Neuerwerb in die Insolvenzmasse gelangt ist, begründen eine für die Schuld ursächliche Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters. Bei Ansprüchen des Insolvenzschuldners auf Arbeitslohn wird der Fiskus zwar gegenüber Neugläubigern privilegiert, indem die Lohnsteuer direkt vom Arbeitgeber abgeführt wird. Dies gilt aber nur für die laufende Lohnsteuer.

Konsequenz

Eine Einkommensteuernachzahlung kann sich bei Arbeitnehmer-Ehegatten insbesondere aus der fehlerhaften Wahl der Steuerklassen ergeben. Im Fall der Insolvenz bleibt die Steuerschuldnerschaft der Einkommensteuernachzahlung bei dem Schuldner, obgleich er den pfändbaren Teil des im Insolvenzverfahren bezogenen Arbeitslohns an den Insolvenzverwalter abzuführen hat. Insbesondere auf die Wahl der Steuerklassen sollte daher geachtet werden.

Steuerhinterziehung schon bei falscher Kilometer-Angabe?

Steuerhinterziehung schon bei falscher Kilometer-Angabe?

Kernaussage

Mit der Entfernungspauschale, im Volksmund Pendlerpauschale, werden im deutschen Einkommensteuerrecht die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte pauschaliert. Anstatt dessen können Steuerpflichtige aber auch die tatsächlich gefahrenen Kilometer angeben und so das zu versteuernde Einkommen mindern. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz nahm nun zu der Frage Stellung, welche steuerlichen Folgen aus überhöhten Entfernungsangaben gezogen werden können.

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In der Anlage N zu ihrer Einkommensteuererklärung 1996 gab sie bei den Werbungskosten hinsichtlich der Wege zwischen Wohn- und Arbeitsstätte an, sie sei über einen weiteren Ort gefahren, die einfache – mit dem eigenen Pkw zurückgelegte – Entfernung habe sei 28 km betragen. In den Steuererklärungen der Jahre 1997-2005 gab die Klägerin jeweils diesen weiteren Ort als Arbeitsort an und als einfache Entfernung ebenfalls jeweils 28 km. Diesen Angaben folgte das beklagte Finanzamt. Bei der Bearbeitung der Steuererklärung für 2006 fiel auf, dass die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort und dem angegebenen Arbeitsort nur 10 km betrug. Wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung und der demzufolge geltenden 10-jährigen Verjährungsfrist, erließ das Finanzamt geänderte Bescheide für die Jahre 1996-2005. Die hiergegen gerichtete Klage begründete die Klägerin damit, dass sie irrtümlich davon ausgegangen sei, die Entfernungskilometer hätten den tatsächlich gefahrenen Kilometern entsprochen. Ferner hätte dem Finanzamt der Widerspruch bei Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht auffallen müssen. Die Klage war nur hinsichtlich des Jahres 1996 erfolgreich.

Entscheidung

Nach Ansicht des Gerichts konnten nur für 1996 die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht angenommen werden, weil seitens der Klägerin ein Versehen vorgelegen haben könne. Für die übrigen Streitjahre wurde eine Steuerhinterziehung bejaht, denn der Arbeitsplatz habe sich ab 1997 in dem der Wohnung näher gelegenen weiteren Ort befunden. Gleichwohl habe die Klägerin aber, wie im Jahr zuvor, die weitere Fahrtstrecke angegeben. Sie müsse es daher auch unter Zugrundelegung einer laienhaften Bewertung für möglich gehalten haben, dass sie mit der Falschangabe einen höheren als den ihr zustehenden Werbungskostenabzug erreicht. Die neuen Tatsachen, d. h. die geringere Entfernung, seien erst nachträglich bekannt geworden, so dass es für das Finanzamt keinen Anlass gegeben habe, den klägerischen Angaben von Vorneherein zu misstrauen. Schließlich würden die Veranlagungsarbeiten von wechselnden Sachbearbeitern erledigt, die nicht immer über hinreichende Ortskenntnis verfügen könnten.

Konsequenz

Die Änderung eines Bescheids kann ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt nachträglich bekannt gewordene Tatsachen bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wären. Allerdings muss der Steuerpflichtige hierzu die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten erfüllen. Das war im Streitfall nicht geschehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ist die Bemessung der Grunderwerbsteuer (GrESt) nach Grundbesitzwerten verfassungsgemäß?

Ist die Bemessung der Grunderwerbsteuer (GrESt) nach Grundbesitzwerten verfassungsgemäß?

Rechtslage

Die Grunderwerbsteuer (GrESt) wird nach einem einheitlichen Steuersatz für sämtliche Erwerbsvorgänge erhoben. Im Regelfall bestimmt sich die Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) nach dem Wert der Gegenleistung. In den gesetzlich genannten Ausnahmefällen (§ 8 Abs. 2 GrEStG), zu denen u. a. die praktisch bedeutsamen Grundstücksübergänge aufgrund von Umwandlungen sowie Anteilsvereinigungen und -übertragungen gehören, bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten. Diese werden nach dem Bewertungsgesetz (§§ 138 ff. BewG) gesondert ermittelt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bewertungsvorschriften 2006 für die Erbschaft- und Schenkungsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie zu zufälligen und willkürlichen Bewertungsergebnissen führten. Den verfassungswidrigen Zustand hat der Gesetzgeber ab 2007 für die Erbschaft- und Schenkungsteuer beseitigt und durch neue Bewertungsregeln ersetzt, hierauf aber für die Grunderwerbsteuer verzichtet. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil er auch von der Verfassungswidrigkeit des Ansatzes der nur noch für die Grunderwerbsteuer maßgeblichen Grundbesitzwerte als Ersatz-Bemessungsgrundlage überzeugt ist.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine US-amerikanische Gesellschaft, hatte alle Anteile an einer deutschen GmbH erworben, zu deren Vermögen in Deutschland gelegene Grundstücke gehörten. Für diese Anteilsübertragung wurde gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von rd. 513.000 EUR auf der Grundlage der für die Grundstücke der GmbH festgestellten Grundbesitzwerte festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Finanzgericht erfolglos. Das Revisionsverfahren setzte der BFH aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob die betreffende grunderwerbsteuerliche Norm mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz (Art. 3 GG) vereinbar ist.

Auffassung des Bundesfinanzhofs

Das Gericht hält die grunderwerbsteuerliche Bestimmung (§ 11 GrEStG) insofern für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz, als sie die Beteiligten an solchen Erwerbsvorgängen, für die die (Ersatz-)Steuerbemessungsgrundlage nach dem Bewertungsgesetz zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet. Nach Ansicht des BFH ist die weitere Anwendung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes für die Grunderwerbsteuer verfassungswidrig, weil sie aufgrund des einheitlichen Steuersatzes der Grunderwerbsteuer zu willkürlichen und zufälligen Besteuerungsergebnissen führen und deshalb mit dem Gleichheitssatz unvereinbar seien. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibt nun abzuwarten.