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Doppelbesteuerung | Schachtelprivileg für brasilianische Eigenkapitalverzinsung (BFH)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.6.2012, I R 6, 8/11; I R 6/11; I R 8/11

Schachtelprivileg für brasilianische Eigenkapitalverzinsung als Dividende

Leitsätze

Zinsen auf das Eigenkapital („juro sobre o capital próprio“) nach Maßgabe der Brasilianischen Gesetze Nr. 9.249/95 und Nr. 9.430/96 sind sowohl Gewinnanteile i.S. des § 26 KStG 1999 und des § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 1999 als auch –nach dem auch insoweit maßgebenden deutschen Steuerrecht (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997)– Dividenden i.S. von Art. 10 Abs. 1 und 5 DBA-Brasilien. Als solche sind sie nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer auszunehmen. Die Abziehbarkeit der geleisteten Vergütungen im Quellenstaat (hier in Brasilien) ändert daran mangels eines allgemeinen abkommensrechtlichen Korrespondenzgebots nichts.

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, ist kraft Verschmelzung im Jahre 2000 Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH (F-GmbH). Gegenstand des Unternehmens der F-GmbH war im Streitjahr 1999 das Halten und Verwalten von Beteiligungen im In- und Ausland.
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Die F-GmbH hielt die Geschäftsanteile an einer Schweizer AG (F-CH AG), deren Geschäftszweck ebenfalls das Halten und Verwalten von internationalen Beteiligungen war. Die F-CH AG wiederum war zu 26 v.H. an einer brasilianischen Kapitalgesellschaft (F-B S.A.), sowie zu 85 v.H. an einer in Hongkong ansässigen Kapitalgesellschaft (F-HK Ltd.), beteiligt.
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Bei der F-B S.A. handelte es sich um eine nach brasilianischem Recht gegründete AG. Ihr Unternehmenszweck war im Streitjahr insbesondere die Herstellung, Im- und Export sowie Vermarktung von verschiedenen Produkten. Sie erzielte 1998 einen Bilanzgewinn von … Brasilianischen Real (R$). Am 30. November 1998 beschloss die Hauptversammlung der F-B S.A., ausschließlich für das zum 31. Dezember 1998 endende Geschäftsjahr Zinsen auf das Eigenkapital („juro sobre o capital próprio“) nach Maßgabe der Brasilianischen Gesetze Nr. 9.249/95 und Nr. 9.430/96 an die Aktionäre auszuzahlen. Die Zahlung sollte in einer ersten Rate im Dezember 1998 und in einer zweiten Rate im 1. Quartal 1999 erfolgen. Die Zinsen sollten anstelle der satzungsgemäß vorgesehenen Dividende gezahlt werden. Am 26. März 1999 konkretisierte die Hauptversammlung der F-B S.A. die Auszahlung der Eigenkapitalzinsen. Danach waren am 28. Dezember 1998 bereits … R$ nach Abzug der Körperschaftsteuer geflossen; ein weiterer Betrag von … R$ abzüglich Körperschaftsteuer sollte spätestens bis 30. Oktober 1999 gezahlt werden.
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Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ist die Verzinsung des Eigenkapitals im Gesetz Nr. 9.249/95 geregelt. Anstelle bzw. neben einer regulären Dividende kann die Gesellschafterversammlung danach die Zahlung einer Eigenkapitalverzinsung beschließen. Die Verzinsung ist in der Höhe zweifach begrenzt. Zum einen darf sie den von der brasilianischen Zentralbank bekannt gegebenen Zinssatz für langfristige brasilianische Anleihen multipliziert mit dem Eigenkapital der Gesellschaft nicht überschreiten. Zum anderen darf maximal die Hälfte des Jahresüberschusses oder die Hälfte der Gewinnvorträge gezahlt werden. Die ausschüttende Gesellschaft kann die Eigenkapitalverzinsung außerbilanziell steuermindernd vom Einkommen abziehen. Die Auszahlung der Eigenkapitalverzinsung unterliegt einem 15 %igen Quellensteuerabzug, der für brasilianische Gesellschafter, die natürliche Personen sind, abgeltende Wirkung hat.
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Der F-CH AG flossen unter Berücksichtigung ihrer Beteiligung von 26 v.H. und des 15 %igen brasilianischen Steuereinbehalts am 6. Januar 1999 … R$ und am 30. Juni 1999 … R$ zu. Sie erfasste nur die Nettoerträge in der Buchhaltung. Die Bruttobeträge (ohne Quellensteuerabzug) ergaben … Schweizer Franken (CHF).
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Die Generalversammlung der F-CH AG beschloss am 30. September 1999 eine Dividendenausschüttung von … CHF, die der F-GmbH nach Abzug der Schweizer Quellensteuer mit Gutschrift auf dem Verrechnungskonto bei der F-CH AG am 25. November 1999 zufloss. Deren Bruttoerträge beliefen sich im Streitjahr auf … CHF.
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In der Körperschaftsteuererklärung 1999 behandelte die F-GmbH die Dividende der F-CH AG in Höhe eines Anteils gemäß § 26 Abs. 5 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) als direkt von der Enkelgesellschaft –der F-B S.A.– bezogen und gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 27. Juni 1975 (DBA-Brasilien) i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG 1999 als steuerfrei. Sie errechnete den gesamten steuerfreien Anteil an der Dividende mit … DM.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) folgte dem nicht. Er vertrat die Ansicht, der anteilige Ertrag aus der mittelbaren Beteiligung an der F-B S.A. sei kein Gewinnanteil i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997), sondern Zins i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1997. Wegen dieser Qualifizierung der Einkünfte entfalle ein fiktiver Direktbezug i.S. des § 26 Abs. 5 KStG 1999 ebenso wie die sog. Schachtelvergünstigung des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG 1999. Das FA behandelte auf dieser Basis die Dividende der F-CH AG hinsichtlich anderer, unstreitiger Erträge in Höhe von … DM als steuerfrei (… DM abzüglich nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 in Höhe von 5 v.H.); zugleich erhöhte es das steuerpflichtige Einkommen um … DM und im Gegenzug die anrechenbare Schweizer Quellensteuer von … DM auf … DM. Im Ergebnis aus gleichem Grunde sei der Gewerbeertrag zu erhöhen; eine Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 7 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) komme lediglich für die mittelbare Beteiligung an der F-HK Ltd., nicht jedoch für diejenige an der F-B S.A. in Betracht.
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Mit ihrer Klage gegen den hiernach ergangenen Bescheid über Körperschaftsteuer begehrte die Klägerin, den Gewinn unter Berücksichtigung von § 8b Abs. 7 KStG 1999 um die Einkünfte aus der F-CH AG zu mindern, soweit sie anteilig auf den Ausschüttungen aus Brasilien beruhen. Mit ihrer Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid begehrte sie die entsprechende Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen nach § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 1999 nicht nur für die Beteiligung an der F-HK Ltd., sondern auch für die Beteiligung an der F-B S.A. Beide Klagen waren erfolgreich. Das FG Nürnberg gab ihnen durch Urteile vom 14. Dezember 2010  1 K 1955/2008 und 1 K 1958/2008 statt; die Urteile sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 981 sowie in Internationales Steuerrecht 2011, 234 veröffentlicht.
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Seine Revisionen stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die –gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen– Revisionen sind unbegründet.
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1. Die F-GmbH war im Streitjahr in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässig und unterfiel hier mit ihrem Welteinkommen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 KStG 1999). Das betrifft auch ihre Gewinnanteile aus ihrer unmittelbaren Beteiligung an der Schweizer F-CH AG; es handelt sich hierbei um Dividenden gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1999 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewStG 1999.
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2. Das DBA-Brasilien ändert daran zwar prinzipiell nichts, obschon nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien bei einer in Deutschland ansässigen Person Dividenden von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind, die unter Art. 10 des Abkommens fallen und an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in Brasilien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 25 v.H. unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Die Anwendung dieses sog. Schachtelprivilegs scheitert im Streitfall jedoch daran, dass die F-GmbH nicht selbst an der F-B S.A. beteiligt war.
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3. Dieser Mangel am Tatbestand bleibt indessen wirkungslos. Grund dafür ist die in § 26 Abs. 5 KStG 1999 angeordnete Unmittelbarkeitsfiktion.
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Nach dieser Regelung wird auf Antrag der anteilige Gewinnbezug einer Muttergesellschaft, die über eine Tochtergesellschaft mindestens zu einem Zehntel an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes (Enkelgesellschaft) mittelbar beteiligt ist, steuerlich so behandelt, als hätte sie in dieser Höhe Gewinnanteile unmittelbar von der Enkelgesellschaft bezogen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr an die Tochtergesellschaft ausgeschüttet hat, in dem diese auch an die Muttergesellschaft ausschüttet. Der Direktbezug gilt für denjenigen Teil des Gewinnbezugs der Muttergesellschaft, der der nach ihrer mittelbaren Beteiligung auf sie entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft entspricht. Hat die Tochtergesellschaft in dem betreffenden Wirtschaftsjahr neben den Gewinnanteilen einer Enkelgesellschaft noch andere Erträge bezogen, so findet Satz 1 des § 26 Abs. 5 KStG 1999 nur Anwendung für den Teil der Ausschüttung der Tochtergesellschaft, der dem Verhältnis dieser Gewinnanteile zu der Summe dieser Gewinnanteile und der übrigen Erträge entspricht, höchstens aber in Höhe des Betrags dieser Gewinnanteile. Die Anwendung der vorstehenden Vorschriften setzt voraus, dass die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz –AStG–) fallenden Tätigkeiten bezieht oder die Tochtergesellschaft unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 AStG am Nennkapital der Enkelgesellschaft beteiligt ist. Weitere Voraussetzung ist nach § 26 Abs. 4 KStG 1999, dass die Muttergesellschaft für die mittelbar gehaltenen Anteile alle steuerlichen Nachweispflichten erfüllt, die ihr bei der Anwendung der Abs. 2 und 3 für unmittelbar gehaltene Anteile obliegen.
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4. Infolge der derart angeordneten steuerlichen Gleichbehandlung der nur mittelbaren mit der unmittelbaren Beteiligung gelangt die F-GmbH auf ihren Antrag hin für die Dividendeneinkünfte aus der Beteiligung an der F-B S.A. in den Vorteil (auch) der abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (vgl. Abschn. 76 Abs. 25 der Körperschaftsteuer-Richtlinien), hier nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien i.V.m. der nach § 8b Abs. 5 KStG 1999 gegenüber der abkommensrechtlich verlangten Mindestbeteiligungsquote von 25 v.H. unilateral auf 10 v.H. abgesenkten Beteiligungsquote.
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a) Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 5 KStG 1999 sind ebenso wie die Nachweispflichten des § 26 Abs. 4 KStG 1999 erfüllt. Darüber besteht unter den Beteiligten bis auf das Merkmal „Gewinnanteil“ der Enkelgesellschaft Einvernehmen, und das bedarf auch deswegen keiner weiteren Erörterung. Aber auch das Tatbestandsmerkmal „Gewinnanteil“ der Enkelgesellschaft in § 26 Abs. 5 Satz 1 KStG 1999 ist gegeben. Was das Begriffliche anbelangt, besteht insoweit Übereinstimmung mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997 (Senatsurteil vom 14. Oktober 1992 I R 1/91, BFHE 169, 213, BStBl II 1993, 189) ebenso wie mit dem „Gewinn aus Anteilen“ i.S. von § 9 Nr. 2a GewStG 1999 (Senatsurteil vom 15. September 2004 I R 16/04, BFHE 208, 277, BStBl II 2005, 297). Und danach handelt es sich hier wie dort um alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die dem Gesellschafter –entweder von der Kapitalgesellschaft selbst oder von einem Dritten– aufgrund seines Gesellschaftsverhältnisses zufließen, soweit die Vorteilszuwendungen nicht als Kapitalrückzahlung zu werten sind. Unerheblich ist, ob die Bezüge zu Lasten des Gewinns oder zu Lasten der Vermögenssubstanz der Gesellschaft geleistet würden; auch kommt es nicht darauf an, in welche zivilrechtliche Form die Vorteilsgewährung gekleidet ist.
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b) Nach diesen Grundsätzen sind die sog. Zinsen auf das Eigenkapital („juro sobre o capital próprio“) als Gewinnanteil zu beurteilen: Die Zinsen errechnen sich aus der Multiplikation eines von der brasilianischen Notenbank jährlich festgelegten langfristigen Zinssatzes mit dem Eigenkapital, das sich seinerseits aus der Summe des Aktienkapitals, der Kapitalreserven, der Gewinnvortragsreserven sowie des Jahresgewinns bzw. -verlusts gemäß Vorjahresschlussbilanz errechnet. Sie sind sonach durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst; nur Gesellschafter können diese erhalten. Weitere Besonderheiten jener „Zinsen“ aus Sicht des brasilianischen Steuerrechts sind für die Auslegung von § 26 Abs. 5 KStG 1999 unbeachtlich. Ausschlaggebend hierfür ist das nationale Steuerrecht. Dass § 26 Abs. 5 KStG 1999 im Zusammenhang mit dem sog. Schachtelprivileg des DBA-Brasilien dieses in seinen Voraussetzungen –vor allem dem dortigen Unmittelbarkeitserfordernis– modifiziert und zum Vorteil des Steuerpflichtigen „überschreibt“, ändert daran nichts, auch wenn erst dadurch der Anwendungsbereich des Abkommens eröffnet wird. Die betreffenden Gewinnanteile, welche die F-GmbH aus der Schweiz erhalten hat, gelten damit, soweit diese auf die Ausschüttung der F-B S.A. entfielen, als direkt von dieser bezogen.
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c) Es handelt sich bei den Gewinnanteilen gleichermaßen um Dividenden i.S. von Art. 10 DBA-Brasilien, welche nach der Anordnung in Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien nicht nur für den Quellenstaat (hier: Brasilien), sondern auch für den Ansässigkeitsstaat (hier: Deutschland) bedeutsam sind.
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aa) Solche Dividenden sind nach der abkommenseigenen (und Art. 10 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen entsprechenden) Definition in Art. 10 Abs. 5 DBA-Brasilien –erstens– Einkünfte aus Aktien, Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder –zweitens– Einkünfte aus anderen Rechten –ausgenommen Forderungen– mit Gewinnbeteiligung sowie –drittens– aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Hiervon ausgehend hat die Vorinstanz die –ihrer Höhe nach begrenzte– Eigenkapitalverzinsung nach Maßgabe der brasilianischen Regelungslage als Dividenden im Sinne der ersten begrifflichen Alternative angesehen, und dem ist beizupflichten: Kennzeichen von Zinsen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1997 sind laufzeitabhängige Nutzungsvergütungen für eine Kapitalüberlassung. Sie setzen das Bestehen einer auf die Hauptleistung gerichteten Kapitalschuld voraus und bilden neben dieser eine Nebenleistung (ständige Spruchpraxis, vgl. z.B. Bundesfinanzhof, Urteile vom 13. Oktober 1987 VIII R 156/84, BFHE 151, 512, BStBl II 1988, 252; vom 21. Oktober 1997 VIII R 18/96, BFH/NV 1998, 582). Davon kann bezogen auf die fiktive Eigenkapitalverzinsung keine Rede sein. Die Zahlung hängt vom entstandenen Gewinn der brasilianischen Gesellschaft ab. Eine Forderung oder Nutzungsüberlassung von Kapital durch den (inländischen) Anteilseigner fehlt, ebenso wie ein fester Anspruch auf Zinszahlungen. Vielmehr räumt das brasilianische Recht den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft die Möglichkeit ein, auf Basis von Gesellschafterbeschlüssen, nicht von schuldrechtlichen Vereinbarungen, statt der „offenen“ Gewinnausschüttung die Verzinsung der Gesellschaftereinlage zu wählen. Das Stammrecht, aus dem sich der betreffende Ertrag ableitet, ist hier wie dort die Beteiligung am Gesellschaftskapital, der Ertrag verkörpert hier wie dort eine Eigenkapitalverzinsung. Dass das deutsche Gesellschaftsrecht (in § 57 Abs. 2 des Aktiengesetzes) eine derartige Verzinsung –aus Haftungsgründen– ausdrücklich untersagt, widerspricht dem nicht, sondern bestätigt dies, weil das Verbot die strukturelle Gesellschaftsbezogenheit der Verzinsung verdeutlicht. Die betreffenden Einkünfte resultieren demnach unbeschadet ihrer Ausgestaltung im Einzelnen aus den verbrieften Aktienrechten und sind –so das FG– „nach der Rechtsfigur (…) Einkünfte (…) aus Aktien“ i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997 (ebenso Krabbe in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 Brasilien Rz 12; Fischbach, Internationale Wirtschafts-Briefe –IWB– Fach 8 Brasilien Gruppe 2, 149; aus Verwaltungssicht: Morlock in Grundmann/Drüen [Hrsg.], Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht –JbFStR– 2007/2008, 645, 697 ff., und dem zustimmend Risse und Buciek, ebenda; Braunagel in Bergemann/Wingler, GewStG, § 9 Rz 273; s. auch Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer [Hrsg.], Besteuerung von Unternehmen in Brasilien, 2010, S. 17 ff., sowie aus Schweizer Sicht: Widmer, Institut für Finanzwissenschaft und Finanzrecht – Forum für Steuerrecht –IFF FStR– 2011, 287).
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bb) Das entspricht auf Basis jener Dividendendefinition und in Einklang mit dieser jedenfalls der insoweit maßgebenden (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Brasilien) Betrachtungsweise Deutschlands als –aus Sicht der Klägerin– des sog. Anwenderstaates. Ob dieses Begriffsverständnis zugleich und vorbehaltlos dem brasilianischen Rechtsverständnis entspricht, oder ob dort eine Behandlung als Zins und eine Anwendung von Art. 11 DBA-Brasilien als möglich erscheint, ist unbeachtlich. Art. 10 Abs. 5 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien ist vielmehr abkommensautonom zu verstehen. Es zielt darauf ab, im Anwenderstaat eine gleichmäßige Besteuerung einschlägiger Kapitaleinkünfte sicherzustellen (und nach gegenwärtiger Regelungslage beispielsweise die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002 zu gewähren oder nach früherer Regelungslage gemäß § 8a KStG 2002 in verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifizierten Zinsaufwand zu besteuern); darauf, nach welchen Maßstäben diese Einkünfte im anderen Vertragsstaat beurteilt werden, kommt es dafür prinzipiell nicht an. Soweit Art. 10 Abs. 5 DBA-Brasilien auf das Steuerrecht des Quellenstaates Rückgriff nimmt, geschieht dies allein in der beschriebenen dritten Untergruppe des Dividendenbegriffs, nicht jedoch allgemein auch bezogen auf die beiden anderen Untergruppen (vgl. z.B. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 91a f.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, Art. 10 Rz 96; Gradel in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 Rz 57 f.; Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 154; Piltz, Deutsches Steuerrecht 1989, 133, 135; wohl auch Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Rz E 232; aus Schweizer Sicht ebenso Widmer, IFF FStR 2011, 287, 289 ff.).
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Wenn Gegenteiliges dennoch vertreten wird (vgl. z.B. Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz 186; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 16.331), um –aus Gründen einer „den DBA immanenten Regelungshomogenität“ (so Schaumburg, ebenda)– eine einheitliche Beurteilung für alle drei Untergruppen der Abkommensdefinition zu ermöglichen, widerspricht dies dem unmissverständlichen Regelungstext. Eine übergreifende sog. Qualifikationsverkettung nach den steuerrechtlichen Maßstäben des Quellenstaats ist gerade für die Gewährung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs nicht geboten, weil Regelungsadressat für dessen Gewährung primär der Ansässigkeitsstaat ist und eine solche „Qualifikationsverkettung“, die sich an der Rechtsauffassung des Quellenstaats orientiert, stets einer besonderen Anordnung bedarf, an der es hier aber fehlt (zutreffend Wassermeyer, ebenda). Auch der Grundsatz der Entscheidungsharmonie beider Vertragsstaaten gebietet schon deswegen nichts anderes, weil nach den tatrichterlichen Feststellungen keineswegs gesichert ist, dass die Eigenkapitalverzinsung in Brasilien dem sog. Zinsartikel des Art. 11 DBA-Brasilien unterworfen wird (vgl. zu jener Ungewissheit auch Schild/Ehlermann, IWB Fach 8 Brasilien Gruppe 2, 101). Unabhängig davon schlüge eine anderweitige Behandlung auf der Ebene der ausschüttenden Gesellschaft nicht –auch nicht über den Gesichtspunkt einer „harmonischen“ Abkommensauslegung– auf die Behandlung beim Gesellschafter durch. Denn weder aus dem Abkommensrecht noch aus dem deutschen Steuerrecht ergibt sich ein entsprechendes allgemeines Korrespondenzgebot und ist die steuerliche Behandlung bei der Kapitalgesellschaft hiernach nicht zwingend mit jener beim Kapitalgesellschafter verknüpft. Und nicht zuletzt und aus gleichem Grunde gibt namentlich eine Abziehbarkeit der geleisteten Vergütungen vom Gewinn im Quellenstaat nichts für die Frage der Qualifizierung als Dividende her, zum einen wegen besagter Unterscheidung der Besteuerungsebenen angesichts des korporativen Trennungsprinzips, zum anderen deswegen, weil es Staaten gibt, die Dividenden bestimmter Kapitalgesellschaften bei deren Besteuerung ohnehin zum Abzug zulassen und die internrechtliche Abziehbarkeit bei der ausschüttenden Gesellschaft so gesehen kein essentielles Merkmal für den Dividendenbegriff darstellt (vgl. dazu Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz. 189).
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5. Der F-GmbH ist damit das sog. Schachtelprivileg zu gewähren; die über die F-CH AG vereinnahmten Eigenkapitalvergütungen sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer auszunehmen. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 –EStG 2002 n.F.– steht dem nicht entgegen. Allerdings wird danach die Freistellung von Einkünften ungeachtet eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht gewährt, wenn der andere Staat diese Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können. Diese Neuregelung ist nach § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. auf alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen –und damit auch auf den Streitfall– anzuwenden. Doch liegen jene tatbestandlichen Erfordernisse nicht vor: Zwar werden die Eigenkapitalvergütungen in Brasilien nach den tatrichterlichen Feststellungen nur mit einem abgeltenden Quellensteuersatz von 15 v.H. besteuert. Es ist nach diesen Feststellungen aber nichts dafür ersichtlich, dass Brasilien dabei die Bestimmungen des DBA-Brasilien so anwendet, dass die betreffenden Vergütungen nur nach dem durch das Abkommen in Art. 10 Abs. 2 (bei Annahme von Dividenden) oder Art. 11 Abs. 2 Buchst. b DBA-Brasilien –also, wie nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. vonnöten: „nur zu einem durch das Abkommen“– begrenzten Steuersatz besteuert werden könnten. Vielmehr handelt es sich hierbei nach Lage der Dinge um einen abgeltenden Steuersatz nach nationalem brasilianischen Steuerrecht, der unbeeinflusst von den abkommensrechtlichen Begrenzungen angesetzt wird und der insofern gleichermaßen für Dividenden wie für Zinsen Anwendung findet. Brasilien ist nicht aufgrund seiner Einkünfteeinordnung in die DBA-Regelungen daran gehindert, einen höheren Steuersatz anzuwenden, und eine Begünstigung in Brasilien durch eine abweichende Anwendung des Abkommens ist in Brasilien nicht gegeben. Die dortige Besteuerung nach nationalem Recht aufgrund des Gesetzes Nr. 9.249/95 ist, wovon die Vorinstanz zutreffend ausgeht, im Gegenteil für den Anteilseigner ungünstiger als die dortige nationale Besteuerung von „normalen“ Dividenden. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. ist mithin nicht einschlägig, und das FA hält seine ursprüngliche Rechtsmeinung dazu mittlerweile (s. aber noch Morlock, JbFStR 2007/2008, 645, 703) denn auch nicht länger aufrecht.
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Es erübrigt sich folglich (abermals, s. z.B. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156), an dieser Stelle darauf einzugehen, ob die Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. gegen das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Rechtsstaatsgebot verstößt, weil sie als sog. Treaty override völker- und verfassungsrechtswidrig ist, und ob unabhängig davon die rückwirkende Normanwendung einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz herbeiführt (s. dazu Senatsbeschluss, ebenda, m.w.N.; Drüen und Buciek, JbFStR 2007/2008, 706 f.; Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 50d Rz 42; s. auch Senatsbeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFHE 236, 304, BFH/NV 2012, 1056, zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– über ein sog. Treaty override, Az. BVerfG 2 BvL 1/12).
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6. In Konsequenz des vorstehend Ausgeführten ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags der F-GmbH nach § 7 Satz 1 und § 9 Nr. 7 Satz 2 (i.V.m. § 6 und § 14) GewStG 1999 nicht nur um die Gewinnanteile aufgrund der Beteiligung an der F-HK Ltd., sondern auch für die Beteiligung an der F-B S.A, soweit diese in den Gewinnanteilen der F-CH AG enthalten sind, zu kürzen.
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Diese Kürzung erfolgt nach § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 1999, um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel beteiligt ist (Tochtergesellschaft) und die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht, wenn die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG 1999) angesetzt worden sind. Bezieht ein Unternehmen, das über eine Tochtergesellschaft mindestens zu einem Zehntel an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes (Enkelgesellschaft) mittelbar beteiligt ist, in einem Wirtschaftsjahr Gewinne aus Anteilen an der Tochtergesellschaft und schüttet die Enkelgesellschaft zu einem Zeitpunkt, der in dieses Wirtschaftsjahr fällt, Gewinne an die Tochtergesellschaft aus, so gilt auf Antrag des Unternehmens das Gleiche für den Teil der von ihm bezogenen Gewinne, der der nach seiner mittelbaren Beteiligung auf das Unternehmen entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft entspricht.
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Die Tatbestandsmerkmale des § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 1999 sind (auch) hinsichtlich desjenigen Teils der Ausschüttung, der auf die Beteiligung an der F-B S.A. entfällt, erfüllt. Darüber besteht unter den Beteiligten Einvernehmen und der vom FG festgestellte Sachverhalt gibt keinen Grund, dieses in Abrede zu stellen. Das gilt nach den vorangehenden Ausführungen zur Körperschaftsteuer gleichermaßen für die Qualifizierung der Eigenkapitalzinsen als Gewinnanteile i.S. von § 9 Nr. 7 GewStG 1999 sowie –auf dieser Basis– für den vom FG hiernach berechneten Kürzungsumfang.
29
7. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Klageanträge akzeptiert, dass die nach Maßgabe der Abkommensregeln steuerfrei bleibenden Gewinnanteile nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 in Höhe von 5 v.H. als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben und insofern als steuerpflichtig behandelt worden sind. Darüber, ob dem uneingeschränkt Folge zu leisten ist oder ob eine noch weiter gehende Schachtelbegünstigung zugunsten der F-GmbH im Hinblick auf deren hier in Rede stehenden Auslandsbeteiligungen möglich gewesen wäre (vgl. insoweit einerseits Senatsurteil vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50, BFH/NV 2009, 766 [die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des dort beteiligten FA wurde gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 11. April 2012  2 BvR 862/09, juris]; FG Köln, Urteil vom 22. November 2011  13 K 2853/07, EFG 2012, 1085, sowie Beschluss vom 6. September 2011  13 K 482/07, Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union, dortiges Az. C-47/12 „Kronos International“; andererseits Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 30. September 2008, BStBl I 2008, 940), braucht der Senat deswegen nicht mehr zu entscheiden.

Neues Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Königreich Spanien

Die Ratifikationsurkunden wurden am 18. Juli 2012 ausgetauscht. Damit tritt das Abkommen nach seinem Artikel 30 Absatz 2 am 18. Oktober 2012 in Kraft.

Das Abkommen vom 3. Februar 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen tritt am 18. Oktober 2012 in Kraft (Fundstelle: BGBl. II 2012, S. 18).
Weitere Informationen unter: www.bundesfinanzministerium.de „Spanien – Staatenbezogene Informationen“

Gemäß Art. 30 Absatz 2 Buchstabe a) ist das Abkommen bei den im Abzugsweg erhobenen Steuern (§§ 43 und 50a Einkommensteuergesetz [EStG]) für Zahlungen anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2013 fließen.

Bei Vorliegen einer erteilten Freistellungsbescheinigung, deren zeitlicher Umfang über den 01.01.2013 hinausgeht, kann wie folgt vorgegangen werden:

Um eine Freistellungsbescheinigung zu erhalten, die dem neuen Doppelbesteuerungsabkommen entspricht, ist ein Antrag auf Änderung der aktuellen Freistellungsbescheinigung erforderlich. Dieser Antrag kann formlos erfolgen.

Übernahme von Golfclubbeiträgen für Mehrheitsaktionär keine vGA (FG)

Die Übernahme von Golfclubbeiträgen für einen angestellten Mehrheitsaktionär stellt keine verdeckte Gewinnausschüttung, sondern Arbeitslohn dar (FG Köln, Urteil v. 26.3.2013 – 8 K 1406/11; Revision zugelassen).

 

Finanzgericht Köln, 8 K 1406/11

Datum: 26.03.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 8. Senat
Entscheidungsart: Anerkenntnisurteil
Aktenzeichen: 8 K 1406/11
Tenor: Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2011 wird der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 23.02.2011 abgeändert. Dem Beklagten wird aufgeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, den Klägern das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Revision wird zugelassen.
1Tatbestand2Streitig ist, ob ein Auflösungsverlust des Klägers gemäß § 17 EStG in Höhe von 72.081,– € unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens in Höhe von lediglich 36.041,– € im Einkommensteuerbescheid 2005 zu erfassen ist.

3Der Kläger war nach formwechselnder Umwandlung der J GmbH in die D AG im Jahr 2000 als Vorstandsmitglied mit zunächst 37,62 % und ab dem 15.04.2003 mit 75.24 % an der D AG bis zu deren Auflösung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 07.01.2005 beteiligt.

4Anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.01.2001 bis 31.05.2004 bei der D AG (St.-Nr.: a) stellte der Beklagte mit Bericht vom 10.08.2004 u.a. fest, die D AG habe als Arbeitgeberin des Klägers seit 2003 für diesen Beiträge für die Mitgliedschaft im Golfclub „B“ in C/G übernommen. Hierdurch sei dem Kläger ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil in Höhe von 2.150,– € im Jahr 2003 und 2.250,– € im Jahr 2004 entstanden. In dem Einkommensteuerbescheid 2003 vom 06.10.2004 und in dem Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14.02.2006 erfolgte eine dementsprechende, in Bestandskraft erwachsene Nachversteuerung. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2005 (Schreiben vom 19.04.2007) ermittelte der Kläger einen Auflösungsverlust in Höhe von 72.081,– €, der zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

5Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 31.10.2007 legte der Beklagte der Einkommensteuerfestsetzung einen Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG in Höhe von36.041,–€ bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb zugrunde. Hiergegen legten die Kläger Einspruch mit Hinweis auf das anhängige BFH-Verfahren IX R 42/08 ein.

6Nachdem das Verfahren mit Urteil vom 25.06.2009 abgeschlossen war, teilte der Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 06.01.2011 mit, der BFH habe nunmehr zwar entschieden, dass der Abzug von Erwerbsaufwand in Zusammenhang mit Einkünften aus der Veräußerung oder Auflösung einer Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 und 4 EStG dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt sei, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt habe. Habe der Steuerpflichtige zum Beispiel eine Gewinnausschüttung erhalten, sei der Verlust jedoch nach den Grundsätzen des Halbeinkünfteverfahrens zu kürzen. Die D AG habe in den Jahren 2003 und 2004 mit den Beitragszahlungen für die Mitgliedschaft in einem Golfclub eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Kläger vorgenommen. Der unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ergangene Einkommensteuerbescheid 2005 sei demnach rechtmäßig.

7Der Kläger hielt dem entgegen, die Golfmitgliedschaft sei rein beruflich motiviert gewesen und nachweislich genutzt worden, um im Golfclub Firmenevents für Kunden zu veranstalten sowie Investoren für die AG zu suchen.

8Der Beklagte änderte am 23.02.2011 den Einkommensteuerbescheid 2005 aus für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblichen Gründen und wies den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 07.04.2011, auf die verwiesen wird, als unbegründet zurück. Insbesondere verwies der Beklagte darauf, dass die D AG in den Jahren 2003 und 2004 ohne vorherige Fixierung im Vorstandsvertrag die Beiträge für die Golfclubmitgliedschaft des Klägers übernommen habe. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufwendungen für die Mitgliedschaft ganz überwiegend im eigenen betrieblichen Interesse der D AG gelegen hätten. Der Kläger habe die Beiträge auch vereinnahmt. Die direkte Überweisung der Beiträge an den Golfclub stelle lediglich eine Verkürzung des Zahlungsweges dar. Die durch das Finanzamt veranlasste Versteuerung der Clubbeiträge als Arbeitslohn sei nicht beachtlich, denn zugrundezulegen seien ausschließlich die objektiven Gegebenheiten des Sachverhalts, eine in der Vergangenheit möglicherweise abweichend getroffene Beurteilung sei unmaßgeblich.

9Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, dem Kläger sei keine nur hälftig besteuerte Einnahme im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG aufgrund seiner Beteiligung an der D AG zugeflossen, er habe lediglich Arbeitslohn in Gestalt der Mitgliedsbeiträge von der D AG vereinnahmt. Diese seien gemäß § 19 EStG voll versteuert worden. Habe der Kläger über seine Beteiligung an der AG nicht von hälftig versteuerten Einnahmen gemäß § 3 Nr. 40 EStG profitiert, seien die Auflösungsverluste nicht nur hälftig, sondern voll anzusetzen. Nach Erinnerung des Klägers habe eine Firmenmitgliedschaft der D AG beim Golfclub „B“ bestanden. Die Mitgliedskarte sei auf ihn als Mitarbeiter jedes Jahr neu ausgestellt worden und könne nicht mehr vorgelegt werden. Eine Mitgliedschaft habe in den Jahren 2003 bis 2004 bestanden. Am 17.10.2003 habe eine Kundenveranstaltung der D AG in den Räumen des Golfclubs stattgefunden. Der Kläger habe seine Vorstandsbezüge nicht selbst bestimmen können, obwohl er Mehrheitsaktionär gewesen sei. Denn die Kapitalgeberin und Minderheitsaktionärin U I GmbH & Co. KG habe sich im Beteiligungsvertrag, der dem Gericht vorliege, ein Zustimmungsrecht für die Festlegung der Vorstandsbezüge ausbedungen.

10Die Kläger beantragen

11unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2011 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 23.02.2011 die Einkommensteuer 2005 festzusetzen unter Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes in Höhe von insgesamt 72.081,– € (statt 36.041,– €) bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb.

12Der Beklagte beantragt,

13die Klage abzuweisen,

14hilfsweise die Revision zuzulassen.

15Der Beklagte hat auf Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass der Kläger bis auf die von ihm, dem Beklagten, angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen in den Jahren 2000 bis 2005 keine Einnahmen als Aktionär der D AG erzielt hat.

16Das Gericht hat die Lohnsteuerprüfungsakte der D AG (Prüfungszeitraum 01.01.2001 – 31.05.2004) zum Verfahren beigezogen.

17Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist begründet.

20Die Kläger sind durch die in dem Einkommensteuerbescheid 2005 vom 23.02.2011 erfolgte Berücksichtigung eines beim Kläger angefallenen Auflösungsverlustes in Höhe von 72.081,– € mit lediglich 36.041,– € in ihren Rechten verletzt.

21Zu Unrecht hat der Beklagte unter Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung den beim Kläger angefallenen Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG nur zur Hälfte berücksichtigt.

22Bei der Ermittlung eines Auflösungsverlustes im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 EStG ist der Erwerbsaufwand nicht gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt abziehbar, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt hat. Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen durch eine Beteiligung an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser Aufwand steht nicht, wie dies § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlangt, in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist der Erwerbsaufwand mithin in vollem Umfang abziehbar (BFH, Urteil vom 25.06.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220; BFH, Urteil vom 14.07.2009 – IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH, Beschluss vom 18.03.2010 – IX B 227/09, BStBl. II 2010, 627; BFH, Urteil vom 06.04.2011 IX R 28/10, BStBl. II 2011, 814; BFH, Urteil vom 06.04.2011 – IX R 40/10, BStBl. II 2011, 785; BFH, Urteil vom 06.04.2011 – IX R 61/10, BStBl. II 2012, 8).

23Der Kläger hat keine dem Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG unterfallende Einnahmen, vermittelt durch seine Beteiligung an der D AG, im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in den Jahren 2002 bis 2005 erzielt.

241.

25Ob der Kläger durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG erzielt hat, ist nach Auffassung des erkennenden Senats den für die Jahre 2002 bis 2005 gegenüber den Klägern ergangenen Einkommensteuerbescheiden zu entnehmen.

26Danach sind dem Kläger keine nach dem Halbeinkünfteverfahren versteuerten Einnahmen durch seine Beteiligung zugeflossen.

27Für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2005 ist dies unstreitig.

28Aber auch in den Veranlagungszeiträumen 2003 und 2004 ist dem Kläger ausweislich der Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 keine hälftig zu besteuernde Einnahme gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Gestalt einer verdeckten Gewinnausschüttung, sondern lediglich voll versteuerter Arbeitslohn als Vorstandsmitglied der D AG zugeflossen. Zu dem voll versteuerten Arbeitslohn zählen u.a. die von der D AG für die Golfclubmitgliedschaft des Klägers gezahlten Beiträge.

292.

30Neben fehlenden, nach dem Halbeinkünfteverfahren faktisch besteuerten Einnahmen des Klägers verhindert auch die Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 nach Außenprüfung, dass der Beklagte im Streitjahr 2005 im Rahmen der Ermittlung des Auflösungsverlustes im Sinne des § 17 Abs. 1, 4 EStG die in den Jahren 2003 und 2004 abschließend verwirklichten, geprüften und bei der Einkommensteuerveranlagung 2003 und 2004 steuerlich als Arbeitslohn qualifizierten Zahlung der Golfclubbeiträge nunmehr als sozusagen fiktiv gemäß § 3 Nr. 40 EStG nach dem Halbeinkünfteverfahren versteuerte verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bewerten kann.

31Nicht ausgeschlossen ist zwar eine zusammenfassende Bewertung eines Lebenssachverhaltes, der über verschiedene Veranlagungszeiträume hinaus verwirklicht wird (z.B. der Feststellung einer fehlendenden Gewinnerzielungsabsicht). Nicht ausgeschlossen ist auch eine abweichende Bewertung gleichermaßen verwirklichter Lebenssachverhalte in verschiedenen Veranlagungszeiträumen (Grundsatz der Abschnittsbesteuerung). Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt jedoch, denn die steuerliche Qualifizierung der Übernahme der Golfclubbeiträge durch die D AG bezieht sich auf jeweils im Jahr 2003 und 2004 abgeschlossene Lebenssachverhalte, die steuerlich bestandskräftig als Arbeitslohn qualifiziert wurden und einer neuen Bewertung im Streitjahr als vGA demzufolge nicht zugänglich sind.

323.

33Ergänzend ist in Anbetracht

34- des von dem Beklagten nur unsubstantiiert bestrittenen, schlüssigen klägerischen Vortrags,

35- des Inhalts der Lohnsteueraußenprüfungsakte und

36- der anlässlich der Einkommensteuerveranlagungen 2003 und 2004 zwischen den Klägern und dem Beklagten übereinstimmend als Arbeitslohn bewerteten Golfclubbeiträge

37festzustellen, dass die Übernahme der Beiträge durch die D AG in den Jahren 2003 und 2004 zu Recht von der Lohnsteueraußenprüfung als Arbeitslohn gemäß § 19 EStG und nicht als vGA qualifiziert worden ist.

38Zu den lohnsteuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach

39§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs werden Vorteile „für“ eine solche Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind (vgl. BFH, Urteil vom 15.05.1992 – VI R 106/88, BStBl. II 1993, 840 m.w.N.). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sie sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH, Urteil vom 11.03.1988 – VI R 106/84, BStBl. II 1988, 726 m.w.N.).

40Kein Arbeitslohn sondern eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH, Urteil vom 08.10.2008 – I R 61/07, BFH/NV 2009, 504).

41Ist der Begünstigte ein beherrschender Gesellschafter, so kann eine vGA schon dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlichen wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (BFH, Urteil vom 27.03.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111 m.w.N.).

42Ausgehend hiervon ist für den erkennenden Senat maßgeblich für die Bewertung der Golfclubbeiträge als Arbeitslohn, dass nach Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die Beiträge nach mündlicher Absprache mit dem Aufsichtsratsvorstand V und im Einverständnis mit dem Minderheitsaktionär U von der D AG für den Kläger, einen beherrschenden Gesellschafter, übernommen worden sind. Die Übernahme der Mitgliedsbeiträge durch die D AG konnte der Kläger als Ertrag seiner nichtselbständigen Arbeit mit beruflichem Bezug ansehen. Der berufliche Bezug der Kostenübernahme wird dadurch deutlich, dass der Kläger das Golfspiel für die Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden genutzt und die Räumlichkeiten des Golfclubs für Treffen mit Geschäftspartnern der D AG, u.a. der Q AG, genutzt hat.

43Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2005 vom 23.02.2011 ist dementsprechend unter Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes in Höhe von 72.081,– € statt 36.041,– € bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbeverlust nach Maßgabe des § 100 Abs. 2 S. 2, 3 FGO zu ändern.

44Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

45Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

Zum Vorliegen eines Steuerstundungsmodells (FG)

Das Halten einer Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer verwaltenden Personengesellschaft kann ein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG darstellen. § 15b EStG ist nicht verfassungswidrig (FG Hessen, Urteil v. 17.10.2012 – 1 K 2343/08; Revision anhängig).


Vorliegen eines vorgefertigten Konzepts i.S.d. § 15b EStG

 Leitsatz

  1. 1.            Ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG ist ein Gesamtplan von einer Anlage, der durch die Entwicklung einzelner oder einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Leistungen und Maßnahmen die Erreichung des angestrebten Ziels – hier das Generieren hoher verrechenbarer Verluste in der Anfangsphase einer Investition – ermöglichen soll und der jedenfalls in seinen wesentlichen Grundzügen vom Interessenten verwendet werden kann und auch in einer Vielzahl anderer Fälle unabhängig von der äußeren Gestaltung im Einzelnen verwendbar ist.
  2. 2.            Das Bewerben und Vermarkten eines derartigen Plans gegenüber einem größeren Verkehrskreis mittels unterschiedlicher Medien kommt dabei allenfalls indizielle Bedeutung zu.
  3. 3.            Die Gründung einer Gesellschaft zum Zwecke des Erwerbs einer zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonusabrede bei Kopplung des variablen Bonuszins an die Entwicklung eines Indexwertes durch deren einzige Kommanditistin und der ist als ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG anzusehen.
  4. 4.            Die Vorschrift des § 15 b EStG ist nicht verfassungswidrig.

 Gesetze

EStG § 15b
EStG § 20 Abs. 1
EStG § 20 Abs. 2b
Art. 3 Abs. 1 Art. 19 Abs. 4
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

 Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die gesonderte Feststellung eines nicht mit Einkünften aus Gewerbebetrieb und aus anderen Einkunftsarten ausgleichsfähigen Verlustes aus einer Kapitalanlage gemäß § 15 b Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für das Streitjahr 2006 durch das seinerzeit zuständige Finanzamt … – heute: Finanzamt… . Dem liegt der nachfolgende Sachverhalt zu Grunde:

 Gründe

1. Der Senat kann in der Sache über die Klage entscheiden. Insbesondere war nicht den Anträgen der Beteiligten zu folgen und das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des BFH in dem dort anhängigen Revisionsverfahren 1 R 39/11 gegen ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30. März 2011 (4 K 1723/09, DStRE 2012, 315) anzuordnen.

Gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 251 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn die Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Beteiligten halten die Anordnung der Verfahrensruhe für geboten, weil der dem genannten Revisionsverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt dem vorliegenden vergleichbar sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar lag dem Urteil des FG Baden-Württemberg ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts ebenfalls eine Kapitalanlage im Wege der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft, die ihrerseits in zu 100 % fremdfinanzierte, speziell entwickelte, an ein Referenzaktivum geknüpfte und einen festen sowie einen variablen Zins beinhaltende Schuldverschreibungen investiert hatte, zu Grunde. Indessen war, abweichend vom vorliegenden Sachverhalt, an der dortigen vermögensverwaltenden KG als weiterer Gesellschafter eine ausländische Familienstiftung mit Sitz in Liechtenstein beteiligt. Das FG Baden-Württemberg hat sich in dem Urteil mit der Frage eines Steuerstundungsmodells nicht auseinandergesetzt, sondern aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO) angenommen. Dem Revisionsverfahren gegen dieses Urteil liegt die Frage zu Grunde, ob ein steuerrechtlicher Gestaltungsmissbrauch vorliegt, wenn der Stiftungszweck einer ausländischen Stiftung erst nach 8 Jahren erfüllt wird und ob bejahendenfalls für solch eine rechtsmissbräuchlich gegründete Stiftung eine Feststellung von Verlusten ausgeschlossen ist. Der Senat vermag angesichts dessen derzeit nicht zu erkennen, ob sich die Entscheidung im Revisionsverfahren überhaupt mit der hier maßgeblichen Frage des Vorliegens eines Steuerstundungsmodells befasst.

2. Die Klage ist unbegründet.

Die Feststellung von unter § 20 Abs. 2 b EStG i.V.m. § 15 b EStG fallende Werbungskosten der Klägerin in Höhe von … € und eines nicht ausgleichs-/abzugsfähigen Verlustes der Kommanditistin der Klägerin für das Streitjahr 2006 in gleicher Höhe gemäß § 20 Abs. 2 b EStG i.V.m. § 15 b EStG im angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes der Klägerin ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO ).

a) Gemäß § 15 b Abs. 4 Satz 1 EStG ist der nach Abs. 1 dieser Vorschrift nicht ausgleichsfähige Verlust im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell jährlich gesondert festzustellen. Diese Feststellung ist einheitlich durchzuführen, wenn es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO handelt und die Feststellung mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte verbunden wird (§ 15 b Abs. 4 Satz 5, 2. Halbsatz EStG ).

b) Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens überzeugt, dass es sich bei der Gründung der Klägerin zum Zwecke des Erwerbs einer zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonusabrede bei Kopplung des variablen Bonuszins an die Entwicklung eines Indexwertes durch deren einzige Kommanditistin im Dezember des Streitjahres und dem Erwerb der „Inhaberschuldverschreibung 2006/2016 mit Bonuszinsabrede” der L durch die Klägerin um ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15 b Abs. 1 EStG handelt.

aa) Bei der von der Klägerin erworbenen „Inhaberschuldverschreibung 2006/2016 mit Bonuszinsabrede” handelt es sich um eine Kapitalanlage, aus der sie Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung erzielt, da die Zinserträge den in einer der anderen Ziffern des § 20 Abs. 1 EStG genannten Einkünften nicht zugerechnet werden können.

Nach der Vorschrift des durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. b des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I, 2878 ) in § 20 EStG eingeführten und gemäß § 52 Abs. 37 d EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2006 anzuwendenden Abs. 2 b Satz 1 ist auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach den vorhergehenden Absätzen § 15 b EStG sinngemäß anzuwenden mit der Folge, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 b EStG negative Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Absätze 1 und 2 EStG der eingeschränkten Verlustverrechnung unterliegen.

bb) Gemäß § 15 b Abs. 1 EStG dürfen Verluste in Verbindung mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden und auch nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt.

Ein Steuerstundungsmodell iSd § 15 b Abs. 1 EStG liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15 b Abs. 2 Satz 1 EStG ). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15 b Abs. 2 Satz 2 EStG ). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15 b Abs. 2 Satz 3 EStG ).

Dem vorliegenden Erwerb der Schuldverschreibung der L liegt ein vorgefertigtes Konzept zugrunde.

Allerdings definiert das Gesetz diesen Begriff nicht. Auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/107, S. 6, 7) und in den Erläuterungen der Bundesregierung in den Beratungen im Finanzausschuss im Gesetzgebungsverfahren (BT-Drs. 106/254, S. 5) wird der Begriff des vorgefertigten Konzepts nicht definiert, sondern vorausgesetzt, wenn in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, dass für die Modellhaftigkeit das Vorhandensein eines vorgefertigten Konzepts, das auf die Erzielung steuerlicher Vorteile ausgerichtet sei, spreche, und dass das Konzept typischerweise, wenn auch nicht zwingend, durch die beispielhaft aufgezählten Medien (Anlegerprospekt, Katalog, Verkaufsunterlagen, Beratungsbögen usw.) vermarktet werde.

Das Anwendungsschreiben des BMF zu § 15 b EStG vom 17. Juli 2007 (a.a.O.) führt hierzu unter Tz 8 aus, dass für die Frage der Modellhaftigkeit vor allem die Kriterien „vorgefertigtes Konzept” und „gleichgerichtete Leistungsbeziehungen, die im Wesentlichen identisch sind”, maßgeblich seien. Für die Modellhaftigkeit typisch sei die Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen. Zusatz- oder Nebenleistungen führten dann zur Modellhaftigkeit eines Vertragswerks, wenn sie es nach dem zugrunde liegenden Konzept ermöglichten, den sofort abziehbaren Aufwand zu erhöhen. Im Übrigen wird der Begriff in Tz 10 Satz 5 negativ dahingehend abgegrenzt, dass es sich nicht um ein vorgefertigtes Konzept handele, wenn der Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung vorgebe.

Dabei orientieren sich einerseits sowohl die Gesetzesbegründung als auch das BMF-Anwendungsschreiben ersichtlich an den klassischen Anlageformen, insb. Fondsgesellschaften, indem sie das Vokabular des Anwendungsschreibens des BMF vom 22. August 2001 (BStBl I 2001, 588) zur Vorgängervorschrift des § 2 b EStG übernehmen, das seinerseits in erster Linie auf die Beteiligung von Steuerpflichtigen an Verlustzuweisungsgesellschaften in der Regel in der Form geschlossener Fonds abstellt.

Andererseits sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch Anlage- und Investitionstätigkeiten mit modellhaftem Charakter von Einzelpersonen von der Regelung erfasst werden (BT-Drs 16/107, S. 6). Insoweit beschränken sich die Erläuterungen im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2007 (Tz 7) indessen wiederum auf die Nennung einer bereits im BMF-Schreiben vom 22. August 2001 (Tz 11, 12) beschriebenen Investition in eine mit einem Darlehen gekoppelte Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbetrag.

Jedenfalls lässt sich der Begründung des Gesetzes und den Erläuterungen der Bundesregierung in den Beratungen im Finanzausschuss im Gesetzgebungsverfahren der Wille des Gesetzgebers entnehmen, Steuerstundungsmodellen, die ein extrem hohes Verlustverrechnungspotential in der Anfangsphase einer Investition generieren, die Anerkennung zu versagen, und in diesem Zusammenhang nicht nur die klassischen Anlageformen, insb. Fondgesellschaften, sondern auch Einzelinvestitionen zu erfassen.

Nach dem Sprachgebrauch ist der Begriff des Konzepts als Plan für ein bestimmtes Vorhaben zu begreifen. Es ist das Ergebnis eines Prozesses des Erkennens und Entwickelns von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren strategisch zu planenden Vorhabens (vgl. z.B. die Erläuterungen in „Wikipedia” zu den Begriffen Konzept und Konzeption).

Ein Konzept in diesem Sinne ist vorgefertigt, wenn der Anwender es vorfindet und zumindest die wesentlichen Grundlagen für ein geplantes Vorhaben einsetzen kann und nicht erst selbst die Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung seines Vorhabens entwickeln muss.

Der Senat versteht daher unter einem vorgefertigten Konzept im Kontext der gesetzlichen Regelung unter Berücksichtigung des skizzierten gesetzgeberischen Willens einen Gesamtplan eines vom an der Anlage Interessierten verschiedenen Dritten, der durch die Entwicklung einzelner oder einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Leistungen und Maßnahmen die Erreichung des angestrebten Ziels – hier das Generieren hoher verrechenbarer Verluste in der Anfangsphase einer Investition – ermöglichen soll und der jedenfalls in seinen wesentlichen Grundzügen vom Interessenten verwendet werden kann und auch in einer Vielzahl anderer Fälle unabhängig von der äußeren Gestaltung im Einzelnen verwendbar ist. Dabei ist das Bewerben und Vermarkten eines derartigen Plans kein ausschlaggebendes Kriterium. Dem Anbieten gegenüber einem größeren Verkehrskreis mittels unterschiedlicher Medien kann allenfalls indizielle Bedeutung zukommen.

cc) Bei Anwendung dieser Begrifflichkeiten stellt die vorliegend streitige Investition in eine Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft eine modellhafte Gestaltung im Sinne des § 15 b Abs. 2 Satz 1 EStG dar.

Die für einen Gesamtplan sprechenden Merkmale dieser Gestaltung sind:

(Neu-)Gründung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (hier: GmbH & Co.KG) durch den Kunden als einzigen – geschäftsführenden – Gesellschafter unter Verwendung einer vom Berater zur Verfügung gestellten bzw. vermittelten Vorrats-GmbH bei Identität der gezeichneten und eingezahlten Gesellschafter-Einlage mit dem Anlagebetrag;

Erwerb einer Schuldverschreibung durch die Personengesellschaft (vorzugsweise von einem Anbieter mit einer Niederlassung im Ausland – hier: …) mit befristeter Laufzeit;

Zu 100 % Fremdfinanzierung des Erwerbs der Schuldverschreibung durch Aufnahme eines Darlehens mit identischer Laufzeit bei dem gleichen Institut (bzw. der Muttergesellschaft);

Vereinbarung eines hohen Disagio – hier: … % des für den Erwerb der Anleihe vorgesehenen Darlehensbetrages – das nicht gezahlt, sondern auf den Darlehensbetrag aufgeschlagen und bei Auszahlung des Darlehens einbehalten wird. Dadurch entsteht ein hoher Anfangsverlust;

Vorschüssige Zahlung der Darlehenszinsen bei gleichzeitiger nachschüssiger Zahlung der Guthabenzinsen aus der Anleihe, wodurch sich der Anfangsverlust weiter erhöht;

Zahlung zweier feststehender (garantierter) Bonusbeträge und eines variablen, an die Entwicklung des Wertes eines Index gekoppelten Bonusbetrages bei Endfälligkeit der Anleihe.

Diese Merkmale dienen in ihrem Zusammenwirken ausschließlich der steueroptimierten Kapitalanlage:

Der Kunde – hier: die Kommanditistin der Klägerin – gibt vor, welchen Anlagebetrag er zur Verfügung hat. Sodann werden die Gründung der Personengesellschaft, der Erwerb der Anleihen durch die Personengesellschaft und die Darlehensverträge zur Finanzierung des Erwerbs vorbereitet, wobei Emittent und Darlehensgeber identisch oder, wie hier, zumindest eng miteinander verflochten sind. Dabei werden die Anleihebedingungen für den Erwerb der Schuldverschreibungen und die Darlehensverträge zur 100 % igen Fremdfinanzierung des Erwerbs so aufeinander abgestimmt, dass bezogen auf den Anlagebetrag ein höchstmöglicher, sich bei der Besteuerung des Anlegers zu Beginn der Investition auswirkender, Verlust erzielt werden kann, der zum Ende des Investitionszeitraums zumindest wieder ausgeglichen wird.

Der Anlagebetrag – hier: … € – entspricht dem gezeichneten und eingezahlten Eigenkapital und ergibt gleichzeitig den im ersten Jahr der Laufzeit des Darlehens vorschüssig zu zahlenden, einen steuerlichen Verlust in entsprechender Höhe generierenden, Zinsbetrag. Es ist der einzige Betrag, der im Rahmen der Investition vom Anleger tatsächlich aufgebracht werden muss.

Gleichzeitig wird im Darlehensvertrag ein hohes Disagio – hier: … % des für den Erwerb der Anleihe benötigten Darlehensbetrages – vereinbart, das den Anleger tatsächlich nicht belastet, sondern auf den Darlehensbetrag aufgeschlagen und vom Institut einbehalten wird. Dadurch erhöht sich der steuerliche Verlust im Erstjahr.

Während der identischen Laufzeit der Anleihe und des Darlehens beträgt der Saldo der in den Anleihebedingungen vereinbarten, nachschüssig auszuschüttenden, Guthabenzinsen und der vorschüssig zu zahlenden Darlehenszinsen – hier: jeweils … € – aufgrund der aufeinander abgestimmten Verträge vom zweiten Jahr bis zum vorletzten Jahr der Laufzeit immer null. Im Zusammenhang mit den während der Laufzeit der Schuldverschreibung und des Darlehens anfallenden Gebühren und Steuerberatungskosten werden im Investitionszeitraum weitere – wenn auch deutlich niedrigere – Verluste aus der Kapitalanlage generiert.

Im Zeitpunkt der – gleichzeitigen – Endfälligkeit der Anleihe und des Darlehens werden keine Darlehenszinsen mehr fällig. Der Anleger erhält den letzten laufenden Guthabenzinsbetrag – hier: … € – und zwei feststehende Bonusbeträge. Davon entspricht der Bonusbetrag von hier … € dem Darlehenszinsbetrag des Erstjahres, der Bonusbetrag von hier … € dem Differenzbetrag zwischen dem laufenden Guthabenzins von … € und dem Disagio von hier … €. Die Ausschüttung beträgt insgesamt … € und entspricht exakt dem für 2006, dem Erstjahr der Laufzeit der Verträge, in die Einnahme-Überschussrechnung eingestellten Verlust.

Darüber hinaus ist der variable, an die Entwicklung eines Index gekoppelte Bonus für den Gesamtplan von Bedeutung. Er dient der Darstellung der für die steuerliche Anerkennung der Investition erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Diese wäre ohne die Aussicht auf eine weitere Bonuszahlung nicht begründbar. Denn die dargestellte Neutralisierung der Ergebnisse der Investition und der Kreditaufnahme führt dazu, dass keine Mittel zum Ausgleich der während des Investitionszeitraums anfallenden Kosten für Gebühren und Beratungskosten, die von der Klägerin in einer Prognoseberechnung (Bl. 96 bis 98 Feststellungsakte) mit … € beziffert wurden, zur Verfügung stehen.

Der Senat hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob im Hinblick darauf, dass der Bonus an die Wertentwicklung eines Wertpapier-/Aktienindex gekoppelt ist und für die Höhe des Bonus allein der Indexwert an einem Stichtag – hier: 20. Dezember 2016 – maßgebend ist, das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht überhaupt angenommen werden kann. Zwar ist die Gewinnerzielungsabsicht vorrangig vor dem Vorliegen eines Steuerstundungsmodells zu prüfen. Dies ist jedoch in erster Linie Aufgabe der Finanzbehörden. Der Senat sieht sich in diesem Klageverfahren an einer solchen Entscheidung aufgrund des Verbots der Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren gehindert, da er das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells bejaht und die Klage deshalb keinen Erfolg hat. Im Falle der Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht wäre der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin vollständig aufzuheben mit der Folge, dass auch der beschränkte Verlustausgleich entfiele.

Aus diesem Grund war der vom Vertreter des FA im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Gewährung einer Frist zur Stellungnahme zum Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Gewinnerzielungsabsicht im Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 abzulehnen.

Die Gründung der Klägerin durch die Kommanditistin diente in erster Linie dazu, dem FA gegenüber darzustellen, dass die Investition in Inhaberschuldverschreibungen auf einer individuellen Entscheidung der Kommanditistin beruhte und sich die Art der Investition erst im Zuge intensiver Beratungen herauskristallisiert habe und weiterentwickelt worden sei, also nicht auf ein bereits vorgefundenes Konzept zurückgegriffen wurde.

Darüber hinaus diente die Einschaltung der Klägerin der Minimierung der für die Kommanditistin mit der Anlage verbundenen etwaigen Risiken. Weitergehende, insbesondere wirtschaftliche Gründe für die Investition der Kommanditistin in die Inhaberschuldverschreibungen über die Beteiligung an der Klägerin vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Einschaltung der Komplementärin hatte wirtschaftlich keinen Sinn, da sie weder an der Klägerin noch an deren laufenden Ergebnis und erst recht nicht an einem Liquidationsgewinn beteiligt war. Es bestanden auch praktisch keine Haftungsrisiken aufgrund der Freistellungsvereinbarung mit der Klägerin. Wesentliche Entscheidungsbefugnisse hatte sie ebenfalls nicht, da für den maßgeblichen Bereich der Vermögensverwaltung die geschäftsführende Kommanditistin geschäftsführungsbefugt war.

Für die Kommanditistin macht die Beteiligung an der Klägerin über die Haftungsbeschränkung hinaus wirtschaftlich ebenfalls keinen Sinn, da von vornherein beabsichtigt war, dass die Klägerin in den nächsten neun Jahren ausschließlich Verluste erzielen werde.

dd) Dass die Kommanditistin der Klägerin bei ihrer Investition in die Inhaberschuldverschreibungen der L auf ein vorgefertigtes Konzept zurückgreifen konnte, das lediglich noch auf ihre Bedürfnisse angepasst wurde, ergibt sich für den Senat aus folgendem:

Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde deren Kommanditistin von ihren damaligen Kapitalanlageberatern an das Beraterbüro D verwiesen. Nach telefonischer Kontaktaufnahme mit Rechtsanwalt B. am 17. November 2006 erteilte sie am 18. November 2006 den Auftrag zur Vorbereitung des Erwerbs einer sogenannten „Asset Linked Note” (Bl. 107 Feststellungsakte) und, nachdem eine zur Emittierung und Finanzierung der Investition bereite Bank gefunden war, am 11. Dezember 2006 den Auftrag zur konkreten Umsetzung des Anlagemodells mit der G (Bl. 106 Feststellungsakte). Hieraus geht zur Überzeugung des Senats eindeutig hervor, dass die Vermittlung der Kommanditistin an D durch ihre Kapitalanlageberater einzig der Kapitalanlage über das vorbeschriebene Modell der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonuszinsabrede diente. Dieses Modell stand bei den Verhandlungen von D mit den verschiedenen als Partner in Betracht kommenden Banken nach der Auftragserteilung vom 18. November 2006 selbst nie zur Disposition. Bestätigt wird dies durch die schriftlichen Erklärungen des Herrn … vom 19. Juni 2008 (Bl. 105 Feststellungsakte) und des Herrn …, dem heutigen Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, vom 16. Juni 2008 (Bl. 104 Feststellungsakte). Beide waren im Streitjahr als Kapitalanlageberater für die Klägerin tätig. Beide bestätigen in ihren Erklärungen, dass es bei den Verhandlungen mit den Banken durch D ausschließlich um den Erwerb einer „Asset Linked Note” ging. Die Wahl sei auf die G gefallen, weil diese die besten Konditionen, insbesondere niedrige Kosten, gehabt habe, und in der Lage gewesen sei, den Erwerb der Inhaberschuldverschreibungen noch im Streitjahr umzusetzen.

Danach beschränkten sich die Verhandlungen darauf, das Konzept der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonuszinsabrede hinsichtlich der Höhe des Anlagebetrages, den die Kommanditistin der Klägerin investieren wollte bzw. konnte, der Zinsen und Kosten und der Laufzeit der Anlage so auf die Verhältnisse der Kommanditistin abzustimmen, dass die Anlage bezogen auf das Ziel der Steuerersparnis in der Anfangsphase bestmögliche Ergebnisse erzielte.

Demgegenüber stand zur Überzeugung des Senats das eigentliche Konzept zur Erreichung dieses Ziels mit seinen oben beschriebenen einzelnen Merkmalen in seinen wesentlichen Grundlagen von Anfang an fest.

Hierfür sprechen auch der in den Verwaltungsvorgängen befindliche E-Mail-Verkehr vom 11. bis 13. Dezember 2006 innerhalb D und zwischen D und G, sowie die Kürze des zeitlichen Ablaufs von der Auftragserteilung über die Gründung der Klägerin bis zur Zeichnung der Anleihen und dem Abschluss des Darlehensvertrages.

Der E-Mail-Verkehr vom 11. Dezember 2006 (dem Tag der Beauftragung durch die Kommanditistin; Bl. 112 Feststellungsakte) und 12. Dezember 2006 (Bl. 110, 111 Feststellungsakte) innerhalb D verdeutlicht, dass das Anlagekonzept mit seinen vorbeschriebenen Merkmalen längst entwickelt war und es bei der Abarbeitung des Auftrags der Kommanditistin nur noch um die „Feinabstimmung” ging.

Mit der E-Mail vom 11. Dezember 2006 wurden intern bereits erstellte verschiedene Versionen des Anlagemodells an die Kommanditisten versandt. Bei dem E-Mail-Verkehr zwischen …(Kapitalanlageberater) und D und innerhalb D ging es ebenfall nur noch um Abstimmungsarbeiten, da nunmehr ein höheres Anlagevolumen zur Verfügung stand.

Aufschlussreich ist auch der E-Mail-Verkehr zwischen der G und D vom 13. Dezember 2006 (Bl. 109 Feststellungsakte). Hier wird besonders deutlich, dass es bei der Abarbeitung des Auftrags der Kommanditistin nur noch um Anpassungs- und Abstimmungsarbeiten ging. Offensichtlich war G der von D in die Berechnung der Anlage eingestellte Gebührenanteil zu gering. Gefordert wurde eine Anhebung von … % auf mindestens … %, was erneute Berechnungen durch D erforderte. Die dortige interne E-Mail vom 13. Dezember 2006, 16:14 Uhr, („…kannst Du bitte nachrechnen, ob … % für die Gewinnerzielungsabsicht reicht?”), zeigt zudem, welche Bedeutung der Darstellung der Gewinnerzielungsabsicht und damit dem variablen Bonus innerhalb des Modells zukommt.

Für ein von der Kommanditistin vorgefundenes, also vorgefertigtes Anlagekonzept spricht auch der kurze Zeitraum zwischen Auftragserteilung durch die Kommanditistin und abschließender Zeichnung der Anleihen und Abschluss des Darlehensvertrages zu deren Finanzierung durch die Klägerin. Der Zeitraum von der Auftragserteilung an D vom 18. November 2006 zur Erstellung eines Angebots für den Erwerb einer „Asset Linked Note” bis zur Zeichnung der Anleihe durch die Klägerin betrug lediglich einen Monat. Die Zeit zwischen dem 18. November 2006 und der Beauftragung von D mit dem Abschluss der Investition mit G am 11. Dezember 2006 wurde offensichtlich für die Suche nach einer geeigneten Bank als Partner für das Anlagemodell und die Vorbereitung der Gründung der Klägerin einschließlich des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft als Komplementärin verwendet. Nach der Auftragserteilung am 11. Dezember 2006 wurden offenbar innerhalb einer Woche am 12. Dezember 2006 der G der Zuschlag erteilt und die Unterlagen zur bankinternen Prüfung und Umsetzung des Investments übersandt, noch am selben Tag die Klägerin auf der Grundlage eines umfangreichen Gesellschaftsvertrages gegründet, am 19. Dezember 2006 die Inhaberschuldverschreibungen gezeichnet und am 20. Dezember 2006 der Darlehensvertrag zu deren Finanzierung.

Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass innerhalb dieser kurzen Zeitspanne von einem Monat die Kommanditistin und ihre Berater von D ausgiebig über in Betracht kommende Investitionsmöglichkeiten beraten, schließlich auf Initiative der Kommanditistin das vorbeschriebene, im Hinblick auf die gewünschten steuerlichen Auswirkungen finanzmathematisch komplexe, Anlagemodell erstmals entwickelt und sodann durch die Einholung von Angeboten bei verschiedenen Banken und Fertigung der erforderlichen Verträge umgesetzt haben.

Er ist vielmehr davon überzeugt, dass die Kommanditistin auf ein von D auf der Grundlage eines Investments in Inhaberschuldverschreibungen weiterentwickeltes Anlagemodell zurückgegriffen hat, das lediglich ihren Bedürfnissen angepasst wurde. Dass Anlagemodelle, wie das Vorbeschriebene, nach der Einführung des § 15 b EStG durch das Jahressteuergesetz 2005 und verstärkt nach dem Aufkommen der Diskussion über eine Ausdehnung der Regelung auf sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen auftraten und nach der Einbringung des entsprechenden Gesetzesentwurfs in das Gesetzgebungsverfahren im Herbst 2006 Hochkonjunktur hatten, lässt sich im Übrigen auch der Gesetzesbegründung zur Einführung des neuen § 20 Abs. 2 b EStG und zu dessen rückwirkenden Geltung für das Veranlagungsjahr 2006 im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2007 (BT-Drs. 16/2712, S. 50, 63, 64) entnehmen.

Im Übrigen verdeutlichen die oben dargestellten Umstände und Abläufe, wie auch die schriftlichen Erklärungen der Herren … und … (Anlageberater) anschaulich, wie das Produkt den Weg zum Kunden fand. Es wurde nicht aktiv mittels eines Prospektes oder sonstigen geläufigen Mediums beworben. Der Vertrieb des Modells erfolgte – offenbar unter Nutzung entsprechender Netzwerke – im Wege der Vermittlung der Kunden durch deren Kapitalanlageberater. Dies zeigt wiederum, dass dem Kriterium der aktiven Vermarktung eines Anlagekonzepts durch Prospekte oder andere Medien keine entscheidende Bedeutung zukommt.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass das vorbeschriebene Anlagemodell allein den steuerlichen Sinn hatte, der Kommanditistin der Klägerin über das Disagio und die Kombination aus vorschüssigen Darlehenszinsen, nachschüssigen Guthabenzinsen und feststehenden Bonusbeträgen bei Endfälligkeit aus der Anleihe zusätzliche Erträge in Form von Steuervorteilen aufgrund anfänglicher hoher – verrechenbarer – negativer Einkünfte zu vermitteln und dieses Anlagekonzept nicht eigens für die Kommanditistin und auf deren Initiative erdacht und entwickelt worden ist. Sie hat vielmehr ein bereits vorhandenes und am Markt eingesetztes Konzept jedenfalls in seinen wesentlichen Grundlagen für ihre Anlage verwendet. Die Zeichnung der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonusabrede stellt mithin eine modellhafte Gestaltung in Form einer Einzelinvestition im Sinne des § 15 b EStG dar.

c) Die Anwendung des § 15 b Abs. 1 EStG ist vorliegend auch nicht durch § 15 b Abs. 3 EStG ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift ist § 15 b Abs. 1 EStG nur anwendbar, wenn innerhalb der Anfangsphase der Investition das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 % übersteigt. Vorliegend übersteigt bereits der für das Streitjahr ermittelte Verlust aus der Kapitalanlage der Klägerin in Höhe von … € das von der Kommanditistin aufgebrachte Kapital von … € um deutlich mehr als die geforderten 10 %.

d) Der Senat hält die Vorschrift des § 15 b EStG nicht für verfassungswidrig.

aa) Die Vorschrift ist entgegen der Auffassung der Klägerin inhaltlich hinreichend klar und bestimmt.

Aus dem auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG ) beruhenden Bestimmtheitsgebot folgt, dass der Gesetzgeber Vorschriften so genau zu fassen hat, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte müssen in die Lage versetzt werden, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren. Die Anforderungen sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den die Norm vorsieht (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 23. März 2011 2 BvR 882/09, BVerfGE 128, 282 ; vom 3. März 2004 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 ). Das Bestimmtheitsgebot verbietet nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Insbesondere nimmt die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift dieser noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit. Denn es ist Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 1971 1 BvR 775/66 , BVerfGE 31, 255 ). Vor Allem bei vielgestaltigen Sachverhalten ist die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn diese sich durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodik hinreichend konkretisieren lassen. Insbesondere für den Bereich des Steuerrechts ist in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt, dass der Gesetzgeber ohne die Verwendung solcher Begriffe nicht auskommt (z.B. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83 , BVerfGE 78, 214, m.w.N.). Verbleibende Ungewissheiten dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 603/05 , BVerfGE 118, 168 ).

Zwar enthält § 15 b EStG mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe. Nach der Einschätzung des Senats bereiten indessen Anwendungsprobleme allein der Begriff der modellhaften Gestaltung sowie die Frage, ob bei Bejahung einer modellhaften Gestaltung jeglicher Verlust unter § 15 b Abs. 1 EStG fällt. Der Senat hält jedoch aufgrund der Legaldefinition des Begriffes der modellhaften Gestaltung in § 15 b Abs. 2 Satz 2 EStG und der in § 15 b Abs. 3 EStG klar definierten Verlustquote insgesamt die Norm für mit juristischen Methoden handhabbar (gleicher Auffassung: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07. Juli 2011, 3 K 4368/09 , Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1897 ; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 b EStG Rz 10; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15 b EStG Rz A 58 ff).

bb) Das Verbot des sofortigen Ausgleichs der Verluste aus Steuerstundungsmodellen und die Verweisung auf einen späteren Verlustausgleich mit Gewinnen aus der gleichen Einkunftsquelle verstoßen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG .

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG ) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00 , BFH/NV 2003 , Beilage 3, 174). Im Bereich des Einkommensteuerrechts wird die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft, vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (z.B. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99 , BVerfGE 116, 164 , BFH/NV 2006 , Beilage 4, 481). Steuerpflichtige sollen bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden (horizontale Steuergerechtigkeit), die Besteuerung höherer Einkommen muss im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein (vertikale Steuergerechtigkeit). Zudem muss bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (statt aller BVerfG-Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 , BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Juli 2006 2 BvR 375/00 , BFH/NV 2007 , Beilage 4, 235) und des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/10 , BStBl II 2011, 826) bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als die Verlustverrechnung nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, und sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen allerdings dann, wenn die Verlustverrechnung gänzlich ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91 , BVerfGE 99, 88 ). Hat es der Steuerpflichtige in der Hand, zu entscheiden, welcher steuerlichen Norm er sich bedienen will, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die Wahlmöglichkeiten in jeder Hinsicht gleichwertig sind, da ihm die jederzeitige Möglichkeit eröffnet ist, die Erfüllung des zur Verlustausgleichsbeschränkung führenden Tatbestands durch alternative Sachverhaltsgestaltung zu vermeiden (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98, BFH/NV 2005 , Beilage 3, 259; 17. November 2009 1 BvR 2192/05, BFH/NV 2010, 803 ). Der Bürger hat von Verfassungs wegen kein Recht darauf, aus jeder der ihm zur Auswahl angebotenen Regelungen die für ihn günstigsten Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 ).

Nach diesen Kriterien ist die in § 15b EStG enthaltene Einschränkung der Möglichkeiten zum Verlustausgleich verfassungsgemäß. Der bei einem Steuerstundungsmodell in der Anfangsphase konzeptionell vorgesehene Verlust kann in späteren Veranlagungszeiträumen mit Gewinnen verrechnet werden. Soweit Verluste aus Steuerstundungsmodellen insoweit schlechter gestellt sind als andere Beteiligungsverluste, kann dem der Steuerpflichtige ohne weiteres durch alternative Gestaltung des Sachverhalts ausweichen. Er hat keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass der Fiskus in der Anfangsphase einer Investition einen wesentlichen Anteil der Anschaffungskosten mitfinanziert. Es ist grundsätzlich auch nicht zu befürchten, dass bei einem planmäßigen Verlauf der Beteiligung an einem Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG die Verluste der Anfangsphase definitiv untergehen. Dies belegt das im vorliegenden Verfahren streitige Anlagemodell anschaulich. Anderenfalls wäre bereits nach dem Beteiligungskonzept damit zu rechnen, dass in den Folgejahren nicht ausreichend Gewinne entstehen werden, um die Verluste der Anfangsphase auszugleichen. Dies hätte zur Folge, dass die Einkünfteerzielungsabsicht des Anlegers von vornherein zu verneinen und die entstehenden Verluste ohnehin schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht ausgleichsfähig wären, was ebenfalls verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 17. September 1977 1 BvR 373/77, StRK EStG § 2 Nr. 129; vom 24. April 1990 2 BvR 2/90, HFR 1991, 111 ; vom 18. November 1986 1 BvR 330/86, HFR 1988, 34 ). Der Senat folgt auch insoweit dem FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 07. Juli 2011 (3 K 4368/09, a.a.O.).

e) Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung der im Jahressteuergesetz 2007 durch Einführung des Abs. 2 b in § 20 EStG angeordneten Geltung des § 15 b EStG auch für Einkünfte aus Kapitalvermögen für das Veranlagungsjahr 2006 stellt sich vorliegend nicht. Jedenfalls ist sie nicht zugunsten der Klägerin zu beantworten. Zum Einen hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (2 BvL 14/0 2, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, DStR 2010, 1727 und 2 BvR 748, 753, 1738/05, DStR 2010, 1733) bei der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung von Steuergesetzen gegen die Kritik in der Literatur hieran weiterhin an dem Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld festgehalten und für den Bereich des Einkommensteuerrechts die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuordnet.

Zum Anderen hat die Kommanditistin der Klägerin ihre maßgeblichen Dispositionen erst am 19. und 20. Dezember 2006 durch die Zeichnung der Schuldverschreibung und Unterzeichnung des Darlehensvertrages für die Klägerin getroffen und damit nach der am 18. Dezember 2006 erfolgten Verkündung des Gesetzes vom 13. Dezember 2006, durch das § 20 Abs. 2 b EStG eingeführt wurde. Zudem hatte sie bei Zeichnung der Schuldverschreibung ein zweiwöchiges Widerrufsrecht vorbehalten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der BFH hat bislang, soweit ersichtlich, weder zur Verfassungsmäßigkeit des § 15 b EStG noch zur Problematik der modellhaften Gestaltung einer Investition zum Zwecke der Erzielung steuerlicher Vorteile in Form negativer Einkünfte und in diesem Zusammenhang des Vorliegens eines vorgefertigten Konzepts in einem Hauptsacheverfahren entschieden.

OFD Koblenz: Steuerbescheide in RLP erst ab Mitte März möglich

Bereits seit 2012 können die Finanzämter erst frühestens im März die ersten Steuerbescheide versenden. Darauf weist die OFD Koblenz in einer aktuellen Presseerklärung hin. Gesetzliche Änderungen verschieben dabei den Start der Steuerberechnung. Grund sind gesetzliche Änderungen, die Arbeitgebern, Versicherungen und anderen Institutionen eine Frist bis zum 28. Februar eines Jahres einräumen, um die für die Steuerberechnung benötigten Daten, wie Lohnsteuerbescheinigungen, Beitragsdaten zur Kranken- und Pflegeversicherung, Altersvorsorge sowie Rentenbezugsmitteilungen an die Finanzverwaltung zu liefern.

Zudem stehen den Finanzämtern die bundeseinheitlichen Programme zur Berechnung der Steuern ebenfalls erst frühestens ab Mitte Februar eines Jahres zur Verfügung.

Daher können die Finanzämter in den meisten Fällen erst ab März eines Jahres die Einkommensteuererklärungen endgültig bearbeiten, so dass der fertige Steuerbescheid nicht vor Mitte März im heimischen Briefkasten landet.

OFD Koblenz

Besteuerung von Gegenwertzahlungen als Arbeitslohn (FG)

Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Gegenwertzahlungen als Arbeitslohn

 Leitsatz

1. Die Besteuerung von Gegenwertzahlungen, die der Arbeitgeber bei Austritt aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder leistet, als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG ist verfassungsgemäß.

2. Zwischen Sanierungsgeldern als Pflichtzahlungen aufgrund der Systemumstellung in ein Punktesystem und Gegenwertzahlungen, deren Zahlungspflicht durch das freiwillige Ausscheiden des Arbeitgebers aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder begründet wird, bestehen Unterschiede von solcher Art und Gewicht, dass eine ungleiche steuerliche Behandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

 Gesetze

EStG § 19 Abs. 3 S. 2
EStG § 40b Abs. 4
LStDV § 3 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 3 Abs. 1

 Instanzenzug

BFH 21.12.2012 – VI R 49/12

 Tatbestand

Streitig ist, ob Gegenwertzahlungen des Klägers an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.

Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit Zustimmung des beklagten Finanzamtes ihre Lohnsteuer im besonderen Erhebungsverfahren nach § 38 Abs. 3a Einkommensteuergesetz (EStG) durch die B anmeldet und abführt. Zum 31. Dezember 2008 trat der Kläger aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) aus. Gemäß der Satzung der VBL leistete der Kläger deshalb eine sogenannte Gegenwertzahlung von xxx.xxx Euro an die VBL. In einer berichtigten Lohnsteueranmeldung für Dezember 2008 vom 27. Januar 2009 wurde diese Gegenwertzahlung mit einem Pauschalsteuersatz von 15% angemeldet; Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag wurden entsprechend abgeführt.

Der hiergegen gerichtete form- und fristgerechte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. September 2009 zurückgewiesen. Mit seiner Klage vom 6. Oktober 2009 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, die gesetzliche Behandlung der Gegenwertzahlung als Arbeitslohn verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der Kläger habe seinen Arbeitnehmern eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge zugesagt, die durch die VBL als umlagefinanzierte Zusatzversorgungskasse ausgezahlt werde. Die Finanzierung der Rentenanwartschaften und -ansprüche erfolge durch eine auf der Basis des Arbeitsentgelts berechnete Umlage, die der Arbeitgeber schulde und die beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führe. Diese Umlagen dienten nicht der Finanzierung der künftigen Renten, sondern der gegenwärtigen Renten innerhalb eines Deckungsabschnitts. Bei Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der VBL würden satzungsgemäß Ausgleichszahlungen fällig, die der Deckung der nach dem Ausscheiden noch zu erfüllenden Verpflichtungen der VBL aus Rentenanwartschaften und -ansprüchen dienten. Durch diese sogenannten Gegenwertzahlungen finanziere der ausscheidende Arbeitgeber die zukünftig zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen der VBL aus. Neue Anwartschaften oder Ansprüche würden dadurch nicht begründet.

Die Ungleichbehandlung der steuerpflichtigen Gegenwertzahlungen gegenüber den Sanierungsgeldern, die ausdrücklich nicht besteuert würden, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sanierungsgelder seien zu zahlen gewesen, um den zusätzlichen Finanzierungsbedarf zu decken, der sich ergeben habe, als die VBL vom früheren Gesamtversorgungssystem auf das jetzige Punktemodell umgestellt worden sei. Damit seien die vor der Umstellung begründeten Anwartschaften gesichert worden. In beiden Fällen würden Ansprüche ausfinanziert, die durch geleistete Zahlungen bereits bestünden und keine neuen Anwartschaften begründet. Damit würden zwei Sachverhalte, die in wesentlichen Punkten als gleich gelagert anzusehen seien, ungleich behandelt. Im Gesetzgebungsverfahren habe die Bundesregierung ebenfalls diesen Standpunkt vertreten. Die vor der gesetzlichen Neuregelung ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung habe die Steuerpflichtigkeit sowohl von Sanierungsgeldern als auch von Gegenwertzahlungen abgelehnt. Die Besteuerung der Gegenwertzahlungen weiche zudem vom objektiven Nettoprinzip ab, da beim Arbeitnehmer Arbeitslohn fingiert werde, der seine Leistungsfähigkeit nicht erhöht habe.

Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liege auch im Vergleich zu sonstigen Personalaufwendungen vor. Gegenwertzahlungen seien als Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer als Betriebsausgaben abziehbar. Die pauschale Lohnversteuerung mache diesen Abzug wirtschaftlich betrachtet jedoch teilweise wieder rückgängig, da der Arbeitgeber für die pauschale Lohnsteuer typischerweise beim Arbeitnehmer keinen Regress nehmen könne und definitiv mit ihr belastet bleibe. Dadurch werde auch das objektive Nettoprinzip verletzt.

Die Ungleichbehandlung sei weder durch einen erkennbar verfolgten Lenkungszweck noch durch eine Vereinfachung aufgrund von Typisierung gerechtfertigt. Im Übrigen fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung, da es sich bei der Besteuerung der Gegenwertzahlungen tatsächlich um eine Verkehrsteuer handele. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 1. Dezember 2009 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.           die Lohnsteueranmeldung für Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2009 dahingehend zu ändern, dass Lohnsteuer in Höhe von xx.xxx Euro, pauschale Kirchenlohnsteuer in Höhe von x.xxx Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von x.xxx Euro festgesetzt werden;
  2. 2.           hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen;
  3. 3.           die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

 

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Er hält die Besteuerung der Gegenwertzahlungen für verfassungsgemäß. Nicht nur der Erwerb, sondern auch die Sicherung von Zukunftssicherungsleistungen liege im Interesse des Arbeitnehmers. Die Gegenwertzahlungen stellten eine Art Schlusszahlung des Arbeitgebers in das Umlageverfahren dar. Wegen dieser Ersatzfunktion der Sonderzahlung für die laufenden Umlagen sei gesetzlich die Steuerbarkeit hergestellt worden. Dadurch solle auch verhindert werden, dass Finanzierungsbeiträge in großem Umfang unversteuert blieben, und die vorgelagerte Besteuerung im Bereich der umlagefinanzierten Versorgungssysteme solle aufrecht erhalten werden. Diese Entscheidung halte sich im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Die unterschiedliche Behandlung von Gegenwertzahlungen und Sanierungsgeldern sei durch den damit verfolgten Lenkungszweck gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe den Systemwechsel innerhalb der Versorgungseinrichtungen, bei dem Sanierungsgelder angefallen seien, fördern wollen. Arbeitgeber, die die Zusatzversorgungseinrichtungen verließen und sich somit der Umlagezahlung entzögen, sollten dafür jedoch nicht mit der Steuerfreiheit der Gegenwertzahlung als „Exit-Strategie” belohnt werden. Im Übrigen sei grundsätzlich auch eine Überwälzung der Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer möglich. Dass dies tatsächlich oftmals unterbleibe, sei in diesem Zusammenhang unerheblich.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (Gerichtsakte, Rechtsbehelfsakte mit Arbeitgeberakte) und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit allen Anlagen verwiesen. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. a) Nach § 23 Abs. 2 VBL-Satzung sind ausscheidende Arbeitgeber gegenüber der VBL verpflichtet, einen versicherungsmathematisch errechneten Gegenwert zu bezahlen, damit die bereits entstandenen Zahlungsverpflichtungen aus dem vorhandenen Rentenbestand und den unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der aktiven Arbeitnehmer auch nach ihrem Ausscheiden erfüllt werden können. Der Gegenwert umfasst damit diejenigen Verpflichtungen, die durch frühere Umlagezahlungen rechtlich begründet, aber – wegen weiterer ausstehender Umlagen – noch nicht ausfinanziert wurden. Die Gegenwertzahlung dient ausschließlich dem Ausgleich der durch das Ausscheiden des Arbeitgebers aus der VBL verursachten Finanzierungslücke, führt jedoch nicht zu einem unmittelbaren geldwerten Vorteil der aktiven Arbeitnehmer: Die Gegenwertzahlung erhöht weder die bestehenden Anwartschaften noch die laufenden Versorgungsbezüge. Der ausscheidende Arbeitgeber wendet durch die Zahlung des Gegenwerts daher nach Auffassung des BFH seinen Arbeitnehmern nichts zu, was über die bereits erworbenen, im Umlageverfahren finanzierten und als Arbeitslohn versteuerten Versorgungsanwartschaften hinausgeht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Februar 2006 VI R 92/04 , Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2006, 528 m.w.N.).

b) Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Darunter zählen ebenso Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder eine diesem nahestehende Person z.B. für den Fall des Alters abzusichern, sogenannte Zukunftssicherung, § 2 Abs. 2 Nr. 3 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) . Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG nach der im Streitjahr geltenden Fassung auch Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber neben laufenden Beiträgen an eine Versorgungseinrichtung leistet, insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.

Eine solche Sonderzahlung ist die Gegenwertzahlung des Klägers an die VBL. Sie unterliegt damit der Lohnsteuer. Nach § 40b Abs. 4 EStG ist die Lohnsteuer mit einem Pauschalsatz von 15% durch den Arbeitgeber zu erheben.

2. Die Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG ist verfassungsgemäß, insbesondere verstößt sie nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) .

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BStBl. II 1989 , 938 ; vom 29.November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BStBl. II 1990, 479; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BStBl. II 1990, 653; vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE – 84, 348).

Im Steuerrecht wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2009 I R 76/08 , BStBl. II 2010, 1061). Dieses Prinzip muss jedoch nicht in reiner Form verwirklicht werden (BVerfG-Beschluss vom 16. März 1983 1 BvR 1077/80 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1983, 227 ). Da die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu vergleichenden Lebensverhältnisse nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind, ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleichoder Ungleichbehandlung ansieht. Maßgeblich ist nicht, ob eine Regelung die zweckmäßigste und gerechteste Lösung bietet, sondern nur, ob die verfassungsrechtlichen Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit eingehalten sind (BVerfG-Beschluss vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BStBl. II 1990, 479).

Die gesetzgeberische Entscheidung kann mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nur daraufhin überprüft werden, ob die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar ist, ob also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2006 I R 69, 70/05, BStBl. II 2007, 662, m.w.N.).

Der Gesetzgeber kann dabei auch finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische und steuertechnische Erwägungen zum Anlass nehmen, bestimmte Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 13. März 1979 2 BvR 72/76 , BStBl. II 1979, 322). Insbesondere sind, wenn ein Gesetz ausschließlich auf die Verfassungsmäßigkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen ist, auch finanzielle Erwägungen sachgerecht. Sie entkräften damit den Vorwurf der Willkür (BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 1953 1 BvR 205, 241, 242, 254, 262-267/52, BVerfGE 3, 1). Es ist des weiteren verfassungsrechtlich ebenfalls nicht sachfremd, wenn der Gesetzgeber Vorschriften erlässt, die Steuerumgehungen verhindern sollen (BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331). So kann beispielweise die Verhinderung von „Steueroasen” ein legitimer gesetzlicher Zweck und damit ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung sein (so auch BVerfG-Beschluss vom 27. Januar 2010 2 BvR 2185, 2189/04, BVerfGE 125, 141). Der Finanzbedarf des Staates oder eine knappe Haushaltslage allein rechtfertigen ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen noch nicht; auf die gerechte Verteilung der Lasten hat der Staat auch bei Einsparungen zu achten (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

Der Steuergesetzgeber ist grundsätzlich auch nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. In diesem Fall muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dem Gesetzgeber ist hierbei hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99 , BVerfGE 116, 164 , m.w.N.).

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungsund Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (z.B. BVerfG-Urteil vom 6. März 2003 2 BvL 17/99 , BStBl. II 2002 , 618 ).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen der erkennende Senat folgt, verstößt die Besteuerung der Gegenwertzahlungen nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, sondern liegt innerhalb des gesetzgeberischen Ermessensspielraums.

Zwischen Sanierungsgeldern und Gegenwertzahlungen bestehen nach Überzeugung des Senates Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche steuerliche Behandlung rechtfertigen. Sanierungsgelder werden nach § 65 VBL-Satzung entsprechend des periodischen Bedarfs von den Beteiligten mit Pflichtversicherten infolge des Wechsels vom Gesamtversorgungs- auf das Punktesystem erhoben. Beteiligte sind nur Arbeitgeber, die eine bestehende Beteiligungsvereinbarung mit der VBL haben. Sanierungsgelder dienen der Deckung des zusätzlichen Finanzbedarfs der VBL, der durch die Umwandlung der vor der Systemumstellung erworbenen Anwartschaften in Versorgungspunkte entstand. Sie sind zu zahlen, solange das Anstaltsvermögen ohne Sanierungsgelder den versicherungsmathematisch errechneten Barwert dieser Anwartschaften nicht erreicht. Die Verpflichtung zur Zahlung von Sanierungsgeldern und ihre Berechnung beruhen ausdrücklich auf dem Verbleib des Arbeitgebers in der Versorgungseinrichtung; ihre Höhe hängt von den Entgelten der pflichtversicherten Arbeitnehmer ab. Sie dienen der Aufrechterhaltung des derzeitigen Systems: Ohne ihre Zahlung würden sich die von den Arbeitgebern zu leistenden Umlagen stark erhöhen, um die bestehenden Anwartschaften finanzieren zu können. Während Sanierungsgelder also – abgesehen von den sonstigen finanziellen Voraussetzungen – anfallen, solange eine Mitgliedschaft in der VBL besteht, sind Gegenwertzahlungen gerade dann zu leisten, wenn die Mitgliedschaft beendet wird, der Arbeitgeber mithin aus dem laufenden System ausscheidet und dieses nicht mehr mit seinen Zahlungen unterstützt. Sie sollen einen Ausgleich dafür schaffen, dass bereits bestehende Ansprüche von Arbeitnehmern des ausscheidenden Arbeitgebers durch die weiter laufenden Umlagen der in der VBL verbleibenden anderen Arbeitgeber erfüllt werden müssen.

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Die Erhebung von Sanierungsgeldern resultiert aus einer gesetzlich auferlegten Systemumstellung. Die Beteiligten der Versorgungsträger konnten sich dieser gesetzlichen Vorgabe und der damit einhergehenden Zahlung von Sanierungsgeldern nicht entziehen. Seine Entscheidung, die VBL zu verlassen, hat der Kläger demgegenüber eigenverantwortlich getroffen. Sie entsprang letztlich betriebswirtschaftlichen Überlegungen hinsichtlich der Finanzierung von Zukunftssicherungsleistungen. Während Sanierungsgelder also zwangsweise zu zahlen sind, werden Gegenwertzahlungen freiwillig im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung in Kauf genommen.

Bis 1998 waren nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. auch Sanierungsgewinne unter den dort genannten Voraussetzungen steuerfrei. Die Aufhebung dieser Vorschrift erfolgte, da der Gesetzgeber in der Möglichkeit des unbegrenzten Verlustvortrages eine Doppelbegünstigung sah (Schmidt, Kommentar zum EStG , 17. Auflage 1998, § 3 ABC, Stichwort Sanierungsgewinn). Sowohl die dortige, frühere Steuerfreistellung als auch die Besteuerung sind verfassungsrechtlich möglich (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08 BStBl. II 2010, 916).

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass weder Sanierungsgeld noch Gegenwertzahlung neue Anwartschaften der Arbeitnehmer begründen. Maßgeblich ist nach Überzeugung des Senates jedoch die Unterscheidung zwischen Pflicht-Zahlungen innerhalb des Versorgungssystems – Sanierungsgelder – und freiwilligen Zahlungen, die allein dazu dienen, das System verlassen zu können – Gegenwertzahlungen –.

c) Die Entscheidung, Gegenwertzahlungen zu besteuern, Sanierungsgelder hingegen nicht, liegt im Übrigen innerhalb des gesetzgeberischen Ermessenspielraums.

Der Gesetzgeber betrachtet die Gegenwertzahlungen wirtschaftlich als eine Art Schlusszahlung für die Umlagen, die der ausscheidende Arbeitgeber nun nicht mehr zu leisten hat, obwohl seine Arbeitnehmer noch Versorgungsansprüche gegenüber der VBL haben. Sie ersetzen letztlich die bei regulärem Verlauf – also z.B. ohne das Ausscheiden – weiter zu entrichtenden und dann steuerpflichtigen Umlagen. In ihrer Ersatzfunktion für eigentlich steuerpflichtige Umlagen können auch die Gegenwertzahlungen besteuert werden (vgl. Drucksache des Deutschen Bundestages – BT-Drs. – 16/3368, S. 17). Diese Sichtweise des Gesetzgebers ist weder willkürlich noch unvertretbar. Der gleichen Ansicht war bereits das Finanzgericht München in seinem Urteil 8 K 1587/03 vom 29. Oktober 2004 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2005, 500 ; aufgehoben durch BFH-Urteil vom 15. Februar 2006 VI R 92/04 , BStBl. II 2006, 528). Mit seiner Entscheidung zur Besteuerung der Gegenwertzahlung tritt der Gesetzgeber der anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen.

Die Besteuerung der Gegenwertzahlung als zusammengeballte Umlagen entspricht der Besteuerung von Abfindungszahlungen für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Dort wird dem ausscheidenden Arbeitnehmer einmalig ein Geldbetrag ausgezahlt, der letztlich die künftig nicht mehr zu erzielenden Gehaltszahlungen ersetzen soll. Die Abfindungszahlung ist Arbeitslohn wie die Arbeitseinkünfte selbst, der – wenn auch wegen der steuerlichen Progression tarifbegünstigt – der Besteuerung unterliegt (§§ 24 Nr. 1 a), b), 34 Nr. 2, 4 EStG ). Gleiches muss dann auch für die Gegenwertzahlung gelten, die an die Stelle künftiger – steuerpflichtiger – Umlagen zur Zukunftssicherung tritt. Der niedrigere Pauschallohnsteuersatz führt ebenfalls zu einer Tarifbegünstigung. Ohne die Besteuerung der Gegenwertzahlung käme es hier zu einer Ungleichbehandlung. Zudem wurden ab 2006 die bestehenden gestaffelten Freibeträge für Zahlungen anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses in § 3 Nr. 9 EStG gestrichen. Diese unterliegen seitdem in vollem Umfang der tarifbegünstigten Besteuerung. Dieser Besteuerung beim einzelnen Arbeitnehmer entspricht die pauschale ermäßigte Besteuerung der Gegenwertzahlung, die letztlich auch dem einzelnen Arbeitnehmer zugutekommt, da ansonsten seine Rentenansprüche gekürzt werden müssten.

Mit der Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG sollte zudem verhindert werden, dass Finanzierungsbeiträge, die Arbeitgeber zur Sicherung der Altersvorsorge der Arbeitnehmer leisten, im Gegensatz zu den laufenden Umlagen in größerem Umfang unbesteuert bleiben. Zugleich sollte damit die sogenannte vorgelagerte Besteuerung im Bereich der umlagefinanzierten Vorsorgesysteme auch für diesen Teil der Arbeitgeberbeiträge aufrecht erhalten werden, indem die Besteuerung aller Finanzierungsleistungen in der Ansparphase im Zusammenhang mit der Ertragsanteilsbesteuerung in der Auszahlungsphase gewährleistet wurde (BT-Drs. 16/2712, S. 46). Dies liegt im Ermessen des Gesetzgebers.

Die Steuerfreiheit der Sanierungsgelder verfolgt darüber hinaus einen Lenkungszweck: Erleichtert werden soll dadurch die Umstellung der Versorgungssysteme auf das Versorgungspunktesystem. Gleichzeitig sollte der Verbleib der Arbeitgeber in diesem System gefördert werden, indem die Gegenwertzahlungen besteuert werden. Arbeitgebern, die sich durch Ausscheiden aus den Versorgungseinrichtungen der ansonsten weiter zu entrichtenden Umlagezahlung entziehen, sollte nicht eine unbesteuerte Zahlung als „Exit-Strategie” geboten werden (vgl. BT-Drs. 16/3368, S. 10). Hinsichtlich dieser wirtschaftspolitischen Entscheidung sowie bei der Wahl eines sachgerechten Mittels, insbesondere bei der sachgerechten Abgrenzung des betroffenen Personenkreises, ist dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99 , BVerfGE 116, 164 , m.w.N.), den er mit der Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht verlassen hat.

Im Übrigen wurde bei ihrer Einführung in § 17 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags Altersversorgung ausdrücklich festgeschrieben, dass Sanierungsgelder nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören. Dies war eine der entscheidenden Finanzierungsfragen bei der Umstellung der Versorgungssysteme (vgl. Drucksache des Deutschen Bundesrates – BR-Drs.– 622/1/06, S. 11). Insofern ist es gerade unter Gesichtspunkten des Vertrauens- und Bestandsschutzes für die Tarifvertragsparteien folgerichtig, Sanierungsgelder auch in der gesetzlichen Neuregelung des § 19 Abs. 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen. Der Gesetzgeber durfte insoweit an die soeben beschlossene und durchgeführte Reform anknüpfen und einen der dort tragenden Gesichtspunkte systemgerecht fortführen.

d) Die Überwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf die Gegenwertzahlung auf den Arbeitnehmer ist – ebenso wie bei anderen Fällen der Pauschalbesteuerung – grundsätzlich möglich. Notwendig ist hierfür eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und -nehmer. Dass eine Überwälzung tatsächlich wegen der komplizierten Ermittlung des auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Anteils an der Gegenwertzahlung meist nicht stattfindet, ist dabei nicht maßgeblich. Die pauschale Lohnsteuer auf die Gegenwertzahlung ist beim Arbeitgeber außerdem als Betriebsausgabe abziehbar. Die Besteuerung widerspricht daher nicht dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Insoweit wird das Nettoprinzip beim Arbeitgeber beachtet. Die ermäßigte Besteuerung beim Arbeitgeber durch die Einführung der Pauschallohnsteuer hat letztlich dieselbe Wirkung wie die Tarifermäßigung bei § 34 EStG .

Der Gesetzgeber durfte auch die Gegenwertzahlung entgegen der ergangenen Rechtsprechung des BFH als Arbeitslohn ansehen. Nach der zuvor bestehenden Rechtslage waren ersichtlich unterschiedliche Auffassungen zur Frage des Arbeitslohncharakters möglich. Nach Auffassung des Senats liegt es – wie bei anderen Umlagen – nahe, diese per se als Teile des Arbeitslohnes zu betrachten. Ohne die Ausfinanzierung der bis zum Zeitpunkt des Verlassens der VBL durch den Arbeitgeber bestehenden Rentenansprüche müssten im Ergebnis später die Ansprüche der Arbeitnehmer gekürzt werden, ohne dass diese auf das Verbleiben in der Zusatzversorgungskasse Einfluss hätten. Damit wäre der einfache Ausstieg des Arbeitgebers ohne Gegenwertzahlung letztlich ein Verhalten, das zu Lasten der Arbeitnehmer ginge, ohne dass diese Einfluss nehmen könnten. Dem wird durch die Auferlegung von Gegenwertzahlungen begegnet.

e) Schließlich hatte der Bund auch die notwendige Gesetzgebungskompetenz für die Regelung, insbesondere ist die Besteuerung der Gegenwertzahlung keine Verkehrsteuer.

Mit der Besteuerung der Gegenwertzahlung soll eine Leistung des Arbeitgebers erfasst werden, die zukünftige Umlagen, welche aufgrund des Ausscheidens aus der Versorgungseinrichtung eben nicht mehr gezahlt werden, ersetzt und ausgleicht (BT-Drs. 16/3368, S. 17). Solche laufenden Umlagenzahlungen eines Arbeitgebers gehören zum Arbeitslohn und unterliegen damit der Lohnsteuer. Die Besteuerung der Gegenwertzahlung knüpft nicht an den Austritt des Arbeitgebers als Rechtsakt, sondern an die Ausgleichszahlung im Rahmen der Gewährleistung von Zukunftssicherungsleistungen für den Arbeitnehmer an. Für die Besteuerung von Leistungen im Zusammenhang mit einem bestehenden Arbeitsverhältnis – Einkommensbesteuerung – steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG zu.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist zur maßgeblichen Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen.

Einmalzahlung für private Lebensversicherung als Betriebsausgabe (FG)

Abzugsfähigkeit der aus privaten Mitteln entrichteten Einmalzahlung für eine private Lebensversicherung als Betriebsausgabe

 Leitsatz

1. Nachdem die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung durch das Arbeitsverhältnis und damit betrieblich veranlasst sind, ist der umgekehrte Vorgang der Weiterleitung von der Sozialversicherung erstatteter Arbeitgeberbeiträge an den Arbeitnehmer ebenfalls betrieblich veranlasst. Der Erstattungsbetrag steht dem Arbeitnehmer zu. Durch einen Einbehalt würde der Arbeitgeber einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangen.

2. Als für den Betriebsausgabenabzug unschädlicher abgekürzter Zahlungsweg ist die Leistung des Erstattungsbeitrags der Sozialversicherung zu Gunsten des im Unternehmen angestellten Sohnes anzusehen, wenn der als Betriebseinnahme gebuchte und auf ein privates Konto eingezahlte Betrag nicht direkt an den Sohn ausgezahlt, sondern zum Abschluss einer Lebensversicherung zu dessen Gunsten verwendet wird und dafür vom privaten Konto ein den Erstattungsbetrag in der Höhe nicht übersteigender Betrag gezahlt wird. Die Zahlung an die Lebensversicherung ist dann als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn ein deutlicher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zahlung der Sozialversicherung und der Zahlung an die Lebensversicherung von etwa einem Jahr besteht.

 Gesetze

EStG § 4 Abs. 4
EStG § 12 Nr. 1
SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1

 Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob eine Zahlung in Höhe von EUR 30 092,73 als Betriebsausgabe anzuerkennen ist.

Der Kläger war bis Ende des Jahres 2004 als Bezirksschornsteinfegermeister gewerblich tätig. Seit September 1993 war sein Sohn im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage eines am 30. August 1993 abgeschlossenen Arbeitsvertrages für ihn tätig. Das Gehalt wurde ausweislich der dem Gericht vorliegenden Kontoauszüge regelmäßig überwiesen. Bei einer Außenprüfung, die der Beklagte bei dem Kläger für die Jahre 1997 bis 1999 vorgenommen hatte, war das Anstellungsverhältnis dementsprechend nicht beanstandet worden.

Der Kläger und sein Sohn gingen ursprünglich davon aus, dass der Sohn sozialversicherungspflichtig sei, und führten die entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung ab. Ende 2003 beauftragten sie gemeinschaftlich ein Unternehmen namens C mit der Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Sohnes. Es stellte sich heraus, dass hiernach die Tätigkeit des Sohnes nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses stattgefunden und keine Versicherungspflicht bestanden hatte. Am 22. Januar 2004 beantragte der Kläger die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge. Die Landesversicherungsanstalt D setzte mit Bescheid vom 02. Juni 2004 einen Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 31 672,35 fest, der – entsprechend den Angaben im Erstattungsantrag – auf ein privates Konto des Klägers geleistet wurde. Der Kläger behandelte den Erstattungsbetrag sowie die darauf entfallenden Zinsen als Betriebseinnahme.

Im Dezember 2004 stellte der Kläger bei der E Lebensversicherung AG einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung zugunsten seines Sohnes gegen eine Einmalzahlung in Höhe von EUR 30 092,73. Diesen Betrag überwies der Kläger von seinem privaten Konto; den Aufwand behandelte er als Betriebsausgabe. Ausweislich des Versicherungsscheines vom 25. Februar 2005 betrug die zu leistende Einmalzahlung allerdings nur EUR 26 130,00. Den Differenzbetrag in Höhe von EUR 3 962,73 überwies die E Lebensversicherung AG im März 2005 auf das private Konto des Klägers zurück.

Der Beklagte minderte die Betriebsausgaben des Klägers für das Streitjahr um EUR 30 092,73. Der Einspruch des Klägers dagegen hatte keinen Erfolg.

Der Kläger trägt vor, dass er zivilrechtlich verpflichtet gewesen sei, seinem Sohn die zu Unrecht abgeführten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu erstatten. Er habe dies in der Weise getan, dass er die Einmalzahlung für die Lebensversicherung zugunsten seines Sohnes übernommen habe. Dabei erkläre sich die Differenz zwischen dem Erstattungsbetrag der Landesversicherungsanstalt D und dem Einmalbeitrag für die Lebensversicherung daraus, dass er mit seinem Sohn vereinbart habe, dass der seinem Sohn herauszugebende Betrag um den Betrag des Honorars für die C in Höhe von EUR 5 511,22 zu verringern sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über Einkommensteuer 2004 vom 25. Oktober 2005 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 07. Februar 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 04. August 2009 sowie den Gewerbesteuermessbescheid 2004 vom 07. Februar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. August 2009 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um EUR 30 092,73 vermindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Abschluss der Lebensversicherung durch den Kläger für dessen Sohn privat veranlasst gewesen sei. Es fehle ein Bezug zum Unternehmen des Klägers. Ein Zusammenhang zwischen der Rückzahlung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages zugunsten des Sohnes des Klägers sei nicht ersichtlich.

 Entscheidungsgründe:

1. Der Senat durfte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Der Kläger ist rechtzeitig zum Termin geladen worden; in der Ladung ist ihm mitgeteilt worden, dass im Falle seines Ausbleibens nach § 91a der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

2. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb im Streitjahr zu Unrecht um EUR 30 092,73 erhöht. Lediglich eine Erhöhung um EUR 3 962,73 (EUR 30 092,73 abzüglich als Betriebsausgaben anzuerkennender EUR 26 130,00) war gerechtfertigt.

a) Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Aufwendungen für Arbeitslohn für Angestellte des Unternehmens stellen grundsätzlich Betriebsausgaben dar. Das gilt auch für Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen, wenn dieser aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofes [BFH] vom 01. Dezember 2004 – X R 4/03, Sammlung der Entscheidungen der Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2005, 549, unter II.2.a) der Gründe. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben. Dafür spricht, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Sohn bei der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 nicht beanstandet hatte. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass seine seinerzeitige Einschätzung fehlerhaft gewesen sei; Anhaltspunkte dafür ergeben sich auch nicht aus den Akten.

Zu dem Arbeitslohn eines Arbeitnehmers gehört auch die Weiterleitung erstatteter Arbeitgeberbeiträge (ebenso FG Münster, Urteil vom 21. März 2012 – 7 K 4640/09 E, juris, Tz. 50 ff.). Die Leistung der Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherung ist durch das Arbeitsverhältnis und nicht privat veranlasst. Zwar handelt es sich dabei nach der Rechtsprechung BFH nicht um Arbeitslohn (BFH-Urteil vom 06. Juni 2002 – VI R 178/97, BStBl II 2003, 34). Gleichwohl hat der BFH in einer neueren Entscheidung angenommen, im Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung liege „ein Beitrag zum Erwerb der Versorgungsanwartschaft vor, der unmittelbar wirtschaftliches Ergebnis der Arbeitsleistung ist” (BFH-Urteil vom 18. November 2009 – X R 45/07, BFH/NV 2010, 421, unter II.2.d)aa)eee) der Gründe). Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zahlung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung zwar einerseits eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers ist, Rechtsgrund für diese Verpflichtung aber andererseits ausschließlich das Anstellungsverhältnis ist. Denn § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB VI], wonach versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung solche Personen sind, „die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind”, knüpft an das Beschäftigungsverhältnis an.

Der umgekehrte Vorgang der Weiterleitung erstatteter Arbeitgeberbeiträge muss dann ebenfalls betrieblich veranlasst sein. Der Erstattungsbetrag steht dem Arbeitgeber, hier also dem Kläger, nicht zu. Gäbe er diesen Betrag nicht an den Arbeitnehmer, hier den Sohn, heraus, erlangte er einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Zivilgerichte, nach der Arbeitnehmer in dieser Situation Anspruch auf die Herausgabe des Erstattungsbetrages haben (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Februar 2008 – I-17 U 103/07, Monatsschrift des Deutschen Rechts [MDR] 2008, 790).

b) Nach diesen Grundsätzen war die Weiterleitung der erstatteten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung betrieblich veranlasst; sie minderte demzufolge den Gewinn des Klägers.

Der Kläger hat diese Betriebsausgaben in der Weise geleistet, dass er EUR 26 130,00 auf die zugunsten seines Sohnes bestehende Lebensversicherung gezahlt hat. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger diesen Betrag nicht direkt an seinen Sohn ausgezahlt, sondern ihn zum Abschluss der Lebensversicherung zu dessen Gunsten verwendet hat und diese Zahlung von seinem privaten Konto abgeflossen ist. Es handelt sich insoweit um einen unschädlichen abgekürzten Zahlungsweg, der ebenso zu beurteilen ist wie eine Auszahlung an den Sohn und eine nachfolgende Verwendung des gezahlten Betrages in der Weise, wie hier geschehen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten erkennt der Senat hier einen deutlichen – auch zeitlichen – Zusammenhang zwischen der Erkenntnis, dass der Sohn des Klägers nicht sozialversicherungspflichtig war, den entsprechenden Anträgen auf Rückerstattung der überzahlten Beiträge, der Rückerstattung selbst und der Auskehrung zugunsten des Sohnes. Diese Vorgänge haben sich – rechnet man die Beauftragung der C noch dazu – etwa innerhalb eines Jahres, nämlich zwischen dem 18. Dezember 2003 (Auftrag an die C) und dem 27. Dezember 2004 (Antrag auf Abschluss der Lebensversicherung) abgespielt. Dies erscheint gerade unter dem Gesichtspunkt, dass zunächst die Festsetzung und Auszahlung des Erstattungsbetrages Mitte des Jahres 2004 abgewartet worden sein wird, bevor Anlageentscheidungen getroffen wurden, nicht so lang, als dass man meinen könnte, die Geschehnisse seien unabhängig voneinander zu betrachten. Der Geschehensablauf deutet vielmehr darauf hin, dass der Kläger im Einvernehmen mit seinem Sohn die Angelegenheit der Sozialversicherungspflicht und die daraus resultierende Notwendigkeit der Neuordnung der Alterssicherung des Sohnes konsequent vorangetrieben hat.

Mehr als EUR 26 130,00 hat der Kläger allerdings nicht an seinen Sohn weitergeleitet. Denn der Kläger hat selbst vorgetragen, sein Sohn habe im Hinblick auf das angefallene Honorar der C auf weitergehende Zahlungen verzichtet.

c) Soweit in dem Betrag in Höhe von EUR 30 092,73, dessen Abzug der Kläger begehrt, noch ein Teil des Honorars der C enthalten ist, sind dem Kläger zwar eigene sonstige Betriebsausgaben entstanden (ebenso wohl FG Münster, Urteil vom 21. März 2012 – 7 K 4640/09 E, juris, Tz. 41 f, das in der Übernahme derartiger Aufwendungen durch die Arbeitgeberin, einer GmbH, keine verdeckte Gewinnausschüttung sah). Es handelt sich um Beratungskosten in einer betrieblichen Angelegenheit, die ähnlich wie Rechtsanwaltsoder Steuerberatungskosten durch den Betrieb veranlasst sind. Diese sind jedoch nicht – erneut – zum Abzug zuzulassen, da die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dazu unwidersprochen vorgetragen hat, dass das gesamte Honorar bereits während der Außenprüfung thematisiert und nach eingehender Diskussion mit dem Kläger von dem Prüfer bereits als Betriebsausgaben anerkannt worden sei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Kosten einer Flugbegleiterin für Uniformschuhe, Strümpfe u. Reisekoffer (FG)

Abzugsfähigkeit der Aufwendungen einer Flugbegleiterin für UniformschuheUniformstrumpfhosen und einen Koffer

 Leitsatz

1. Lassen die Bekleidungsvorschriften einer Fluggesellschaften einer Stewardess hinsichtlich der Schuhe und der Strumpfhosen die Auswahl zwischen mehreren Farbtönen und -nuancen, verschiedenen Glattleder-/Strumpfqualitäten, verschiedenen Schuh-/Strumpfformen und sind die Kleidungsstücke ohne weiteres als private Kleidung verwendbar, scheidet eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch dann aus, wenn eine private Verwendung nicht erfolgt.

2. Dies gilt auch für die Kosten, die in Zusammenhang mit dem Erwerb eines – auch auf privaten Reisen nutzbaren – Koffers entstanden sind.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6
EStG § 12 Nr. 1
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist rechtskräftig

 Tatbestand:

Die Klägerin ist als Flugbegleiterin nichtselbständig tätig. Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 11. Mai 2009 ließ der Beklagte u.a. Aufwendungen für Uniformschuhe in Höhe von 267,26 EUR; Uniformstrumpfhosen in Höhe von 56,20 EUR sowie Koffer und Kofferersatz in Höhe von 485.68 EUR unberücksichtigt. Uniformschuhe und Strumpfhosen stellten keine typische Berufsbekleidung dar. Aufwendungen für Koffer seien auch beim fliegenden Personal keine Werbungskosten. Der Beklagte wies den Einspruch insoweit mit Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 als unbegründet zurück.

Die Klägerin macht geltend, ihre berufliche Tätigkeit bestehe überwiegend aus Reisen. Dabei müsse sie sowohl Uniformkleidung als auch private Kleidung mitführen. Wegen der starken Belastung und regelmäßig auftretender Beschädigungen habe sie nicht nur besonders stabile Koffer, sondern die einer Firma angeschafft, die kostenlos oder gegen geringe Beteiligung Ersatz gewähre. Im Übrigen habe der Arbeitgeber das äußere Erscheinungsbild bis ins Kleinste geregelt. So seien zur Uniform klassische dunkelblau/schwarze Glattlederschuhe zu tragen. Halbschuhe mit Schnürsenkel sind nur zur Hose gestattet. Derartige Schuhe entsprächen nicht den modischen Vorstellungen der jungen Frauen. Zudem seien die Schuhe starker Verschmutzung durch Kerosin und Beschädigung in den engen Gängen des Flugzeugs ausgesetzt. Ein Tragen im Freizeitbereich sei daher unwahrscheinlich. Auch die Beschaffenheit und Farbe der zur Uniform zu tragenden Strumpfhosen sei vorgeschrieben. Diese entsprächen in Farbe und Material auch nicht dem, was „Frau” sonst trage. Zudem sei das Tragen von Strumpfhosen aus flugmedizinischen Gründen vorgeschrieben. Die geltend gemachten Aufwendungen beträfen im Wesentlichen in Orthopädiegeschäften erworbene Stützstrumpfhosen, für die ein Eigenanteil in Höhe von 5 EUR zu zahlen gewesen sei. Auch die Strumpfhosen unterlägen einem starken berufsbedingten Verschleiß. Die Bekleidungsvorschriften seien so strikt, dass die gesamte zu tragende Bekleidung als Berufsbekleidung zu werten sei. Weiter verweist die Klägerin auf das Sitzungsprotokoll des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 8. März 2006 im Verfahren 7 K 23/05 (Inaugenscheinnahme der Uniformgegenstände) sowie die Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung. Ziel sei die besondere Beanspruchung an Schuhen und Strumpfhosen durch die berufliche Tätigkeit berücksichtigt zu wissen. Das habe das FG Niedersachsen in einem vergleichbaren Fall getan.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 809,14 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Gründe der Einspruchsentscheidung sowie die Anweisung des Senats für Finanzen Berlin vom 16. Februar 2009. Danach bestehe keine Möglichkeit der Stattgabe. Im Übrigen ließen die Bekleidungsvorschriften hinsichtlich der Farbauswahl und auch der Schuhe durchaus Wahlmöglichkeiten zu. Die Art des Schuhwerkes und auch die Möglichkeiten der Farbgestaltung entsprächen durchaus einer üblichen Grundausstattung.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid für 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO ). Die streitigen Aufwendungen für Schuhe, Strumpfhosen sowie Koffer sind Kosten der privaten Lebensführung und wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 Einkommensteuergesetz nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin absetzbar.

Aufwendungen für Kleidung können als typische Kosten der privaten Lebensführung grundsätzlich weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden, es sei denn es handelt sich um typische Berufsbekleidung (§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr. 6 Einkommensteuergesetz – EStG –). Dies gilt selbst dann, wenn die Kleidungsstücke nahezu ausschließlich bei der Berufsausübung gebraucht werden. Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 19. Oktober 1970 (GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17, bestätigt im Beschluss vom 27. November 1978 GrS 8/77, BStBl II. 1979, 213) verbietet § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich die Aufteilung von Aufwendungen für die private Lebensführung und damit den Abzug eines beruflich bedingten Teils als Werbungskosten, es sei denn, dass objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen und der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für die Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermöglicht, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Auch außergewöhnlich hohe Aufwendungen für bürgerliche Kleidung können grundsätzlich nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zugelassen werden (BFH, Urteil vom 6. Juli 1989 , IV R 91-92/87, BStBl. II 1990, 49).

Bei der Ausübung des Berufs getragene bürgerliche Bekleidung ist keine Berufsbekleidung. Das Tragen von Bekleidung ist typischer Weise dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen. Die Ausgaben hierfür sind also, auch soweit die Bekleidung bei der Ausübung des Berufs getragen wird, gemischt und damit grundsätzlich nicht aufteilbare Aufwendungen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Kleidung ausschließlich bei der Arbeit getragen wird. Da das Bekleidetsein auch ein Bedürfnis der Lebensführung bei der Ausübung der Arbeit ist, spielen Vorgaben des Arbeitgebers und das Wechseln der Kleidung nach der Arbeit insoweit keine Rolle (BFH, Beschluss vom 16. August 1994 I B 5/94 , BFH/NV 1995, 207 – dort weiße Bekleidung eines Masseurs, weiter BFH, Urteil vom 6. Dezember 1990 , BStbl II 1991, 348 – zur steuerlichen Abzugsfähigkeit weißer Hemden, Socken und Hosen eines Arztes).

Liegt die Benutzung eines Kleidungsstücks als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen – allgemein und nicht bezogen auf den jeweiligen individuellen Geschmack – so sind die Aufwendungen für diese Kleidung wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ebenso wenig als Werbungskosten absetzbar wie die für jede andere bürgerliche Kleidung, die überwiegend oder auch so gut wie ausschließlich im Beruf getragen wird (vgl. FG München, Urteil vom 14. Dezember 1993 2 K 847/89 – juris – zu den Schuhen einer Krankenschwester).

Geschlossene Glattlederschuhe und Strumpfhosen eignen sich gleichermaßen als privat wie als beruflich getragene bürgerliche Kleidung. Diesen Kleidungsstücken fehlt jeglicher Uniformcharakter. Es handelt sich daher nicht um Berufsbekleidung im steuerlichen Sinne. Die Bekleidungsvorschriften lassen der Klägerin auch einen Spielraum (mehrere Farbtöne und -nuancen, verschiedene Glattleder-/Strumpfqualitäten, verschiedene Schuh/Strumpfformen innerhalb des vorgegebenen Rahmens). Da diese Kleidungsstücke ohne die Dienstuniform weder als Uniformbestandteile erscheinen noch sonst berufsspezifische Eigenschaften aufweisen, sind sie ohne weiteres als private Kleidung verwendbar. Ob die Klägerin diese Kleidungsstücke tatsächlich auch privat verwendet, ist nach Sinn und Zweck des Aufteilungsverbots nicht entscheidungserheblich. Entsprechend lehnt die Rechtsprechung die Anerkennung derartiger Aufwendungen als Werbungskosten auch ab (vgl. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 1987 3 K 217/86 – Strümpfe, Schuhe, Strumpfhosen einer Stewardess und FG München vom 15. Januar 1992 1 K 1277/90 – Schuhe einer Stewardess, jeweils in Juris). Es gibt zudem eine Reihe von anderen Berufsgruppen (z.B. Rechtsanwälte, Bankangestellte und Versicherungsvertreter), bei denen eine konservative Kleidung (Anzug, Kostüm etc.) erwartet werden oder üblich sind. Auch deren Kleidung ist ohne weiteres privat einsetzbar und es kommt nicht darauf an, ob der Berufsangehörige in seiner Freizeit zum Beispiel eher dem klassisch-konservativen, dem sportlich-legeren oder dem extravaganten Modestil zugeneigt ist (FG München, Urteil vom 15. April 2005, 15 K 4973/04 in Juris).

Das Gericht schließt sich diesen Erwägungen an. Dem vorgelegten Sitzungsprotokoll einer Verhandlung vor dem FG Niedersachsen sind keine überzeugenden Überlegungen für die dort getroffene Einigung über die pauschale Berücksichtigung von Aufwendungen für Strumpfhosen und Schuhe zu entnehmen.

Hinsichtlich der hier geltend gemachten Zuzahlungen zur Anschaffung von arbeitsmedizinisch geforderten Stützstrumpfhosen vermag das Gericht zudem auch keinen besonderen Mehraufwand der Klägerin gegenüber anderen Steuerpflichtigen zu erkennen, die ihren Aufwand für Bekleidung insgesamt als Einkommensverwendung steuerlich nicht absetzen können.

Das Gericht folgt auch nicht dem Finanzgericht Hessen, in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil vom 3. August 1998 (9 K 228/86, EFG 1989, 173 ) bzw. dem Urteil vom 12. Oktober 2006 (13 K 2035/06) hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit der Aufwendungen für Reisekoffer. Es vorliegend ist weder feststellbar noch überzeugend, dass die beiden Koffer ausschließlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin genutzt werden. Die Klägerin wird wohl nach der Lebenserfahrung für private Reisen keine anderen Koffer verwenden. Zum anderen ergibt sich eine private Mitbenutzung schon allein aus der Mitnahme der privaten Dinge des täglichen Bedarfs sowie der privaten Kleidung. Insoweit gilt für die Koffer einer Flugbegleiterin letztlich nichts anderes wie für die Koffer eines jeden Steuerpflichtigen, der Dienst- oder Geschäftsreisen unternimmt. Auch insoweit dient das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG der steuerlichen Gerechtigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Nachträgliche Schuldzinsen bei wesentlicher Beteiligung (OFD)

Auswirkungen des BFH-Urteils vom 16.03.2010, VIII R 20/08 (BStBl 2010 II S. 787 ) auf die Veranlagungsoption des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG

 Bezug: OFD Münster v. 16.03.2012 – Kurzinfo ESt 7/2012

Der BFH hat mit Urteil vom 16.03.2010, VIII R 20/08 entschieden, dass Schuldzinsen  für die Finanzierung der Anschaffungskosten  einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung im Sinne von § 17 EStG , die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können.

Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten grds. ausgeschlossen. Stattdessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 € bzw. 1.602 € abgezogen (Sparer-Pauschbetrag).

Der Gesetzgeber hat mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eine Option zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer eingeräumt. Voraussetzung ist, dass ein Anleger entweder bereits

  • aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe (mind. 25 %) oder
  • aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe (mind. 1 %) in Kombination mit einer beruflichen Tätigkeit

 

wesentlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen ausüben kann. Ein einmal gestellter Antrag gilt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG für den Veranlagungszeitraum der Antragstellung und für die folgenden vier Veranlagungszeiträume als gestellt. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG in diesen Fällen keine Anwendung.

Wurde die Beteiligung  beendet , sind folgende Grundsätze zu beachten:

Auflösung/Veräußerung der Beteiligung vor dem 01.01.2009

Wurde die Beteiligung vor dem 01.01.2009  beendet , scheidet eine Anwendung der tariflichen Einkommensteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und damit auch ein Werbungskostenabzug aus.

Auflösung/Veräußerung der Beteiligung nach dem 31.12.2008

Wurde die Beteiligung, für die die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt worden ist, nach dem 31.12.2008  beendet , gelten die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG letztmalig für den VZ der  Beendigung  als erfüllt.

§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetzt nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG . Sinkt die Beteiligung unter die Grenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG ist auch innerhalb der Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen.

 Beispiel

A hielt als Alleingesellschafter 100 % der Anteile an der der A-GmbH. Der Erwerb der Beteiligung wurde fremdfinanziert. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2009 übte A sein Optionsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Beteiligung an der A-GmbH aus und beantragte den Abzug der angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Am 15.12.2010 veräußerte A die Beteiligung. Dabei verblieb ein Schuldüberhang. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2011 macht A nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Lösung

Da die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG im VZ 2011 zu keinem Zeitpunkt erfüllt waren, kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr in Betracht.

 Die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann somit letztmalig für den Veranlagungszeitraum Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Steuerpflichtigen noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2005, VIII R 45/04 , BFH/NV 2005, 1545 ). Der Veräußerungsverlust nach § 17 EStG entsteht grds. im Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation; auf das Jahr der Auflösung der Kapitalgesellschaft (z. B. durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) kommt es regelmäßig nicht an.

 Ist z. B. mit Einnahmen nicht mehr zu rechnen und steht die Höhe der Anschaffungskosten fest, kann der Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung auch bereits vor diesem Zeitpunkt liegen (z. B. wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde).

 Steht erst in einem späteren Jahr fest, dass mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, besteht die Beteiligung noch bis zu diesem (späteren) Zeitpunkt fort (z. B. wenn die Höhe der Anschaffungskosten noch ungewiss ist, weil ein Rechtsstreit bzgl. abgegebener Bürgschaftsversprechen zwischen der Bank und dem Gesellschafter noch andauert).

 Die Verlustberücksichtigung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem der Verlust hinreichend konkretisiert ist, d. h. mit wesentlichen Veränderungen nicht mehr zu rechnen ist.

Anschaffungsnahe Herstellungskosten (OFD)

Anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bei erhöhten Absetzungen nach § 7i und § 11b EStG

 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG werden Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, den Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet, wenn die Aufwendungen ohne Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes überschreiten (sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten).

In die 15 %-Grenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind auch Aufwendungen einzubeziehen, für die eine Bescheinigung der Denkmalbehörde nach § 7i , § 11b  EStG vorliegt. Bei Überschreiten der 15 %-Grenze gehören alle Aufwendungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes und sind nach § 7 Abs. 4 EStG bzw. – soweit eine Bescheinigung der Denkmalbehörde vorliegt – nach § 7i Abs. 1 EStG abzuschreiben. Wird die 15 %-Grenze nicht überschritten, kann der Erhaltungsaufwand sofort oder verteilt auf zwei bis fünf Jahre als Werbungskosten abgezogen werden (§ 82b Abs. 1 EStDV bzw. § 11b EStG ).

Der in der Literatur vertretenen Auffassung, die § 7i , § 11b  EStG würden als Spezialnormen § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG verdrängen und Aufwendungen nach § 7i , § 11b  EStG und solche nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG seien nicht zusammenzurechnen (Götz in DStR 2011 S. 1017), kann nicht gefolgt werden.

§ 6 EStG ist eine Bewertungsvorschrift, welche für Erhaltungsaufwendungen in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Umqualifizierung zu Herstellungskosten vornimmt. § 7i EStG befasst sich mit der Frage der erhöhten Abschreibung von Herstellungskosten und wurde als Spezialregelung zur Abschreibung nach § 7 EStG eingeführt. § 11b EStG schafft für Erhaltungsaufwendungen ein Wahlrecht zur Abweichung vom Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG . Demzufolge qualifiziert § 6 EStG die Art der Aufwendungen, während die §§ 7 ff. EStG und §§ 11 ff. EStG die Höhe der Abzugsfähigkeit – je nach Art der Aufwendung – regeln. Die §§ 7 ff. EStG und §§ 11 ff. EStG setzen eine bereits erfolgte Zurechnung der angefallenen Ausgaben zu den Herstellungskosten bzw. Erhaltungsaufwendungen voraus.

Auch in Kommentierungen wird davon ausgegangen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Bereich der Subventionsvorschriften für Denkmalschutz und Städtebau anzuwenden ist (vgl. z. B. Kulosa in Schmidt, EStG , § 6 EStG Rz. 381), bzw. eine Abgrenzung zwischen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen bei Baudenkmälern genauso wie bei nicht geschützten Gebäuden vorzunehmen ist (vgl. Kleeberg in Kirchhof/Söhn, EStG , § 7i EStG Rz. B 12). Im Übrigen vertritt auch Götz abweichend zu seinem ersten Aufsatz inzwischen diese Auffassung (vgl. DStR 2012 S. 1217).