Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Vermietung, Selbstnutzung und Veräußerung von in Spanien gelegenen Grundstücken

OFD Rheinland: Verfügung betr. Vermietung, Selbstnutzung und Veräußerung von in Spanien gelegenen Grundstücken

Verwaltungsanweisung vom 25.01.2013 – S 1301 – 2009/0016 – St 123

Für die steuerliche Erfassung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften aus spanischem Grundbesitz bei in Deutschland ansässigen Personen gelten folgende Besonderheiten.


Vermietung

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in Spanien sind nach deutschem Recht zu ermitteln. Nach der Änderung des § 7 Abs. 5 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften kann nunmehr auch für Gebäude, die in EU-/EWR-Staaten belegen sind, die degressive Abschreibung gewählt werden. Diese Änderung gilt für alle Zeiträume, für die die Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind.

Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in Spanien steht (unabhängig von einer etwaigen deutschen Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Tätigkeit oder Vermietung und Verpachtung) dem Belegenheitsstaat Spanien zu (Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien). Die Doppelbesteuerung wird abweichend von der Mehrzahl der anderen deutschen DBA im Ansässigkeitsstaat Deutschland durch Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuer vermieden (bis einschließlich VZ 2012: Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien, ab VZ 2013: Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Nr. vii DBA-Spanien). Das gilt auch für Einkünfte aus einem in Spanien belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (vgl. BMF, Schreiben v. 23.3.1982, BStBl 1982 I S. 372).

Lediglich bei tatsächlicher Zugehörigkeit des unbeweglichen Vermögens zu einer in Spanien gelegenen Betriebsstätte i. S. v. Art. 5 DBA-Spanien wird die Doppelbesteuerung durch Freistellung von der deutschen Steuer (bis einschließlich VZ 2012: Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee i.V.m. Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien, ab VZ 2013: Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Nr. vii) i.V.m. Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien) grundsätzlich unter Beachtung des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG vermieden. Ab dem VZ 2008 ist die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei Einkünften aus einer passiven spanischen Betriebsstätte nach § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2a Abs. 2 EStG ausgeschlossen. In einschlägigen Fällen ist die Frage der Gewerblichkeit der Vermietung von Ferienwohnungen zu untersuchen (Hinzutreten erheblicher Zusatzleistungen zur Wohnungsüberlassung, vgl. auch H 15.7 (2) „Ferienwohnung“ EStH).

Wohneigentumsförderung

Die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) ist vom Gesetzgeber auf im Inland belegene Wohnungen beschränkt worden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG). Mit Urteil vom 17.1.2008 (Rs. C-152/05) hat der EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland entschieden, dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn Deutschland die Förderungen nur für im Inland belegene Wohnungen und Häuser gewähre. Das Urteil ist unmittelbar anzuwenden. Anspruchsvoraussetzung ist jedoch eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 und 3 EStG oder i. S. d. Art. 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaft. Weitere Erläuterungen hierzu enthalten das BMF-Schreiben vom 13.3.2008 (BStBl 2008 I S. 539) sowie die Verfügung der OFD Rheinland vom 7.4.2009.

Aus der Rechtsprechung des EuGH kann nicht abgeleitet werden, dass einem nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Wohnsitz im Inland Eigenheimzulage für ein im Ausland gelegenes Zweitobjekt zu gewähren ist (vgl. BFH, Urteile v. 20.10.2010, IX R 20/09, BStBl 2011 II S. 342  und IX R 55/09). Die gegen das o.g. BFH-Urteil mit Az. IX R 20/09 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit Beschluss vom 9.1.2012 (1 BvR 1891/11) nicht zur Entscheidung angenommen.

Veräußerung

Die Veräußerung eines in Spanien belegenen Grundstücks kann sowohl im Ansässigkeitsstaat Deutschland (z.B. im Rahmen des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) als auch im Belegenheitsstaat Spanien zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Das Besteuerungsrecht steht nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien dem Belegenheitsstaat zu.

Vermeidung der Doppelbesteuerung bis einschließlich VZ 2012

Entgegen der zunächst vertretenen Verwaltungsauffassung haben sowohl das FG Münster (Urteil v. 16.2.2009  und v. 23.6.2010) als auch der BFH (Beschluss v. 19.5.2010, I B 191/09, BStBl 2011 II S. 156, RdNr. 28) entschieden, dass die Doppelbesteuerung nicht durch Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuer vermieden werden kann, da Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien keinen Bezug auf Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien nimmt. Damit sind die Veräußerungsgewinne aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer herauszunehmen. Die Verwaltung hat sich der neueren Rechtsprechung angeschlossen; in allen offenen Fällen mit Veräußerungsgewinnen aus spanischen Immobilien ist die Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungsmethode nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien unter Beachtung des Progressionsvorbehalts zu vermeiden.

Vermeidung der Doppelbesteuerung ab VZ 2013

Ab dem VZ 2013 gilt das neue DBA-Spanien 2011.

Aus Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Nr. vii DBA-Spanien 2011 ergibt sich nun eindeutig, dass die Anrechnungsmethode für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen einschließlich der Einkünfte aus der Veräußerung dieses Vermögens gilt.

Amts- und Rechtshilfe

Sofern die Sachverhaltsaufklärung durch den inländischen Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO), sollte der Sachverhalt durch ein Auskunftsersuchen an die spanischen Finanzbehörden nach Maßgabe des EG-Amtshilfe-Gesetzes (künftig: ggf. EU-Amtshilfegesetz) aufgeklärt werden.

OFD Rheinland, Verfügung v. 25.1.2013, S 1301 – 2009/0016 – St 123

Steuertipps zur Besteuerung privater Photovoltaikanlagen

„Immer mehr Bürgerinnen und Bürger installieren auf dem Dach ihres Hauses eine Photovoltaikanlage. Für den so gewonnenen Strom wird eine sogenannte Einspeisevergütungen gezahlt. Dabei gilt es einige steuerliche Regelungen zu beachten. Baden-Württemberg hat sich bei der Ausgestaltung erfolgreich für eine bürgerfreundliche Lösung eingesetzt“. Dies sagte Finanzminister Willi Stächele am Freitag (10. September 2010) in Stuttgart anlässlich der Veröffentlichung des „Aktuellen Tipps“ zur Besteuerung beim Betrieb von Photovoltaikanlagen.

 Die Informationsschrift enthalte vor allem Hinweise zu den Bereichen Umsatz- und Einkommensteuer. Sie behandele unter anderem die Kleinunternehmerregelung, die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung und den Vorsteuerabzug. Beispielsfälle veranschaulichten die Thematik. Auch die neu geregelte Frage der steuerlichen Behandlung von dachintegrierten Photovoltaikanlagen werde in dem „Aktuellen Tipp“ dargestellt. Diese dachintegrierten Anlagen könnten wie die herkömmlichen Aufdachanlagen innerhalb von 20 Jahren abgeschrieben werden, so Stächele.

„Baden-Württemberg nimmt bei der Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen bundesweit einen vorderen Platz ein. Die zunehmende Beliebtheit belegt das gestiegene Interesse an einer nachhaltigen und umweltgerechten Versorgung. Die Landesregierung unterstützt diesen Trend. Beispielsweise sind heute schon Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von 35.000 m² auf den landeseigenen Dächern installiert. Auch in Zukunft werden wir den Anteil der regenerativen Energien weiter erhöhen. Der vorliegende Aktuelle Tipp soll dabei helfen die steuerrechtlichen Klippen zu umschiffen,“ erklärte der Finanzminister abschließend.

Der Aktuelle Tipp „Steuerrecht für Photovoltaikanlagen“ ist bei allen Finanzämtern des Landes kostenlos erhältlich. Er kann außerdem bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Moltkestraße 50, 76133 Karlsruhe, und dem Finanzministerium Baden-Württemberg, Pressestelle, Neues Schloss, 70173 Stuttgart, gegen Einsendung eines adressierten und frankierten Rückumschlags (Format DIN C5, Porto 0,85 Euro) bezogen werden. Der Ratgeber Besteuerung beim Betrieb von Photovoltaikanlagen kann auch im Internet unter abgerufen werden.

Es gibt Neuerungen bei der Besteuerung von Photovoltaikanlagen auf Privatgebäuden: Es ist dafür keine Gewerbeanzeige beim Gewerbeamt mehr nötig. Denn die Bürger verwalten hier allein eigenes Vermögen. Nur das Finanzamt muss über die Installation der neuen Anlage unterrichtet werden.

Quelle: Finanzministerium Baden-Württemberg

Ab Mitte März 2013 werden Einkommensteuerbescheide für 2012 versandt

Die Finanzämter im Freistaat Thüringen werden die ersten Einkommensteuerbescheide für 2012 voraussichtlich ab Mitte März 2013 versenden. Die Finanzverwaltung bittet deshalb, derzeit von Rückfragen bei den Finanzämtern abzusehen

Hintergrund ist, dass den Finanzämtern gegenwärtig noch keine vollständigen Arbeitnehmerdaten vorliegen. Diese sind von den Arbeitgebern, den Renten- und Krankenversicherungen und anderen Institutionen bis zum 28. Februar elektronisch an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Hierbei handelt es sich unter anderem um Daten zur Lohnsteuer, zum Rentenbezug sowie Beitragsdaten zur Altersvorsorge und zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die bundesweit an eine zentrale Stelle übermittelten Daten werden aufbereitet und anschließend den Finanzämtern in den einzelnen Bundesländern zugeordnet.

Durch die elektronische Übermittlung und den Abgleich der Arbeitnehmerdaten wird das Veranlagungsverfahren insgesamt beschleunigt. Fehlerhafte Eintragungen in der Einkommensteuererklärung können schneller gefunden und korrigiert werden. So minimiert sich für Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitgeber die Anzahl der Rückfragen durch die Finanzämter.

Die Einkommensteuererklärung kann jedoch bereits im Finanzamt abgegeben werden. Die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung erfolgt grundsätzlich nach der Reihenfolge des Eingangs. Für Diejenigen, die zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sind, ist auch in diesem Jahr grundsätzlich der 31.05. der letzte Termin für die Abgabe der Einkommensteuererklärung. Die Einkommensteuererklärung kann auch auf elektronischem Weg (ELSTER) eingereicht werden. Aktuelle ELSTER-CD’s sind bei allen Finanzämter erhältlich.

Quelle: FinMin Thüringen, Medieninformation v. 8.2.2013

Stellplatz- und Garagenkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung

Aufwendungen für einen separat angemieteten Pkw-Stellplatz im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein.


Zum Sachverhalt

Nach § 9 I 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 I 3 Nr. 5 S. 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

Im Streitfall machte der Kläger, ein Arbeitnehmer, vergeblich in seiner Einkommensteuererklärung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung Kosten für eine Unterkunft sowie für einen gesondert angemieteten Pkw-Stellplatz am Arbeitsort geltend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Auf die Revision des Klägers hat der BFH nun die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FGzurückverwiesen. Denn im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung seien nicht nur Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten, (zeitlich befristete) Verpflegungsmehraufwendungen und (begrenzt auf die durchschnittliche Miete einer 60-m2-Wohnung) die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort, sondern auch sonstige notwendige Mehraufwendungen zu berücksichtigen. Hierzu könnten auch Kosten für einen Stellplatz oder eine Garage zählen, wenn die Anmietung, beispielsweise zum Schutz des Fahrzeugs oder auf Grund der angespannten Parkplatzsituation am Beschäftigungsort, notwendig ist. Das hat das FG nun im zweiten Rechtsgang zu prüfen.

BFH, Urt. v. 13. 11. 2012 – VI R 50/11

Pressemitteilung des BFH Nr. 9 v. 13. 2. 2013

Stellplatz- und Garagenkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung

Leitsatz

1. Aufwendungen für einen separat angemieteten PKW-Stellplatz können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen sein.

2. Die Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG und der (allgemeinen) in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale stehen dem Werbungskostenabzug insoweit nicht entgegen.

Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Nr. 5
EStG § 12 Nr. 1
Instanzenzug

Hessisches FG vom 6. Juni 2011 1 K 2222/10 (EFG 2012, 243 )BFH VI R 50/11

Gründe

1  I. Streitig ist, ob Kosten für einen separat angemieteten Stellplatz im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2  Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2008 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung machte er im Rahmen der doppelten Haushaltsführung Kosten für seine Unterkunft sowie für einen PKW-Stellplatz am Arbeitsort geltend. Für die Wohnung und den PKW-Stellplatz lagen zwei Mietverträge vor. In § 2 Abs. 5 des Mietvertrages über den Garagenstellplatz hieß es: „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass weder ein wirtschaftlicher noch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen diesem Stellplatzmietvertrag und einem Wohnraummietverhältnis besteht.” Weiterhin machte der Kläger in seiner Steuererklärung Fahrtkosten für Heimfahrten geltend. Er gab an, die Heimfahrten teilweise mit dem eigenen PKW und teilweise mit der Bahn durchgeführt zu haben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte zwar die Miet- und Mietnebenkosten für die gemietete Wohnung sowie die Fahrtkosten für Familienheimfahrten, nicht jedoch die Kosten für den PKW-Stellplatz in Höhe von 720 € (12 x 60 €).

3  Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 243 veröffentlichten Gründen abgewiesen. Die Aufwendungen für den Stellplatz stellten keine notwendigen Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltführung dar. Sie seien insbesondere nicht zu den Wohnkosten zu zählen, sondern vielmehr —wie alle Unterhaltskosten für den PKW— mit der Entfernungspauschale für Familienheimfahrten abgegolten.

4  Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5  Er beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen FG vom 6. Juni 2011 1 K 2222/10 und die Einspruchsentscheidung vom 13. August 2010 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 13. August 2010 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 720 € berücksichtigt werden.

6  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7  II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO —). Im Streitfall tragen die vom FG bisher getroffenen Feststellungen dessen Entscheidung nicht, dass die vom Kläger im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend gemachten Aufwendungen für einen Stellplatz vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind.

8  1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Senatsurteil vom 26. Juli 2012 VI R 10/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2013, 112 ).

9  a) Zu den notwendigen Mehraufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, zählen insbesondere Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten, (zeitlich befristete) Verpflegungsmehraufwendungen und (begrenzt auf den durchschnittlichen Mietzins einer 60-qm-Wohnung) die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Aber auch sonstige notwendige Mehraufwendungen, beispielsweise die —soweit nicht überhöht— Anschaffungskosten für die erforderliche Wohnungseinrichtung sind als Werbungskosten abziehbar (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 491, m.w.N.; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 413, m.w.N.; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Dezember 1982 VI R 228/80 , BFHE 137, 564 , BStBl II 1983, 467; FG München, Urteil vom 29. Dezember 2003 8 K 4428/00 , EFG 2005, 1677 ; Sächsisches FG, Urteil vom 18. September 2008 2 K 863/08 , EFG 2010, 131 ; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2011 9 K 9079/08 , EFG 2012, 35 ).

10  b) Liegt wie im Streitfall nach den bindenden Feststellungen des FG eine doppelte Haushaltsführung vor, können auch Kosten für einen Stellplatz oder eine Garage zu den notwendigen Mehraufwendungen im Sinne der Vorschrift zählen.

11  2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Notwendigkeit der Anmietung eines Stellplatzes durch den Kläger zu treffen haben.

12  Dabei hat es zu berücksichtigen, dass sich die Notwendigkeit von Stellplatzkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nicht danach bestimmt, ob das Vorhalten eines Kraftfahrzeugs am Beschäftigungsort beruflich erforderlich ist. Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG lässt Mehraufwendungen für einen aus beruflichen Gründen geführten zweiten Haushalt und damit ggf. allgemeine Lebenshaltungskosten, die üblicherweise nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht abzugsfähig sind, zum Werbungskostenabzug zu. Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für seinen Zweithaushalt tätigt, sind nur und insoweit abzugsfähig, als dieser beruflich veranlasst ist und die Aufwendungen hierfür notwendig sind. Dies gilt auch, soweit Aufwendungen für einen (separat angemieteten) PKW-Stellplatz beispielsweise zum Schutz des Fahrzeugs oder aufgrund der angespannten Parkplatzsituation am Beschäftigungsort in Rede stehen. Aus welchen Gründen der Steuerpflichtige dort einen PKW vorhält, ist ohne Bedeutung. Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG erfasst gerade auch solche Kosten, die —ohne den aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushalt— den Lebensführungskosten zuzurechnen wären.

13  Sollte das FG im zweiten Rechtsgang die Erkenntnis gewinnen, dass die Kosten des Stellplatzes notwendig waren, werden diese Aufwendungen von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG oder der (allgemeinen) in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale nicht erfasst. Denn es handelt sich insoweit nicht um beschränkt abzugsfähige berufliche Mobilitätskosten, sondern um sonstige Kosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.

Kindergeld: Fahrtaufwendungen als Werbungskosten

Kindergeld: Fahrtaufwendungen als Werbungskosten – Dienstverhältnis i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG

Urteil vom 16.1.2013, VI R 14/12

Der BFH hat dazu Stellung genommen, ob im Rahmen eines Studiums durchgeführte Fahrten zur Praktikumsstätte und zur Fachhochschule nach Dienstreisegrundsätzen oder als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte bei der Ermittlung der Einkünfte eines Kindes zu berücksichtigen sind (Az. VI R 14/12).

 

 Leitsatz

Leistet ein Student den praktischen Teil seiner Hochschulausbildung in einem Betrieb außerhalb der Hochschule ab, ist der Betrieb nicht seine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Kosten für die Wege dorthin sind uneingeschränkt als Werbungskosten abziehbar.

Gesetze

EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1 Satz 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 5
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG § 9 Abs. 6
EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG § 52 Abs. 23d Satz 5
Instanzenzug

FG Nürnberg vom 11. November 2010 7 K 1081/2009 BFH VI R 14/12

Gründe

I.

1  Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog für seinen 1984 geborenen Sohn (J) Kindergeld im Streitjahr 2007. J studierte seit dem Wintersemester 2004/2005 an der Fachhochschule C-Stadt den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen, den er im März 2009 mit der erfolgreich abgelegten Diplomprüfung abschloss.

2  Das von J durchgeführte Fachstudium umfasst zwei praktische Studiensemester. Diese sind Bestandteil des Studiums und erstrecken sich einschließlich der praxisbegleitenden Lehrveranstaltungen über einen regelmäßig zusammenhängenden Zeitraum von 20 Wochen. Sie werden unter der Betreuung der Hochschule in Betrieben außerhalb der Hochschule abgeleistet und integrieren Studium und Berufspraxis. Während der praktischen Studiensemester bleibt der Student Mitglied der Hochschule.

3  Zur Durchführung der praktischen Studiensemester schloss J am 16. März 2005 mit der Firma Z (GmbH) in A einen „Ausbildungsvertrag für das Studium mit vertiefter Praxis” ab. In § 1 des Vertrags ist u.a. bestimmt, dass die betriebliche Zusatzpraxis Bestandteil des Studiums ist und ausschließlich der Vertiefung der Ausbildungsinhalte der praktischen Studiensemester dient. Nach § 2 des Vertrags umfasste die betriebliche Ausbildung während der praktischen Studiensemester und der Zusatzpraxis den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2008. Die GmbH verpflichtete sich u.a., den „Studenten” in der Ausbildungszeit auszubilden, fachlich zu betreuen und ihm die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen zu ermöglichen. J verpflichtete sich, die gebotenen Ausbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen und dabei die tägliche Ausbildungszeit, die der üblichen Arbeitszeit der Ausbildungsstelle entsprach, einzuhalten. Er verpflichtete sich auch zu einem ordnungsgemäßen Studium mit dem Ziel, das Studium möglichst in der Regelstudienzeit abzuschließen (s. zu den Pflichten der Vertragspartner im Einzelnen § 3 des Vertrags). In § 4 des Vertrags wurde zudem eine monatliche Ausbildungsvergütung vereinbart (1. Ausbildungsjahr: 716 € brutto; 2. Ausbildungsjahr: 766 € brutto; 3. Ausbildungsjahr: 801 € brutto). Die Fachhochschule C-Stadt stimmte der Ableistung der beiden praktischen Studiensemester durch J bei der GmbH am 4. April 2005 zu.

4  J bezog im Streitjahr von der GmbH Vergütungen in Höhe von 12.845 € abzüglich Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 2.621,67 €. Er suchte die GmbH an 173 und die Fachhochschule an 47 Tagen auf. Die Entfernung von seiner Wohnung zur GmbH betrug 20 km und zur Fachhochschule 10 km. J musste im Streitjahr Studiengebühren in Höhe von 577 € aufbringen.

5  Mit Bescheid vom 10. Februar 2009 hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung von Kindergeld für das Streitjahr auf und forderte das für diesen Zeitraum bereits gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.848 € zurück. Die Familienkasse war der Ansicht, dass die Einkünfte und Bezüge des J den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG ) überschritten hätten.

6  Im Klageverfahren machte der Kläger u.a. geltend, die Einkünfte des J hätten sich im Streitjahr auf lediglich 7.429 € belaufen und damit den Jahresgrenzbetrag unterschritten. Die Kosten für die Wege zur GmbH seien gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt abziehbar. Die GmbH sei nicht die regelmäßige Arbeitsstätte seines Sohnes gewesen.

7

 

  Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ermittelte die gemäß § 32 Abs. 4 EStG maßgeblichen Einkünfte wie folgt:
  Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit

  12.845,00 €

  abzüglich Sozialversicherungsbeträge

  2.621,67 €

  abzüglich Werbungskosten:
  Wege zur GmbH (173 x 20 km x 0,30 €/km)

  1.038,00 €

  besondere Ausbildungskosten:
  Fahrten zur Fachhochschule (47 x 10 km x 0,30 €/km x 2)

    282,00 €

  Studiengebühren

  577,00 €

  Einkünfte

  8.326,33 €

 

8  Die Einkünfte des J hätten damit den Jahresgrenzbetrag von 7.680 € überschritten. Dem Kläger stehe für das Streitjahr kein Kindergeld zu.

9  Die Ausbildungsstätte der GmbH sei eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte regelmäßige Arbeitsstätte des J gewesen. Zwar führe allein der dreijährige Zeitraum, über den sich die Praktika erstreckt hätten, noch nicht zu der Annahme, dass die Arbeitsstätte auf Dauer angelegt gewesen sei. Im Streitfall bestehe jedoch die Besonderheit, dass die theoretische Ausbildung an der Fachhochschule und das Praktikum über einen Zeitraum von drei Jahren nicht nur parallel gelaufen wären, sondern eng miteinander verzahnt gewesen seien. Es habe sich ausdrücklich um einen Ausbildungsvertrag für das Studium mit vertiefter Praxis und nicht um eine Aneinanderkettung mehrerer zu absolvierender Praktika —zufällig— beim selben Betrieb gehandelt. Damit habe bereits ab Vertragsschluss für J festgestanden, dass dieser mit Ausnahme der Zeiten für die theoretische Ausbildung und Prüfungen im Ausbildungsbetrieb hätte tätig sein müssen. Gerade die Zahl der Tage, an denen J in den Jahren 2006 (117 Tage) und 2007 (173 Tage) die GmbH aufgesucht habe, zeige deutlich, dass der Betrieb in diesen Jahren nicht mehr gelegentlich, sondern nachhaltig und gegenüber der Fachhochschule (47 Tage im Jahr 2007) sogar zeitlich überwiegend aufgesucht worden sei.

10  J hätte ohne Weiteres mit anderen Arbeitnehmern oder Auszubildenden der GmbH eine Fahrgemeinschaft bilden können, da er an den Tagen, an denen er den Betrieb aufgesucht habe, die dortigen Arbeitszeiten habe einhalten müssen und nach seinen Angaben an den einzelnen Tagen immer nur entweder die GmbH oder die Fachhochschule aufgesucht habe, nicht aber im Dreieck zwischen diesen gependelt sei.

11  Vor dem Hintergrund, dass ein Ausbildungsvertrag, der eine Vergütung für den gesamten Zeitraum, also auch für Zeiten der theoretischen Ausbildung, vorsehe und die Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium möglichst in der Regelstudienzeit (vgl. § 3 des Ausbildungsvertrags) enthalte, deutlich auch vom Interesse des Ausbildungsbetriebes an der Nachwuchsgewinnung und der Chance für den Studierenden, dort im Anschluss an das Studium eine Anstellung zu erhalten, geprägt sei, werde die Praktikantenstelle bei der GmbH als regelmäßige Ausbildungs- bzw. Arbeitsstätte angesehen.

12  Die Fahrtkosten seien daher nicht nach Dienstreisegrundsätzen, sondern lediglich mit der Entfernungspauschale, also mit 173 Tagen x 20 km x 0,30 €/km in Höhe von 1.038 € zu berücksichtigen.

13  Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

14  Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Bescheid vom 10. Februar 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2009 aufzuheben.

15  Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

16  Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ).

17  1. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das —wie J im Streitjahr 2007— das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird und seine zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge den für den Streitzeitraum maßgeblichen Jahresgrenzbetrag von 7.680 € nicht übersteigen.

18  a) Der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, z.B. Urteil vom 17. Juni 2010 III R 59/09, BFHE 230, 142 , BStBl II 2011, 121).

19  b) Darüber hinaus sind nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164 ) im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte —ebenso wie die Bezüge— nur zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen (BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 III R 73/09 , BFHE 236, 407 , BStBl II 2012, 463; vom 5. Juli 2012 VI R 99/10, BFHE 238, 93 ).

20  c) Nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben bei der Ermittlung der schädlichen Grenze von 7.680 € Bezüge außer Ansatz, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bzw. Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden. Solche besonderen Ausbildungskosten sind alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten (§ 9 EStG ) im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen Kosten der Lebensführung und dem ausbildungsbedingten Mehrbedarf in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht. Es sind die den Abzug der jeweiligen Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften dem Grunde und der Höhe nach zu beachten (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 22. September 2011 III R 38/08 , BFHE 235, 331 , BStBl II 2012, 338; vom 15. Juli 2010 III R 70/08, BFH/NV 2010, 2253 ; vom 27. Oktober 2011 III R 92/10, BFH/NV 2012, 412 ).

21  2. Die Vorentscheidung beruht teilweise auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

22  a) Nach den Feststellungen des FG erzielte J im Streitjahr Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 12.845 €. Von denen sind, wie zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist, Beiträge zur Sozialversicherung (2.621,67 €) und —als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen— Studiengebühren (577 €) abzuziehen. Darüber hinaus sind die Kosten für die Wege zur GmbH als Werbungskosten bei den Einkünften des J aus nichtselbständiger Arbeit in tatsächlicher Höhe gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Die Abzugsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG kommt nicht zur Anwendung.

23  b) Nach der Rechtsprechung des Senats sind als Werbungskosten sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Bildungsmaßnahme stehen, abziehbar. Hierzu gehören auch Fahrt- bzw. Mobilitätskosten. Sie sind grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Die Begrenzung der Steuererheblichkeit von Wegekosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist im Rahmen beruflicher Bildungsmaßnahmen grundsätzlich nicht zu beachten. Denn eine Bildungsmaßnahme ist regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt. Wie bei einer Auswärtstätigkeit hat in einem solchen Fall der Steuerpflichtige typischerweise nicht die Möglichkeiten, sich auf die immer gleichen Wege einzustellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinzuwirken (s. im Einzelnen Senatsentscheidungen vom 9. Februar 2012 VI R 44/10, BFHE 236, 431 ; VI R 42/11, BFHE 236, 439 ; vom 19. September 2012 VI R 78/10, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2013, 123 ; vom 18. September 2012 VI R 65/11, nicht veröffentlicht).

24  c) Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten für die Wege zur GmbH in tatsächlicher Höhe abzugsmindernd zu berücksichtigen. Die Tätigkeit des J in der GmbH als eine Art Praktikant war nämlich Teil einer Bildungsmaßnahme und im Übrigen nicht auf Dauer angelegt. Wie sich aus der im Ausbildungsvertrag erwähnten „Verordnung über die praktischen Studiensemester an Fachhochschulen” (Praxissemesterverordnung —PrSV—) des Bayrischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 16. Oktober 2002 (GVBl 2002, 589) ergibt, ist das praktische Studiensemester einschließlich etwaiger Zusatzpraktika (s. dazu § 7 PrSV) ein in das Studium integriertes, von der Fachhochschule geregeltes, inhaltlich bestimmtes, betreutes und mit Lehrveranstaltungen begleitetes Studiensemester, das i.d.R. in einem Betrieb oder in einer anderen Einrichtung der Berufspraxis außerhalb der Hochschule abgeleistet wird (§ 1 Abs. 1 PrSV). Während der praktischen Studiensemester bleiben die Studenten Mitglieder der Hochschule mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten (§ 1 Abs. 4 PrSV). Damit ist die Universität trotz der praktischen Ausbildung Mittelpunkt der Tätigkeit. Insoweit unterscheidet sich das hier streitgegenständliche Hochschulstudium von einem herkömmlichen Ausbildungsverhältnis, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige bereits Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.

25  aa) Da danach die erwähnte praktische Tätigkeit Teil der Hochschulausbildung ist, kommt —wie regelmäßig in den Fällen der Hochschulausbildung— § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nicht zur Anwendung. Der Betrieb, in dem der Student den praktischen Teil seiner Hochschulausbildung ableistet, ist keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG .

26  bb) Dem Abzug der Wegekosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG steht § 9 Abs. 6 i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG ) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592 ) nicht entgegen.

27  § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.

28  Gemäß § 52 Abs. 23d Satz 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ist § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG schließt jedoch den Werbungskostenabzug nicht aus, weil sich J während seiner Tätigkeit in der GmbH „im Rahmen eines Dienstverhältnisses” befand. Bei dem Dienstverhältnis i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG handelt es sich um ein Dienstverhältnis besonderer Art, das durch den Ausbildungszweck geprägt ist (sog. Ausbildungsdienstverhältnis; BFH-Urteile vom 7. August 1987 VI R 60/84 , BFHE 150, 435 , BStBl II 1987, 780; vom 19. April 1985 VI R 131/81, BFHE 143, 572 , BStBl II 1985, 465). „Im Rahmen” eines Dienstverhältnisses findet die Erstausbildung bzw. das Erststudium statt, wenn, wie hier, die Teilnahme an der Ausbildung oder am Studium verpflichtender Gegenstand des Arbeitsvertrags ist (Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 177).

29  d) Ob und in welchem Umfang die Kosten für die Wege zur Fachhochschule als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind, kann mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben. Zwar sind diese Kosten als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu qualifizieren. Allerdings orientiert sich, wie dargestellt, nach der bisherigen Rechtsprechung der ausbildungsbedingte Mehrbedarf sowohl dem Grund als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Werbungskostenabzug (BFH-Urteil in BFHE 235, 331 , BStBl II 2012, 338, m.w.N., zu § 9 Abs. 2 EStG ). Ob dies auch für § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG gilt, ist zwar nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die Bedeutung des § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG fraglich, muss jedoch hier nicht entschieden werden. Denn auch ohne Berücksichtigung der Kosten für die Wege zur Fachhochschule wird der Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.680 € nicht überschritten:

30

 

  Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit

  12.845,00 €

  abzüglich Sozialversicherungsbeträge

  2.621,67 €

  abzüglich Werbungskosten:  
  Wege zur GmbH (173 x 20 km x 0,30 €/km x 2)

  2.076,00 €

  besondere Ausbildungskosten:  

Honorareinnahmen eines Rechtsanwalts eines mehrjährigen Mandats

Abgrenzung zwischen den berufsüblichen und den außerordentlichen Einkünften eines Rechtsanwalts

Urteil vom 30.01.13   III R 84/11

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 30. Januar 2013 III R 84/11 seine langjährige Rechtsprechung bestätigt, wonach die Vereinnahmung eines berufsüblichen Honorars für die mehrere Jahre andauernde Betreuung eines Mandats bei einem Rechtsanwalt nicht zu außerordentlichen Einkünften führt.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, bearbeitete über mehrere Jahre hinweg ein größeres Erbrechtsmandat. Nach – erfolgreichem – Abschluss des Auftrags erhielt er von seinen Mandanten eine hohe Honorarzahlung. Er sah in dieser Zahlung eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit und beantragte daher die Anwendung der Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes. Der BFH folgte dem nicht. Er bekräftigte vielmehr seine jahrzehntealte Rechtsprechung, wonach die Anwendung der Tarifermäßigung auf besondere, außergewöhnliche Tätigkeiten beschränkt ist, die von der üblichen Tätigkeit eines Freiberuflers abgrenzbar sein müssen. Zum Zweck der Abgrenzung hat der BFH verschiedene Fallgruppen entwickelt, die im Streitfall jedoch nicht einschlägig waren. Er wies außerdem darauf hin, dass mehrjährige Tätigkeiten bei Rechtsanwälten, Ingenieuren und anderen Freiberuflern nicht unüblich sind und eine Tarifglättung schon durch die Häufigkeit und Regelmäßigkeit, mit der mehrjährige Aufträge angenommen, abgewickelt und abgerechnet werden, bewirkt wird.

Bundesfinanzhof

 

Abgrenzung zwischen den berufsüblichen und den außerordentlichen Einkünften eines Rechtsanwalts

Leitsatz

Die Vereinnahmung eines berufsüblichen Honorars für die Bearbeitung eines mehrjährigen Mandats führt bei einem Rechtsanwalt nicht zu außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG .

Gesetze

EStG § 34 Abs. 2 Nr. 4
Instanzenzug

FG Hamburg vom 28. September 2009 5 K 201/08 BFH III R 84/11

Gründe

I.

1  Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er übt diese Tätigkeit in einer Einzelpraxis aus.

2  Im März 2003 wurde der Kläger von einem Geschwisterpaar in einer Erbschaftsangelegenheit mandatiert. Die Mandanten waren die gesetzlichen Erben, und zwar die Nichte und der Neffe der Erblasserin, die ein Vermögen von ca. 10 Mio. € hinterlassen hatte. Da sich aufgrund eines notariellen Erbvertrages eine weitere Person namens E. berühmte, Erbe zu sein, kam es zu einem Rechtsstreit. Der Kläger vertrat die Nichte der Erblasserin in einer Erbfeststellungsklage vor dem Landgericht (LG) und beide Mandanten im Erbscheinverfahren vor dem Nachlassgericht sowie als Geschädigte in einem Strafverfahren gegen E., den Notar R. sowie einen weiteren Hintermann S. Das LG kam im Strafverfahren aufgrund eines Sachverständigengutachtens zu dem Schluss, dass die vorgelegten Urkunden, insbesondere der Erbvertrag, sämtlich gefälscht waren. S. wurde die Herausgabe der von ihm verschobenen Vermögenswerte auferlegt, was im Herbst 2006 auch geschah. E. und R. wurden strafrechtlich verurteilt. Das LG gab der Erbfeststellungsklage mit Versäumnisurteil im Herbst des Jahres 2006 statt, nachdem es zuvor mit Beschluss vom 23. Dezember 2003 Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt hatte. Der Kläger verzichtete allerdings darauf, Vorschüsse gegenüber der Staatskasse geltend zu machen. Die Vorschüsse hätten sich wegen der im PKH-Recht vorgesehenen Begrenzung des Gegenstandswerts auf maximal 1.018 € belaufen. Vorschussansprüche gegenüber seinen Mandanten machte der Kläger schon deswegen nicht geltend, weil diese nicht zahlungsfähig waren.

3  S. überwies schließlich an die Mandanten des Klägers auf dessen Anwaltskonto den Betrag von 100.173,09 €. Nachdem die beiden Mandate betreffend die Erbrechtsklage und die Vertretung als Geschädigte im Strafverfahren Ende 2006 beendet waren, trafen der Kläger und die beiden Mandanten Ende Dezember 2006 zwei Honorarvereinbarungen, die die Zahlung von 40.000 € für die Erbrechtsklage und von 14.500 € für die Vertretung im Strafverfahren vorsahen. Die Beträge wurden mit der von S. auf das Anwaltskonto überwiesenen Summe verrechnet.

4  Der Jahresgewinn des Klägers aus seiner anwaltlichen Tätigkeit belief sich im Jahr 2003 auf 18.768,51 €, im Jahr 2004 auf ./. 768,60 €, im Jahr 2005 auf 20.392,33 €, im Jahr 2006 auf 61.931,06 €, im Jahr 2007 auf 67.517,67 € und im Jahr 2008 auf 45.984,03 €.

5  Ohne die Honorare aus der Erbrechtsangelegenheit hätte sich der Jahresgewinn des Klägers in 2006 aus seiner anwaltlichen Tätigkeit somit auf 7.431,06 € (61.931,06 € ./. 54.500 €) belaufen.

6  Dem Begehren der Kläger, die aufgrund der Honorarvereinbarungen vom Dezember 2006 erzielten Einnahmen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG ) dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, entsprachen weder der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) noch das Finanzgericht (FG).

7  Mit ihrer Revision rügen die Kläger die unzutreffende Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG durch das FG. Dessen Auffassung, freiberuflich tätige Rechtsanwälte könnten wegen ihres typischerweise schwankenden Einkommens keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne der genannten Vorschrift haben, verstoße bereits gegen den Gesetzeswortlaut. Denn der Kläger habe zweifellos für die Vertretung seiner Mandanten eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit erhalten. Außerdem verletze die vom FG vertretene Auslegung den Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten. Die Tarifermäßigung werde ihm allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Freiberufler versagt. Das Argument des typischerweise schwankenden Einkommens stelle keinen sachlichen Grund dar, sondern diskriminiere willkürlich seine Berufsgruppe gegenüber Steuerpflichtigen mit gleichmäßigem Jahreseinkommen. Die „naturgegebene” Benachteiligung der unternehmerisch tätigen Steuerpflichtigen durch den progressiven Tarif werde durch die Versagung der Tarifbegünstigung noch verstärkt. Die Behauptung vom typischerweise schwankenden Einkommen sei überdies empirisch nicht belegt; bei Ärzten mit einem bestimmten Patientenstamm dürfte das Einkommen keinen nennenswerten Schwankungen unterliegen. Letztlich würden nur Staatsbedienstete in den Genuss der Steuerermäßigung kommen können. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen der ausnahmsweisen Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf Freiberufler habe keine Grundlage im Gesetzwortlaut und konterkariere den Zweck des § 34 EStG . Entsprechende Einschränkungen gebe es bei abhängig beschäftigten Steuerpflichtigen nicht. Mit dem Urteil vom 14. Dezember 2006 IV R 57/05 (BFHE 216, 247 , BStBl II 2007, 180) habe der Bundesfinanzhof (BFH) einen zögerlichen Kurswechsel eingeleitet und im Ergebnis die Fallgruppenbildung aufgegeben. Nach diesem Urteil sei für die Tarifermäßigung lediglich Voraussetzung, dass die geballte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten eine Progressionswirkung typischerweise erwarten lasse. Dass die Vergütung erst nach einem vorangegangenen Rechtsstreit gezahlt worden sei, stelle nur ein konkretes Beispiel für das „typischerweise Erwartenlassen” einer abzumildernden Progressionswirkung dar. Selbst bei Beibehaltung der Fallgruppenbildung müsse im Streitfall in Fortentwicklung des genannten BFH-Urteils eine neue Fallgruppe gebildet werden. Ein Freiberufler habe jedenfalls dann außerordentliche Einkünfte, wenn er ohne ihm zuzurechnende Gründe die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen nicht erhalte und ihm die Vergütung erst später in einem Veranlagungszeitraum nach Wegfall der Hinderungsgründe zusammengeballt zufließen würde. Im Streitfall habe er keine Möglichkeit gehabt, die Zusammenballung zu verhindern. Auf die von § 9 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) beziehungsweise vom vormals geltenden § 17 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO ) eingeräumte Möglichkeit, Vorschüsse zu verlangen, könne er nicht verwiesen werden, weil seine Mandanten finanziell nicht in der Lage gewesen seien, Vorschusszahlungen zu leisten und das Beharren auf einer Zahlung eine Mandatskündigung hätte provozieren können. Eine Einnahmenglättung durch Vorschusszahlungen, wie im BFH-Urteil vom 10. Februar 1972 IV R 8/68 (BFHE 105, 255 , BStBl II 1972, 529) angesprochen, sei im Streitfall demnach nicht möglich gewesen.

8  Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angegriffenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 3. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2008 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 5.618 € und der Solidaritätszuschlag auf 207,35 € herabgesetzt wird.

9  Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10  Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

II.

11  Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— ). Das FG hat zu Recht den ermäßigten Steuersatz nicht auf die streitgegenständlichen Einnahmen angewandt. Berufsübliche Honorareinnahmen eines Rechtsanwalts führen zu laufenden Gewinnen, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind.

12  1. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach besonderen Regeln zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht.

13  Für die Anwendung der bei außerordentlichen Einkünften vorgesehenen Tarifermäßigung reicht es nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht aus, dass ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger für eine mehrjährige Tätigkeit ein berufsübliches Honorar erhält. Zum Zwecke der Abgrenzung der dem gewöhnlichen Tarif unterliegenden laufenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit von den ermäßigt besteuerten außerordentlichen Einkünften sind auch solche Einkünfte, die Ertrag einer mehrjährigen Tätigkeit darstellen, nur dann den außerordentlichen Einkünften zuzuordnen, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem einzigen Veranlagungszeitraum erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem einzigen Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH-Urteil in BFHE 216, 247 , BStBl II 2007, 180, m.w.N.). Auch wenn eine einmalige Sonderzahlung für langjährige Dienste aufgrund einer arbeitnehmerähnlichen Stellung geleistet wird, kommt § 34 EStG zur Anwendung (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 44/03 , BFHE 208, 110 , BStBl II 2005, 276). Daneben hat der IV. Senat des BFH außerordentliche Einkünfte auch für den Fall bejaht, dass dem Steuerpflichtigen eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit aufgrund einer vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzung zusammengeballt zufließt (BFH-Urteil in BFHE 216, 247 , BStBl II 2007, 180).

14  2. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Vergütungen, die der Kläger im Zusammenhang mit der Erbrechtsangelegenheit erhalten hat, nicht um außerordentliche Einkünfte. Der Kläger war, was von ihm selbst nicht angezweifelt wird, weder in einer arbeitnehmerähnlichen Stellung, noch hat er eine abgrenzbare Sondertätigkeit entfaltet. Er hat sich auch nicht während mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet. Vielmehr hat er einen für den Beruf des Rechtsanwalts typischen Auftrag ausgeführt und nach Mandatsende abgerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 I R 119/91 , BFH/NV 1993, 593 ). Die erhaltene Vergütung hat er nicht als Nachzahlung aufgrund einer vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzung erhalten, so dass, ungeachtet der Frage, ob der Senat der Rechtsauffassung des IV. Senats in dessen Urteil in BFHE 216, 247 , BStBl II 2007, 180 beitreten könnte, auch unter diesem Gesichtspunkt die Anwendung des § 34 EStG ausgeschlossen ist.

15  3. Der BFH hat in den vergangenen Jahrzehnten seine auf Entscheidungen des Reichsfinanzhofs —RFH— (z.B. RFH-Urteile vom 19. Juni 1923 VIe A 10/13, RFHE 12, 228 betreffend Rechtsanwalt; vom 16. Dezember 1931 VI A 1277/31, RStBl 1932, 169 betreffend Ingenieur; vom 19. Februar 1936 VI A 71/36, RStBl 1936, 651 betreffend Testamentsvollstreckertätigkeit eines Rechtsanwalts; vom 21. September 1944 IV 139/43, RStBl 1944, 748 betreffend Rechtsanwalt) zurückgehende Rechtsprechung zur Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG —bzw. der Vorgängervorschriften— im Bereich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit wiederholt im Hinblick auf verschiedentlich erhobene Einwendungen überprüft und stets daran festgehalten, dass die Anwendung der Tarifermäßigung auf besondere Tätigkeiten beschränkt ist, die von der üblichen Tätigkeit eines Freiberuflers abgrenzbar sein müssen (z.B. BFH-Urteile vom 10. Mai 1961 IV 275/59 U , BFHE 73, 730, BStBl III 1961, 532; vom 22. Mai 1975 IV R 33/72, BFHE 116, 136 , BStBl II 1975, 765; in BFH/NV 1993, 593 ). Auch der erkennende Senat sieht keine Veranlassung zu einer Änderung oder Fortentwicklung dieser Rechtsprechung. Die Einwendungen der Revision sind nicht stichhaltig.

16  a) Grundlage der ständigen Rechtsprechung ist der Befund, dass mehrjährige Tätigkeiten und die hierfür erhaltenen Vergütungen bei freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen nicht unüblich sind, häufig sogar die Regel sein dürften. Zu denken ist etwa an einen forensisch tätigen Rechtsanwalt, der angesichts der Dauer der vorgerichtlichen Auseinandersetzung und der in Deutschland üblichen gerichtlichen Verfahrenslaufzeiten nicht selten mehrjährig i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG —dafür genügt bereits ein 13 Monate dauerndes Mandat— in Anspruch genommen wird. Dass, von den streitigen Einnahmen abgesehen, noch weitere Honorareinnahmen aus einer mehrjährigen Tätigkeit des Klägers herrühren, erscheint auch im Streitfall nicht fernliegend. Die Bearbeitung der an Architekten oder Ingenieure erteilten Aufträge wird ebenfalls vielfach mehr als ein Jahr benötigen. Ohne Einschränkung des Gesetzeswortlauts wären damit erhebliche Teile der von Freiberuflern erzielten Einkünfte keine laufenden Gewinne, sondern bei Bezahlung zum Zeitpunkt der Auftragsbeendigung (vgl. z.B. § 15 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure und §§ 8, 10 RVG) außerordentliche Einkünfte. Dies würde nicht nur zu ganz erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchführung der Veranlagungsarbeiten führen (zu diesem Praktikabilitätsargument bereits RFH-Urteil in RStBl 1932, 169; BFH-Urteil in BFHE 116, 136 , BStBl II 1975, 765). Was sachlich deutlich schwerer wiegt, ist der Umstand, dass die berufsüblichen Einkünfte von Freiberuflern in beträchtlichem Umfang nicht dem Regelsteuersatz unterliegen würden, was diese Personengruppe gegenüber anderen Steuerpflichtigen privilegieren würde, die, wie z.B. Arbeitnehmer, ihre berufsüblichen Einkünfte „normal” versteuern müssen. Daher geht das Revisionsvorbringen zur angeblichen Diskriminierung einer ganzen Berufsgruppe schon im Ansatzpunkt fehl.

17  In Folge der Häufigkeit und Regelmäßigkeit, mit der mehrjährige Aufträge von Freiberuflern typischerweise angenommen, abgewickelt und abgerechnet werden, gehen Vergütungen —auch ohne Vorschusszahlungen— für mehrjährige Tätigkeiten kontinuierlich in die Gewinnermittlung der jeweiligen Veranlagungszeiträume ein und sorgen schon hierdurch, jedenfalls bei halbwegs stabiler Auftragslage, für die von § 34 EStG bezweckte Tarifglättung (so zutreffend bereits Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925 , II. Band, S. 956). Bei instabiler Auftragslage oder überhaupt bei wechselhaftem unternehmerischen Erfolg in einzelnen Jahren sind die daraus resultierenden Steuersatzunterschiede von den betroffenen Steuerpflichtigen hinzunehmen. Denn § 34 EStG dient nicht dazu, die nachteiligen Folgen temporal schwankender Einkünfte generell auszugleichen (vgl. RFH-Urteil in RStBl 1936, 651). Dass im Streitfall die mit dem Erbrechtsmandat verbundenen Honorareinnahmen im Vergleich zu den übrigen Einnahmen des Klägers betragsmäßig weit herausragten und zur „schwankenden” Einnahmesituation geführt haben, ist im Wesentlichen Folge des in der Akquisition und Bearbeitung eines Großmandats zu erblickenden unternehmerischen Erfolgs. Die sich aus dem Vergleich zu anderen Mandaten ergebende relative „Größe” eines Einzelmandats kann für sich genommen nicht zur Annahme „außerordentlicher” Einkünfte und zur Anwendung der Tarifermäßigung führen.

18  b) Für die hiernach gebotene Abgrenzung zwischen berufsüblichen Honoraren und außerordentlichen Einkünften hat die Rechtsprechung die oben erwähnten Fallgruppen gebildet. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, eine neue Fallgruppe zu entwickeln bzw. eine bestehende zu erweitern.

19  aa) Die Tatsache, dass der Kläger im Streitfall von seinen Mandanten keine Vorschusszahlungen erlangen konnte, ändert an der Berufsüblichkeit des Honorars nichts. Honorareinnahmen sind nicht deshalb „außerordentlich” oder atypisch, weil der Auftraggeber finanziell nicht oder kaum in der Lage ist, Vorschusszahlungen zu leisten. Wenn es rechtlich auf den Umstand ankäme, ob eine Vorschusszahlung realisierbar ist oder nicht, wäre die Abgrenzbarkeit laufender von außerordentlichen Einkünften zudem in der Praxis kaum zu leisten. Denn bei einer Vielzahl von Mandaten müssten die wahren Gründe für die Nichtleistung eines Vorschusses (Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung, Rücksichtnahme auf eine langjährige Kundenbeziehung, Gefahr der Mandatskündigung bei als unangemessen empfundenem Vorschussverlangen, Bewilligung von PKH, Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers u.ä.) ermittelt werden, um die von Amts wegen vorzunehmende Entscheidung über den anzuwendenden Tarif treffen zu können. Schließlich lässt die Möglichkeit der Bewilligung von PKH und der hieraus resultierende, gegen die Staatskasse gerichtete Vorschussanspruch des Anwalts gemäß §§ 45, 47 RVG (entspricht §§ 121 , 127 BRAGO) eine Zusammenballung von Einkünften mit entsprechender Progressionswirkung nicht typischerweise erwarten. Der Einwand der Kläger, dass die Vergütung nach PKH-Grundsätzen im Streitfall im Vergleich zum Gegenstandswert wegen einer gesetzlichen Gebührendeckelung recht niedrig gewesen wäre (vgl. § 49 RVG, § 123 BRAGO ), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Höhe der im Einzelfall gezahlten Vergütung ist für die Anwendung des § 34 EStG nicht rechtserheblich. Auch bei einem „kleinen” mehrjährigen Mandat müsste, wollte man der Revision folgen, die Tarifermäßigung grundsätzlich gewährt werden. Bei einem solchen Mandat hätten Vorschusszahlungen auf der Grundlage der §§ 47 RVG, 127 BRAGO aber durchaus Gewicht, da bei niedrigen Gegenstandswerten der beigeordnete Rechtsanwalt dieselben Gebühren erhält wie ein Wahlanwalt (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2012, § 49 Rz 4).

20  bb) Die vom Kläger auf der Basis des BFH-Urteils in BFHE 216, 247 , BStBl II 2007, 180 begehrte Fortentwicklung der dort angesprochenen Fallgruppe kommt nicht in Betracht. Der Entscheidung des IV. Senats lag nicht der Normalfall der üblichen Honorierung einer typischen freiberuflichen Leistung zugrunde, sondern ein außerordentliches, nicht dem normalen Ablauf entsprechendes Ereignis. Erst dieses ungewöhnliche, also gerade nicht berufstypische Geschehen führte zu einem zusammengeballten Einnahmenzufluss, der eine entsprechende Progressionswirkung erwarten ließ. Dieses atypische Ereignis war ein mit der kassenärztlichen Vereinigung geführter Prozess über die —erst durch ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) geklärte— Punktbewertung psychotherapeutischer Leistungen (vgl. BSG-Urteil vom 25. August 1999 B 6 KA 14/98 R , BSGE 84, 235), die nach dem Obsiegen des Steuerpflichtigen zu einer einmaligen Nachzahlung für die Vielzahl der in mehreren zurückliegenden Jahren erbrachten ärztlichen Leistungen führte. Damit ist der vorliegende Fall einer gewöhnlichen Honorierung eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar. An der Vergleichbarkeit würde es entgegen der Auffassung des Klägers auch dann fehlen, wenn ein Rechtsanwalt sein berufsübliches Honorar für eine mehrjährige Tätigkeit nicht durch freiwillige Zahlung des Mandanten, sondern erst aufgrund einer Honorarklage erhielte.

Kinderbetreuungskosten für unter dreijährige Kinder

Die Beteiligten stritten um die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2008 machten die Kläger für ihre 2004, 2006 und 2007 geborenen Kinder Betreuungskosten in Höhe von insgesamt 6.828,52 Euro (Beiträge für den Kindergarten und Au-pair-Kosten) geltend. Das beklagte Finanzamt erkannte nur die Kindergartenbeiträge für das erstgeborene und das zweitgeborene Kind sowie 1/3 der Au-pair-Kosten (insgesamt 4.267,17 Euro) dem Grunde nach als Kinderbetreuungskosten an und gewährte einen Sonderausgabenabzug in Höhe von 2.845 Euro.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Ein Abzug als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten des Klägers scheide aus, da die Klägerin im Streitjahr nicht erwerbstätig gewesen sei. Ebenso wenig komme ein weiterer Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Betracht. Zwar sei der Kläger im Streitjahr erwerbstätig gewesen, die Klägerin habe sich aber weder in Ausbildung befunden noch sei sie behindert oder krank gewesen. Bei der Schwangerschaft und Stillzeit handele es sich nicht um eine Krankheit. Schließlich erlaube § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG einen Abzug nur für drei- bis fünfjährige Kinder.

Der beschränkte Abzug von Kinderbetreuungskosten verstoße auch nicht gegen verfassungsrechtliche Anforderungen. Eine „größere Zahl von Kindern“, die die steuerliche Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten bei Erwerbstätigkeit des einen Elternteils nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geboten erscheinen lassen könnte, sei bei drei Kindern noch nicht gegeben.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat auch hier die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 03.04.2013 zum Urteil 14 K 1455/11 vom 20.12.2012

Einheitliche Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung

Einkommensteuerbescheid des Kindes kein Grundlagenbescheid für die Kindergeldfestsetzung – Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts

Urteil vom 20.12.2012, III R 33/12

1. Erzielt ein Kind gewerbliche Einkünfte und steht ihm hinsichtlich der Gewinnermittlungsart ein Wahlrecht zwischen dem Betriebsvermögensvergleich und der Einnahme-Überschussrechnung zu, so kann dieses Wahlrecht auch bei der für die Kindergeldfestsetzung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 notwendigen Ermittlung der Einkünfte des Kindes nur vom Kind und nicht vom Kindergeldberechtigten ausgeübt werden.

2. Hat das Kind das Gewinnermittlungswahlrecht wirksam ausgeübt, so ist die gewählte Gewinnermittlungsart sowohl im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Kind als auch im Rahmen der Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kindergeldberechtigten der Ermittlung der Einkünfte des Kindes zugrunde zu legen.

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.12.2012, III R 33/12

Einheitliche Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung –  Einkommensteuerbescheid des Kindes kein Grundlagenbescheid für die Kindergeldfestsetzung – Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts

Leitsätze

1. Erzielt ein Kind gewerbliche Einkünfte und steht ihm hinsichtlich der Gewinnermittlungsart ein Wahlrecht zwischen dem Betriebsvermögensvergleich und der Einnahme-Überschussrechnung zu, so kann dieses Wahlrecht auch bei der für die Kindergeldfestsetzung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 notwendigen Ermittlung der Einkünfte des Kindes nur vom Kind und nicht vom Kindergeldberechtigten ausgeübt werden.

 

2. Hat das Kind das Gewinnermittlungswahlrecht wirksam ausgeübt, so ist die gewählte Gewinnermittlungsart sowohl im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Kind als auch im Rahmen der Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kindergeldberechtigten der Ermittlung der Einkünfte des Kindes zugrunde zu legen.

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog für ihren am … November 1984 geborenen Sohn (S) Kindergeld. Bis 21. Juli 2006 befand sich S in einem Berufsausbildungsverhältnis. Vom 31. August 2006 bis 1. Juli 2007 absolvierte er eine einjährige Fachschulausbildung.
2
S erzielte im Streitzeitraum 2006 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit. Für Zwecke der Besteuerung ermittelte S seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem unter dem 10. April 2008 erstellten Jahresabschluss gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG), den er beim zuständigen Finanzamt (FA) einreichte. Danach ergab sich ein Verlust in Höhe von 8.964,15 EUR.
3
In ihrer im April 2008 bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) eingereichten Erklärung zu den Einkünften und Bezügen des S gab die Klägerin hingegen einen gewerblichen Verlust in Höhe von 12.437 EUR an, der mittels einer Einnahme-Überschussrechnung vom 11. April 2008 ermittelt wurde. Danach hätten sich nach Berechnung der Klägerin Einkünfte und Bezüge in Höhe von 5.158,79 EUR ergeben.
4
Die Familienkasse setzte jedoch nur einen gewerblichen Verlust in Höhe von 8.964,15 EUR an und ermittelte danach Einkünfte und Bezüge in Höhe von 8.861,36 EUR. Mit Bescheid vom 30. September 2008 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2006 gemäß § 70 Abs. 4 EStG auf und forderte das bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 1.848 EUR von der Klägerin zurück. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 als unbegründet zurück.
5
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass S sein Gewinnermittlungswahlrecht durch die Aufstellung des Jahresabschlusses ausgeübt habe und daher auch im Kindergeldfestsetzungsverfahren an die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gebunden sei.
6
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
7
Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG, den Aufhebungsbescheid vom 30. September 2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 aufzuheben.

8
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9
II. Die Revision ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein Kindergeldanspruch zusteht, weil die Einkünfte und Bezüge des S im Streitzeitraum 2006 den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten haben.
10
1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 EStG in der im Streitzeitraum 2006 geltenden Fassung ist ein Kind, das noch nicht das 27. Lebens-jahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, nur zu berücksichtigen, wenn seine Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR nicht übersteigen.
11
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist unter dem Begriff der Einkünfte i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechend der Definition in § 2 Abs. 2 EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k EStG) und bei den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG) zu verstehen (vgl. Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 69/09, BFHE 236, 298, BStBl II 2012, 888, m.w.N.). Ebenso ist für die zeitliche Zuordnung der Einkünfte auf den Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG abzustellen. Daher ist –entgegen der Auffassung der Klägerin– das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nur im Rahmen der Überschusseinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzuwenden, lässt nach § 11 Abs. 1 Satz 5 EStG dagegen die für die Gewinneinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG geltenden Sondervorschriften (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) unberührt (Senatsurteil in BFHE 236, 298, BStBl II 2012, 888).
12
b) aa) Die Familienkasse hat die Höhe der Einkünfte und Bezüge eines Kindes selbständig und ohne Bindung an den Inhalt eines für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln. Dem für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheid kommt für die Festsetzung des Kindergelds keine Bindungswirkung zu, es handelt sich dabei nicht um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 23. November 2001 VI R 125/00, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296; Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2008 III B 109/08, BFH/NV 2009, 160). Unerheblich ist daher auch, dass die Klägerin mangels Beschwer nicht gegen die Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem S vorgehen kann. Da sie durch eine fehlerhafte Einkünfteberechnung der Familienkasse beschwert wäre, stünden ihr insoweit ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.
13
bb) Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass das steuerpflichtige Kind steuerliche Wahlrechte für Zwecke der Steuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung unterschiedlich ausüben könnte. Da der Einkünftebegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dem des § 2 Abs. 2 EStG entspricht, sind auch die für die einzelnen Einkunftsarten geltenden Einkunftsermittlungsvorschriften zu beachten (vgl. etwa Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach –HHR–, § 32 EStG Rz 136). Insoweit bestimmen die für die einzelnen Einkunftsarten geltenden Vorschriften des materiellen und formellen Steuerrechts, ob und gegebenenfalls in welcher Art und Weise ein steuerliches Wahlrecht ausgeübt wird. Hat der Steuerpflichtige für Zwecke der Einkommensteuerfestsetzung ein steuerrechtliches Wahlrecht wirksam in bestimmter Weise ausgeübt, ist dies deshalb auch für die Einkünfteberechnung im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgebend.
14
2. a) aa) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen Gewerbetreibende, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Trifft sie eine solche Verpflichtung nicht und führen sie keine Bücher und machen sie keine Abschlüsse, können sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Nicht buchführungspflichtige Gewerbetreibende, die auch freiwillig keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, haben danach das Recht, zwischen der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen (BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 57/07, BFHE 224, 513, BStBl II 2009, 659, und vom 21. Juli 2009 X R 46/08, BFH/NV 2010, 186).
15
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht das Wahlrecht nur dem Steuerpflichtigen, d.h. im vorliegenden Fall dem Kind S, zu. Dass die Einkünfte des Kindes über § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG den Kindergeldanspruch der Klägerin beeinflussen, bedeutet nicht, dass einkommensteuerrechtliche Wahlrechte des Kindes im Kindergeldfestsetzungsverfahren vom Kindergeldberechtigten ausgeübt werden können. Die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthält nur eine Anknüpfung an die Definition des Einkünftebegriffs des § 2 Abs. 2 EStG, sie führt indessen nicht dazu, dass hinsichtlich der Person des Steuerpflichtigen das Kind durch den Kindergeldberechtigten ersetzt würde. Folglich kann es auch nicht zu dem von der Klägerin angegriffenen Übergang einer von S freiwillig übernommenen Buchführungspflicht auf die Klägerin kommen.
16
Diese Auslegung widerspricht nicht dem von der Klägerin zitierten BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 201/78 (BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301). In diesem Fall ging es um die Frage, ob der Steuerpflichtige eine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen haben kann, wenn er bestreitet, gewerblich tätig geworden zu sein. Diese Frage stellt sich im Streitfall nicht.
17
b) Das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entfällt erst mit der Erstellung des Abschlusses, nicht hingegen bereits mit der Einrichtung der Buchführung. Da der Steuerpflichtige den Abschluss erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums erstellt, wird die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten auch erst durch den Abschluss und folglich nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres ausgeübt (BFH-Urteil in BFHE 224, 513, BStBl II 2009, 659, m.w.N.).
18
Hat der Steuerpflichtige wirksam die Einnahme-Überschussrechnung als Gewinnermittlungsmethode gewählt, kann er nicht später für das betreffende Wirtschaftsjahr diese Wahl rückgängig machen und die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich wählen (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 VIII R 74/05, BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §§ 4, 5 Rz 1504).
19
Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechende (zur Geltung bei freiwillig Buchführenden s. HHR/Stobbe, § 5 EStG Rz 35) Buchführung eingerichtet hat (BFH-Urteil in BFHE 224, 513, BStBl II 2009, 659).
20
c) Ein Einzelunternehmer hat seine Einnahme-Überschussrechnung bzw. seinen Bestandsvergleich in dem Zeitpunkt erstellt, in dem er sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht (vgl. hierzu Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 44). Als Beweisanzeichen dafür, dass der Einzelunternehmer die fertiggestellte Gewinnermittlung als endgültig ansieht, kann u.a. die Tatsache gewertet werden, dass er sie in den Rechtsverkehr begibt (z.B. Übersendung an das FA).
21
3. Das FG ist von den vorgenannten Grundsätzen ausgegangen.
22
Es hat festgestellt, dass S nicht gesetzlich verpflichtet gewesen ist, Bücher zu führen, jedoch freiwillig Bücher geführt und für 2006 einen Abschluss durch Betriebsvermögensvergleich erstellt hat. Nach den Feststellungen des FG wurde der Bestandsvergleich auch zeitlich vor der Einnahme-Überschussrechnung erstellt. Denn S hat bereits am 10. April 2008 den Bestandsvergleich fertiggestellt. Er hat diesen auch objektiv erkennbar als endgültig angesehen, was sich daraus ergibt, dass er ihn nach den Feststellungen des FG beim FA eingereicht hat. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Einnahme-Überschussrechnung (11. April 2008) war das Wahlrecht bereits wegen des zeitlich früher erfolgten Bestandsvergleichs verbraucht.
23
Dahingestellt lassen kann der Senat, ob sich etwas anderes ergäbe, wenn –wie von der Klägerin vorgetragen– zunächst die Einnahme-Überschussrechnung erstellt, diese dann aber erst später als der Bestandsvergleich ausgedruckt worden wäre. Denn insoweit handelt es sich um ein im Revisionsverfahren unbeachtliches neues Vorbringen (§ 118 Abs. 2 FGO). Weder hat die Klägerin ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils diesen Sachverhalt im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen noch hat sie insoweit einen –befristeten– Antrag auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 Abs. 1 FGO gestellt. Ebenso wenig hat sie eine Verfahrensrüge wegen einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht seitens des FG erhoben.

Einkommensteuer: Ermäßigte Besteuerung von Abfindungszahlungen über mehrere Jahre

Finanzgericht Köln, 10 K 1481/10

Datum: 27.02.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 10. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 10 K 1481/10
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

2 Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine an den Kläger gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern ist.

3 Der Kläger war seit 1981 Arbeitnehmer bei der C AG sowie diversen Töchtern der Gesellschaft. Zuletzt arbeitete er als Chemiker für die Tochtergesellschaft E Textilfarben GmbH & Co KG.

4 Am 21. Dezember 2005 schlossen der Kläger und die E einen Aufhebungsvertrag über das Arbeitsverhältnis. § 3 des Aufhebungsvertrages lautet wie folgt:

5„Zum Ausgleich der durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Nachteile enthalten Sie eine Abfindung.

6Unter Anrechnung von Leistungen Dritter, z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Krankengeld, Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie Bezügen aus anderweitiger beruflicher Tätigkeit, garantieren wir Ihnen eine Gesamtleistung von insgesamt Euro 514.784,00 brutto.

7Die Gesamtleistung setzt sich zusammen aus:

8Einer Einmalzahlung, die zeitnah zum Austrittstermin 30. September 2006, spätestens aber am 31. Januar 2007 in Höhe von Euro 155.000,00 brutto gezahlt wird,

9sowie Leistungen vom 1. Oktober 2006 bis 30. Juni 2011 in Höhe von monatlich Euro 6.112,00 brutto.

10Der Anspruch auf die Einmalzahlung in Höhe von Euro 155.000,00 brutto entsteht mit der Unterzeichnung dieser Vereinbarung und ist somit vererblich.“

11Daneben existiert ein Schreiben der E vom 21 Dezember 2005, welches mit „Geheimhaltungsvereinbarung“ überschrieben ist. Diese Vereinbarung soll zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin gelten. Inhaltlich weist die E auf die nachwirkende Verschwiegenheitspflicht hin und bezieht sich insoweit auf den Anstellungsvertrag. Unterzeichnet ist das Schreiben von zwei Vertretern der Arbeitgeberin. An einer nicht näher gekennzeichneten Stelle ist eine weitere Unterschrift, welche dem Kläger zuzuordnen sein soll. Auf Bl. 26 folgende Gerichtsakten wird Bezug genommen.

12Im Rahmen der steuerlichen Veranlagung vom 10. Februar 2009 zur Einkommensteuer 2007 wurde der Bruttoarbeitslohn antragsgemäß in einer Höhe von 206.934 € angesetzt.

13Am 17. Februar 2009 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 ein und beantragten für die Einmalzahlung in Höhe von 155.000 € die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 EStG.

14Am 22. Mai 2009 erließ der Beklagte aus anderen Gründen einen Änderungsbescheid wegen Einkommensteuer 2007.

15Am 16. April 2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG nur in Betracht komme, wenn eine Entschädigung, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wird, zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließe. Davon sei im Streitfall nicht auszugehen, da der Kläger neben der Einmalzahlung über einen mehrjährigen Zeitraum monatlich Zahlungen gemäß dem Abfindungsvertrag erhalten habe. Ein Ausnahmetatbestand, der eine andere Betrachtung rechtfertigen würde, liege nicht vor.

16Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrer Klage vom 11. Mai 2010.

17Zur Begründung tragen sie vor, dass die Abfindung das Ergebnis langwieriger Verhandlungen gewesen sei. Vor dem Hintergrund einer Krebserkrankung des Klägers sei man übereingekommen, einen Festbetrag als vererblich einmalig auszuzahlen. Dieser Betrag sei eine Entschädigung für ein mit der Arbeitgeberin vereinbartes Wettbewerbsverbot, wonach der Kläger ihm gehörende Patente bei Mitbewerbern nicht habe verwenden dürfen. Die monatlichen Zahlungen seien als Ausgleich für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Im Übrigen sei die E inzwischen insolvent, so dass keinerlei Zahlungen mehr flössen.

18Es sei von Anfang an beabsichtigt gewesen, zwei verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis durch zwei verschiedene Abfindungsmodalitäten zu regeln. Es sei auch aus der Geheimhaltungsvereinbarung eindeutig erkennbar, dass hier ein weitergehendes Wettbewerbsverbot geregelt werden sollte, als es in dem ursprünglichen Arbeitsvertrag geregelt war. Im Übrigen sei nicht sicher gewesen, ob die arbeitsvertragliche Wettbewerbsklausel überhaupt wirksam war. Als Gegenleistung hierfür sollte der Einmalbetrag gezahlt werden. Hierüber seien sich die Beteiligten einig gewesen. Diese Zahlung habe nichts mit der monatlichen Leistung zu tun gehabt.

19Der Umstand dass sich der Kläger auf 2008 bei anderen Unternehmen um Arbeitsmöglichkeiten bemüht habe, sei auf den Umstand zurückzuführen, dass der Kläger seinerzeit habe absehen können, was die Arbeitgeber sind in die Insolvenz gehen würde.

20Die Kläger beantragen,

21die Einkommensteuerveranlagung vom 22. Mai 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2010 dahingehend abzuändern, dass ein Betrag in einer Höhe von 155.000 € ermäßigt nach den Regelungen des § 34 EStG besteuert werden.

22Der Beklagte beantragt,

23die Klage abzuweisen.

24Er trägt vor, dass nicht erkennbar gewesen sei, dass es sich bei der Einmalzahlung um eine Entschädigung für ein Wettbewerbsverbot handeln sollte. Hieraus ist aus der Abfindungsvereinbarung nichts ersichtlich. Im Übrigen sei mit dem Schreiben vom 21. Dezember 2005 keine Geheimhaltungsvereinbarung zu Stande gekommen. Vielmehr habe die Arbeitgeberin den Kläger lediglich auf bereits bestehende Geheimhaltungsverpflichtungen hingewiesen. Der vorgetragene Umstand, dass der Kläger aufgrund des Wettbewerbsverbotes bei keinem Mitbewerber mehr hätte tätig werden sollen, vertrage sich nicht mit dem Umstand, dass der Kläger in seiner Steuererklärung 2008 Werbungskosten im Zusammenhang mit aufzunehmenden Kontakten aus der Branche der Farbstoffproduzenten geltend gemacht hat. Aus der Abfindungsvereinbarung lasse sich lediglich schließen, dass aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abfindungen in unterschiedlichen Formen gezahlt werden sollten. Dies rechtfertige jedoch keine ermäßigte Besteuerung.

25Entscheidungsgründe

26Die Klage ist nicht begründet.

271. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, vergleiche § 100 Abs. 1 FGO.

28Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG im Hinblick auf die Zahlung von 155.000 €.

29a. Die Besteuerung einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich einen zusammengeballten Zufluss der Entschädigung in einem Veranlagungszeitraum voraus, da die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1a) EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätte, vollständig in einem Betrag gezahlt wird. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung nicht gegeben; eine Anwendung des § 34 EStG kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteile vom 21.06.2006 XI R 29/05, BFH/NV 2006, 1833; vom 21. März 1996 XI R 51/95, BStBl II 1996, 416; vom 3. Juli 2002 XI R 80/00, BStBl II 2004, 447; vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BStBl II 2004, 1055; vom 03.07.2002 XI R 80/00, BStBl II 2004, 447; vom 14.08.2001 XI R 22/00, BStBl II 2002, 180; Schmidt/Seeger, EStG § 34 Rz. 17 und § 24 Rz. 12; Mellinghoff in Kirchhof, EStG § 34 Rz. 19). Hierbei macht es keinen Unterschied, ob Hintergrund der Abfindungsleistungen eine tarifvertragliche Bestimmung oder eine individuelle Verhandlung war (FG Köln vom 14.07.2010 10 K 4061/09, EFG 2010,1983). Liegt eine Zusammenballung nicht vor und ist mithin der Tatbestand des § 34 Abs. 1 EStG nicht erfüllt, ist die Besteuerung der in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen zugeflossenen Entschädigung mit dem regulären Steuersatz die vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge. Ein Ermessen für den Beklagten gibt es dabei nicht. Dass die Anwendung des normalen, anstelle des ermäßigten Steuersatzes bei Auszahlung einer Entschädigung in zwei Veranlagungszeiträumen nach der ständigen Rechtsprechung zu einer steuerlichen Mehrbelastung führt, hat der Gesetzgeber gesehen. Der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG ist bei einer Aufteilung einer Entschädigung auf zwei Veranlagungszeiträume selbst dann zu versagen, wenn die Aufteilung keine oder nur eine unwesentliche steuerliche Entlastung zur Folge hat. Der tatsächliche Progressionseffekt ist ohne Bedeutung. Der Steuersatz ist auch im umgekehrten Fall selbst dann zu ermäßigen, wenn durch die Entschädigung keine zusätzliche Progressionsbelastung eintritt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 180, 152, BStBl II 1996, 416, m.w.N.). Da die begünstigte Besteuerung nur zur Vermeidung von Härten gewährt wird, die sich aus dem Zufluss von zusammengeballten Abfindungsleistungen in einem Veranlagungszeitraum ergeben, kann es bei der Beurteilung, ob eine solche begünstigte Besteuerung hinsichtlich von Abfindungen zu gewähren ist, nur auf den Anlass der Abfindung, nicht aber darauf ankommen, aus welchem Rechtsgrund ausgezahlt wird (FG Köln vom 14.07.2010 10 K 4061/09, EFG 2010,1983).

30b. In Anwendung dieser Grundsätze war die ermäßigte Besteuerung im Hinblick auf die Auszahlung von 155.000 € nicht zu gewähren.

31Der Senat lässt insoweit ausdrücklich offen, ob die 155.000 € tatsächlich ausschließlich im Hinblick auf ein Wettbewerbsverbot gezahlt wurden oder – worauf wegen der seinerzeitigen Krebserkrankung des Klägers die besondere Bedeutung der Vererblichkeit des Anspruches hinweist – der Betrag lediglich Bestandteil einer umfassenden Abfindungsabrede war. Aus diesem Grund muss der angebotene Zeugenbeweis auch nicht erhoben werden.

32Entscheidend ist nach den dargestellten Grundsätzen, dass hinsichtlich der Frage der Zusammenballung nur auf den Anlass der Zahlung und nicht auf den Rechtsgrund der Zahlung abzustellen ist. Insoweit ist Anlass sowohl der Einmalzahlung, als auch der monatlichen Zahlungen der Austritt des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargestellt, dass sein Arbeitgeber ein Interesse an der Wahrung der Betriebsgeheimnisse im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte. Dies zeigt deutlich, dass die Zahlung – soweit sie ausschließlich für ein Wettbewerbsverbot bzw. eine Geheimhaltungsverpflichtung erfolgt sein sollte – jedenfalls an den Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekoppelt war. Im Hinblick auf die monatlichen Leistungen ist dies unstreitig. Daher fehlte es im vorliegenden Fall an einer für eine begünstigte Besteuerung notwendigen Zusammenballung von Leistungen. Diese erstreckten sich über mehrere Jahre. Daran ändert auch die inzwischen eingetretene Insolvenz des Arbeitgebers nichts.

33c. Eine der ausdrücklich vom BFH zugelassenen Ausnahmesituationen (Gründe der sozialen Fürsorge oder Existenzbedrohung des Empfängers oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Zahlungsverpflichteten, vgl. FG Köln vom 14.07.2010 10 K 4061/09, EFG 2010,1983), in denen trotz Auszahlung in zwei oder mehr Jahren eine Zusammenballung i.S.d. § 34 EStG angenommen wird, liegt im Streitfall nicht vor. Weder wurde dazu von der Klägerseite vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte, nach denen eine solche Situation aus den Akten erkennbar wäre.

342. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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Verlustfeststellung: Keine Berücksichtigung geltend gemachter Verluste bei bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen

Finanzgericht Köln, 7 K 1654/12

Datum: 30.01.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 7. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 7 K 1654/12
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand2Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Jahre 2006 bis 2010 Verlustfeststellungsbescheide zur Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu erlassen sind.

3Der Kläger befand sich in den nicht streitbefangenen Jahren 2004 und 2005 in einer Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter und erzielte in diesem Zusammenhang Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft. Er schloss seine Ausbildung im Juli 2005 ab und begann im September 2006 ein Fachhochschulstudium in B. Die Einkommensteuerveranlagungen für 2004 und 2005, in denen der Kläger auch Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte, erfolgten erklärungsgemäß und wurden bestandskräftig.

4In den Streitjahren 2006 bis 2010 wurde der Kläger zur Einkommensteuer veranlagt. Ausweislich der von ihm für 2007 am 5.11.2008, für 2008 am 26.11.2009, für 2009 am 16.8.2010 und für 2010 am 12.10.2011 eingereichten Einkommensteuererklärungen erzielte er lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Beteiligung an der Grundstücksgemeinschaft in Höhe von 2.431 Euro (2007 und 2008), 2.411 Euro (2009) bzw. 4.822 Euro (2010). Angaben zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bzw. von hiermit in Zusammenhang stehenden Werbungskosten machte er nicht. Den Steuererklärungen war keine Anlage N beigefügt. Die im Mantelbogen für den Bereich der Sonderausgaben unter der Rubrik „Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung der Stpfl./des Ehemannes“ vorgesehenen Felder hatte der Kläger nicht ausgefüllt. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten befindlichen Steuererklärungen Bezug genommen.

5Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2007 mit Bescheid vom 19.12.2008, für 2008 mit Bescheid vom 8.12.2009, für 2009 mit Bescheid vom 3.9.2010 und für 2010 mit Bescheid vom 3.11.2011 jeweils erklärungsgemäß auf 0 Euro fest. Darüber hinaus schätzte er für das Jahr 2006 die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer 2006 mit Bescheid vom 28.8.2008 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ebenfalls auf 0 Euro fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit Bescheid vom 29.10.2008 aufgehoben. Die vorgenannten Steuerbescheide wurden bestandskräftig.

6Am 27.12.2011 reichte der Kläger beim Beklagten für 2006 erstmalig bzw. für 2007 bis 2010 geänderte Einkommensteuererklärungen ein, in denen er nunmehr erstmalig auf der Anlage N die ihm im Zusammenhang mit seinem Studium jeweils entstandenen Aufwendungen – dies waren insbesondere Kosten für die Unterkunft am Studienort, Studiengebühren, Arbeitsmittel/Fachbücher sowie Fahrtkosten – als Werbungkosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte. Die Aufwendungen beliefen sich für 2006 auf 5.152 Euro, für 2007 auf 10.145 Euro, für 2008 auf 10.177 Euro, für 2009 auf 10.065 Euro und für 2010 auf 8.779 Euro. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten befindlichen Steuererklärungen vom 27.12.2011 nebst Anlagen Bezug genommen.

7Mit Schreiben vom 4.1.2012 lehnte der Beklagte den Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden zur Berücksichtigung der bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gel-tend gemachten Verluste ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2006 bis 2010 bestandskräftig seien und eine Verlustfeststellung für diese Jahre daher bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr in Betracht komme.

8Den hiergegen vom Kläger unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erhobenen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 26.4.2012 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine Verlustfeststellung für die Streitjahre aus formellen Gründen nicht in Betracht komme. Nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 sei eine erstmalige bzw. eine geänderte Verlustfeststellung nur zulässig, wenn der jeweils zugrunde liegende Einkommensteuerbescheid noch änderbar sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2006 bis 2010 seien bestandskräftig geworden. Insbesondere scheide eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus, da den Kläger jedenfalls ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen im Sinne des § 173 AO treffe. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Blick auf seine Ausbildung und die in diesem Zusammenhang in den Jahren 2004 und 2005 geltend gemachten Werbungskosten habe erkennen können, dass auch die Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten hätten geltend gemacht werden können. Zudem habe der Kläger die im Mantelbogen der jeweiligen Einkommensteuererklärungen im Bereich der Sonderausgaben ausdrücklich gestellte Frage nach den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung nicht beantwortet und die hierfür vorgesehenen Felder nicht ausgefüllt. Die geltend gemachten Kosten für das Studium stellten zweifellos Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung dar. Für die im Rahmen des § 173 AO relevante und den tatsächlichen Bereich betreffende Frage, ob Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung angefallen seien, komme es nicht darauf an, wie diese Aufwendungen rechtlich – etwa als Sonderausgaben oder als Werbungskosten – einzustufen seien. Selbst wenn der Kläger die Geltendmachung der Aufwendungen mit Blick auf seine geringen Einkünfte und eine damit einhergehende fehlende steuerliche Auswirkung unterlassen habe, entbinde ihn dies nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.

9Mit seiner hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter und führt ergänzend aus, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen für 2006 bis 2010 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gegeben seien. Ihn – den Kläger – treffe am nachträglichen Bekanntwerden der Aufwendungen für das Studium kein Verschulden. Insbesondere liege keine grobe Fahrlässigkeit vor. Es sei zu berücksichtigen, dass er den Abzug von vorweggenommenen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begehre. Weder aus der Anlage N noch den dazugehörigen Merkblättern sei erkennbar, dass Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht werden könnten. Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO komme es darauf an, ob ein Steuerpflichtiger die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe. Subjektiv entschuldbare Rechtsirrtümer, die zu einem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen führten, schlössen eine grobe Fahrlässigkeit aus (vgl. BFH-Urteil vom 23.1.2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379).

10Im vorliegenden Zusammenhang sei von Bedeutung, dass er – der Kläger – in den Jahren 2006 bis 2010 keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe. Er verfüge zudem nicht über steuerliche Kenntnisse. Daher könne nicht erwartet werden, dass er – der Kläger – zu dieser Einkunftsart Eintragungen vornehme. Der steuerlich nicht bewanderte Bürger verstehe die Anlage N nämlich dahingehend, dass dort nur die Einnahmen aus einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit sowie die damit zusammenhängende Aufwendungen zu erfassen seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne nicht auf die fehlenden Angaben zu den Berufsausbildungskosten bei den Sonderausgaben abgestellt werden. Denn andernfalls blieben wesentliche Merkmale des vorliegend relevanten Sachverhaltes völlig unbeachtet. Das bloße Falsch- oder Nichtausfüllen einer Steuererklärung begründe noch kein grobes Verschulden. Der Beklagte habe im Übrigen auch nicht dargelegt, welche maßgeblichen persönlichen Kenntnisse oder Fähigkeiten er – der Kläger – beim Ausfüllen der Steuererklärung nicht beachtet habe. Zudem sei nicht erkennbar, dass in diesem Zusammenhang ein „schweres Maß“ an Verschulden vorliege und welche gebotene Sorgfalt er – der Kläger – in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe. Entscheidend sei im vorliegenden Fall, dass weder im Bereich der „Werbungskosten“ noch „irgendwo anders“ ein Hinweis auf die Möglichkeit der Geltendmachung von vorweggenommenen Werbungskosten zu finden sei. Daher habe er – der Kläger – die „speziellen rechtlichen Besonderheiten“ für die Geltendmachung dieser Aufwendungen „nicht im mindesten“ erkennen können. Es sei schon „weit hergeholt“, wenn der Beklagte eine Eintragung im Mantelbogen bei den Sonderausgaben verlange und auf diese Weise einen nicht vorhandenen Zusammenhang der Aufwendungen mit einem anderen Vorgang herzustellen versuche.

11Im Unterschied zu den in der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen gehe es vorliegend nicht lediglich um eine betragsmäßige Änderung von Aufwendungen in demselben rechtlichen Bereich. Die vom Beklagten geforderten Angaben bei den Sonderausgaben stünden vielmehr mit einer völlig anderen Thematik im Zusammenhang und hätten daher mit Blick auf die Werbungskosten „umqualifiziert“ werden müssen. Es sei kaum anzunehmen, dass der Beklagte Erörterungen vorgenommen und eine Verlustfeststellung hinsichtlich der vorweggenommenen Werbungkosten durchgeführt hätte, wenn er – der Kläger – die Angaben bei den Sonderausgaben tatsächlich gemacht hätte. Da sich aufgrund der geringen Einkünfte ohnehin keine Steuer ergeben habe, hätten auch die weiteren Angaben keine unmittelbaren tatsächlichen Auswirkungen gehabt. Vor diesem Hintergrund treffe ihn – den Kläger – lediglich eine geringere Sorgfaltspflicht. Denn wenn ein Steuerpflichtiger auf die nach seiner Meinung und darüber hinaus auch in objektiver Hinsicht völlig sinnlosen Angaben zu weiteren Aufwendungen verzichte, liege darin keine schwere Verletzung seiner Sorgfaltspflichten. Ein solches Unterlassen sei auch nicht unentschuldbar.

12Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Frage der Behandlung von Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung als Werbungkosten noch „relativ jung“ gewesen sei. Für einen steuerrechtlichen Laien mit normalem Bildungsstand und durchschnittlicher Intelligenz sei die verfahrensrechtliche Besonderheit einer ggfls. erforderlichen Verlustfeststellung nicht erkennbar. Diesbezügliche Nachfragen oder Nachforschungen könnten von ihm daher nicht erwartet oder gefordert werden. Er – der Kläger – habe wegen des Fehlens entsprechender Einnahmen auch keine Veranlassung gehabt, sich mit der Anlage N und den dortigen Ausführungen auseinanderzusetzen. Ins-besondere befinde sich auf der Anlage N ohnehin kein Hinweis auf die Möglichkeit, vorweggenommene Werbungskosten geltend machen zu können. Daher sei es auch nicht erforderlich gewesen, sich bei der Finanzverwaltung oder im Internet hierüber zu informieren. Es besteht keine Rechtspflicht, vor dem Ausfüllen der Steuererklärung fachkundigen Rat einzuholen. Insgesamt seien daher die Grundsätze aus den BFH-Urteilen vom 10.8.1988 (IX R 219/84, BFHE 154, 481; BStBl. II 1989, 131), vom 21.7.1989 (III R 303/84, BFHE 157, 488; BStBl. II 1989, 960) und vom 23.1.2001 (XI R 42/00, BFHE 194, 6; BStBl. II 2001, 379) anzuwenden.

13Der Kläger beantragt,

14den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26.12.2012 zu verpflichten, erstmalige Verlustfeststellungsbescheide auf den 31.12.2006, auf den 31.12.2007, auf den 31.12.2008, auf den 31.12.2009 und auf den 31.12.2010 zu erlassen und dabei die in den am 27.12.2011 eingereichten Einkommensteuererklärungen geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

15Der Beklagte beantragt,

16die Klage abzuweisen.

17Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist unbegründet.

20Der Beklagte hat den Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden für die Streitjahre zu Recht abgelehnt, da die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Die den nachträglich erklärten Verlusten zugrunde liegenden Einkommensteuerfestsetzungen für 2006 bis 2010 sind bestandskräftig und nicht mehr änderbar.

211.

22Gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG ist § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG auf alle nach dem 13.12.2010 erstmals erklärten Verluste anzuwenden. Das ist vorliegend der Fall, da der Kläger die streitigen Verluste erstmals am 27.12.2011 geltend machte.

23Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Darüber hinaus dürfen Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nur insoweit abweichend von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG berücksichtigt werden, als die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

24Dementsprechend scheidet eine erstmalige oder geänderte Verlustfeststellung zum Ende eines Veranlagungszeitraums aus, wenn die Einkommensteuerfestsetzungen für diesen Veranlagungszeitraum und für den vom Verlustrücktrag betroffenen Veranlagungszeitraum verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar sind (vgl. auch Heinicke, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 10d Rn 47 m.w.N.).

252.

26Die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2006 bis 2010 sind bestandskräftig. Die Voraussetzungen für eine zur Berücksichtigung der vom Kläger nachträglich geltend gemachten Verluste bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alleine in Betracht kommende Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind nicht gegeben.

27a)

28Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Grobes Verschulden im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. nur BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl. II 1995, 264; vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379 und vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl. II 2005, 75, jeweils m.w.N.).

29Ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung alleine auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht (vgl. nur BFH-Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BFHE 157, 488, BStBl. II 1989, 960 und vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl. II 1992, 65). Da die Angaben in der Erklärung gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind, muss allerdings auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, die im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellten Fragen beantworten und die dem Steuererklärungsformular beigefügten Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt durchlesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind. Deshalb handelt ein Steuerpflichtiger regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte und auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet (vgl. nur BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545 und vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BStBl. II 1993, 80 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 X B 199/09, BFH/NV 2010, 598). Dies gilt auch dann, wenn ein Steuerpflichtiger deshalb keine Angaben in seinem Erklärungsvordruck macht, weil er aufgrund eines Irrtums der Meinung ist, dass die Angaben in seinem Fall nicht von Bedeutung seien (vgl. nur BFH-Beschluss vom 28. Juli 2011 IX B 47/11, BFH/NV 2012, 1 und BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545; jeweils m.w.N.). Bei Zweifelsfragen muss sich auch der steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige um Klärung – etwa durch eine Rückfrage bei der Finanzbehörde – bemühen (vgl. nur BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545 und vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl. II 2010, 533).

30b)

31Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zueigen macht, sind die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzungen für 2006 bis 2010 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht gegeben.

32aa)

33Der Umstand, dass dem Kläger für sein Studium Aufwendungen entstanden sind, wurden dem Beklagten erst nach dem Erlass der Steuerbescheide für die Streitjahre und somit nachträglich im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bekannt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 23. Januar 2001 X R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379 m.w.N.).

34bb)

35Den Kläger trifft an diesem nachträglichen Bekanntwerden ein grobes Verschulden.

36(a)

37Dabei ist für das Jahr 2006 zu berücksichtigen, dass ein Steuerpflichtiger durch das Merkmal des groben Verschuldens in § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dazu angehalten werden soll, die zu seinem Verantwortungsbereich gehörenden steuerlich relevanten Tatsachen rechtzeitig vorzubringen (vgl. nur BFH-Urteile vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75 und vom 9. März 1990 VI R 19/85, BFH/NV 1990, 619, jeweils m.w.N.). Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bleibt auch dann bestehen, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat. Deshalb muss ein Steuerpflichtiger, der es grob schuldhaft unterlassen hat, seiner Erklärungspflicht vor Eintritt der Bestandskraft nachzukommen, es in aller Regel hinnehmen, dass der Bescheid nicht mehr zu seinen Gunsten geändert werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75 und vom 9. März 1990 VI R 19/85, BFH/NV 1990, 619, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat für das Jahr 2006 erst am 27.12.2011 – und mithin mehr als drei Jahre nach dem Eintritt der Bestandskraft des für dieses Jahr vom Beklagten erlassenen Schätzungsbescheids – eine Steuererklärung abgegeben. Damit hat er es grob schuldhaft unterlassen, die von ihm nunmehr begehrten Berufsausbildungskosten bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Rahmen des Veranlagungsverfahrens bzw. im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den Schätzungsbescheid geltend zu machen.

38(b)

39Darüber hinaus hat er die in den jeweiligen Steuererklärungsformularen für 2006 bis 2010 ausdrücklich gestellte Frage nach den „Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung“ nicht beantwortet und die entsprechenden Felder unausgefüllt gelassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich die Frage nach den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung nicht auf der Anlage N, sondern im Bereich der Sonderausgaben auf dem Mantelbogen befand. Denn ist zu berücksichtigen, dass sich der Vorwurf des groben Verschuldens im Rahmen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf die Verletzung der Mitwirkungs- und Erklärungspflichten in Form des nachträglichen Bekanntwerdens einer Tatsache (vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl. II 2010, 533) und nicht auf die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen bzw. – im vorliegenden Zusammenhang – auf die rechtliche Einordnung der nachträglich geltend gemachten Aufwendungen als (vorweggenommene) Werbungskosten oder Sonderausgaben bezieht. Vor diesem Hintergrund ist die Verortung der Frage nach den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung im Bereich der Sonderausgaben oder aber im Bereich der Werbungkosten – unabhängig davon, dass derartige Aufwendungen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einerseits als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder aber andererseits als (vorweggenommene) Werbungskosten nach § 9 EStG in Betracht kommen können – jedenfalls in der vorliegenden Konstellation für die Beurteilung des groben Verschuldens ohne Bedeutung. Insbesondere ist die Verortung im Bereich der Sonderausgaben mit Blick auf die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht überraschend.

40Zudem ist die in den Steuererklärungsvordrucken für 2006 bis 2010 auf einen konkreten Vorgang (hier: Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung) bezogene Fragestellung eindeutig und auch für den steuerlichen Laien ausreichend verständlich. Denn unter den Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung werden im allgemeinen Sprachgebrauch alle Aufwendungen verstanden, die zur Erlangung von Kenntnissen für die (spätere) Ausübung eines Berufs anfallen. Hierzu zählen insbesondere auch die im Zusammenhang mit einem Studium anfallenden Kosten, zumal das Studium nach allgemeinem Sprachverständnis auf die Ausübung eines Berufs vorbereiten soll. Obwohl der Kläger als ausgebildeter Tiefbaufacharbeiter und als Student des Bauingenieurwesens in der Lage war, die Frage nach den Berufsausbildungskosten inhaltlich zu verstehen und eine entsprechende Zuordnung der Studienkosten vorzunehmen, hat er die in den Steuererklärungsvordrucken hierfür vorgesehenen Felder trotz der dort ausdrücklich geforderten Angabe unausgefüllt gelassen und sich damit grob schuldhaft im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO verhalten. Selbst wenn der Kläger Zweifel gehabt hätte, ob die Aufwendungen für sein Studium unter die Rubrik „Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung“ fallen, hätte er diesen Zweifeln beim Ausfüllen der Steuererklärung nachgehen können und müssen (vgl. nur BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl. II 2010, 533).

41(c)

42Für die Frage des Verschuldens des Klägers am nachträglichen Bekanntwerden der Aufwendungen kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Fall der rechtzeitigen Geltendmachung der Aufwendungen in weitere Erörterungen eingetreten wäre und ob er einen Verlustfeststellungsbescheid erlassen hätte. Darüber hinaus führt der vom Kläger angeführte (rechtliche) Umstand, dass die steuerliche Behandlung von Ausbildungskosten beim damaligen Ausfüllen der ursprünglichen Steuererklärungen noch „relativ jung“ gewesen sei, nicht zu einer anderen Beurteilung im Hinblick auf das grobe Verschulden wegen des nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen, die im Steuererklärungsformular ausdrücklich abgefragt werden. Schließlich lässt auch der Einwand des Klägers, es habe für ihn mit Blick auf seine geringen Vermietungseinkünfte und die daraus folgende „Nullfestsetzung“ keine Veranlassung zur Angabe der Studienkosten bzw. zur Geltendmachung weiterer Aufwendungen bestanden, den Vorwurf des groben Verschuldens im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht entfallen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH-Beschluss vom 28. Juli 2011 IX B 47/11, BFH/NV 2012, 1 und BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545; jeweils m.w.N.).

43Die vom Kläger angeführten Urteile des BFH vom 23. Januar 2001 (XI R 42/00, BFHE 194, 6; BStBl. II 2001, 379), vom 21. Juli 1989 (III R 303/84, BFHE 157, 488; BStBl. II 1989, 960) und vom 10. August 1988 (IX R 219/84, BFHE 154, 481; BStBl. II 1989, 131) stehen der Gesamtbeurteilung nicht entgegen, zumal sie zu abweichenden Sachverhalten ergangen waren. Im Übrigen wurden die dort für die Beurteilung des groben Verschuldens aufgestellten Rechtsgrundsätze vorliegend berücksichtigt.

443.

45Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.