Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

Einsichtsrechte der Gesellschafter einer oHG in Geschäftsunterlagen

Einsichtsrechte der Gesellschafter einer oHG in Geschäftsunterlagen

Kernaussage

Der nicht geschäftsführende Gesellschafter hat grundsätzlich Anspruch auf uneingeschränkte Einsicht in die Handelsbücher und Papiere einer Gesellschaft. Eine in der Vergangenheit liegende gesellschaftswidrige Verwendung von Informationen gibt allein noch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die geforderten Informationen auch weiterhin missbräuchlich verwendet werden. Vielmehr ist für die Geltendmachung eines Einsichtsverweigerungsrechts im Vollstreckungsverfahren die zukünftige Entwicklung entscheidend.

Sachverhalt

Die Parteien sind Gesellschafter einer Brauerei & Co. oHG. Der nicht geschäftsführende Kläger begehrt als einmalig künftige Leistung die Einsichtnahme in sämtliche Handelsbücher und Papiere der Gesellschaft sowie deren Tochtergesellschaft, die zum Zeitpunkt der Vollstreckung in deren Besitz sind. Die Beklagten hatten den Einsichtsanspruch bis zur Klageerhebung grundsätzlich erfüllt. Lediglich in die Unterlagen der Tochtergesellschaft wurde zeitweise die Einsicht versagt, da die Gefahr bestand, der Kläger werde die gewonnenen Informationen zu kreditschädigenden Aussagen missbrauchen. Außerdem bestünde ein Einsichtsverweigerungsrecht, da der Kläger dem Manager Magazin Informationen weiter gegeben habe, aufgrund derer ein kreditschädigender Artikel veröffentlicht wurde. Der Kläger bestritt dies und bekam Recht. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Entscheidung

Dem Kläger steht ein umfassendes Einsichtsrecht zu. Ein Gesellschafter kann auf künftige Einsicht klagen, denn ihm geht es im Allgemeinen um die Sicherung des Einsichtsrechts für die Zukunft bis zu einem etwaigen Ausscheiden aus der Gesellschaft. Bei zukünftiger Einsichtnahme kann der Einwand der Erfüllung bzw. mangelnden Fälligkeit von Anfang an nicht eingreifen. Auch kann das Einsichtsverweigerungsrecht bei zukünftiger Leistung nicht im Erkenntnisverfahren erfolgreich durchgesetzt werden, denn hierüber ist grundsätzlich erst im Vollstreckungsverfahren zu entscheiden. Allein aufgrund einer bestimmten vergangenen – hier unterstellten – Verwendung von Informationen lässt sich nicht sicher beurteilen, ob eine weitere missbräuchliche Verwendung zu besorgen ist.

Konsequenz

In den Urteilsgründen wird erneut festgestellt, dass die Einsichtsrechte jedes, auch des nicht geschäftsführenden Geschäftsführers nur in Ausnahmefällen einzuschränken sind.

Wer haftet für unterbliebene Ad-hoc-Mitteilungen?

Wer haftet für unterbliebene Ad-hoc-Mitteilungen?

Kernaussage

Durch so genannte Ad-hoc-Mitteilungen verbreiten häufig Aktiengesellschaften Neuigkeiten zu Unternehmenszahlen oder bedeutsame Geschäftsabschlüsse. Diese Mitteilungen können ein Steigen oder Sinken des Aktienkurses an der Börse zur Folge haben. Ein Düsseldorfer Kreditinstitut z. B. hatte ihr Engagement in notleidenden Hypothekenpapieren in den USA in einer solchen Ad-hoc-Mitteilung kurz vor ihrem Beinahe-Zusammenbruch im Juli 2007 relativiert, obwohl sie deren Bedeutung für den Finanzmarkt erkannt hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich nunmehr damit, ob die Bank ihren Aktionären aufgrund dieser Handlung zum Ausgleich der Verluste in Form des Schadensersatzes verpflichtet ist.

Sachverhalt

Seit 2007 fielen Forderungen aus dem US-Hypothekenmarkt verstärkt aus, weshalb auch die Preise für die durch die beklagte Bank emittierten Anleihen sanken. Es gab daraufhin Gerüchte, die Bank treffe im Hinblick auf die US-Hypothekenkredite ein substantielles Risiko. Um diese Gerüchte auszuräumen, veranlasste der Vorstandsvorsitzende in Kenntnis der tatsächlichen Umstände am 20.7.2007 die Herausgabe einer Pressemitteilung, wonach nur eine geringe Betroffenheit der Beklagten durch die US-Hypothekenkredite behauptet wurde. Am 26.7.2007 erwarb ein Privatanleger 1.000 Aktien der Bank; am 29.7.2007 musste diese von ihrem Großaktionär massiv gestützt werden. Nach entsprechender Ad-hoc-Mitteilung brach ihr Aktienkurs ein. Der Anleger verlangt nunmehr von der Bank Erstattung des Kaufpreises für die Aktien Zug-um-Zug gegen deren Rückübertragung. Der BGH gab ihm grundsätzlich Recht, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurück.

Entscheidung

Der Anleger kann seinen Schadensersatzanspruch auf die falschen Angaben in der Pressemitteilung vom 20.7.2007 stützen. Unerheblich ist, ob die Bank ihren Beinahe-Zusammenbruch Ende Juli vorhersehen konnte. Entscheidend ist allein, dass sie die Bedeutung ihres Engagements im Zusammenhang mit den US-Hypothekenkrediten für den Wertpapierhandel erkannt hat. Der Anleger kann daher die Erstattung des Kaufpreises der Aktien Zug-um-Zug gegen deren Rückgabe oder die Differenz zwischen dem Kurs bei Erwerb der Aktien und deren fiktivem Kurs bei Veröffentlichung der entsprechenden Ad-hoc-Meldung verlangen. Der Anleger hat aber noch zu beweisen, dass er die Papiere bei rechtzeitiger und wahrheitsgemäßer Veröffentlichung nicht erworben hätte.

Konsequenz

Die Schadensersatzansprüche wegen falscher/unterlassener Ad-hoc-Meldung verjähren innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der (fehlenden) Veröffentlichung, spätestens nach 3 Jahren. Bei ausführlicher Presseberichterstattung kann von einer zeitnahen Kenntnis des Anlegers ausgegangen werden. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten.

Fristlose Kündigung bei heimlicher Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung

Fristlose Kündigung bei heimlicher Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung

Kernfrage

Mitglieder des Betriebsrates genießen besonderen Kündigungsschutz. Sie können aber (auch fristlos) gekündigt werden, wenn ihnen besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen, insbesondere im Rahmen ihrer Amtsausübung, zur Last gelegt werden können. Unter anderem ist es unzulässig, Betriebsratssitzungen ohne vorherige Ankündigung auf Tonband aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte über die Zulässigkeit und die Beweisanforderungen an eine fristlose Kündigung wegen des heimlichen Aufnehmens einer Betriebsratssitzung zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war langjährig unbeanstandet im Unternehmen beschäftigt und Mitglied des Betriebsrates. Kurz vor Beginn einer Betriebsratssitzung war sie auf ihrem Handy angerufen worden und hatte zum Telefonat den Raum verlassen. Als sie zurückkehrte, meinte eine weitere Teilnehmerin der Sitzung, sie habe das Handy noch eingeschaltet und zeichne die Sitzung auf. Die weiteren Einzelheiten der Sitzung und der Auseinandersetzung darüber, ob das Handy eingeschaltet gewesen war, sind streitig geblieben. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aufgrund des Vorfalls nach Anhörung fristlos. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hatte die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Entscheidung

Das Gericht stellte zwar fest, dass das heimliche Aufzeichnen von Betriebsratssitzung wegen des Verstoßes gegen die Persönlichkeitsrechte der weiteren Teilnehmer und des an das Amt des Betriebsrats gestellten Vertrauenserfordernisses geeignet sei, auch eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, selbst wenn lediglich der dringende Verdacht bestehe. Im konkreten Fall sei aber nicht zweifelsfrei erwiesen, dass ein heimliches Abhören überhaupt vorgelegen habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit langen Jahren unbeanstandet im Unternehmen beschäftigt gewesen sei. Hinzu komme, dass sich der Betriebsrat aus eigenem Recht hätte gegen das Abhören verteidigen können, so dass nicht zwingend damit zu rechnen gewesen sei, dass der Arbeitgeber mit Kündigung reagiere. Im Übrigen wäre es dem Arbeitgeber durch Abmahnung möglich gewesen, die Klägerin für die Zukunft auf die Sensibilität ihres Amtes hinzuweisen.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht angesichts der Beweislage nicht. Dem Grunde nach ist die heimliche Aufnahme einer Betriebsratssitzung aber geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Allerdings wird auf Beweisebene nachgewiesen werden müssen, dass ein bewusstes und gewolltes Mitschneiden vorgelegen hat.

Ist Entsorgung von Speiseabfällen landwirtschaftliche Dienstleistung?

Ist Entsorgung von Speiseabfällen landwirtschaftliche Dienstleistung?

Kernaussage

Das Finanzgericht Münster entschied kürzlich, dass ein Unternehmer mit der Entsorgung von Speiseabfällen, die er nach Aufbereitung als Schweinefutter verwendet, keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen erbringt.

Sachverhalt

Ein Landwirt, der einen Mastbetrieb bewirtschaftet und umsatzsteuerlich unter die Regelung „Pauschalierer“ fällt, verfütterte in den Jahren 2003 bis 2005 an die von ihm gehaltenen Schweine Speisereste, die er mittels eines Spezialfahrzeuges bei verschiedenen Großküchen und Restaurants abholte und thermisch aufbereitete. Das den Großküchen und Gastronomieunternehmen für die Abnahme/Entsorgung der organischen Abfälle in Rechnung gestellte Entgelt unterwarf der Landwirt ebenfalls der Durchschnittsbesteuerung, da diese Tätigkeit umsatzsteuerlich als Nebenbetrieb zu werten sei. Der zuständige Betriebsprüfer (BP) folgte dieser Auffassung jedoch nicht und bewerte die Entsorgung von Speiseabfällen umsatzsteuerlich als sonstige Leistung, die als solche nicht der Durchschnitts- sondern der Regelbesteuerung zu unterwerfen sei. Zudem stellte die BP fest, dass die Speiseabfälle nicht wertlos seien, sodass zur Festsetzung der Umsatzsteuer neben dem Erlös aus der Abholung von Speiseabfällen auch der Wert der Abfälle als Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sei. Hiergegen klagte der Landwirt und obsiegte zum Teil.

Entscheidung

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Abholung/Entsorgung von Speiseresten grundsätzlich keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist und somit eine sonstige Leistung darstellt. Folglich ist eine Durchschnittsbesteuerung nicht zulässig. Selbst wenn die entsprechenden Anforderungen an eine Begünstigung erfüllt wären, käme im vorliegenden Fall eine Behandlung der Entsorgung der organischen Abfälle als Nebenbetrieb nicht in Frage. Denn die durch diese Tätigkeit erzielten Umsätze übersteigen die auf die Schweinemast entfallenden Umsätze deutlich, so dass sie nicht mehr von „untergeordneter Bedeutung“ sind. Bei der Bemessung der Bedeutung unerheblich ist, dass der Landwirt den wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft für den landwirtschaftlichen Betrieb aufgewendet hat. Die Erhöhung der Bemessungsgrundlage um den Wert der Speisereste ist hingegen nicht rechtens, da diese für Großküchen und Restaurants wertlos sind. Somit kommt es zu keinem tauschähnlichen Umsatz, der eine Einbeziehung des Wertes bei der Berechnung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage rechtfertigen würde.

Konsequenz

Erbringt ein Landwirt im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs Dienstleistungen, die über die originär landwirtschaftliche Tätigkeit hinausgehen, jedoch als landwirtschaftliche Dienstleistungen einzustufen sind, ist fortlaufend zu prüfen, ob das Verhältnis des im land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb erzielten Umsatzes im Vergleich zu dem aus dem Nebenbetrieb stammenden Umsatz weiterhin eine umfassende Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung rechtfertigt.

Zum Ansatz selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter in steuerlicher Übertragungsbilanz

Zum Ansatz selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter in steuerlicher Übertragungsbilanz

Kernaussage

Das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) bestimmt für den Fall einer rechtsformwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, dass die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der Körperschaft mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden können (Ansatzwahlrecht). Das Finanzgericht Münster hatte in diesem Zusammenhang kürzlich zu entscheiden, ob eine Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Übertragungsbilanz im Rahmen einer Umwandlung einer GmbH in eine Kommanditgesellschaft (KG) zulässig ist.

Sachverhalt

Die klagende Kommanditgesellschaft ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH; sie ist durch formwechselnde Umwandlung der GmbH entstanden. In der Übertragungsbilanz aktivierte die Klägerin – seinerzeit noch als GmbH – ihre selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter wie Firmenwert und Auftragsbestand. Anlässlich einer Betriebsprüfung versagte das Finanzamt indes eine Zuschreibung zum Firmenwert und Auftragsbestand und minderte den erklärten Gewinn um rd. 700.000 EUR. Begründet wurde dies damit, dass zwar ein Bewertungswahlrecht für die Wirtschaftsgüter der Übertragungsbilanz gegeben sei; folglich könnten die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Übertragungsbilanz der GmbH mit einem höheren Wertansatz als in der Handelsbilanz angesetzt werden. Dies gelte aber nur für solche Wirtschaftsgüter, die vom Grundsatz her überhaupt in der Steuerbilanz aktiviert werden dürften, was für den originären Firmenwert und den Auftragsbestand aber nicht der Fall sei. Daher könnten sie weder von der GmbH aktiviert noch von der KG abgeschrieben werden. Die hiergegen gerichtet Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Das Finanzamt hatte zu Unrecht die Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Übertragungsbilanz im Rahmen der formwechselnden Umwandlung versagt. Zwar ist einkommensteuergesetzlich vorgegeben, dass steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben sind. Dieser Grundsatz der Maßgeblichkeit gilt indes nicht für die steuerliche Umwandlungsbilanz, denn das Umwandlungssteuergesetz normiert eine Durchbrechung des Grundsatzes zugunsten der übertragenden Körperschaft. Zudem ändert sich bei einer formwechselnden Umwandlung allein die Rechtsform; der Unternehmensträger bleibt identisch. Da das Handelsrecht für diesen Fall weder die Aufstellung einer Schlussbilanz für die übertragende Kapitalgesellschaft noch die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz für die an ihre Stelle tretende Personengesellschaft vorsieht, ist die Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz ohnehin nicht möglich.

Konsequenz

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen; abzuwarten bleibt nun, ob und wenn ja, wie der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden wird. In einem früheren Urteil, das vom Sachverhalt den umgekehrten Fall betraf, dass eine KG im Wege einer formwechselnden Umwandlung in eine GmbH umgewandelt wurde, hat der BFH jedenfalls für den Auftragsbestand ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich keine Einwände gegen dessen Aktivierung ergäben.

Sind aufeinanderfolgend befristete Arbeitsverhältnisse zulässig?

Sind aufeinanderfolgend befristete Arbeitsverhältnisse zulässig?

Rechtslage

Nach deutschem Recht sind befristete Arbeitsverträge möglich, wenn ein sachlicher Grund (hier: die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers) besteht. Solche Sachgrundbefristung sind auch mehrmals beim selben Arbeitgeber hintereinander zulässig. Das Bundesarbeitsgericht hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor diesem Hintergrund die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Vielzahl von befristeten Arbeitsverhältnissen dazu führt, dass man bei einem Arbeitgeber von einem ständigen Vertretungsbedarf ausgehen müsse. Dies würde dann dazu führen, dass der sachliche Grund einer Befristung wegfalle und man vielmehr von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausgehen müsse.

Sachverhalt

Die Beklagte war auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverhältnissen in ein und derselben Dienststelle des beklagten Landes angestellt gewesen. Alle Verträge enthielten als sachlichen Grund für die Befristung den Vertretungsbedarf anderer Arbeitnehmer, die sich vorübergehend hatten beurlauben lassen.

Entscheidung

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass auch bei einem feststellbaren ständigen Vertretungsbedarf mehrere, hintereinander abgeschlossene befristete Arbeitsverträge zulässig sein können, allerdings eine Missbrauchskontrolle unter Berücksichtigung aller bisherigen Arbeitsverträge geboten sein kann. Aus der bloßen Tatsache, dass bei einem Arbeitgeber ein größerer und insoweit als ständig wahrgenommener Vertretungsbedarf bestehe, könne weder abgeleitet werden, dass der sachliche Grund des Vertretungsbedarfs nicht vorliege noch, dass mehrere Befristungen eine missbräuchliche Gestaltung darstellten. Allerdings sei zu überprüfen, ob im konkreten Einzelfall eine missbräuchliche Gestaltung vorliege und zwar insbesondere unter Berücksichtigung der Anzahl der Befristungen und der Wirksamkeit jeder einzelnen Befristung in der Vergangenheit.

Konsequenz

Die Entscheidung ist insoweit überraschend, als dass sie gegen die Empfehlung des Generalanwalts, der eine Unzulässigkeit solcher Kettenbefristungen angenommen hatte, erfolgt; allerdings ist sie dem Grunde nach zutreffend. Mehrere aufeinander folgende Befristungen wegen Vertretungsbedarfs sind zulässig. Neu und insbesondere im Hinblick auf eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht nicht zu unterschätzen ist allerdings, dass sämtliche bisher abgeschlossenen Befristungen – gegebenenfalls auch 15 an der Zahl – jeweils selbstständig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden müssen.

Wie sind Ablösezahlungen im Profi-Fußball zu bilanzieren?

Wie sind Ablösezahlungen im Profi-Fußball zu bilanzieren?

Kernaussage

Ablösezahlungen, die von Vereinen der Fußball-Bundesliga für den Wechsel von Lizenzspielern an die abgebenden Vereine gezahlt werden sowie Provisionen an Spielervermittler sind als Anschaffungskosten auf das immaterielle Wirtschaftsgut zu aktivieren und auf die Vertragslaufzeit abzuschreiben. Nicht zu aktivieren sind Ausbildungs- und Förderentschädigungen an die früheren Vereine und Provisionen für die ablösefreie Verpflichtung des Spielers.

Sachverhalt

Das Finanzamt versagte den sofortigen Betriebsausgabenabzug der Ablösezahlungen eines eingetragenen Vereins, der eine Lizenzspielermannschaft unterhielt. Der Kläger stütze sich auf das so genannte „Bosman-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 1995 und sah es als nicht gerechtfertigt an, Anschaffungskosten für Spielererlaubnisse zu aktivieren, weil eine solche Aktivierung auf eine verfassungswidrige Bilanzierung von „Humankapital“ hinauslaufe.

Entscheidung

Die an die abgebenden Vereine gezahlten Ablösebeträge sowie die an Spielervermittler gezahlten Provisionen für Spieler – nicht aber die geleisteten Ausbildungs- und Förderungsentschädigungen – stellen Anschaffungskosten für zu aktivierende Wirtschaftsgüter dar. Für die Beurteilung als Wirtschaftsgut kommt es darauf an, ob eine Übertragung des Wirtschaftsguts mit dem Betrieb aus der Sicht eines potenziellen Erwerbers einen eigenständigen Wert hat. Dem hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen. Die Bilanzierung von „Humankapital“ verstößt nicht gegen die durch das Grundgesetz geschützte Menschenwürde, sofern die Praxis des „Spielerhandelns“ im Profisport selbst nicht als rechts- oder sittenwidrig angesehen wird.

Konsequenz

Bei Provisionen ist für die Aktivierung zu unterscheiden, ob sie an die Spielervermittler für Spieler oder für Ausbildungs- und Förderungsentschädigung an den Ausbilderverein gezahlt werden.

Keine Existenzgründung: Auflösung einer Ansparrücklage

Keine Existenzgründung: Auflösung einer Ansparrücklage

Rechtslage

Existenzgründer, die eine Ansparrücklage gebildet haben, mussten diese gemäß der alten Fassung der entsprechenden Vorschrift im Einkommensteuergesetz wieder auflösen, sofern sie das begünstigte Wirtschaftsgut nicht bis zum 5. auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft haben. Für Nicht-Existenzgründer betrug diese Frist 2 Jahre.

Sachverhalt

Der Kläger erzielte in 1999 und 2000 als Arzt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus einer Ende 1995 übernommenen Praxis. Zuvor hatte der Kläger als Vertreter anderer Ärzte gearbeitet. In 1997 bis 1999 bildete der Kläger Ansparrücklagen für Existenzgründer. Diese wurden in 1998 und 2000 teilweise aufgelöst. Da der Kläger seine Praxis in 2001 aufgab, behandelte er die verbliebene Ansparrücklage als Betriebseinnahme. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger kein Existenzgründer war, weil er seit 1992 als so genannter Vertretungsarzt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielt habe. Die 1997 und 1998 gebildeten Ansparabschreibungen seien daher spätestens in 1999 und 2000 aufzulösen. Die Steuerbescheide für 1999 und 2000 wurden geändert. Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Im Streitfall war eine Änderung der Steuerbescheide möglich, weil das Finanzamt den Kläger zunächst irrig als Existenzgründer angesehen und deshalb davon abgesehen hatte, die Ansparabschreibung des Klägers schon nach 2 Jahren aufzulösen. Der Kläger war kein Existenzgründer, weil er bereits von 1992 bis 1995 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit bezog. Die Ansparrücklage war somit zwingend innerhalb von 2 Jahren nach deren Bildung aufzulösen.

Konsequenz

Nach der Abgabenordnung (AO) können Steuerfestsetzungen geändert werden, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Bescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt wurde, dass er in einem anderen Bescheid zu berücksichtigen sei und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt. Deshalb konnte das Finanzamt hier die rechtirrige Ansicht, der Kläger sei Existenzgründer, korrigieren und zum Anlass nehmen, die Veranlagung für die Vorjahre zu ändern und eine gebildete Ansparrücklage früher aufzulösen.

Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch Steuerabzugsverfahren nach § 50a EStG

Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch Steuerabzugsverfahren nach § 50a EStG

Rechtslage

Nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs bei Einkünften erhoben, die durch im Inland ausgeübte künstlerische oder sportliche Darbietungen erzielt werden, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte kürzlich einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem es um die EU-Rechtswidrigkeit dieses Steuerabzugsverfahrens ging.

Sachverhalt

Streitig war, ob ein deutscher Diskothekenbetreiber für nicht einbehaltene Abzugssteuer nach den entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes in Haftung genommen werden kann oder ob diese Inanspruchnahme eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung darstellt.

Entscheidung

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung zutreffend waren und der Diskothekenbetreiber die Abzugsteuer überhaupt nicht bzw. nicht korrekt einbehalten hatte und sich aus diesem Grund eine Haftung nach dem Einkommensteuergesetz ergab. Sodann setzte es sich mit der Europarechtskonformität der Vorschrift auseinander und identifiziert die Dienstleistungsfreiheit als möglicherweise verletztes Grundrecht. Das Finanzgericht bemühte in diesem Zusammenhang die so genannte „Scorpio-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofs und stellt Folgendes fest: Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind beim Steuerabzug zwingend zu berücksichtigen. Das Steuerabzugsverfahren ist ein legitimes Verfahren zur steuerlichen Erfassung bzw. zur Verhinderung einer Nichtbesteuerung. Dies war seinerzeit aber entschieden worden, weil es noch keine Gemeinschaftsrichtlinie zur gegenseitigen Amtshilfe und zur Beitreibung steuerlicher Forderungen gab. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt das Finanzgericht anschließend fest, dass auch nach Einführung der Beitreibungsrichtlinie noch keine effektive Möglichkeit zur steuerlichen Erfassung und Beitreibung von Forderungen gegen ausländische Vergütungsempfänger besteht. Ferner verstoße das in Deutschland angewandte Verfahren insoweit – zumindest in den Streitjahren – noch nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit. Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde zugelassen.

Konsequenz

Die Rechtsprechung hat mittlerweile in einer Reihe von Entscheidungen die Gemeinschaftsrechtskonformität des Steuerabzugsverfahrens bestätigt. Der Bundesfinanzhof wird jetzt nochmals die Möglichkeit haben, hierzu selbst zu entscheiden oder die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Aktive Rechnungsabgrenzung bei Darlehen mit fallenden Zinssätzen

Aktive Rechnungsabgrenzung bei Darlehen mit fallenden Zinssätzen

Rechtslage

Ausgaben vor dem Abschlussstichtag sind in der Bilanz als Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) zu aktivieren, soweit sie Ausgaben für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen.

Sachverhalt

Die Klägerin nahm bei einer Bank so genannte Step-down-Gelder auf, die mit fallenden Zinssätzen verzinst wurden (1. Jahr: 7,5 %; 10. Jahr: 3,0 %). Das Darlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren war am Ende der Laufzeit in einer Summe rückzahlbar; eine Kündigung wurde ausgeschlossen. Der im 1. Jahr in vollem Umfang vorgenommene Betriebsausgabenabzug für die Zinsen wurde seitens des Finanzamts nicht anerkannt. Die Klägerin hatte nach dessen Auffassung im Streitjahr einen Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren, weil es sich bei der Überlassung des Darlehens um eine über die Laufzeit gleichbleibende Leistung handele und deshalb die zu zahlenden Zinsen gleichmäßig auf die Laufzeit zu verteilen seien. Das Finanzgericht ließ den Betriebsausgabenabzug in vollem Umfang zu; der Bundesfinanzhof (BFH) allerdings teilte die Ansicht der Finanzverwaltung.

Entscheidung

Das Verlangen zur Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens war rechtmäßig. Die Richter bejahten den Vorleistungscharakter der hohen Darlehenszinsen im Erstjahr, da die Zinsen als Vorleistung für die Überlassung des Darlehens in der restlichen Darlehenslaufzeit anzusehen seien. Die Klägerin habe im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensverhältnisses keinen vertraglichen Anspruch auf anteilige Rückerstattung der bis zum Beendigungszeitpunkt bereits gezahlten Zinsen gehabt. Hierauf kam es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, da eine vorzeitige Kündigung und somit eine teilweise Rückforderung bisher gezahlter Zinsen nicht möglich war.

Konsequenz

Ob etwas anderes gilt, wenn die Parteien mit der Vereinbarung eines fallenden Zinssatzes beabsichtigen, ein prognostiziertes Absinken des allgemeinen Marktzinssatzes für Kapitalüberlassungen während der Darlehenslaufzeit widerzuspiegeln, bedurfte hier keiner Entscheidung.