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BMF nimmt zu elektronischen Rechnungen Stellung

BMF nimmt zu elektronischen Rechnungen Stellung

Rechtslage

Seit dem 1.7.2011 gelten vereinfachte Vorschriften für elektronische Rechnungen. Zweck der Neuregelungen war es, den Einsatz elektronischer Rechnungen zu fördern, um Kostensenkungspotentiale zu generieren. Bisher war allerdings kein Boom elektronischer Rechnungen zu verzeichnen. Ursächlich hierfür war, dass die Unternehmen den Verlust des Vorsteuerabzuges befürchteten, da das Bundesfinanzministerium (BMF) sich bisher nicht zu einer verbindlichen Stellungnahme zur Neuregelung durchringen konnte; diese liegt nun vor.

Neue Verwaltungsanweisung

Das Schreiben des BMF trifft Aussagen u. a. zu folgenden Themen: Definition der elektronischen Rechnung; Auflistung von Formaten, die zur Übertragung eingesetzt werden können (z. B. E-Mail).; Anforderungen an die ordnungsgemäße Übermittlung von Rechnungen; innerbetriebliches Kontrollverfahren als Mittel zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung elektronischer Rechnungen; Anforderungen an die ausschließlich elektronisch mögliche Aufbewahrung elektronischer Rechnungen und Erläuterung der erweiterten Rechte der Umsatzsteuersonderprüfung hinsichtlich des direkten Zugriffes auf die EDV der Unternehmen.

Konsequenzen

Unternehmen, die elektronische Rechnungen nutzen wollen bzw. solche empfangen, müssen sich mit dem Schreiben auseinandersetzen. Insbesondere für Unternehmen, die elektronische Rechnungen versenden, wird es nun einfacher. Allerdings muss der Empfänger der Übermittlung der Rechnung in elektronischer Form unverändert zustimmen. Unternehmen, die elektronische Rechnungen empfangen, müssen ein geeignetes Kontrollsystem installieren, das einen „verlässlichen Prüfpfad“ von der Bestellung bis zur Bezahlung gewährleistet. Ferner ist die ordnungsgemäße Archivierung der elektronischen Rechnungen sicherzustellen. Diese kann nur elektronisch erfolgen. Die Aufbewahrung in Papierform durch Ausdruck ist nicht zulässig. Leider lässt das Schreiben offen, wie diese Maßnahmen in der Praxis konkret umgesetzt werden können. Stattdessen sind die Ausführungen so vage, dass sie viel Raum für Interpretationen lassen. Es wird sich daher erst in der Zukunft zeigen, ob die angestrebte Vereinfachung auch in der Praxis erreicht wird und nicht durch überzogene Anforderungen der Finanzverwaltung und ihrer Prüfer konterkariert wird.

Auch FG Köln bestellt ausgebildete Mediatoren zu Güterichtern

Ab dem 1.9.2012 bietet auch das Finanzgericht Köln den Parteien eines Gerichtsverfahrens eine zusätzliche Möglichkeit zur einvernehmlichen Beilegung ihrer Streitigkeiten an. Zuvor hatte bereits das FG Münster mitgeteilt, dass aktuell Güterichter ernannt wurden.1 Das Präsidium des FG Köln hat den Präsidenten des Finanzgerichts, Benno Scharpenberg, und die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht, Camilla Hölzer, zu Güterichtern bestellt. Das Gericht stellt den Bürgern damit ein Institut zur gütlichen Streitbeilegung zur Verfügung, das erst kürzlich durch das am 26.7.2012 in Kraft getretene Mediationsgesetz ins Leben gerufen wurde.

Das Mediationsgesetz schafft durch das sogenannte “erweiterte Güterichtermodell” für die Beteiligten eines Rechtsstreits eine zusätzliche Option zur einvernehmlichen Konfliktbeilegung. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der für das Verfahren zuständige und entscheidungsbefugte Richter den Rechtsstreit an den Güterichter verweisen kann, der zusammen mit den Parteien versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Das Gesetz weist insoweit ausdrücklich darauf hin, dass der Güterichter alle Methoden der Konfliktbereinigung einschließlich der Mediation einsetzen kann. Dieser Intention des Gesetzgebers wird beim Finanzgericht Köln in besonderem Maße Rechnung getragen, indem mit dem Gerichtspräsidenten Herrn Scharpenberg und Frau Vorsitzenden Richterin Hölzer zwei ausgebildete Mediatoren zu Güterichtern bestellt wurden. Herr Scharpenberg wurde an der Hochschule Wismar zum Mediator ausgebildet. Frau Hölzer ist nach einem Aufbaustudium an der FernUniversität Hagen Master of Mediation (M.M.) und von der Anerkennungskommission der Deutschen Gesellschaft für Mediation (DGM) zur Mediatorin nach DGM-Standard zertifiziert.

Nach der Gesetzesbegründung ist die Einschaltung eines Güterichters nach Klageerhebung bei demselben Gericht, an einem anderen Gericht derselben Gerichtsbarkeit sowie an einem Gericht außerhalb der betroffenen Gerichtsbarkeit möglich. Das Einverständnis der Parteien wird vorausgesetzt. Anders als der (außergerichtliche) Mediator kann der Güterichter eine rechtliche Bewertung vornehmen und den Parteien eine konkrete Lösung ihres Konflikts, die sich nicht auf den anhängigen Streitgegenstand beschränken muss, vorschlagen. Ein Protokoll über die Verhandlung wird nur aufgenommen, wenn die Parteien dies übereinstimmend beantragen. Falls die Güteverhandlung nicht zum Erfolg führt, gibt der nicht zur streitigen Entscheidung befugte Güterichter die Sache an das entscheidungsbefugte Gericht zurück.

Finanzgericht Köln

  1. Vgl. dazu “Güterichter beim Finanzgericht Münster“.

Muster der Lohnsteuer-Anmeldung 2013

Bekanntmachung vom 30. August 2012 – IV C 5 – S 2533/12/10001 –

Bekanntmachung des Musters für die Lohnsteuer-Anmeldung 2013

Das Vordruckmuster der Lohnsteuer-Anmeldung für Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume ab Januar 2013 ist gemäß § 51 Absatz 4 Nummer 1 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzes bestimmt worden. Das Vordruckmuster und die „Übersicht über die länderunterschiedlichen Werte in der Lohnsteuer-Anmeldung 2013“ werden hiermit bekannt gemacht. Das Vordruckmuster ist auch für die Gestaltung der Vordrucke maßgebend, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen ausgefüllt werden (vgl. BMF-Schreiben vom 3. April 2012, BStBl I Seite 522).

Berlin, 30. August 2012
IV C 5 – S 2533/12/10001
DOK: 2012/0759545

Im Auftrag

Mehr zum Thema

  • Muster der Lohnsteuer-Anmeldung 2013 (PDF, 515,6 KB)
  • Übersicht über länderunterschiedliche Werte in der Lohnsteuer-Anmeldung 2013 (PDF, 40,7 KB)

E-Bilanz – Übergangsfrist endet: Sind Sie vorbereitet?

Die Zeit drängt. Für Wirtschaftsjahre ab dem 01.01.2013 muss die Einreichung der Jahresabschlussbilanz in elektronischer Form erfolgen. Den 1,35 Millionen betroffenen Unternehmen bleibt nur noch wenig Zeit, die notwendigen Umstellungen in Buchhaltung und IT vorzunehmen. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) empfiehlt den betroffenen Unternehmen, sich dazu rechtzeitig an ihren Steuerberater zu wenden.

Die Regelung zur E-Bilanz ist Teil des Steuerbürokratieabbaugesetzes (SteuBAG) der Bundesregierung, das Ende 2008 verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz wurde die Grundlage geschaffen, die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie auch für das Besteuerungsverfahren zu nutzen. Ziel ist es, die elektronische Kommunikation zwischen Unternehmen und Steuerbehörden zu verbessern.

Die Umsetzung des Gesetzes wurde bereits zweimal um je ein Jahr verschoben. Da es lange kein festes Regelwerk zur Abgabe einer Steuerbilanz gab, hat sich ein Großteil der deutschen Unternehmen bis heute nicht eingehend mit der E-Bilanz und deren Umsetzung auseinandergesetzt. Dies muss nun dringend geschehen.

Die allgemeine Nichtbeanstandungsregelung der Finanzverwaltung ermöglichte es noch für das erste Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2011 begann, die Bilanz in Papierform einzureichen. Doch die Übergangsfrist endet nun mit dem Jahr 2012. Die Abgabe einer E-Bilanz wird für das Wirtschaftsjahr 2013 zur Pflicht.

Künftig müssen Unternehmen ihre Daten in ein elektronisches Übermittlungsformat (XBRL) übertragen und bei der Finanzverwaltung einreichen. Die Umstellung bedarf u. U. einer längeren Vorbereitungszeit, wenn die Unternehmen mehr und detailliertere Daten erarbeiten und die IT-Systeme anpassen müssen.

Die BStBK empfiehlt die Anpassung der Buchführung an die Erfordernisse der E-Bilanz bis Ende 2012 vorzunehmen, um 2013 bereits richtig buchen zu können. Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter www.bstbk.de.

Güterichter beim Finanzgericht Münster

Das Präsidium des Finanzgerichts Münster hat Prof. Dr. Alfons Brune, Vorsitzender Richter am Finanzgericht, und Dr. Sabine Haunhorst, Richterin am Finanzgericht, zu Güterichtern bestellt. Beide nehmen künftig neben ihrer originären richterlichen Tätigkeit auch die Aufgaben eines Güterichters wahr.

Das Finanzgericht Münster hat damit von der durch das Mediationsgesetz vom 25. Juli 2012 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und sein Angebot im Bereich der einvernehmlichen Streitbeilegung erweitert. Neben dem von den Verfahrensbeteiligten seit vielen Jahren geschätzten Erörterungstermin steht nunmehr für konfliktbehaftete Streitfälle zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde auch ein Güteverfahren zur Verfügung. Beantragen die Verfahrensbeteiligten ein entsprechendes Güteverfahren, so kann das Gericht sie für die Güteverhandlung sowie weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter – den Güterichter – verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen, wie es im Gesetz heißt (§ 278 Abs. 5 ZPO, § 155 FGO).

Die Güteverhandlung ersetzt jedoch keinesfalls den im finanzgerichtlichen Verfahren – insbesondere von den Richtern des Finanzgerichts Münster – seit vielen Jahren sehr erfolgreich praktizierten Erörterungstermin, in dem der für den Rechtsstreit zuständige Richter mit den Verfahrensbeteiligten die Sach- und Rechtslage diskutiert und dabei auch die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Streitbeilegung prüft (siehe Pressemitteilung Nr. 3 vom 9. Februar 2011).

Die Güteverhandlung ist vielmehr ein ergänzendes Angebot für “spezielle Fälle”. Gemeint sind damit Streitfälle, in denen besondere Konflikte zwischen den Beteiligten bestehen, die über das eigentliche Rechtsproblem hinausgehen. Ist z.B. in “emotionsgeladenen” und “festgefahren” wirkenden Rechtsstreitigkeiten neben steuerlicher Fachkompetenz auch der Einsatz besonderer Konfliktlösungsmethoden “gefragt”, kann der Güterichter eingeschaltet werden. Dieser versucht dann eine Versachlichung des Rechtsstreites zu erreichen und mit den Beteiligten eine einvernehmliche, interessen- und sachgerechte Streitlösung zu finden, so dass der Rechtsfrieden wieder hergestellt wird.

Finanzgericht Münster

Steuerliche Behandlung von Erstattungszinsen

OFD Magdeburg v. 10.08.2012 – S 2252 – 117 – St 214

Steuerliche Behandlung von Erstattungszinsen; § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010

Zinsen i. S. v. § 233a AO, die das Finanzamt an den Steuerpflichtigen zahlt (Erstattungszinsen), gehören bislang unabhängig von der Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen gem. § 12 Nr. 3 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

Mit Urteil vom 15.06.2010 – VIII R 33/07 , BStBl 2011 II S. 503, ist der BFH von seiner langjährigen Rechtsprechung abgewichen und hat festgestellt, dass Erstattungszinsen beim Empfänger nicht der Besteuerung unterliegen, soweit sie auf Steuern entfallen, die gemäß § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind.

Der BFH hält zwar an seiner Rechtsprechung fest, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eine ‚sonstige Kapitalforderung jeder Art’ i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist und die Erstattungszinsen nach § 233a AO auch als Gegenleistung dafür gezahlt werden, dass der Steuerpflichtige dem Fiskus Kapital zur Nutzung überlassen hat, zu dessen Leistung er letztlich nicht verpflichtet war. Damit können Erstattungszinsen beim Empfänger grundsätzlich der Besteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen.

Das gilt jedoch nicht, wenn die (Einkommen-)Steuer und darauf entfallende Nachzahlungszinsen gem. § 12 Nr. 3 EStG vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind. Diese gesetzgeberische Entscheidung strahlt auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung solcher Steuern in der Weise aus, dass sie dem Steuerpflichtigen nicht im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG zufließen. Erstattungszinsen teilen als steuerliche Nebenleistungen das ‚Schicksal’ der Hauptforderung mit der Folge, dass sie von § 12 Nr. 3 EStG ebenfalls dem nicht steuerbaren Bereich zugewiesen werden.

Mit dem Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 08.12.2010 (Verkündung am 14.12.2010 im BGBl. 2010 Teil 1 Nr. 62, S. 1768) ist der § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG neu in das Gesetz aufgenommen worden. Danach stellen nunmehr Erstattungszinsen nach § 233a AO Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG dar (klarstellende Gesetzesänderung). Die Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG ist in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52a Abs. 8 ESG).

Die vorgenannte Anwendungsvorschrift hat somit zur Folge, dass die Gesetzesänderung nicht nur für zukünftige Kalenderjahre, sondern auch für vorangegangene Kalenderjahre zu beachten ist. Erstattungszinsen sind daher wie bislang bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Die Gesetzesänderung bewirkt quasi, dass das o. g. Urteil des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet werden kann.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass Nachzahlungszinsen, die vom Steuerpflichtigen an das Finanzamt zu zahlen sind, nach wie vor nicht steuerlich geltend gemacht werden können.

Zur Frage der – generellen – Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen ist beim BFH unter dem Az. VIII R 36/10 ein Revisionsverfahren anhängig.

Des Weiteren hat das FG Münster entschieden, dass die durch das JStG 2010 rückwirkend angeordnete Besteuerung von Zinsen verfassungsgemäß sei ( Urteil vom 16.12.2010 – 5 K 3626/03 E ). Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Revision beim BFH eingelegt. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. VIII R 1/11 geführt.

Mit zwei weiteren Urteilen vom 10.05.2012 – 2 K 1947/00 E und 2 K 1950/00 E . hat das FG Münster (jedoch der 2. Senat) entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden, dass Erstattungszinsen ungeachtet der durch das JStG 2010 eingefügten Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG nicht steuerbar sind. Dies gilt nach Auffassung des FG auch dann, wenn die Erstattungszinsen in Zeiträumen angefallen sind. in denen vom Steuerpflichtigen gezahlte Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben abziehbar waren.

Zur Begründung führt das FG in Anlehnung an das BFH-Urteil vom 15.06.2010 – VIII R 33/07 . a. a. O.. aus, dass Erstattungszinsen zur Einkommensteuer nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen würden.

Auf die Frage, ob die durch das JStG 2010 als Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH neu eingefügte Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG, die Erstattungszinsen ausdrücklich den Einkünften aus Kapitalvermögen zuordne, auch rückwirkend auf die Streitjahre Anwendung finde, komme es nicht an. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sei keine Spezialregelung gegenüber § 12 Nr. 3 EStG. Vielmehr gehe § 12 Nr. 3 EStG als eine den einzelnen Einkunftsarten systematisch vorangestellte Vorschrift § 20 Abs. 1 EStG vor.

Die Revisionsverfahren werden beim BFH unter den Aktenzeichen VIII R 28/12 und VIII R 29/12 geführt.

Einsprüche, die in vergleichbaren Fällen auf die vorgenannten Verfahren gestützt werden, ruhen kraft Gesetzes gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Mit Beschluss vom 22.12.2011 – VIII B 190/11 , hat der BFH entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob 2008 zugeflossene Erstattungszinsen zur Einkommensteuer der Jahre 2001 bis 2003 als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i. d. F. des JStG 2010 der Steuer unterliegen. In einem weiteren Verfahren zu im Kalenderjahr 2009 zugeflossene Erstattungszinsen hat der BFH seine Rechtsauffassung bestätigt ( Beschluss vom 09.01.2012 – VIII B 95/11 ). Die Zweifel bestehen nach Auffassung des BFH insbesondere wegen der rückwirkenden Anwendung der Vorschrift (§ 52a Abs. 8 Satz 2 EStG), sodass diese auf alle Fälle anzuwenden ist, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. In vergleichbaren Fällen ist daher auf Antrag Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

 

FG Berlin-Brandenburg zum Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft

“Unternehmer, die grundsätzlich verpflichtet sind, die in ihren Lieferungen und Leistungen enthaltene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, können ihrerseits Umsatzsteuerbeträge, die sie an andere Unternehmer für Lieferungen oder Leistungen für ihr eigenes Unternehmen zu zahlen haben, als sog. Vorsteuern von der eigenen Umsatzsteuerzahllast abziehen. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte nun zu entscheiden, inwieweit dieser Vorsteuerabzug auch einer Holdinggesellschaft zusteht, die selbst kein operatives Geschäft betreibt, sondern administrative Leistungen an ihre Beteiligungsgesellschaften erbringt (Urteil vom 10. Mai 2012, Aktenzeichen 5 K 5264/09). Die klagende Holdinggesellschaft machte den Vorsteuerabzug aus Kapitalbeschaffungsleistungen geltend, die der Verbesserung der Handelbarkeit ihrer eigenen Anteile dienten. Das Finanzamt versagte dies mit dem Argument, die Aufwendungen für Kapitalbeschaffungsleistungen stünden in keinem Zusammenhang mit den eigenen steuerpflichtigen Leistungen der Gesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaften. Die Richter des Finanzgerichts gaben der Klägerin Recht. Bei den Kosten handelt es sich ihrer Auffassung nach um sog. Allgemeinkosten, die direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft zusammenhängen. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Aufwendungen für die Kapitalbeschaffungskosten im Verhältnis zu den durch die Beratung der Beteiligungsgesellschaften erzielten Dienstleistungsentgelten relativ hoch waren.

Die Finanzverwaltung hat bei dem Bundesfinanzhof in München Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil eingereicht, die dort unter dem Aktenzeichen V 73/12 anhängig ist.”

Pressemeldung des Gerichts: Finanzgericht Berlin-Brandenburg

 

Vorsteuerabzug einer – für die 100%-ige Tochter administrative Tätigkeiten ausführendeHolding aus Kapitalbeschaffungsleistungen

 Leitsatz

Bezieht eine Holdinggesellschaft für administrative Tätigkeiten von ihrer 100%-igen Tochter-GmbH, mit der eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht, eine monatliche Dienstleistungspauschale, so dass sie (eigene) ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, ist der uneingeschränkte Vorsteuerabzug der Aufwendungen für Dienstleistungen, die der Kapitalbeschaffung dienen, nicht dadurch ausgeschlossen, dass die – gegenüber der Dienstleistungspauschale deutlich höheren – Aufwendungen nicht allein der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit der Holding dienen, sondern im Besonderen der Kapitalausstattung der Tochter-Organgesellschaft und damit ggf. auch dem Bezug nicht steuerbarer Dividenden.

 Gesetze

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 2 Abs. 1

 Instanzenzug

BFH 19.10.2012 – V B 73/12

 Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Holdinggesellschaft, die mit Einbringungsvertrag vom 5.5.2006 sämtliche Anteile an der H…E…GmbH erwarb. Das operative Geschäft – die Entwicklung und Produktion von Anlagen im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie – betreibt die GmbH. Die Klägerin erbringt aufgrund Kooperationsvertrags vom 1.9.2006 administrative Tätigkeiten für die GmbH, die der Klägerin hierfür eine monatliche Dienstleistungspauschale von 11.000 EUR zahlt. Die Beteiligten gehen übereinstimmend von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus.

Im Zuge einer Betriebsprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen über sog. Kapitalbeschaffungsleistungen in Anspruch genommen hatte. Diese laufenden wie auch einmaligen Leistungen dienten der Verbesserung der Handelbarkeit der Aktie. Das erworbene Kapitel wurde weitgehend an die GmbH durch Zuführung in die Kapitalrücklage weitergereicht. Der Beklagte versagte den Vorsteuerabzug – wie schon im Vorauszahlungsbescheid über Umsatzsteuer Juli 2007, in dem eine Vorsteuerkürzung von 3.562,50 EUR vorgenommen wurde – mit der Begründung, eine unternehmerische Veranlassung für diese Leistungen sei nicht erkennbar. Die Klägerin erziele als Holdinggesellschaft lediglich Erlöse aus Miete und überlassener Arbeitsleistung an die GmbH sowie Zinserträge. Mangels eines operativen Geschäfts könnten die Aufwendungen für Kapitalbeschaffung nicht zu Preisbestandteilen von Ausgangsumsätzen der Klägerin werden. Für das Streitjahr 2007 wurde eine Vorsteuerkürzung von 86.582,83 EUR errechnet, die mit Bescheid vom 13.1.2012 umgesetzt wurde. Auf Tz. 21 und 22 des Prüfungsberichts vom 19.8.2011 wird Bezug genommen. Den bereits gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Juli 2007 erhobenen Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2009 als unbegründet zurück.

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage geltend, die unternehmerische Veranlassung der streitigen Kosten sei gegeben, da bei allgemeinen Kosten niemals ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen bestehe. Zudem bestehe aufgrund der Organschaft mit der H… E…GmbH als Organgesellschaft ein Unternehmen, bei dem die Ausgangsleistungen der Organgesellschaft dem Organträger – also ihr, der Klägerin – zuzurechnen seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 13.1.2012 die Umsatzsteuer 2007 dahingehend neu festzusetzen, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 90.144,83 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Er macht geltend, die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aktie stünden weder in einem direkten Zusammenhang mit den Ausgangsumsätzen noch gehörten sie zu den Allgemeinkosten. Dies verdeutliche nicht zuletzt das Verhältnis der in Rede stehenden Aufwendungen zur Höhe der von der Klägerin erzielten Erlöse. Die Aufwendungen seien insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen. Auf das Urteil des BFH vom 9.2.2012 (V R 40/10 ; BFH/NV 2012, 681 ) werde verwiesen.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben den Verfahrensakten ein Band Umsatzsteuerakten, ein Aktenband „Berichte über Umsatzsteuer-Sonderprüfungen”, ein Ordner „Arbeitsbogen Band II”, ein Aktenband „Gesellschaftsverträge” und eine Heftung „Rechtsbehelf” vorgelegen.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit Vorsteuern aus Kapitalbeschaffungsaufwendungen in Höhe von 90.144,83 EUR außer Ansatz gelassen worden sind.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14 , 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG , wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dann nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Aus diesem Regelungszusammenhang folgt zum Einen, dass die Klägerin als Holdinggesellschaft selbst Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein muss und zum Anderen, das diese Unternehmereigenschaft nicht erst durch ein Organschaftsverhältnis begründet werden kann, sondern bereits bestehen muss. Nach der Rechtsprechung des BFH im Anschluss an die Holding-Rechtsprechung des EuGH sind lediglich der Erwerb, das Halten oder der Verkauf von Aktien als solche nichtwirtschaftliche (nichtunternehmerische) Tätigkeiten, da sie Ausdruck der bloßen Eigentumsposition sind und nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten (Urteil des BFH vom 9.2.2012 V R 40/0 a.a.O. unter Hinweis auf Rechtsprechung des EuGH). Eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit setzt demgegenüber voraus, dass der Organträger eigene entgeltliche Leistungen erbringt, wobei Leistungen ausschließlich an die Organgesellschaft ausreichen (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG , § 2 Rz. 830 ff.; Stapperfend, UR 2006, 112 , jeweils unter Hinweis auf die Entscheidungen des EuGH vom 14.11.2000 C-142/99 – Floridienne, EuGHE 2000, I-9567 und vom 27.9.2001 C-16/00 – Cibo Participations, EuGHE 2001, I-6663 sowie des BFH vom 9.10.2002 V R 64/99 , BStBl II 2003, 375).

Die Klägerin hat aufgrund des Kooperationsvertrags vom 1.9.2006 unstreitig entgeltliche Leistungen in Form von dort näher bezeichneten administrativen Tätigkeiten ihrer Gesellschafter und Mitarbeiter an die H… E… GmbH erbracht. Nach der dargestellten Rechtsprechung ist sie somit unternehmerisch tätig mit der Folge, dass sie zum Vorsteuerabzug auch aus solchen Dienstleistungen berechtigt ist, die der Kapitalbeschaffung dienen. Entscheidend ist insoweit, dass die Dienstleistungen als allgemeine Kosten des Unternehmens direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers zusammenhängen (Urteil des BFH vom 1.7.2004 V R 32/00 , BStBl II 2004, 1022; Urteil des EuGH vom 27.9.2001 C-16/00 Cibo Participations a.a.O.). Der uneingeschränkte Vorsteuerabzug ist demnach entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dadurch ausgeschlossen, dass die aktienbezogenen Aufwendungen nicht allein der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit der Klägerin dienten, sondern im Besonderen der Kapitalausstattung der Organgesellschaft und damit ggf. auch dem Bezug nicht steuerbarer Dividenden.

Denn eine Zuordnung dieser Kosten zum nichtunternehmerischen Bereich kommt nach der zitierten Rechtsprechung von EuGH und BFH deshalb nicht in Betracht, weil es sich um Allgemeinkosten handelt, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammenhängen. Da die Klägerin nur steuerpflichtige und nicht auch steuerfreie Umsätze ausführte, ist der Vorsteuerabzug insgesamt zu gewähren (vgl. Urteil des BFH vom 1.7.2004 V R 32/00 , BStBl II 2004, 1022). Die von dem Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BFH vom 9.2.2012 (V R 40/10 a.a.O) lässt keine andere Beurteilung zu. Denn der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt liegt insoweit entscheidend anders als derjenige im Streitfall, als dort die Holdinggesellschaft an ca. 50 Gesellschaften beteiligt war, Umsätze aber lediglich aus Beratungsleistungen für zwei dieser Gesellschaften erzielte. Deshalb ist im Streitfall – anders als dort – auch für eine Aufteilung der Gesamttätigkeit in eine nichtwirtschaftliche Haupt- und eine wirtschaftliche Nebentätigkeit kein Raum. Allein das Verhältnis der Dienstleistungsentgelte zu den deutlich höheren Aufwendungen vermag eine Aufteilung – wie auch sonst – nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO – .

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf der zu dieser Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung des BFH beruht.

Weitere Entscheidungen des BFH (01.08.2012)

Folgende weiteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (01.08.2012) veröffentlicht:

– BFH-Urteil vom 25.04.2012 – I R 24/11 (Sanierungserlass: Zuständigkeit für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags);

– BFH-Beschluss vom 15.05.2012 – VI B 111/11 (Trennungsbedingte Umgangskosten des barunterhaltspflichtigen Elternteils sind keine außergewöhnliche Belastung- Gleichklang von Steuer- und Sozialrecht);

– BFH-Beschluss vom 04.06.2012 – VI B 10/12 (Verfahrensmangel wegen unvollständiger Sachverhaltsaufklärung – Beteiligtenvernehmung);

– BFH-Urteil vom 26.01.2012 – VII R 77/10 (Einfuhrumsatzsteuerfreiheit bei innergemeinschaftlicher Weiterlieferung);

– BFH-Urteil vom 28.02.2012 – VII R 23/10 (Vermittler eines Schmuggelgeschäfts als Zollschuldner);- BFH-Beschluss vom 29.05.2012 – III S 19/11 (Vollstreckung aus durch das FG abgeänderten Bescheiden – Dauer der Wirksamkeit teils erfolgsreich angefochtener Bescheide – Formlose Mitteilung über neuberechnete Steuer kein Verwaltungsakt);

– BFH-Urteil vom 14.03.2012 – XI R 28/09 (Keine abweichende Festsetzung der USt aus Billigkeitsgründen, wenn der Organträger von der Organgesellschaft keine Mittel zur Entrichtung der Steuer erhalten hat – Organträger und Organgesellschaften als ein Unternehmer);

– BFH-Urteil vom 22.02.2012 – X R 27/10 (Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 22.02.2012 X R 12/09 – Berücksichtigung von Verlusten bei § 4 Abs. 4a EStG – Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen);

– BFH-Urteil vom 22.02.2012 – X R 12/09 (Berücksichtigung von Verlusten bei § 4 Abs. 4a EStG – Betriebsbezogene Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen – Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 4a EStG);

– BFH-Beschluss vom 25.11.2011 – III B 179/10 (Verfristung der Klage bei fehlendem Absendevermerk auf der Einspruchsentscheidung – Umdeutung eines Einspruchs gegen eine Einspruchsentscheidung in eine Klage – Verfahrensmangel bei Prozessurteil statt Sachurteil);

– BFH-Beschluss vom 16.04.2012 – VI B 136/11 (Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen nach § 33a EStG);

– BFH-Beschluss vom 11.05.2012 – II B 63/11 (Feststellung einer Steuerhinterziehung durch das FG – Keine Prüfung materiellen Rechts im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde – Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG);

– BFH-Beschluss vom 24.05.2012 – VI B 120/11 (Grundsätzliche Bedeutung: Unterhaltsaufwendungen bei einer bestehenden Ehe bzw. Unterhaltsaufwendungen für ein Kind – Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht – Greifbare Gesetzeswidrigkeit);

– BFH-Urteil vom 28.03.2012 – II R 37/10 (Bewertung eines ehemals landwirtschaftlich genutzten Eindachhofs, bestehend aus einer Wohnung und Stallungen).

Bundesfinanzhof (BFH)

Verfassungswidrigkeit eines so genannten „Treaty Override“

Verfassungswidrigkeit eines so genannten „Treaty Override“

Kernproblem

Seit Jahren bereits schwelt die Frage, ob der Gesetzgeber durch ein so genanntes Treaty override gegen Verfassungsrecht verstößt. Unter einem Treaty override versteht man eine Regelung, mit der sich ein Steuergesetzgeber über die bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen aus einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) oder einem anderen internationalen Vertrag hinwegsetzt. Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon vor allem in jüngerer Vergangenheit in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht, insbesondere auch, um eine „Keinmalbesteuerung“ zu vermeiden.

Sachverhalt

Kläger war ein Arbeitnehmer und Geschäftsführer einer inländischen GmbH, der für die Gesellschaft in der Türkei gearbeitet hatte. Nach dem DBA-Türkei waren diese Einkünfte in Deutschland freizustellen. Das Finanzamt gewährte die Freistellung indes nicht, da der Kläger – entgegen der nationalen einkommensteuerlichen Vorschrift – nicht nachgewiesen habe, dass er in der Türkei entsprechende Einkommensteuer bezahle oder dass die Türkei auf das ihr zustehende Besteuerungsrecht verzichtet habe. Hiergegen wandte sich der Kläger insbesondere mit dem Argument, dass ein solcher Nachweis nach dem DBA-Türkei nicht gefordert sei. Nach erfolglosem Verfahren vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz konnte er nunmehr vor dem Bundesfinanzhof (BFH) einen Teilerfolg verbuchen.

Entscheidung

Nach Ansicht des BFH steht die deutsche einkommensteuerliche Vorschrift, auf die sich das Finanzamt berufen hatte, nicht in Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung sowie dem Gleichheitssatz. Er begründet dies insbesondere mit der zwischenzeitlich geänderten Sicht des Bundesverfassungsgerichts. Die Rechtsprechungsänderung lasse vermuten, dass ein nationales „Überschreiben“ eines Völkerrechtsvertrags nicht (mehr) verfassungskonform sei. Der BFH hat daher die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Vorschrift dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

Konsequenz

Die Vorlage beim Bundesverfassungsgericht betrifft unmittelbar nur die streitige Einkommensteuervorschrift. Die eigentliche Brisanz des Ersuchens liegt jedoch darin, dass mittelbar eine Vielzahl einschlägiger Regelungen auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichts stehen. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit entsprechender Normen feststellen, wird dem deutschen Staat letztendlich nichts anderes übrig bleiben, als entsprechende Klauseln zum Rückfall des Besteuerungsrechts an den Wohnsitzstaat im Fall der „Keinmalbesteuerung“ unmittelbar in dem jeweiligen DBA selbst zu verankern oder auch ein DBA zu kündigen.

Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts?

Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts?

Kernfrage

Die sogenannte betriebliche Übung und/oder der grundgesetzliche Gleichbehandlungsgrundsatz führen dazu, dass Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf solche Leistungen erwerben, die er über einen längeren Zeitraum hinweg vergleichbaren Arbeitnehmern beanstandungslos gewährt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dies auch dazu führen kann, dass Arbeitnehmer den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit dem Arbeitgeber verlangen können.

Sachverhalt

Beim Arbeitgeber, einem Kreditinstitut, bestand wegen einer Fusion eine Vereinbarung aus dem Jahr 1972, nach der Arbeitnehmer, die 20 Dienstjahre vorweisen konnte, eine beamtenähnliche Versorgung beanspruchen durften. Hierüber entschied der Vorstand. Bis Ende 2009 wurde diese Praxis beibehalten. Nahezu allen Arbeitnehmern, die 20 Dienstjahre vorweisen konnten, gute Beurteilungen erhielten und bei denen gesundheitlich nicht zu erwarten war, dass sie früh verrentet werden würden, wurde die Versorgung gewährt. Der Kläger, in dessen Person im Übrigen alle Voraussetzung für die Gewährung vorlagen, erfüllte das Dienstzeitkriterium im Jahr 2010 und verlangte die Gewährung der Versorgung, was die Beklagte ablehnte.

Entscheidung

Zuletzt gab auch das Bundesarbeitsgericht dem Kläger recht. Aufgrund der seit 1972 geübten Praxis habe bereits bei Eintritt des Klägers in das Arbeitsverhältnis die betriebliche Übung bestanden, geeigneten und bewährten Arbeitnehmern eine beamtenähnliche Versorgung zu gewähren und mit ihnen entsprechende Versorgungsverträge abzuschließen. Diese betriebliche Übung könne die Beklagte nicht willkürlich zu einem gewissen Zeitpunkt einseitig aufheben.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt das Gefahrenpotential der betrieblichen Übung. Eine einseitige Beendigung des Arbeitgebers ist unzulässig und steht nicht in seinem Direktionsrecht. Vielmehr hätte er mit allen betroffenen Arbeitnehmern Vereinbarungen über die Aufhebung der betrieblichen Übung schließen müssen.