Welche Steuerbefreiung geht vor?

Welche Steuerbefreiung geht vor?

Kernaussage
Das Umsatzsteuergesetz (UStG) kennt zahlreiche Steuerbefreiungen. Da diese teilweise unsystematisch normiert sind, ist es möglich, dass für einen Umsatz mehrere Steuerbefreiungen in Frage kommen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in einem solchen Fall zu klären, ob eine Steuerbefreiung vorrangig zu behandeln ist. Dies ist zwar im Hinblick auf die Befreiung des Umsatzes egal, hat jedoch Bedeutung für den Vorsteuerabzug. In diesem Zusammenhang hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Ende 2006 entschieden, dass die Lieferung von Zahnersatz auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte dieses Urteil erst in 2011 veröffentlicht; beabsichtigte dies aber in allen offenen Fällen anzuwenden.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, versandte 2001 und 2002 Blutplasma in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Die Lieferungen waren als innergemeinschaftliche Lieferungen zu qualifizieren, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Allerdings ist die Lieferung von Blutplasma im Inland auch noch nach einer weiteren Vorschrift des Umsatzsteuergesetzes (§ 4 Nr. 17 UStG) befreit. Diese Befreiung lässt keinen Vorsteuerabzug zu. Die Klägerin wandte sich gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Lieferungen durch das Finanzamt nach einer Überprüfung in 2009.

Entscheidung
Das Sächsische Finanzgericht verweigert den Vorsteuerabzug. Zur Begründung verweist es auf das Urteil des EuGH, das auch in diesem Fall für anwendbar gehalten wird. Auch sieht das Finanzgericht keinen Grund, der Klägerin Vertrauensschutz zu gewähren, da die Finanzverwaltung bis zur Veröffentlichung des genannten BMF-Schreibens in 2011 in den Umsatzsteuer-Richtlinien noch den Vorsteuerabzug in derartigen Fällen zugelassen hatte.

Konsequenzen
Die Klägerin ist nun vor den BFH gezogen; die endgültige Entscheidung bleibt daher abzuwarten. Ähnliche Fälle sollten offen gehalten werden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil des EuGH durchaus zutreffend ist. Der EuGH hatte die Versagung des Vorsteuerabzuges u. a. damit begründet, dass die Neutralität der Umsatzsteuer nicht gegeben sei, wenn der Vorsteuerabzug allein davon abhinge, ob eine Lieferung im Inland oder über die Grenze erfolge. Ob der BFH sich gegen die „rückwirkende“ Anwendung des BMF-Schreibens ausspricht, dürfte ebenfalls fraglich sein. Hier wäre es allerdings zu begrüßen, wenn einer derartigen Praxis ein Riegel vorgeschoben würde. Es ist kaum zumutbar, dass das BMF jahrelang Zeit benötigt, um Stellung zu wichtigen Urteilen zu beziehen (aktuell z. B. zur Organschaft und zum ermäßigten Steuersatz bei der Lieferung von Lebensmitteln).

Gerüstbauer: Wo sind die Umsätze zu versteuern?

Gerüstbauer: Wo sind die Umsätze zu versteuern?

Einführung
Dienstleistungen zwischen Unternehmen werden grundsätzlich am Ort des die Leistung empfangenden Unternehmens besteuert. Dienstleistungen in Verbindung mit Grundstücken werden abweichend hiervon allerdings dort umsatzsteuerlich erfasst, wo das Grundstück liegt. Mit Schreiben vom Dezember 2012 hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) die Leistungen, die in Zusammenhang mit Grundstücken stehen, konkreter als in der Vergangenheit von den übrigen Leistungen abgegrenzt.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bayerische Landesamt für Steuern hat nun basierend auf dem Schreiben des BMF die Leistungen von Gerüstbauern unter die Lupe genommen und dargestellt, wo deren Leistungen zu versteuern sind. Die Verfügung behandelt die Vermietung, den Auf- bzw. Abbau von Gerüsten, die Vermietung mit Auf- bzw. Abbau sowie die Verlängerung von Mietverträgen gegen Entgelt.

Konsequenz
Nicht nur Gerüstbauer müssen sich mit der Verfügung auseinandersetzen, sondern auch deren Kunden. Für letztere ist die Ortsbestimmung ebenfalls von Bedeutung, da gegebenenfalls bei grenzüberschreitenden Umsätzen das Reverse-Charge Verfahren greift und sie Schuldner der Umsatzsteuer werden. Übersehen sie dies und rechnet der Gerüstbauer zu Unrecht unter Ausweis der Umsatzsteuer ab, laufen sie Gefahr, hierfür vom Fiskus im In- bzw. Ausland zur Kasse gebeten zu werden. Einziger Nachteil für die Praxis ist, dass die für den internen Gebrauch bestimmte Verfügung für steuerlich unbedarfte Leser schwer verständlich ist, da sie hinsichtlich der Ortsbestimmung ausschließlich auf die betreffenden Paragraphen verweist. Hier muss gegebenenfalls zwecks besserem Verständnis steuerlicher Rat eingeholt werden.

Längerer Weg zur Arbeit ist nicht versichert

Längerer Weg zur Arbeit ist nicht versichert

Kernaussage
Passiert einem Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg ein Unfall, so ist der nicht in jedem Fall durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt. Nach einem jüngeren Urteil des rheinland-pfälzischen Landessozialgerichts liegt ein versicherter Wegeunfall nämlich dann nicht vor, wenn der von der Wohnung der Freundin angetretene Weg zur Arbeit mehr als achtmal so lang ist, wie der übliche Fahrweg von der eigenen Wohnung.

Sachverhalt
Der Kläger war von der Wohnung seiner Verlobten, die rund 55 km von seiner Arbeitsstelle entfernt war, zur Arbeit gefahren. Der Weg von seiner eigenen Wohnung hätte nur etwa 6,5 km betragen. Auf dem Weg zur Arbeit erlitt er einen Verkehrsunfall mit Wirbelsäulenverletzungen. Die Unfallkasse lehnte die Anerkennung eines Wegeunfalls ab, weil der längere Weg zur Arbeit nicht durch die betriebliche Tätigkeit geprägt sei. Das Sozialgericht Koblenz hatte dies anders gesehen, da auch der Weg von einem anderen Ort als der eigenen Wohnung Ausgangpunkt eines versicherten Weges sein könne, insbesondere, wenn wegen der häufigen Übernachtungen bei der Freundin von einer gespaltenen Wohnung auszugehen sei.

Diese Entscheidung hob das Landessozialgericht auf und wies die Klage ab. Die Richter gingen davon aus, dass der Kläger die Wohnung der Freundin nicht wie eine eigene Wohnung genutzt habe, sondern sich vielmehr dort nur zu Besuch aufgehalten habe. Die Differenz zwischen dem Arbeitsweg von der eigenen Wohnung bzw. dem von der Wohnung der Freundin sei unverhältnismäßig, so dass nicht von einem versicherten Arbeitsweg auszugehen sei.

Konsequenz
Unfälle, die einem Arbeitnehmer auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zur Arbeit passieren, sind durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Der Versicherte kann dabei selbst entscheiden, ob er den kürzesten oder den schnellsten Weg zur Arbeit wählt und muss dies im Falle eines Unfalls auch nicht weiter begründen. Außerdem ist er frei in der Wahl des Transportmittels. Umwege sind grundsätzlich nicht versichert. Ausnahmsweise gilt für die dazugehörigen Umwege ebenfalls der gesetzliche Versicherungsschutz, wenn z. B. eine Fahrgemeinschaft von Arbeitnehmern gebildet wird oder der Angestellte auf dem Weg zur Arbeit noch seine Kinder in die Schule bringen muss. Eine weitere Ausnahme gilt, wenn es sich um Fahrten von einer Familienwohnung handelt. Arbeitet der Angestellte z. B. in einer anderen Stadt und ist Wochenendheimfahrer, sind auch die Fahrten zur Familie und von dort aus wieder zur Arbeit versichert. Die regelmäßig aufgesuchte Wohnung der Freundin gilt im Sinne des Versicherungsrechts allerdings nicht als „Familienwohnung“.

Bedrohung durch gefälschte E-Mails im Namen des Finanzamtes

Bedrohung durch gefälschte E-Mails im Namen des Finanzamtes

Kernaussage
Während die Finanzverwaltung zunehmend Daten nur noch elektronisch akzeptiert, versendet sie selbst Unterlagen fast ausschließlich in Papierform. Eine Ausnahme hiervon bilden Steuerbescheide, die auch elektronisch im ELSTER-Verfahren bereitgestellt werden.

Aktuelle Warnung der Finanzverwaltung
Das Bundeszentralamt für Steuern warnt vor Kriminellen, die derzeit im Namen der Finanzverwaltung gefälschte E-Mails versenden. Angeblich sollen die E-Mails den ELSTER-Steuerbescheid als Anhang enthalten.

Konsequenz
Die Steuerbescheide werden nicht per E-Mail von der Finanzverwaltung versendet. Für den Empfang wird spezielle Software benötigt. Entsprechende E-Mails können daher nicht vom Finanzamt stammen. Sie sind unbedingt zu löschen, da die im Anhang befindliche Datei „Elster.exe“ Schadstoffsoftware enthält. Wer diesbezüglich unsicher ist, sollte bei Übertragung der Steuererklärungen per ELSTER einfach auf die elektronische Übermittlung eines Steuerbescheids verzichten.

Wird eine Abfindung bei Selbstständigen auch ermäßigt besteuert?

Kernproblem
Für so genannte außerordentliche Einkünfte sind Steuervergünstigungen zur Einkommensteuer möglich. Am bekanntesten ist hierbei der ermäßigte Steuersatz für Veräußerungs- oder Aufgabegewinne, der einen Vorteil von 44 % auf den ansonsten anzuwendenden Durchschnittssteuersatz bringt. Eher Arbeitnehmern ist die Besteuerung der Abfindungen des Arbeitgebers für den Verlust des Arbeitsplatzes bekannt. Wenn es mit der Entschädigung zu einer „Zusammenballung von Einkünften“ im Zuflussjahr kommt, sollen Progressionsnachteile durch die so genannte Fünftelregelung abgemildert werden. Vereinfacht ausgedrückt wird hierbei die fiktive Einkommensteuerbelastung von 1/5 der Entschädigung ermittelt, um diese dann anschließend mit 5 zu multiplizieren. Dadurch kommt es zu Progressionsvorteilen, wenn man sich nicht ohnehin im Spitzensteuersatz befindet. Erhält ein Selbstständiger eine Abfindung, kann er sich grundsätzlich nicht auf den Progressionsvorteil berufen, denn bei ihm gehört die Abwicklung von Leistungsstörungen zum „Tagesgeschäft“. Ein Rechtsanwalt versuchte es trotzdem.

Sachverhalt
Der Anwalt schloss mit einer GmbH einen langjährigen Rechtsberatungsvertrag, der ihm neben einer Versorgungszusage ein jährliches Beratungshonorar von netto 0,2 % des Planumsatzes der GmbH einbrachte. Nach vorzeitiger Kündigung durch die Gesellschaft einigte man sich vor Gericht auf eine Abfindung von 1,7 Mio. DM. Das Finanzamt verweigerte jedoch die vom Anwalt beantragte Tarifbegünstigung mit der Begründung, die Kündigung eines Beratungsvertrags und der Abschluss eines Vergleichs seien für einen Rechtsanwalt ein normaler und üblicher Geschäftsvorfall. Zudem habe der Anwalt trotz Wegfalls des Beratungsvertrags keine Einnahmeausfälle erlitten. So sah es auch das Finanzgericht, doch die Revision führte die Beteiligten zum Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Der BFH sah in der Entschädigung ein besonderes Ereignis, das unabhängig von der Einkunftsart gleichbehandelt werden müsse und eine Tarifbegünstigung hervorrufen könne. Die Besonderheit begründete der BFH mit der rechtlichen, wirtschaftlichen der tatsächlichen Druckposition des Anwalts, die ihn zum Abschluss des Vergleichs veranlasste. Weiter wurde ausgeführt, dass die Entschädigung zwar nicht für den Verlust der einzigen, jedoch (gemessen an der Gesamttätigkeit) wesentlichen Einkunftsquelle geleistet werden müsse. Zudem verlangen die Richter für eine Gleichbehandlung eine arbeitnehmerähnliche Ausgestaltung des Rechtsberatungsvertrags. Dies muss das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen.

Konsequenz
Entscheidend sind für den BFH u. a. Kriterien wie feste Vergütung und Laufzeit, Kündigungsschutz, Anspruch auf Urlaub, Sozialleistungen und betriebliche Altersvorsorge, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Fehlen von Unternehmerrisiko und -initiative sowie Kapitaleinsatz oder die Eingliederung in den Betrieb.

Auslegung der Wesentlichkeitsgrenze im Rahmen des § 17 EStG

Auslegung der Wesentlichkeitsgrenze im Rahmen des § 17 EStG

Kernproblem
Gewinne, die aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entstehen, sind als gewerbliche Einkünfte steuerpflichtig, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre zu mindestens 1 % an der Gesellschaft beteiligt war. Für Veranlagungszeiträume bis 1998 betrug die maßgebende Beteiligungsgrenze indes noch „mehr als ein Viertel“, in 1999 und 2000/2001 immerhin noch mindestens 10 %. Ob die Wesentlichkeitsgrenze beim Übergang auf die 10 %-Quote stichtagsbezogen oder veranlagungsbezogen auszulegen ist, ist umstritten. Nunmehr hatte das Finanzgericht (FG) Düsseldorf die Gelegenheit, seine Auffassung zur Streitfrage darzulegen.

Sachverhalt
Im vereinfacht dargestellten Streitfall veräußerte der Steuerpflichtige (Kläger) im Jahr 2000 seine Anteile an einer börsennotierten AG. Der Kläger war im Zeitpunkt der Beteiligungsveräußerung nach Maßgabe der seit 1999 geltenden Grenze von „mindestens 10 %“ nicht wesentlich beteiligt. In den Jahren zuvor hatte er zwar Beteiligungsquoten von über 10 % erfüllt, nicht aber die bis einschließlich 1998 geltende Wesentlichkeitsgrenze von „mehr als einem Viertel“ überschritten. Das Finanzamt behandelte den Veräußerungsgewinn dennoch als steuerpflichtigen Gewinn. Abzustellen sei allein darauf, ob der Steuerpflichtige in den zurückliegenden 5 Jahren zu mindestens 10 % beteiligt war. Die frühere Wesentlichkeitsgrenze sei insoweit irrelevant. Hiergegen klagte der Steuerpflichtige und gewann.

Entscheidung
Nach Auffassung des FG Düsseldorf kommt es auf die im jeweiligen Veranlagungszeitraum geltende Wesentlichkeitsgrenze an. Die Richter stützten ihr Urteil insbesondere auf eine Entscheidungsbegründung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010, das die Absenkung der Beteiligungsgrenze von 25 % auf 10 % für zum Teil verfassungswidrig erklärt hatte.

Konsequenz
Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zur vorstehenden Streitfrage ist bislang uneinheitlich. So haben sich ein anderer Senat des FG Düsseldorf sowie das FG Niedersachsen der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung angeschlossen, während der Bundesfinanzhof (BFH) in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ebenfalls den Standpunkt der vorliegenden Entscheidung vertritt. Es sind zwischenzeitlich mehrere Revisionen diesbezüglich anhängig, so dass mit einer zeitnahen Entscheidung gerechnet werden kann.

Untergang gewerbesteuerlicher Verlustvorträge bei nur kurzfristigem Ausscheiden aus Personengesellschaft

Untergang gewerbesteuerlicher Verlustvorträge bei nur kurzfristigem Ausscheiden aus Personengesellschaft

Kernproblem
Die Nutzung gewerbesteuerlicher Verlustvorträge bei Personengesellschaften setzt sowohl Unternehmens- als auch Unternehmeridentität voraus. Ist auch nur eine der beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, gehen die Verlustvorträge (ggf. nur anteilig) verloren. Unternehmeridentität bedeutet, dass der Steuerpflichtige sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbevortrags Mitunternehmer der Personengesellschaft sein muss. Im Streitfall ging es um die Frage, ob die Unternehmeridentität bereits bei nur kurzfristigem Ausscheiden aus der Personengesellschaft verloren geht.

Sachverhalt
Klägerin ist die A-KG, die bis Ende 1997 bestand. Alleiniger Kommanditist war eine natürliche Person, die Komplementär-GmbH war am Vermögen der KG nicht beteiligt. Mit Wirkung zum 31.12.1997 brachte der Kommanditist seine Anteile an der A-KG in die B-KG ein, deren Kommanditanteile ebenfalls vollständig von ihm gehalten wurden. Ebenfalls zum 31.12.1997 wurde das Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der A-KG beschlossen, so dass das Vermögen der A-KG im Wege der Anwachsung auf die B-KG überging. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass der zum 31.12.1997 bestehende Gewerbeverlustvortrag der A-KG untergegangen sei. Ursächlich hierfür sei, dass die B-KG im Zuge der Einbringung – wenn auch nur für eine logische Sekunde – Gesellschafterin der A-KG geworden sei und somit die Unternehmeridentität des Kommanditisten nicht gegeben sei. Klage und Revision der A-KG blieben erfolglos.

Entscheidung
Nach Auffassung der Richter setzt das Erfordernis der Unternehmeridentität nicht nur voraus, dass der Steuerpflichtige sowohl im Zeitpunkt der Verlustentstehung als auch im Zeitpunkt der Gewinnerzielung/Verlustnutzung Mitunternehmer der Personengesellschaft ist. Vielmehr muss die Unternehmeridentität ununterbrochen bestanden haben, so dass auch kurzfristige Unterbrechungen zum Wegfall des Verlustabzugs führen können. Dies gelte selbst dann, wenn die Unterbrechung – wie im Streitfall – nur für eine logische Sekunde erfolgt.

Konsequenz
Die steuerlichen Konsequenzen eines nur kurzfristigen Ausscheidens aus einer Mitunternehmerschaft können gravierend sein, so dass in der Praxis stets Vorsicht geboten ist. Im vorliegenden Streitfall hätte sich der Verlustuntergang wohl vermeiden lassen, wenn sowohl der Kommanditist als auch die Komplementär-GmbH ihre Anteile an der A-KG gleichzeitig (!) auf die B-KG übertragen hätten, was ebenfalls einen Anwachsungsvorgang auf die B-KG zur Folge gehabt hätte.

Höhe der Werbungskosten bei Übernachtung eines Kraftfahrers im Lk

Höhe der Werbungskosten bei Übernachtung eines Kraftfahrers im Lkw

Kernproblem
Ist die Höhe pauschaler Werbungskosten eines Arbeitnehmers nicht durch Gesetz oder Verwaltungsanweisung festgelegt, kommt es nicht selten zum Streit mit dem Finanzamt. Zwar reicht es für den Abzug aus, dass das Vorliegen von Aufwendungen „glaubhaft gemacht“ wird. Wenn sich der Finanzbeamte in der Ausübung seiner Ermessensentscheidung aber dazu veranlasst sieht, Belege anzufordern, folgt auf eine Nichtvorlage häufig die Streichung des Werbungskostenabzugs. Dann nutzt auch nicht der Verweis auf eine großzügigere Handhabung anderer Finanzämter. Hoffnung bringt jedoch der Gang zum Finanzgericht, denn in den letzten Jahren ist eine Tendenz der Rechtsprechung zur Schätzung oder Aufteilung von abzugsfähigen Aufwendungen zu erkennen, wo früher ein striktes Abzugsverbot entgegengehalten wurde. Hiervon hat auch ein Kraftfahrer profitiert, der den Abzug von Übernachtungskosten beantragte.

Sachverhalt
Der Lkw-Fahrer war im internationalen Fernverkehr von Skandinavien bis Südeuropa tätig und übernachtete in der Schlafkabine seines Lkw. Hierfür setzte der Kraftfahrer pauschal 5 EUR je Tag für 220 Übernachtungstage an. Doch selbst den nicht übertrieben angesetzten Aufwand von insgesamt 1.100 EUR strich das Finanzamt. Stattdessen verlangte es Belege des Streitjahres oder Aufzeichnungen für einen repräsentativen Zeitraum von 3 Monaten. Es folgten Kostenschätzungen des Lkw-Fahrers, die nichts halfen, beginnend mit dem Toilettengang von je 0,50 EUR und 2-3 EUR täglich sowie der zweimaligen täglichen Dusche von jeweils 2 EUR, bis hin zur wöchentlichen Reinigung von Schlafsack oder Bettwäsche. Das hiermit befasste Finanzgericht (FG) bekam den Fall, nachdem es erst im Sinne des Finanzamts entschieden hatte, vom Bundesfinanzhof zur Schätzung der Aufwendungen zurückverwiesen.

Entscheidung
Das FG ließ nunmehr den beantragten pauschalen Aufwand von 5 EUR täglich für 220 Tage zu. Die Richter führten in ihrer Begründung aus, dass die in den Verwaltungsanweisungen vorgesehenen Pauschbeträge für Übernachtungskosten zwar nicht anwendbar seien, weil die Unterkunft (hier die Schlafkabine) unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Da jedoch davon auszugehen sei, dass typischerweise Kosten für Dusche, Toilette und Reinigung der Schlafgelegenheit anfielen, müssten die Aufwendungen geschätzt werden. Im Ergebnis erschien dem Senat ein Betrag von täglich 5 EUR als glaubhaft.

Konsequenz
Das FG folgte jetzt dem Antrag des LKW-Fahrers, zumal der Aufwand nach eigener Einschätzung eher niedrig gewählt war. Das scheinen auch die Richter so zu sehen, denn nach deren Ausführungen wäre bei der Vorlage von Einzelnachweisen für einen repräsentativen Zeitraum ein höherer Abzug möglich gewesen.

Wann dürfen Rückstellungen für hinterzogene Steuern gebildet werden?

Wann dürfen Rückstellungen für hinterzogene Steuern gebildet werden?

Kernproblem
Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt u. a. eine wirtschaftliche Verursachung bis zum Bilanzstichtag voraus. Bei Betriebsprüfungen des Finanzamts hat es sich in der Praxis fast zur Regel entwickelt, dass die aus den Mehrergebnissen resultierenden Steuerrückstellungen im jeweiligen Prüfungszeitraum Berücksichtigung finden und sich damit unmittelbar auf das zu versteuernde Einkommen auswirken. Mit dem Wegfall der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe ab dem Veranlagungsjahr 2008 gilt das allerdings nur noch eingeschränkt, im Wesentlichen für Umsatzsteuernachzahlungen. Wann Rückstellungen für hinterzogene Betriebssteuern zu berücksichtigen sind, war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH).

Sachverhalt
Bei einer als Einzelunternehmen geführten Pizzeria wurde zunächst eine „normale“ Betriebsprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 durchgeführt. Nachdem der Prüfer sehr niedrige Rohgewinnaufschlagsätze, Kalkulationsdifferenzen sowie Fehlbeträge in einer Geldverkehrsrechnung festgestellt hatte, wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im weiteren Verlauf einigte man sich im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung auf die Hinzuschätzung bestimmter Betriebseinnahmen sowie umsatzsteuerlicher Entgelte für die Jahre 2001 bis 2005. Während das Finanzamt die gesamten Mehrsteuern im Veranlagungsjahr der Einleitung des Strafverfahrens (2005) berücksichtigte, beantragte der Unternehmer den Ansatz im Hinterziehungsjahr und bekam auch vor dem Finanzgericht (FG) Recht. Über die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Finanzverwaltung entschied jetzt der BFH.

Entscheidung
Der BFH hielt an seiner bereits vor Jahren geäußerten Rechtsprechung fest, die eine Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern erst zu dem Bilanzstichtag zulässt, in dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste. Zwar seien die aus Straftaten resultierenden Verbindlichkeiten nach zivil- oder öffentlich-rechtlichen Grundsätzen bereits mit Begehung der Tat entstanden; solange der Steuerpflichtige aber davon ausgehen könne, dass die Tat unentdeckt bleibe, stelle die Verbindlichkeit für ihn keine wirtschaftliche Belastung dar. Die Rückstellungsbildung setze eine aufdeckungsorientierte Maßnahme des Prüfers voraus, nach der ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung zu rechnen sei.

Konsequenz
Die Finanzverwaltung hatte in ihren Verwaltungsanweisungen bereits vorher bestimmt, dass Rückstellungen für Mehrsteuern auf Grund einer Steuerfahndungsprüfung frühestens mit der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer zu bilden sind. Das jetzige Urteil bestätigt dies.

Zinslose Stundung von Erbschaftsteuer nur unter besonderen Voraussetzungen

Rechtslage

Das Erbschaftsteuergesetz ermöglicht unter gewissen Voraussetzungen die zinslose Stundung der Erbschaftsteuer, wenn sie durch den Erwerb von Mietwohngrundstücken, die erbschaftsteuerlich privilegiert sind, entsteht und die Steuer dazu führt, das geerbtes Vermögen veräußert werden müsste. Das Finanzgericht Köln hat jetzt zu den Voraussetzungen dieser Stundung entschieden.

Sachverhalt
Die Klägerin hatte umfangreichen Grundbesitz geerbt, der zum Teil Mietwohngrundstücke umfasste. Daneben erbte sie Barvermögen, das aber für Vermächtnisse verwendet werden sollte. Da die Immobilien sanierungsbedürftig waren, nahm sie zu deren Renovierung erhebliche Kredite auf. Weil ihr danach keine Mittel mehr zur Begleichung der Erbschaftsteuer zur Verfügung standen, begehrte sie die zinslose Stundung der Erbschaftsteuer, die ihr aber zuletzt auch durch das Finanzgericht versagt wurde.

Entscheidung
Das Finanzgericht urteilte, dass es der Erbin – unabhängig davon, dass Vermächtnisse ausgesetzt waren – möglich gewesen wäre, die Erbschaftsteuer aus dem Barvermögen zu bedienen. Darüber hinaus sei eine Stundung ohnehin nur für den Teil des geerbten Vermögens möglich, der auf die begünstigten Wohnimmobilien entfällt. Schließlich hätte die Erbin die aufgenommenen Kreditmittel zuerst für den Ausgleich der Erbschaftsteuer verwenden können.

Konsequenz
Das Finanzgericht Köln stellt sehr hohe Forderungen an die Stundung der Erbschaftsteuer. Vor dem Hintergrund der Entscheidung wird man nahezu davon ausgehen können, dass nur dann, wenn ausschließlich zu Wohnzwecken vermietete Immobilie vererbt werden, über eine Stundung nachgedacht werden kann.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin