„Kritik des Landesrechnungshofs unsachlich“

Heinold: Landesregierung konsolidiert planbar und verlässlich, Kritik des Landesrechnungshofs unsachlich

Erscheinungsdatum:
26.04.2013

Kiel. Finanzministerin Monika Heinold zeigte sich von der heute (26.4.) veröffentlichten letzten Stellungnahme des amtierenden Landesrechnungshofpräsidenten Dr. Aloys Altmann in seinem Amt überrascht: „Der Pressetext des Landesrechnungshofs passt eher zur zukünftigen Rolle von HerrnDr. Altmann als Vertreter des Steuerzahlerbundes. Eine sachliche Beurteilung der Arbeit der Landesregierung ist er nicht.“

Heinold wies die Behauptung zurück, die Landesregierung habe keine konkreten Vorstellungen, wie sie das strukturelle Finanzierungsdefizit bis 2020 schließen wolle: „Die Landesregierung lässt sich an Zahlen und Fakten messen. Wir stehen für einen verlässlichen Konsolidierungskurs, der die Vorgaben der Schuldenbremse einhält. Das zeigen der Haushalt 2013, die Eckwerte für den Haushalt 2014 und für die Finanzplanung bis 2023. Es ist das gute Recht von HerrnDr. Altmann, unsere Konsolidierungsmaßnahmen wie die Anhebung der Grunderwerbssteuer oder die Begrenzung von Besoldungserhöhungen nicht zu mögen. Das kann aber keine Rolle bei der Bewertung spielen, ob sie zur Haushaltskonsolidierung taugen. Da ist die politische Neutralität des Rechnungshofs gefragt.“

Verwundert war die Finanzministerin auch über die Unterstellung, es bestehe in der Landesregierung Uneinigkeit über den Stellenabbau im öffentlichen Dienst: „Die Finanzplanung des Landes sieht den Abbau des strukturellen Finanzierungsdefizits in 10 Prozent-Schritten vor. Ein wichtiger Teil ist dabei der Personalabbau in Höhe von 10 Prozent. Richtig ist, dass wir hier andere Schwerpunkte setzen als die Vorgängerregierung. Wir wollen mehr Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen lassen und sparen dafür mehr Stellen in der Verwaltung ein. Das werden wir als Kabinett gemeinsam umsetzen.“

Als ärgerlich bezeichnete Heinold zudem die Behauptung, die Landesregierung komme ihrer Informationspflicht gegenüber dem Landtag nicht ausreichend nach: „Wer einen so schwerwiegenden Vorwurf erhebt, sollte ihn auch begründen können. Eine solche Begründung erkenne ich nicht.“

Abschließend bedauerte die Finanzministerin, dass der Landesrechnungshofpräsident sich nach jahrelanger engagierter Arbeit mit einem politischen Manifest statt einer sachlichen Stellungnahme aus dem Amt verabschiedet: „Das schmälert nicht die Verdienste von Herrn Dr. Altmann für das Land. Er verweist zu Recht darauf, dass die Schließung des strukturellen Finanzierungsdefizits einen längeren Vorlauf braucht. Umso unverständlicher ist, dass er der rot-grün-blauen Landesregierung nach weniger als einem Jahr im Amt vorwirft, noch nicht jede Sparmaßnahme bis in das Jahr 2020 spitz gerechnet zu haben. Die Koalition wird weiter zügig und in einem geordneten Verfahren den Weg zu einer schwarzen Null im Jahre 2020 fortsetzen. Ich freue mich darauf, dass HerrDr. Altmann uns dabei in neuer Funktion kritisch begleiten wird. “

Einordnung in Größenklassen zum 1. Januar 2013

Einordnung in Größenklassen gem. § 3 BpO 2000;
Festlegung neuer Abgrenzungsmerkmale zum 1. Januar 2013

BMF-Schreiben vom 22. Juni 2012 – IV A 4 – IV A 4 – S 1450/09/10001 –
Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 22.06.2012 neue Abgrenzungsmerkmale nach der Betriebsprüfungsordnung veröffentlicht, die ab 01.01.2013 anzuwenden sind.

 

Einheitliche Abgrenzungsmerkmale für den 21. Prüfungsturnus (1.1.2013)
BETRIEBSART 1) BETRIEBSMERKMALE in € (G) Großbetriebe (M) Mittelbetriebe (K) Kleinbetriebe
    über
Handelsbetriebe (H) Umsatzerlöse oder steuerlicher Gewinn über 7.300.000 280.000 900.000 56.000 170.000 36.000
Fertigungsbetriebe (F) Umsatzerlöse oder steuerlicher Gewinn über 4.300.000 250.000 510.000 56.000 170.000 36.000
Freie Berufe (FB) Umsatzerlöse oder steuerlicher Gewinn über 4.700.000 580.000 830.000 130.000 170.000 36.000
Andere Leistungsbetriebe (AL) Umsatzerlöse oder steuerlicher Gewinn über 5.600.000 330.000 760.000 63.000 170.000 36.000
Kreditinstitute (K) Aktivvermögen oder steuerlicher Gewinn über 140.000.000 560.000 35.000.000 190.000 11.000.000 46.000
Versicherungsunternehmen Pensionskassen (V) Jahresprämieneinnahmen über 30.000.000 5.000.000 1.800.000
Unterstützungskassen (U)       alle
Land-und forstwirtschaftliche Betriebe (LuF) Wirtschaftswert der selbst-bewirtschafteten Fläche oder steuerlicher Gewinn über 230.000 125.000 105.000 65.000 47.000 36.000
sonstige Fallart (soweit nicht unter den Betriebsarten erfasst) Erfassungsmerkmale Erfassung in der Betriebskartei als Großbetrieb
Verlustzuweisungsgesellschaften (VZG) und Bauherrengemeinschften (BHG) Personenzusammenschlüsse und Gesamtobjekte i.S.d. Nrn. 1.2 und 1.3 des BMF-Schreibens vom 13.07.1992, IV A 5 -S 0361 ­19/92 (BStBl I S. 404) alle
bedeutende steuerbegünstigte Körperschaften und Berufsverbände (BKÖ) Summe der Einnahmen über 6.000.000
Fälle mit bedeutenden Einkünften (bE) Summe der positiven Einkünfte gem. § 2 Absatz 1 Satz 1 Nrn. 4­7 EStG (keine Saldierung mit negativen Einkünften) über 500.000

Bilanz der Thüringer Steuerfahndung 2012

Thüringer Steuerfahnder deckten nach Aussage von Finanzminister Wolfgang Voß im vergangenen Jahr Steuerhinterziehungen in einem Gesamtvolumen von rund 26 Millionen Euro auf. Die Mehreinnahmen liegen damit etwa genauso hoch wie in den beiden Vorjahren 2011 und 2010 zusammen (2011: 10 Millionen Euro; 2010: 16,6 Millionen Euro).

Die positive Aufklärungsbilanz sei neben den gestiegenen Einnahmen auch mit Blick auf die Steuergerechtigkeit erfreulich, so der Minister. Er sagt: „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Wer sich widerrechtlich am Gemeinwesen bereichert, macht sich strafbar.“ Insofern leiste die Steuerfahndung auch einen wichtigen präventiven Beitrag zu einer gleichmäßigen Besteuerung im Land, so Voß weiter.

In den beiden Steuerfahndungsstellen Gera und Gotha wurden im vergangenen Jahr insgesamt 324 Fahndungsprüfungen durchgeführt. In Folge dessen wurden 150 Strafverfahren eingeleitet. Durch die Justiz wurden dabei Freiheitsstrafen von mehr als 20 Jahren verhängt sowie Geldstrafen in Höhe von insgesamt 161.595 Euro ausgesprochen.

Die Steuerfahndung kann tätig werden, wenn Steuerpflichtige unvollständige oder falsche Angaben gemacht haben, so dass Steuern nicht zutreffend festgesetzt werden können. Die Steuerfahndungsdienste sind mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet, sie dürfen z. B. mit richterlicher Anordnung Hausdurchsuchungen durchführen und Gegenstände beschlagnahmen.

(Medieninformation des Thüringer Finanzministeriums vom 07.03.2013)

 

Ergebnisse der Steuerfahndung und Betriebsprüfung 2012 Baden-Württemberg

Jeder Steuerfahnder des Landes hat im Jahr 2012 knappe 2 Millionen Euro an Mehrsteuern erbracht. Das ist der höchste Wert seit über 10 Jahren. Insgesamt haben die 314 Fahnder in Baden-Württemberg damit rund 580 Millionen an Mehrsteuern ermittelt. Auch die rund 1.850 Betriebsprüfer waren erfolgreich. Sie haben insgesamt für Mehrsteuern in Höhe von 2,8 Milliarden Euro gesorgt.

 

Mehrergebnisse

„Die Zahlen belegen: Steuerfahnder und die Betriebsprüfer im Land leisten einen wichtigen Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Sie garantieren, dass Steuern flächendeckend erhoben werden. Nur so kann die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet werden,“ sagte der Minister für Finanzen und Wirtschaft Nils Schmid.

Stellenaufbau

Deshalb hat die Landesregierung entschieden, bis zum Ende der Legislaturperiode 500 zusätzliche Stellen und 500 zusätzliche Ausbildungsplätze in der Steuerverwaltung – vor allem im Außendienst – zu schaffen. Lange Jahre war in der Finanzverwaltung Personal abgebaut worden. Dadurch wurde die Personaldecke für die vielfältigen Aufgaben zu dünn,“ erklärte der Minister für Finanzen und Wirtschaft.

Neue Sondereinheit

Zudem soll in diesem Jahr eine zentrale Sondereinheit zur Steuerbetrugsbekämpfung eingerichtet werden. Beides, repressive Strafverfolgung wie auch präventive Steueraufsicht, die auf frühzeitige Erkennung und Eindämmung professioneller, breit angelegter Steuerumgehungsstrategien abzielt, sind zentrale Bestandteile eines funktionierenden Gesetzesvollzugs. Die Sondereinheit soll daher Sachverhalte mit erhöhtem Steuerausfallrisiko identifizieren und Hinterziehungsmuster aufdecken.

„Die Sondereinheit ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Ihre Einrichtung wurde erst durch den Personalaufbau in den Prüfungsdiensten möglich,“ so Schmid abschließend.

Detaillierte Ergebnisse

Quelle: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg

 

 

Verzögerungsgeld Begründung des Entscheidungsermessens

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 2. Senat
Entscheidungsdatum: 05.12.2012
Aktenzeichen: 2 K 9/12
Dokumenttyp: Urteil
Normen: § 146 Abs 2b AO, § 335 AO, § 5 AO, § 102 FGO, Art 20 Abs 3 GG
Verzögerungsgeld: Erfüllung der Mitwirkungspflicht nach Festsetzung kein Aufhebungsgrund, Keine Vorprägung des Entschließungsermessens, Erkennbarkeit der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Leitsatz

Verzögerungsgeld – Begründung des Entscheidungsermessens

Tenor

Der Bescheid vom 13. Mai 2011 über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500,00 € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer Verzögerungsgeldfestsetzung nach § 146 Abs. 2b Abgabenordnung (AO), da das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe.

2
Die Klägerin ist in den Bereichen Installation von Heizung, Lüftung sowie Klimatechnik und Behälterbau tätig. Sie beschäftigt drei Arbeitnehmer.

3
Mit Verwaltungsakt vom 03. April 2008 wurde eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 01. Dezember 2003 bis zum 31. Dezember 2007 angeordnet, die am 30. April 2008 begonnen hatte. Diese Prüfungsanordnung wurde nicht angefochten. Aufgrund einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt A, die für die anderen Steuerarten zuständig war, wurde die Lohnsteuer-Außenprüfung zeitweise unterbrochen und die Prüfungsanordnung vom 03. April 2008 mit Schreiben vom 09. Dezember 2010 insoweit ergänzt, dass der Prüfungszeitraum auf den Zeitraum 01. Dezember 2005 bis 30. November 2010 neu festgelegt wurde. Auch gegen diese Prüfungsanordnung erfolgte keine Anfechtung.

4
Das Finanzamt … (FA) forderte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 auf, bis zum 18. Januar 2011, folgende Unterlagen zur Prüfungsfortsetzung einzureichen:

 

5

1. sämtliche Brutto/Nettoabrechnungen, Lohnkonten und Lohnjournale für den Zeitraum 01.01.2008 – 30.11.2010

2. Kassenbücher und Kassenbelege der Jahre 2008 – 11/2010,

3. ggf. Nachweis über Prüfungsberichte der Deutschen Rentenversicherung,

4. Anstellungsvertrag sowie sämtliche Änderungsbeschlüsse für den Gesellschafter/Geschäftsführer für den mit Schreiben vom 09.12.2010 festgelegten Prüfungszeitraum,

5. Daten-CD für die Finanzbuchhaltung für den Zeitraum 12/2005-11/2010 nach GdPdU-Format,

6. Angaben zum Fahrzeug mit dem Kennzeichen … (Kopie des Fahrzeugscheins, Nutzer, Privatnutzung, Berechnungsgrundlage, ggf. Fahrtenbuch).

 

6
Die Abgabefrist wurde aufgrund einer Nachfrage der Klägerin bis zum 02. Februar 2011 verlängert. Da die Klägerin die angeforderten Unterlagen bis zu diesem Zeitpunkt nicht übersandt hatte, wies das FA sie mit Schreiben vom 07. Februar 2011 auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO hin und forderte sie nochmals auf, die erforderlichen Unterlagen nun bis zum 03. März 2011 einzureichen. Die Klägerin übersandte daraufhin mit Schreiben vom 02. März 2011 einen Teil der angeforderten Unterlagen, jedoch fehlten weiterhin die Unterlagen zu 2. und 5. Die Klägerin führte aus, dass die Unterlagen vom Steuerberater dem Finanzamt in den nächsten Tagen zugehe. Das FA forderte die fehlenden Unterlagen mit Schreiben vom 23. März 2011 nochmals an, setzte eine Frist bis zum 11. April 2011 und wies nochmals auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes hin.

7
Mit Verwaltungsakt vom 13. Mai 2011 setzte das FA wegen Nichtbefolgung der „Aufforderungen vom 07. Februar 2011 und 23. März 2011“ ein Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500,-€ fest, auf den Bescheid wird Bezug genommen

 

8
Hiergegen wurde am 23. Mai 2011 Einspruch eingelegt und die Bank- und Kassenunterlagen für die Jahre 2008-2010 sowie die entsprechenden Datev-Konten vorgelegt. Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes werde für ermessensfehlerhaft gehalten. Die Finanzbuchhaltung sei benötigt worden, damit die Steuererklärungen 2009 erstellt werden konnten. Das zuständige Finanzamt A habe zeitgleich mit der Aufforderung des FA eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht. Eine Fristverlängerung sei nicht gewährt worden. Die Klägerin, die um das wirtschaftliche Überleben kämpfe, sei nicht in der Lage, derartige Zwangsmaßnahmen zu verkraften.

9
Der Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 15. August 2011 wurde der Klägerin mit Schreiben vom 22. August 2011 übersandt. Weiter führt das FA in diesem Schreiben aus, dass hinsichtlich des festgesetzten Verzögerungsgeldes das Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt worden sei, da lediglich der Mindestbetrag in Höhe von 2.500,- € in Ansatz gebracht worden sei. Die Begründung, die Finanzbuchhaltung werde für die Steuererklärung 2009 benötigt, schlage im Streitfall fehl, da der Prüfer die Daten-CD mit den laufenden Geschäftsvorfällen des Jahres angefordert habe, die bis zum heutigen Tag nicht beim FA eingegangen sei. Das verwendete System sei das Datev-Programm, welche über eine Schnittstelle (Export nach GdPdU) verfüge. Eine termingerechte Bereitstellung wäre daher möglich gewesen. Auch sei mit Schreiben vom 02. März 2011 mitgeteilt worden, dass die noch ausstehenden Prüfungsunterlagen innerhalb der nächsten Tage zugehen würden. Als Begründung für die Verspätung seien familiäre Gründe genannt worden. Selbst auf das Erinnerungsschreiben vom 23. März 2011 sei nicht reagiert worden. Im Übrigen wird auf das Schreiben vom 22. August 2011 Bezug genommen.

 

10
Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das FA habe den Bescheid wegen Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen zu Recht auf § 146 Abs. 2b AO gestützt. Nach dieser Regelung könne ein Verzögerungsgeld von 2.500,- € bis 250.000,- € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seiner Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkomme oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagere.

11
Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei vorliegend erfüllt. Die Außenprüfung gegenüber der Klägerin sei mit Bescheid vom 03. April 2008 angeordnet und am 20. April 2008 begonnen worden. Die Klägerin habe weder die Prüfungsanordnung noch die Änderung des Prüfungszeitraums vom 09. Dezember 2011 angefochten.

12
Das FA habe deshalb die Klägerin auffordern dürfen, die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Dies sei mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 geschehen. Die mehrfach erweiterte Frist zur Vorlage der Unterlagen bis 18. Januar 2011 bzw. letztlich bis 11. April 2011 sei angemessen gewesen. Ferner habe die Klägerin die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen nicht mit Rechtsmitteln angegriffen. Das FA habe der Klägerin die angeforderten Unterlagen schriftlich mitgeteilt und ebenfalls schriftlich mehrfach an die Abgabe erinnert. Ihr habe insgesamt ein Zeitraum von 3,5 Monaten zur Abgabe der angeforderten Unterlagen zur Verfügung gestanden.

13
Es seien keine ernstlichen Zweifel erkennbar, dass das FA sein Entschließungsermessen im Hinblick auf das „ob“ einer Festsetzung des Verzögerungsgeldes und sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgeldes (es sei lediglich der Mindestbetrag in Höhe von 2.500,- € festgesetzt worden) zutreffend ausgeübt habe.

 

14
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der vorgetragen wird, dass das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Die Verzögerungen hätten u. a. daraus resultiert, dass das FA ungeachtet der vorliegenden Zustellungsvollmacht für den Prozessbevollmächtigten, die Schriftsätze direkt an die Steuerpflichtige gerichtet habe. Die Zustellungsvollmacht existiere schon seit etwa 20 Jahren. Auf jeder von der Steuerpflichtigen unterzeichneten und dem Finanzamt übermittelten Steuererklärung sei angegeben worden, dass die Steuerbescheide den Bevollmächtigten aufgrund der dem Finanzamt vorliegenden Zustellungsvollmacht übermittelt werden sollten. Auf die Anlagen zum Schreiben vom 24. Februar 2012 wird Bezug genommen.

15
Gleichzeitig mit der Lohnsteueraußenprüfung durch das FA sei eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt A durchgeführt worden. Zugleich mit der Aufforderung des Lohnsteuerprüfers, die Buchhaltungsunterlagen vorzulegen, habe das Finanzamt A die Klägerin unter Androhung einer Schätzung und Festsetzung des Zwangsgeldes aufgefordert, die Steuererklärungen für den Prüfungszeitraum einzureichen.

16
Die Klägerin sei eine Mini-GmbH mit zwei Angestellten, der Geschäftsführer selbst sei 50 Stunden die Woche als Heizungstechniker tätig. Er habe versucht, die Forderungen der Finanzämter zu erfüllen, obwohl er teilweise nicht einmal verstanden habe, was beispielsweise eine Daten-CD nach GdPdU-Format überhaupt sei und welche Unterlagen bei welchem Finanzamt eingereicht werden sollten. Ferner sei anzumerken, dass die Sachkonten in Papierform eingereicht worden seien und offensichtlich die für die inzwischen beendete Lohn- bzw. Betriebsprüfung ausgereicht hätten. Auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Az. 13 K 13246/10) zur fehlerhaften Ermessensausübung und auf das beim BFH anhängige Verfahren unter dem Az. IV R 25/11 werde verwiesen.

 

17
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 13. Mai 2011 über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500,00 € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 aufzuheben.

 

18
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

19
Zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen. Darüber hinaus wird zum erstmaligen Vortrag der Klägerin in der Klagebegründung Folgendes vorgetragen:

20

1. Dem FA liege keine Zustellungsvollmacht für den Prozessbevollmächtigten vor. Vielmehr seien Erklärungen z. B. über die Betriebsverlegung oder die Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren stets von Frau … selbst unterzeichnet und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen worden. Während der Lohnsteuer-Außenprüfung seien den Schreiben an die Klägerin stets Abschriften für den Steuerberater und umgekehrt beigefügt worden, so dass eine zügige Weitergabe der Informationen möglich gewesen sei.
21

2. Nach Beginn der Lohnsteueraußenprüfung am 30. April 2008 seien die mit Schreiben vom 19. Mai 2008 angeforderten Unterlagen letztmalig mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 angemahnt worden. Mit Ergehen der Prüfungsanordnung des Finanzamts A am 28. Dezember 2009 und Beginn der Betriebsprüfung am 07. Januar 2010 sei die Lohnsteueraußenprüfung unterbrochen worden. Während der Betriebsprüfung seien keine weiteren Anforderungen bezüglich der Lohnsteuer-Außenprüfung an die Klägerin gegangen. Erst nach Abschluss der Betriebsprüfung sei die Lohnsteuer-Außenprüfung wieder aufgenommen worden und dies der Klägerin mit Ergänzung der Prüfungsanordnung vom 09. Dezember 2010, auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten erneut zugesandt am 12. Januar 2011, bekannt gegeben worden. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 seien die für den neuen Lohnsteuer-Außenprüfungszeitraum benötigten Unterlagen angefordert worden.
22

3. Die Klägerin sei während des gesamten Prüfungszeitraums steuerlich beraten gewesen und habe aufgrund der stets beigefügten Abschriften für den Steuerberater die Möglichkeit gehabt, die Liste angeforderter Unterlagen und Erinnerungsschreiben an diesen weiterzugeben.
23
Durch § 147 Abs. 6 AO seien bilanzierende Steuerpflichtige bei Außenprüfungen, die nach dem 31. Dezember 2001 beginnen würden, verpflichtet, die Daten der Finanzbuchhaltung, der Anlagenbuchhaltung und der Lohnbuchhaltung für eine Prüfung durch Datenzugriff zur Verfügung zu halten. Laut Schreiben des Bundesfinanzministers vom 16. Juli 2001 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 2001, 415) über die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPdU) könne die Finanzbehörde verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Auswertung überlassen würden (Daten-CD nach GPU-Format). Da diese CD über eine Schnittstelle des vom Prozessbevollmächtigten verwendeten Datev-Programms erstellt werde, stünden der Klägerin die gespeicherten Daten auch nach der Übermittlung weiterhin z. B. zur Erstellung der Steuererklärungen zur Verfügung.

24
Die zur Prüfung notwendige Kassenbuchführung und die Kassenbelege seien dem Finanzamt erst nach Festsetzung des Verzögerungsgeldes zur Verfügung gestellt worden. Die für eine umfassende Prüfung erforderliche Daten-CD sei auch nach Festsetzung des Verzögerungsgeldes nicht vorgelegt worden.

 

25
Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg sei auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragbar, da hier weder gegen die Prüfungsanordnungen vom 03. April 2008 oder 09. Dezember 2010 Einsprüche eingelegt worden seien und die Frist zur Vorlage der schriftlich angeforderten Unterlagen auf Antrag der Klägerin mehrfach erweitert worden sei. Ein Antrag auf Aussetzung sei nicht gestellt worden.

26
Die GmbH habe zum 01. Juli 2002 den Sitz der Gesellschaft, den Ort der Geschäftsleitung und die lohnsteuerliche Betriebsstätte von B nach C verlegt. Von diesem Zeitpunkt an seien das Finanzamt A für Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer sowie das FA … für die Lohnsteuer zuständig gewesen. Soweit die Klägerin gegenüber dem Finanzamt A zur Steuernummer … eine Empfangsvollmacht erteilt habe, könne diese nicht gegenüber dem FA … gelten. Vielmehr sei die Erteilung einer gesonderten Empfangsvollmacht erforderlich.

27
Die laufenden Lohnsteueranmeldungen seien stets von der Klägerin direkt übermittelt worden und hätten keine Angaben über etwaige Empfangsbevollmächtigte enthalten. Es werde auf die elektronisch übermittelte Lohnsteueranmeldung (beispielsweise August 2009) und den umfangreichen Schriftverkehr in der Lohnsteuerakte, der sich aus der Umstellung der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigungsdaten über das Elster-Programm zwischen Frau … und dem FA ergeben habe verwiesen.

 

28
Beide Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet

29
Im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie 1 Band Lohnsteuerakte Bezug genommen. Diese war beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.

 

 

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Entscheidungsgründe

30
Die Klage ist zulässig und begründet.

 

31
Der angefochtene Verwaltungsakt vom 13. Mai 2011 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500 € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes liegen zwar vor (1.), jedoch wurde das Entschließungsermessen nicht (ausreichend) begründet (2.).

 

32
1.) Im Streitfall sind die formellen und tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2 b AO dem Grunde nach erfüllt.

 

33
a) Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes beruht auf § 146 Abs. 2b AO. Danach kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung der Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert.

 

34
Das Verzögerungsgeld wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19. Dezember 2008 (BGBl I S. 2794) mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1, 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Das Verzögerungsgeld kann nach dem Wortlaut von § 146 Abs. 2b AO aufgrund der dort vorgenommenen Aufzählung auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamtes zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt. Zwar spricht die systematische Verortung dieser neuen Sanktionsmöglichkeit in § 146 AO nach dessen Abs. 2a dafür, das Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland zu sehen (so Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 146 AO Rn. 51, Stand: Mai 2009). Die Wortlautauslegung wird aber durch die Gesetzesbegründung gestützt, wonach das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von (sonstigen) Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelte, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führten, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland täten, zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 16/10189, S. 81, BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833 und vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, Bundessteuerblatt BStBl. II 2011, 855; jeweils m.w.N.). Dadurch wird mit hinreichender Normenklarheit deutlich, dass der Gesetzgeber die Sanktionsmöglichkeit des Verzögerungsgeldes zwar systematisch unglücklich angesiedelt, aber inhaltlich unabhängig von einer Verlagerung der Buchführung ins Ausland für die in der Vorschrift genannten Fälle vorsehen wollte (vgl. Geißler, NWB 52/53, S. 4076; Rätke, in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl. 2009, § 146 Rn. 5 b; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, S. 130; a. A. Drüen, a.a.O.). Dieses Normverständnis wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgeldes auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre (BFH-Beschluss vom 28. Juni 2011, a.a.O.; ablehnend Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O.).

 

35
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes vor. Gegenüber der Klägerin ist durch vollziehbare Prüfungsanordnungen bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung angeordnet worden. Das Finanzamt durfte deshalb die Aufforderungen an die Klägerin vom 22. Dezember 2010, 07. Februar 2011 und 23. März 2011 erlassen. Die in der letzten Erinnerung vom 23. März 2011 an die noch fehlenden Unterlagen zu 2. und 5. der Aufforderung vom 22. Dezember 2010 gesetzte Frist bis zum 11. April 2011 war angesichts der vorher gewährten mehrfachen Fristverlängerungen nicht zu kurz bemessen und daher als angemessen zu betrachten. Die Klägerin hatte damit mehrere Monate Zeit, die prüfungsrelevanten Auskünfte und Unterlagen zusammenzustellen. Die unangefochten gebliebenen Aufforderungen sind vollziehbar und in formelle Bestandskraft erwachsen.

 

36
Eine Zustellungsvollmacht liegt in der Lohnsteuerakte nicht vor, auch wurde im Klageverfahren keine entsprechende Vollmacht vorgelegt. Die Aufforderung des FA vom 22. Dezember 2010 wurde an die Klägerin gesandt und lag dem Prozessbevollmächtigten -laut Schreiben vom 3. Januar 2011- vor. Die weiteren Schreiben gingen weiterhin an die Klägerin, was im Einspruchsverfahren auch nicht beanstandet wurde. Die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen betreffen, soweit diese an den Prozessbevollmächtigten gerichtet waren, ausschließlich Schreiben des Finanzamts A bzw. die Körperschaftsteuererklärungen der Klägerin. Für die Lohnsteuer ist aber das beklagte FA … zuständig.

 

37
Der Festsetzungsbescheid vom 13. Mai 2011 wurde daher wirksam an die Klägerin bekanntgegeben. Verzögerungen bei der Übermittlung der Schreiben vom 22. Dezember 2010, 07. Februar 2011 und 23. März 2011 durch die Klägerin an den Prozessbevollmächtigten sind mangels Zustellungsvollmacht der Klägerin anzulasten. Im Übrigen standen für die Vorlage der Unterlagen seit dem 03. Januar 2011 mehr als drei Monate bis zum Fristende 11. April 2011 zur Verfügung. Auch hat die Klägerin nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Daten-CD durch den Prozessbevollmächtigten nicht erstellt und dem FA übersandt werden konnte.

 

38
c) Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist hindert nicht die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes. § 335 AO ist weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01. Februar 2011 3 K 64/10, EFG 2011, 846; FG Hamburg, Beschluss vom 16. November 2011 2 V 173/11, Juris). Nach § 335 AO ist der Vollzug einzustellen, wenn die Verpflichtung nach Festsetzung des Zwangsmittels erfüllt wird. Diese Vorschrift ordnet indes nur die Einstellung des weiteren Vollzuges an und nicht die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. BFH-Beschluss vom 07. Oktober 2009 VII B 28/09, BFH/NV 2010, 385). Das Verzögerungsgeld hat repressiven Charakter, weil der Nachteil an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten anknüpft und durch den vom Zwangsgeld abweichenden Rahmen für die Höhe (2.500 € bis 250.000 € beim Verzögerungsgeld – maximal 25.000 € beim Zwangsgeld) zum Ausdruck kommt, dass es auch darum geht, Vorteile abzuschöpfen, die sich möglicherweise aus dem verzögerten Mitwirkungsverhalten ergeben können (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01. Februar 2011, a.a.O. m.w.N.). Das Verzögerungsgeld ist damit wie der Verspätungszuschlag nach § 152 AO (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. März 2007 IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450) ein Druckmittel eigener Art, das auf die Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist und zugleich einen repressiven und präventiven Charakter hat (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01. Februar 2011 a.a.O.). Aufgrund seines zugleich repressiven Charakters ist sein Zweck nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung nach der Festsetzung nachkommt. Es liegt somit eine über die gesetzliche Wertung des § 335 AO hinausgehende „überschießende Tendenz“ des Verzögerungsgeldes vor, die eine entsprechende Anwendung dieser Norm nicht zulässt.

 

39
2.) Die Ermessensentscheidung des Finanzamts wurde jedoch weder im Festsetzungsbescheid vom 13. Mai 2011 noch in der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 ausreichend begründet.

 

40
Nach § 146 Abs. 2b AO „kann“ ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden. Es handelt sich somit um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die zunächst entscheiden muss, ob sie ein Verzögerungsgeld festsetzt („Entschließungsermessen“) und auf der nächsten Stufe in welcher Höhe („Auswahlermessen“), § 5 AO. Die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde ist gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Da die Vorschrift des § 146 Abs. 2b AO – im Unterschied zu den in § 152 Abs. 2 AO enthaltenen Regelungen zum Verspätungszuschlag – keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder -grenzen vorsieht, hat die Behörde die anzustellenden Ermessenserwägungen nach den in § 5 AO geregelten allgemeinen Grundsätzen auszurichten (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, Rn. 32 f., Juris; Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 08. August 2011 8 V 1281/11, EFG 2011, 1949). Ob die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, kann nur auf der Grundlage der Verhältnisse beurteilt werden, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung bekannt waren oder bekannt sein mussten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Finanzbehörden kommt es mithin auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (vgl. von Groll in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 102 Rz. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung kann nicht von der späteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse oder auch der Erkenntnisse der ermessensausübenden Behörde abhängen (BFH, Urteil vom 6. März 1996 II R 102/93, BStBl II 1996, 396).

 

41
a) Das Entschließungsermessen ist durch das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 146 Abs. 2 b AO nicht vorgeprägt (ebenso: Finanzgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010 3 V 243/09, DStRE 2010, 497 ff. und Urteil vom 1. Februar 2011 3 K 64/10, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2011, Seite 846 ff., 847 mit Anm.; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; a.A.: Geißler, Außenprüfung, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB, 2. Halbjahr 2009, Seite 4076 ff., Seite 4080 unter 4.). Der Gesetzgeber hat durch die Normierung eines recht hohen Mindestbetrages von immerhin 2.500,- EUR und eines ganz erheblichen Höchstbetrages von 250.000,- EUR eine sehr große Spannbreite des festzusetzenden Verzögerungsgeldes geschaffen, die im Ermessen der Finanzbehörde steht. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber -wie oben ausgeführt- keine konkreten Ermessensleitlinien oder –grenzen umschrieben, die bei der Ermessensausübung Berücksichtigung finden sollen. Deshalb scheint sich zu Recht in Literatur und Rechtsprechung die Tendenz abzuzeichnen, die Anwendung der Vorschrift auf wesentliche Fälle zu begrenzen (so: Dißars in Schwarz, Praxiskommentar, 148. Lieferung, § 146 Rn. 49), Bagatellfälle auszuklammern (so: Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011, a. a. O., Rn. 36) bzw. in das Entschließungsermessen alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen, insbesondere Verschuldensaspekte, auch wenn diese im Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO nicht ausdrücklich genannt sind (in diesem Sinne: FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010, a. a. O. und Urteil vom 1. Februar 2011, a. a. O.). Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten einer fehlerfreien Ermessensausübung durch die Finanzbehörde wird in der Literatur zu Recht hingewiesen (so z.B. Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, Stand: 129. Lieferung, Juni 2012, § 146 Textziffer 48, 51). Nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts und des Finanzgerichts Hamburg braucht in der Ermessensentscheidung dann nicht auf den Steuerpflichtigen entlastende Umstände eingegangen zu werden, wenn die dementsprechende Bewertung der Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen bereits vorher bekannt gemacht wurde (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 01. Februar 2011 3 K 64/10, EFG 2011, 846; FG Hamburg, Beschluss vom 16. November 2011 2 V 173/11, Juris).

 

42
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die Entscheidung wegen fehlender Begründung des Entschließungsermessens rechtswidrig.

 

43
Vorliegend kann aus dem Bescheid vom 13. Mai 2011 nicht entnommen werden, dass das Finanzamt sein Entschließungsermessen erkannt und ausgeübt hat. Es fehlen jegliche Ausführungen zum Ermessen. Im Schreiben vom 22. August 2011 erfolgte zwar eine Auseinandersetzung mit den Verschuldensgründen, aber nicht mit den weiteren Gesichtspunkte, die in den Ermessenserwägungen zu berücksichtigen gewesen wären, wie etwa der Umfang der Auskunfts- und Vorlageverpflichtung und die im Einspruchsverfahren inzwischen größtenteils erfolgte Erfüllung (bis auf die Daten-CD) durch die Klägerin oder der Umfang der eingetretenen Verzögerung, insbesondere, aus welchen Gründen nach Abschluss der Lohnsteueraußenprüfung die Vorlage der Daten-CD trotz (verspäteter) Einreichung der Sachkonten noch erforderlich war und welche Verzögerungen hierdurch eingetreten sind. Auch fehlen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit.

 

44
Eine Nachholung der Ermessensabwägungen hätte in der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 erfolgen können. Das FA hat in der Einspruchsentscheidung auf der Ebene des Entschließungsermessens keine, insbesondere keine Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemacht hat. Auch wenn § 146 Abs. 2b AO – im Gegensatz zur ausdrücklichen Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Auswahl von Zwangsmitteln in § 328 Abs. 2 AO – keinen diesbezüglichen Hinweis enthält, hat die Finanzbehörde bei Ausübung ihres Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 08. August 2011). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet und bei der Auslegung und Anwendung der Normen des einfachen Rechts stets zu beachten (BFH, Urteil vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477; BStBl II 1992, 57 ff. unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

 

45
Da in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu Recht die Ansicht vertreten wird, dass eine Begründung des Auswahlermessens zur Rechtfertigung der Höhe des festgesetzten Verzögerungsgeldes dann nicht erforderlich ist, wenn das Finanzamt den gesetzlich bestimmten Mindestbetrag in Höhe von 2.500,- EUR festsetzt (Finanzgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010, a. a. O.; Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 19. März 2010 12 V 396/10, n. v., Juris, Rn. 34), würde eine Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – bei wörtlicher Auslegung der oben genannten Verfügung – völlig entfallen. Dies würde der Bedeutung des Grundsatzes in jedem Falle nicht gerecht.

 

46
Das FA hat sich im Schreiben vom 22. August 2011 insoweit zuvörderst von Verschuldensaspekten hinsichtlich der Säumnis der Klägerin leiten lassen. Ob dieser Gesichtspunkt für sich genommen tragfähig ist, ist fraglich, denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass trotz schuldhafter Säumnis die Finanzbehörde gleichwohl aufgrund der fehlenden weiteren vorgenannten Ermessenerwägungen zu dem Ergebnis gelangen kann, von der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes abzusehen (vgl. hierzu FG Berlin-Brandenburg a.a.O. unter Hinweis auf das zum Verspätungszuschlag ergangene BFH-Urteil vom 28. März 2007 IX R 22/05, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH –BFH/NV- 2007, 1450 ).

 

47
Danach war der Klage – trotz der unbestreitbaren Versäumnisse der Klägerin – aus Rechtsgründen zu entsprechen.

 

48
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

49
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.

50
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

 

 

Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)

Aus dem BMF: Entwurf: Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD):

Die GoBD sollen die GoBS (Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme) von 1995, die GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) von 2001 sowie die „Fragen und Antworten zum Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung“ bündeln. Nach einer verbandsöffentlichen Kommentierungsphase werden die GoBD voraussichtlich im Sommer 2013 als BMF-Schreiben veröffentlicht.

POSTANSCHRIFT Bundesministerium der Finanzen, 11016 Berlin

Nur per E-Mail                                                                                            HAUSANSCHRIFT Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin

TEL +49 (0) 30 18 682-0 Oberste Finanzbehörden FAX der Länder E-MAIL

DATUM xx.xx.2013

BETREFF

 

GZ IV A 4 -S 0316/13/10003

DOK      2013/0296820 (bei Antwort bitte GZ und DOK angeben)

  1. Internes Kontrollsystem (IKS)…………………………………………………………………………. 18
  2. Datensicherheit………………………………………………………………………………………………..18
  3. Unveränderbarkeit, Protokollierung von Änderungen………………………………………19
  4. Aufbewahrung…………………………………………………………………………………………………20
  5. Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit……………………………………………………….. 24
  6. Datenzugriff…………………………………………………………………………………………………….26
  7. ZertifizierungundSoftware-Testate…………………………………………………………………30
  8. Anwendungsregelung………………………………………………………………………………………. 30

 

www.bundesfinanzministerium.de

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1. Anwendungsbereich

Die betrieblichen Abläufe in den Unternehmen werden ganz oder teilweise unter Einsatz von Informations-und Kommunikations-Technik abgebildet.

Auch die nach außersteuerlichen oder steuerlichen Vorschriften zu führenden Bücher und sonst erforderlichen Aufzeichnungen werden in den Unternehmen zunehmend in elektro­nischer Form geführt (z. B. als Datensätze) sowie die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen in elektronischer Form (z. B. als elektronische Dokumente) aufbewahrt (steuerrelevante Daten).

Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können nach § 146 Abs. 5 AO auch auf

Datenträgern geführt werden, soweit diese Form der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) entspricht. Bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Damit sind die formellen GoB sinngemäß auf diese Aufzeich­nungen anzuwenden.

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Neben den außersteuerlichen und steuerlichen Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäfts­vorfällen sind alle Unterlagen aufzubewahren, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeu­tung sein können (BFH-Urteil vom 24.6.2009, BStBl II 2010 S. 452). So dienen z. B. Kosten-stellen der Bewertung von Wirtschaftsgütern, von Rückstellungen oder als Grundlage für die Bemessung von Verrechnungspreisen und sind damit zum Verständnis und zur Überprüfung von Bedeutung. Dazu zählen auch alle Daten, Datensätze, elektronischen Dokumente und elekt­

Werden Aufzeichnungen nach verschiedenen Rechtsnormen in einer Aufzeichnung zusam­mengefasst, müssen die zusammengefassten Aufzeichnungen den unterschiedlichen Zwecken genügen.

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1.2 Bücher

Der Begriff ist funktional unter Anknüpfung an die handelsrechtliche Bedeutung zu verste­hen. Die äußere Gestalt (gebundenes Buch, Loseblattsammlung oder auf Datenträgern) ist un­erheblich.

Der Kaufmann ist verpflichtet, in den Büchern seine Handelsgeschäfte und die Lage des Vermögens ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 S. 1 HGB). Der Begriff Bücher umfasst

Materiell ordnungsmäßig sind Bücher und Aufzeichnungen nur dann, wenn alle Geschäftsvor­fälle vollständig und richtig in ihrer Auswirkung erfasst und anschließend verbucht bzw. ver­arbeitet sind.

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1.5 Datenverarbeitungssystem; Haupt-, Vor-und Nebensysteme

Unter DV-System wird die im Unternehmen oder für Unternehmenszwecke zur elektroni­schen Datenverarbeitung eingesetzte Hard-und Software verstanden, mit denen Daten und Dokumente erfasst, erzeugt, empfangen, übernommen, verarbeitet, gespeichert und übermit­telt werden. Dazu gehören das Hauptsystem (z. B. Finanzbuchführungssystem) sowie Vor-und Nebensysteme (z. B. Kassensystem, Warenwirtschaftssystem, Zahlungsverkehrssystem, Scannen von Rechnungen und Übertragung in das Hauptsystem, Materialwirtschaft, Fakturie­

2.

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normen (z. B. §§ 238, 239, 257, 261 HGB) und steuerlichen Ordnungsvorschriften (insbeson­dere §§ 145 bis 147 AO).

Die allgemeinen Ordnungsvorschriften in den §§ 145 bis 147 AO gelten nicht nur für Buch­führungs-und Aufzeichnungspflichten nach § 140 AO und nach den §§ 141 bis 144 AO. Ins­besondere § 145 Abs. 2 AO betrifft alle zu Besteuerungszwecken gesetzlich geforderten Auf­zeichnungen, also auch solche, zu denen der Steuerpflichtige aufgrund anderer Steuergesetze

3.1 Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit (§ 145 Abs. 1 AO, § 238 Abs. 1 S. 2 HGB)

Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unter­

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nehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Ab­wicklung lückenlos verfolgen lassen (progressive und retrograde Prüfbarkeit).

Die progressive Prüfung beginnt beim Beleg, geht über die Grund(buch)aufzeichnungen und Journale zu den Konten, danach zur Bilanz mit Gewinn-und Verlustrechnung und schließlich zur Steueranmeldung bzw. Steuererklärung. Die retrograde Prüfung verläuft umgekehrt. Die progressive und retrograde Prüfung muss über die gesamte Dauer der Aufbewahrungsfrist und in jedem Verfahrensschritt möglich sein.

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sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners (BFH-Urteil vom 12.5.1966, BStBl III S. 372) -soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Ge­schäftsvorfalls (BFH-Urteil vom 1.10.1969, BStBl II 1970 S. 45) und ggf. unter Berücksichti­gung branchenspezifischer Mindestaufzeichnungspflichten.

Dies gilt auch für Bareinnahmen; der Umstand der sofortigen Bezahlung rechtfertigt keine Ausnahme von diesem Grundsatz (BFH-Urteil vom 26.2.2004, BStBl II S. 599).

Urteil vom 24.6.1997, BStBl II 1998 S. 51), der Wahrheit entsprechend aufzuzeichnen und bei kontenmäßiger Abbildung zutreffend zu kontieren.

Erfundene Geschäftsvorfälle dürfen nicht erfasst, tatsächliche Geschäftsvorfälle dürfen nicht mit falschen Werten aufgezeichnet oder deren Erfassung oder Verarbeitung unterdrückt wer­den.

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So ist z. B. eine Bon-oder Rechnungserteilung ohne Registrierung der bar vereinnahmten Be­träge (Abbruch des Vorgangs) in einem DV-System unzulässig.

3.2.3 Zeitgerechtheit (§ 146 Abs. 1 AO, § 239 Abs. 2 HGB)

Das Erfordernis „zeitgerecht“ zu verbuchen verlangt, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwi­schen den Vorgängen und ihrer buchmäßigen Erfassung besteht (BFH-Urteil vom 25.3.1992, BStBl II S. 1010; BFH-Urteil vom 5.3.1965, BStBl III S. 285).

Werden bei der Erstellung der Bücher oder Aufzeichnungen Geschäftsvorfälle nicht laufend, sondern nur periodenweise gebucht, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Erfassung der Kreditgeschäfte eines Monats im Grundbuch bis zum Ablauf des folgenden Monats erfolgt, sofern durch organisatorische Vorkehrungen sichergestellt ist, dass die Unterlagen bis zu ihrer Erfassung im Grundbuch nicht verloren gehen, z. B. durch laufende Nummerierung der

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eingehenden und ausgehenden Rechnungen oder durch Ablage in besonderen Mappen und Ordnern (R 5.2 Abs. 1 EStR).

Jeder Geschäftsvorfall ist periodengerecht der Abrechnungsperiode zuzuordnen, in der er an­gefallen ist. Zwingend ist die Zuordnung zum jeweiligen Geschäftsjahr oder zu einer nach Gesetz, Satzung oder Rechnungslegungszweck vorgeschriebenen kürzeren Rechnungsperio­de.

Bei der doppelten Buchführung sind die Geschäftsvorfälle so zu verarbeiten, dass sie geordnet darstellbar sind und jederzeit ein Überblick über die Vermögens-und Ertragslage gewährleis­tet ist.

Die Buchungen müssen einzeln und sachlich geordnet nach Konten und diese fortgeschrieben nach Kontensummen oder Salden sowie nach Abschlussposition dargestellt und jederzeit les­bar gemacht werden können. Daraus ergibt sich für das DV-System insgesamt und ggf. für

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dessen Bestandteile die Kontenfunktion (Hauptbuch, siehe Tz. 5.3).

3.2.5 Grundsatz der Unveränderbarkeit (§ 146 Abs. 4 AO, § 239 Abs. 3 HGB)

Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind (§ 146 Abs. 4 AO, § 239 Abs. 3 HGB).

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Ein Buchungsbeleg in Papierform oder in elektronischer Form (z. B. Rechnung) kann ein oder mehrere Geschäftsvorfälle enthalten.

Aus der Verfahrensdokumentation (siehe Tz. 10.1) muss ersichtlich sein, wie die elektroni­schen Belege erfasst, empfangen, verarbeitet, ausgegeben und aufbewahrt (zur Aufbewahrung siehe Tz. 9) werden.

4.1

Seite 13

Die Ablage der Belege und die Zuordnung zwischen Beleg und Aufzeichnung müssen in an­gemessener Zeit nachprüfbar sein. So ist z. B. Beleg-oder Buchungsdatum, Kontoauszug­nummer oder Name bei umfangreichem Beleganfall mangels Eindeutigkeit in der Regel kein geeignetes Zuordnungsmerkmal für den Geschäftsvorfall.

4.3 Erfassungsgerechte Aufbereitung der Buchungsbelege

Eine erfassungsgerechte Aufbereitung der Buchungsbelege in Papierform oder die entspre­chende Übernahme von Beleginformationen aus elektronischen Belegen (Daten, Datensätze, elektronische Dokumente und elektronische Unterlagen) ist sicherzustellen. Diese Aufberei­tung der Belege ist insbesondere bei Fremdbelegen von Bedeutung, da der Steuerpflichtige im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Gestaltung der ihm zugesandten Handels-und Ge­schäftsbriefe (z. B. Eingangsrechnungen) hat.

Seite 14

 

Für umsatzsteuerliche Zwecke können weitere Angaben erforderlich sein, wie z. B.:

  • Einzelpreis (Bewertung),
  • Valuta, Fälligkeit (Bewertung),
  • Angaben zu Skonti, Rabatten (Bewertung),
  • Zahlungsart (bar, Bank).

 

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4.4 Besonderheiten

Bei DV-gestützten Prozessen wird der Nachweis oft nicht durch konventionelle Belege er­bracht (z. B. Buchungen aus Fakturierungssätzen, die durch Multiplikation von Preisen mit entnommenen Mengen aus der Betriebsdatenerfassung gebildet werden). Die Erfüllung der Belegfunktion ist dabei durch die ordnungsgemäße Anwendung des jeweiligen Verfahrens wie folgt nachzuweisen:

 

• Dokumentation der programminternen Vorschriften zur Generierung der Buchungen,
  • Nachweis, dass die in der Dokumentation enthaltenen Vorschriften einem autorisierten Änderungsverfahren unterlegen haben (u. a. Zugriffsschutz, Versionsführung, Test-und Freigabeverfahren),
  • Nachweis der Anwendung des genehmigten Verfahrens sowie
  • Nachweis der tatsächlichen Durchführung der einzelnen Buchungen.

 

Bei Dauersachverhalten (z. B. monatliche AfA-Buchungen nach Anschaffung eines abnutz­baren Wirtschaftsguts) ist der Anschaffungsbeleg mit der AfA-Bemessungsgrundlage und weiteren Parametern (z. B. Nutzungsdauer) Basis für die folgenden Automatikbuchungen. Der Anschaffungsbeleg ist bis zum Ende der Nutzungsdauer aufbewahrungspflichtig. Aus der Verfahrensdokumentation und der ordnungsmäßigen Anwendung des Verfahrens muss der automatische Buchungsvorgang nachvollziehbar sein.

5. Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle in zeitlicher Reihenfolge und in sachlicher Ordnung

Der Steuerpflichtige hat organisatorisch und technisch sicherzustellen, dass die elektronischen Buchungen und sonst erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeit­gerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 146 Abs. 1 S.1 AO, § 239 Abs. 2 HGB). Jede Buchung oder Aufzeichnung muss im Zusammenhang mit einem Beleg stehen (BFH-

Bei der doppelten Buchführung werden alle Geschäftsvorfälle in zeitlicher Reihenfolge (Grundbuch) und in sachlicher Gliederung (Hauptbuch, Konten, siehe Tz. 5.2) dargestellt.

Damit verursacht jeder Geschäftsvorfall eine Buchung auf mindestens zwei Konten (Soll-und Habenbuchung).

Die Erfassung der Geschäftsvorfälle in elektronischen Grundaufzeichnungen bzw. im elek­tronischen Grundbuch (siehe Tz. 5.1) und die Verbuchung im Journal (siehe Tz. 5.2) kann or­ganisatorisch und zeitlich auseinander fallen (z. B. Grundaufzeichnung in Form von Kassen­auftragszeilen). In diesen Fällen gelten die Ordnungsvorschriften bereits mit der ersten Erfas­

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sung der Geschäftsvorfälle und müssen über alle nachfolgenden Prozesse erhalten bleiben

(z. B. Übergabe von Daten aus Vor-in Hauptsysteme).

5.1 Erfassung in Grundaufzeichnungen bzw. im Grundbuch

Die fortlaufende Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle erfolgt zunächst in elektronischen Grundaufzeichnungen (Grundaufzeichnungsfunktion) oder Grundbüchern (Grundbuch­funktion), um die Belegsicherung und die Garantie der Unverlierbarkeit des Geschäftsvorfalls

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der zeitgerechten Erfassung in Grundbüchern (BFH-Urteil vom 16.9.1964, BStBl III S. 654). Zeitversetzte Buchungen im Journal genügen nur dann, wenn die Geschäftsvorfälle vorher fortlaufend richtig und vollständig in Grundbüchern aufgezeichnet werden.

Die Journalfunktion ist nur erfüllt, wenn die gespeicherten Aufzeichnungen gegen Verände­rung oder Löschung geschützt sind.

Fehlerhafte Buchungen können wirksam und nachvollziehbar durch Stornierungen oder Neu­

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Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Nebenbücher entsprechend.

Bei der Übernahme verdichteter Zahlen ins Hauptsystem müssen die zugehörigen Einzelauf­zeichnungen aus den Vor-und Nebensystemen erhalten bleiben.

6. Internes Kontrollsystem (IKS)

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8. Unveränderbarkeit, Protokollierung von Änderungen

Nach § 146 Abs. 4 AO darf eine Buchung oder Aufzeichnung nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprüng­lich oder erst später gemacht worden sind.

tenänderungen ausgeschlossen oder Stammdaten mit Gültigkeitsangaben historisiert werden, um mehrdeutige Verknüpfungen zu verhindern. Auch eine Änderungshistorie darf nicht nach­träglich veränderbar sein.

Systemfunktionalitäten oder Manipulationsprogramme, die diesen Anforderungen entgegen­wirken sollen, führen regelmäßig zur Ordnungswidrigkeit der elektronischen Bücher und sonst erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen.

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9. Aufbewahrung

Der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht (BFH-Urteil vom 24.6.2009, BStBl II 2010 S. 452; BFH-Urteil vom 26.2.2004, BStBl II S. 599).

Müssen Bücher für steuerliche Zwecke geführt werden, sind sie in vollem Umfang aufbewah­rungs-und vorlagepflichtig (z. B. Finanzbuchhaltung hinsichtlich Drohverlustrückstellungen,

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tenträgern ausgeübt. Sie dürfen daher nicht mehr ausschließlich in ausgedruckter Form auf­bewahrt werden und müssen über die Dauer der Aufbewahrungsfrist unveränderbar erhalten bleiben (z. B. per E-Mail eingegangene Rechnung im PDF-Format). Dies gilt unabhängig da­von, ob die Aufbewahrung im Produktivsystem oder durch Auslagerung in ein anderes DV-System erfolgt.

Bei den Daten und Dokumenten ist -wie bei den Informationen in Papierbelegen -auf deren

9.1 Maschinelle Auswertbarkeit

Eine maschinelle Auswertbarkeit ist u. a. gegeben, bei aufzeichnungs-und aufbewahrungs­pflichtigen Daten, Datensätzen, elektronischen Dokumenten und elektronischen Unterlagen,

  • die mathematisch-technische Auswertungen ermöglichen,
  • die eine Volltextsuche ermöglichen,

 

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• die auch ohne mathematisch-technische Auswertungen eine Prüfung im weitesten Sinne ermöglichen.

Das Erfordernis der maschinellen Auswertbarkeit ist nach den tatsächlichen Informations­und Dokumentationsmöglichkeiten zu beurteilen.

Mathematisch-technische Auswertung bedeutet, dass alle in den aufzeichnungs-und aufbe­wahrungspflichtigen Daten, Datensätzen, elektronischen Dokumenten und elektronischen Un­

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Im DV-System erzeugte Dokumente (z. B. als Textdokumente erstellte Ausgangsrechnungen, Verträge, Verfahrensdokumentation) sind im Ursprungsformat aufzubewahren.

Bei Einsatz von Kryptografietechniken sind die verschlüsselte und die entschlüsselte Unterla­ge und die verwendeten Schlüssel aufzubewahren. Werden Signaturprüfschlüssel verwendet, sind die eingesetzten Schlüssel aufzubewahren.

Bei Umwandlung (Konvertierung) aufbewahrungspflichtiger Unterlagen in ein unterneh­

9.3

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bewahrung in elektronischer Form nicht erhalten bleibt, zusätzlich in der Originalform auf­bewahrt werden sollen.

Der Verzicht auf einen Papierbeleg darf die Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit und Nach­prüfbarkeit nicht beeinträchtigen.

9.4 Auslagerung von Daten aus dem Produktivsystem und Systemwechsel

Im Falle eines technisch oder betriebswirtschaftlich notwendigen Systemwechsels (z. B. Ab­schaltung Altsystem, Datenmigration) oder einer Auslagerung von Daten aus dem Produk­tivsystem ist es nur dann nicht erforderlich, die ursprüngliche Hard-und Software des Pro-

Eine Aufbewahrung in Form von Datenextrakten, Reports oder Druckdateien ist unzulässig, soweit nicht mehr alle aufzeichnungs-und aufbewahrungspflichtigen Daten enthalten sind.

10. Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit

Die allgemeinen Grundsätze der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit sind unter Tz. 3.1 aufgeführt.

Die Prüfbarkeit der formellen und sachlichen Richtigkeit bezieht sich sowohl auf einzelne

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Geschäftsvorfälle (Einzelprüfung) als auch auf die Prüfbarkeit des gesamten Verfahrens (Ver­fahrens-oder Systemprüfung anhand einer Verfahrensdokumentation).

Auch an die DV-gestützte Buchführung wird die Anforderung gestellt, dass Geschäftsvorfälle über die Dauer der Aufbewahrungsfrist retrograd und progressiv prüfbar bleiben müssen.

Die vorgenannten Anforderungen gelten für sonst erforderliche elektronische Aufzeichnungen sinngemäß (§ 145 Abs. 2 AO).

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Über den Zeitraum der Aufbewahrungsfrist muss gewährleistet und nachgewiesen sein, dass das in der Dokumentation beschriebene Verfahren dem in der Praxis eingesetzten Verfahren voll entspricht. Dies gilt insbesondere für die eingesetzten Versionen der Programme (Pro­grammidentität). Die Verfahrensdokumentation ist bei Änderungen zu versionieren und eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorzuhalten. Aus der Verfahrensdokumentation muss sich ergeben, wie die Ordnungsvorschriften (z. B. §§ 145 ff. AO, §§ 238 ff. HGB) und damit die in diesem Schreiben enthaltenen Anforderungen beachtet werden. Die Aufbewahrungsfrist für die Verfahrensdokumentation läuft nicht ab, soweit und solange die Aufbewahrungsfrist für die Un­

10.2

stellten und nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen durch Datenzugriff zu prüfen. Das Recht auf Datenzugriff steht der Finanzbehörde nur im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen zu. Durch die Regelungen zum Datenzugriff wird der sachliche Umfang der Außenprüfung (§ 194 AO) nicht erweitert; er wird durch die Prüfungsanordnung (§ 196 AO, § 5 BpO) bestimmt.

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11.1 Umfang und Ausübung des Rechts auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO

Gegenstand der Prüfung sind die nach außersteuerlichen und steuerlichen Vorschriften auf­zeichnungspflichtigen und die nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen. Hierfür sind insbesondere die Daten der Finanzbuchhaltung, der Anlagenbuchhaltung und der Lohnbuchhaltung und diesen vor-und nachgelagerte Systeme für den Datenzugriff bereitzu­stellen. Die Art der Außenprüfung ist hierbei unerheblich, so dass z. B. die Daten der Finanz­buchhaltung auch Gegenstand der Lohnsteuer-Außenprüfung sein können.

Neben den Daten müssen insbesondere auch die Teile der Verfahrensdokumentation zur Ver­fügung gestellt werden, die einen vollständigen Systemüberblick ermöglichen und für das Verständnis des DV-Systems erforderlich sind. Dazu gehört auch ein Überblick über alle im

1. Unmittelbarer Datenzugriff (Z1)

Die Finanzbehörde hat das Recht, selbst unmittelbar auf das DV-System dergestalt zu­zugreifen, dass sie in Form des Nur-Lesezugriffs Einsicht in die aufzeichnungs-und aufbewahrungspflichtigen Daten nimmt und die vom Steuerpflichtigen oder von einem beauftragten Dritten eingesetzte Hard-und Software zur Prüfung der gespeicherten Daten einschließlich der jeweiligen Meta-, Stamm-und Bewegungsdaten sowie der entsprechenden Verknüpfungen (z. B. zwischen den Tabellen einer relationalen Daten­

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bank) nutzt. Dabei darf sie nur mit Hilfe dieser Hard-und Software auf die elektro­nisch gespeicherten Daten zugreifen. Dies schließt eine Fernabfrage (Online-Zugriff) auf das DV-System des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde aus.

Der Nur-Lesezugriff umfasst das Lesen und Analysieren der Daten unter Nutzung der im DV-System vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten (z. B. Filtern und Sortieren).

2. Mittelbarer Datenzugriff (Z2)

Die Finanzbehörde kann vom Steuerpflichtigen auch verlangen, dass er an ihrer Stelle die aufzeichnungs-und aufbewahrungspflichtigen Daten nach ihren Vorgaben ma­schinell auswertet oder von einem beauftragten Dritten maschinell auswerten lässt, um anschließend einen Nur-Lesezugriff durchführen zu können. Es kann nur eine maschi­

11.2 Umfang der Mitwirkungspflicht nach §§ 147 Abs. 6 und 200 Abs. 1 Satz 2 AO

Der Steuerpflichtige hat die Finanzbehörde bei Ausübung ihres Rechts auf Datenzugriff zu unterstützen (§ 200 Abs. 1 AO).

Enthalten elektronisch gespeicherte Datenbestände z. B. nicht aufzeichnungs-und aufbewah­rungspflichtige, personenbezogene oder dem Berufsgeheimnis (§ 102 AO) unterliegende Da­ten, so obliegt es dem Steuerpflichtigen oder dem von ihm beauftragten Dritten, die Datenbe­

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stände so zu organisieren, dass der Prüfer nur auf die aufzeichnungs-und aufbewahrungs­pflichtigen Daten des Steuerpflichtigen zugreifen kann. Dies kann z. B. durch geeignete Zu­griffsbeschränkungen erfolgen.

Mangels Nachprüfbarkeit akzeptiert die Finanzbehörde keine Reports oder Druckdateien, die vom Unternehmen ausgewählte („vorgefilterte“) Datenfelder und -sätze aufführen, jedoch nicht mehr alle aufzeichnungs-und aufbewahrungspflichtigen Daten enthalten.

nen (z. B. über die Dateistruktur, die Datenfelder sowie interne und externe Verknüp­fungen) in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich die Daten bei einem Dritten befinden.

Auch die zur Auswertung der Daten notwendigen Strukturinformationen müssen in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung gestellt werden.

Bei unvollständigen oder unzutreffenden Datenlieferungen kann die Finanzbehörde neue Datenträger mit vollständigen und zutreffenden Daten verlangen. Im Verlauf der

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Prüfung kann die Finanzbehörde auch weitere Datenträger mit aufzeichnungs-und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen anfordern.

Das Einlesen der Daten muss ohne Installation von Fremdsoftware auf den Rechnern der Finanzbehörde möglich sein.

Ergänzende Informationen zur Datenträgerüberlassung stehen auf der Internet-Seite des Bundesfinanzministeriums (www.bundesfinanzministerium.de) zum Download bereit.

Dieses BMF-Schreiben tritt an die Stelle der BMF-Schreiben vom 7. November 1995 -IV A 8 -S 0316 -52/95-(BStBl I S. 738) und vom 16. Juli 2001 -IV D 2 -S 0316 -136/01 (BStBl I S. 415), das durch BMF-Schreiben vom 14. September 2012 -IV A 4 -S 0316/12/10001 (BStBl I S. 930) geändert wurde.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Im Auftrag

Keine steuerliche Abzugsfähigkeit von privater Risikolebensversicherung, Unfallversicherung und Kapitallebensversicherung

Keine steuerliche Abzugsfähigkeit von privater Risikolebensversicherung, Unfallversicherung und KapitallebensversicherungVerfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 4 EStG

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.1.2013 – 9 K 242/12; Revision zugelassen).


 Leitsatz

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen, da diese nicht der Sicherung der bloßen Existenz, sondern primär dem Schutz und dem Erhalt von Vermögen und Lebensstandard dienen.

 Gesetze

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3a
EStG § 10 Abs. 4 S. 3
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
SGB XII § 90

 Tatbestand

Streitig ist, ob das subjektive Nettoprinzip gebietet, Aufwendungen für eine Risikolebensversicherung, eine Unfallversicherung und für verschiedene Kapitallebensversicherungen steuerlich zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die bisher geltende Regelung zum Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu einer Kranken- und Pflegeversicherung nicht ausreichend sei. Der Gesetzgeber habe die Beträge steuerlich zum Abzug zuzulassen, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten (Aktenzeichen 2 BvL 1/06, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts –  BVerfGE  – 120, 125). Gleichzeitig verpflichtete es den Gesetzgeber, mit Wirkung zum 1. Januar 2010 eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Aufgrund dieser Entscheidung änderte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl. I 2009, 1959 ) die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen in § 10 des Einkommensteuergesetzes in der ab dem Veranlagungszeitraum 2010 geltenden Fassung (  EStG ) teilweise neu. Die Höchstbeträge für den Abzug von anderen Vorsorgeaufwendungen als Aufwendungen für die Altersversorgung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG wurden auf 2.800 EUR bzw. 1.900 EUR erhöht (§ 10 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG). Die Aufwendungen für die sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung wurden in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG neu definiert. Diese Beiträge sind – unabhängig von den Höchstbeträgen – stets in vollem Umfang abzugsfähig. Die sonstigen Vorsorgeaufwendungen wurden in den neu eingefügten § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG aufgenommen. Diese Beiträge wirken sich nur noch dann aus, wenn die Höchstbeträge nicht bereits durch den Abzug der sozialhilfegleichen Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausgeschöpft worden sind (§ 10 Abs. 4 S. 4 EStG ).

Die Kläger sind miteinander verheiratete Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2010 zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb. Im Veranlagungszeitraum 2010 wurden von seinem Arbeitslohn Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 6.705 EUR und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 877,56 EUR einbehalten. Die Klägerin erzielt ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In der im März 2011 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung beantragten sie neben dem Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch den Abzug folgender Beträge als sonstige Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG :

 

   Bezeichnung    Betrag
 Risikolebensversicherung

 148,23 EUR

 Unfallversicherung

 243,55 EUR

 vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossene Kapitallebensversicherungen

   4 .436,00 EUR

 Summe:

 4 .827,78 EUR

 

Der gemeinsame Höchstbetrag der Kläger nach § 10 Abs. 4 S. 3 EStG war bereits durch die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten, weshalb die sonstigen Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerbescheid vom 28. März 2011 vom Beklagten nicht berücksichtigt wurden.

Mit dem form- und fristgerecht eingelegten Einspruch begehrten die Kläger, die sonstigen Vorsorgeaufwendungen in erklärter Höhe zum Abzug zuzulassen. Nach weiterem Schriftverkehr wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2012 als unbegründet zurück.

Mit der form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die geltend gemachten Aufwendungen für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG von insgesamt 4.828 EUR seien zum Abzug zuzulassen. Die Aufwendungen gehörten zu den notwendigen Aufwendungen der Daseinsfürsorge und seien daher im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips steuermindernd zu berücksichtigen. Dies habe der Gesetzgeber selbst durch die Aufzählung im Gesetz anerkannt. Eine Rechtfertigung für die Aufteilung in Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und andere Vorsorgeaufwendungen sei nicht erkennbar. Die Einteilung sei aus haushaltspolitischen Gründen erfolgt. Eine sachliche Begründung bestehe hierfür nicht. Bei jeder Typisierung sei zu beachten, dass die typisierten Aufwendungen möglichst in allen Fällen berücksichtigt werden. Gerade dies sei nicht der Fall. In nahezu allen Fällen würden die in § 10 Abs. 4 S. 3 EStG aufgeführten Höchstbeträge bereits durch die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten. Die Grundsätze der Sozialhilfe seien nicht maßgeblich. Sonderausgaben seien die – durch das subjektive Nettoprinzip gebotene und im Gesetz angelegte – Berücksichtigung von indisponiblem Einkommen bei der Bemessung der Einkommensteuer, wie dies gerade die Berücksichtigung der Kirchensteuer zeige. Diese Aufwendungen belasteten die Sozialhilfeempfänger nicht.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 4.828 EUR zum Abzug zugelassen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Berücksichtigung der geltend gemachten Versicherungsbeiträge sei nicht geboten. Das subjektive Nettoprinzip gebiete den Abzug der Aufwendungen, die zur Sicherung des existenznotwendigen Lebensbedarfs unumgänglich seien. Dieser Begriff erfasse jedoch nur die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, denn nur diese gehörten zum maßgeblichen sozialhilferechtlichen Mindestbedarf. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums gebiete nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur den Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau. Daher seien die Differenzierungen des Sozialhilferechts eine taugliche Abgrenzungsgrundlage, an die sich der Gesetzgeber gehalten habe. Entgegen der Auffassung der Kläger habe der Gesetzgeber durch die ausdrückliche Trennung von notwendigen Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG und darüber hinausgehenden freiwilligen Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG gerade deutlich gemacht, dass er die sozialhilferechtliche Trennung im Steuerrecht umsetzen wolle. Es gebe auch andere existenznotwendige Aufwendungen, die im Grundfreibetrag abgegolten seien und nicht gesondert abgezogen werden könnten, z.B. solche für bürgerliche Kleidung.

Dem Sach- und Streitstand liegt neben den Gerichtsakten ein Band Einkommensteuerakten des Beklagten zur Steuernummer … zu Grunde.

 Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90a der Finanzgerichtsordnung (  FGO ) durch Gerichtsbescheid.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO ). Ein höherer Sonderausgabenabzug steht den Klägern nicht zu.

1. Die im Einkommensteuerbescheid vom 28. März 2011 zum Abzug zugelassenen Sonderausgaben entsprechen dem geltenden einfachen Recht. Die Kläger haben im Streitjahr nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzugsfähige Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 7.441 EUR geleistet. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Diese Beiträge wurden steuerlich berücksichtigt und übersteigen den gemeinsamen Höchstbetrag, der den Klägern nach § 10 Abs. 4 S. 1 bis 3 EStG zusteht. Der Abzug der übrigen Vorsorgeaufwendungen ist daher gemäß § 10 Abs. 4 S. 4 EStG zu Recht unterblieben.

2. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beiträge zu privaten Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen einkommensteuerlich in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen. Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei den gezahlten Beiträgen zu diesen Versicherungen nicht um existenziell notwendige Aufwendungen der Daseinsfürsorge, die im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips steuermindernd zu berücksichtigen wären.

a. Die Freistellung des Existenzminimums erfolgt im Steuerrecht zum Einen durch den Grundfreibetrag, zum Anderen durch den Abzug der existenznotwendigen Aufwendungen als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen. Die (privaten) existenzsichernden Aufwendungen sind im Rahmen von Sonderausgaben, Familienleistungsausgleich und außergewöhnlichen Belastungen grundsätzlich steuerlich abziehbar (subjektives Nettoprinzip). Dagegen mindern Aufwendungen für die Lebensführung – auch soweit die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen diese mit sich bringt – die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht. Für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit kommt es nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 , 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 unter C.I.3 der Entscheidungsgründe).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leitet sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes ferner das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums ab. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Das einkommensteuerrechtlich maßgebliche Existenzminimums richtet sich dabei nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Urteil vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 , BVerGE 120, 125 unter D.I.1 der Entscheidungsgründe). Durch die Entscheidung vom 13. Februar 2008 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass zu den existenzsichernden Aufwendungen auch solche für eine Basisvorsorge gegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit gehören.

b. Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass die Beiträge zur privaten Risikolebensversicherung, Unfallversicherung oder zu den Kapitallebensversicherungen gerade nicht notwendig sind, um die notwendigen Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für die Kläger zu schaffen. Zum Abschluss solcher Versicherungen besteht keine gesetzliche Verpflichtung. Sie gehören damit – in der Diktion des Bundesverfassungsgerichts – zum Bereich der freien oder beliebigen Einkommensverwendung. Sie gehören ebensowenig zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 21. September 2012 3 K 144/11 , Entscheidungen der Finanzgerichte –  EFG  – 2013, 26 unter II.3 der Entscheidungsgründe; andere Auffassung: Schulemann, Olaf (2009): Sonderausgabenabzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, http://hdl.handle.net/10419/45387 ). Beiträge für diese privaten (zusätzlichen) Versicherungen werden nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch grundsätzlich nicht erstattet. Die abgedeckten Risiken Alter, Invalidität und Tod werden typischerweise von den klassischen Altersvorsorgesystemen wie der gesetzlichen Rentenversicherung, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und der Beamtenversorgung abgedeckt (ebenso BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04 , 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 unter B.I.1.d der Entscheidungsgründe). Diese Versicherungen dienen gerade nicht der Sicherung der bloßen Existenz der Kläger, sondern primär dem Schutz und dem Erhalt von deren Vermögen und Lebensstandard (ebenso Kulosa in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG, § 10 EStG RNr. 383). Der Gesetzgeber ist zu Recht davon ausgegangen, dass es den Klägern aufgrund ihres hohen Einkommens zuzumuten ist, die zusätzliche Vorsorge zum Erhalt ihres Lebensstandards im Alter aus eigenen Ressourcen ohne Beteiligung des Fiskus zu finanzieren (vergleiche Begründung zu § 10 Abs. 4 EStG , Bundestags-Drucksache 16/13429, Seite 44). Der Senat verkennt nicht, dass es wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein kann, derartige Versicherungen abzuschließen. Es liegt jedoch primär im Interesse jedes einzelnen, den einmal erreichten Lebensstandard durch eigene Vorsorge zu bewahren. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich die Allgemeinheit über die steuerliche Förderung an solchen Aufwendungen beteiligten muss.

Soweit die Kläger den Abzug von Beiträgen zu insgesamt drei Kapitallebensversicherungen begehren, kann der Senat zudem nicht nachvollziehen, weshalb diese Aufwendungen unvermeidbare, existenzsichernde Privataufwendungen darstellen sollen. Die Höhe des angesparten Kapitals und die Art und Weise der Auszahlung als Einmalbetrag oder laufende Rente liegen allein im Belieben des Versicherungsnehmers. Private Kapitallebensversicherungen haben daher Kapitalanlagecharakter (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04 , 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 unter B.I.1.d der Entscheidungsgründe). Zur notwendigen Vorsorge für die Sicherung der Existenz im Alter zählt der Gesetzgeber – wie § 33 Abs. 1 Nr. 4 SGB XII zeigt – nur die privaten Versicherungen, die im Alter ausschließlich laufende Rentenzahlungen vorsehen. Mit Herausnahme der Beiträge zu Kapitallebensversicherungen aus den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG begünstigten Altersvorsorgeaufwendungen durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz ) vom 5. Juli 2004 (BGBl. I 2004, 1427 ) hat der Gesetzgeber dies auch im Steuerrecht umgesetzt. Dass Kapitallebensversicherungen nach alter Rechtslage begünstigt waren, steht dem nicht entgegen. Der Steuerpflichtige kann nicht darauf vertrauen, dass eine bestehende günstige steuerliche Behandlung für die Zukunft unverändert fortbesteht (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1 unter C.I.1.c der Entscheidungsgründe).

Die Risikolebensversicherung dient bereits denklogisch nicht der Existenzsicherung des Versicherten, sondern regelmäßig der vermögensmäßigen Absicherung des Begünstigten im Hinblick auf die nach dem Tod des Versicherten geänderte Lebenssituation. Dies ermöglicht die Aufrechterhaltung des bisher gewohnten Lebensstandards insbesondere in vermögensrechtlicher Hinsicht, geht aber über die notwendige Sicherung der persönlichen Existenz hinaus. Auch im Sozialhilferecht ist das gesamte verwertbare Vermögen zunächst zur Sicherung der Existenz heranzuziehen (§ 90 Abs. 1 SGB XII ).

Das Gleiche gilt schließlich für die bestehende Unfallversicherung. Diese Versicherung ermöglicht es regelmäßig, den bisherigen Lebensstandard auch nach einem Unfall weitestgehend aufrecht zu erhalten, insbesondere die Leistungsfähigkeit wieder herzustellen und Erwerbsminderung auszugleichen. Das sozialhilferechtlich gebotene Mindestmaß ist auch hier bereits durch die gesetzlichen Renten- und Unfallversicherungen gewährleistet. Auch das Bundesverfassungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur privaten Unfallversicherung nicht von Verfassungs wegen geboten sei (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04 , 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 am Ende der Entscheidungsgründe). Soweit Aufwendungen für Beiträge zur Unfallversicherung im sozialhilferechtlichen Grundbedarf enthalten sind, werden diese durch den Grundfreibetrag abgedeckt (Kulosa in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG , § 10 EStG RNr. 383).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

4. Die Revision wird zugelassen. Die hier streitige Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ).

-> Das Aktenzeichen beim BFH lautet X R 5/13.

Neuer Personalausweis jetzt auch für ELSTER verwendbar

„Für die Registrierung im ElsterOnline-Portal kann ab sofort auch der neue Personalausweis verwendet werden. Die Identität des Anwenders wird direkt anhand des neuen Personalausweises überprüft. Es muss kein Aktivierungsbrief mehr verschickt werden. Dadurch wird das Verfahren erheblich beschleunigt und vereinfacht“, erklärte der IT-Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Finanzstaatssekretär Pschierer.

Das ElsterOnline-Portal ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, Steuererklärungen online im Internet auszufüllen und abzugeben. Ferner können diverse Dienste in Anspruch genommen werden, wie z. B. der elektronische Einspruch oder die Auskunft über die Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Das ElsterOnline-Portal erzeugt ein elektronisches Zertifikat, das zur sicheren Authentifizierung elektronischer Steuererklärungen genutzt werden kann.

Der Bürger kann, so Pschierer, bei Beantragung des neuen Personalausweises entscheiden, ob er die Signaturanwendung, die sog. eiD-Funktion, freischaltet oder nicht. Von den 2,5 Mio. neuen Ausweisen in Bayern haben rund 30 %, das sind 700.000, eine eingeschaltete eiD-Funktion. „Bayern hat damit in Deutschland eine Spitzenposition inne. Der Bürger hat im Jahr rund 1,8 Behördenkontakte. Dabei eingerechnet ist die jährliche Abgabe der Steuererklärung. Die Nutzung von ELSTER durch die eiD des Personalausweises wird dem sicheren eGovernment einen weiteren Schub geben“, so Pschierer abschließend.

FinMin Bayern, Pressemitteilung v. 17.4.2013

„City Tax“ für Berlin: Senat bringt Übernachtungsteuer auf den Weg

Berlin will ab 1. Juli 2013 auf private Übernachtungen eine „City Tax“ in Höhe von 5 % des Übernachtungspreises erheben. Der Senat rechnet mit jährlichen Einnahmen in Höhe von rund 25 Mio. Euro durch die Übernachtungsteuer.

Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum stellte auf der Pressekonferenz nach der Senatssitzung den Entwurf eines Übernachtungsteuergesetzes vor. Er sagte u. a.: „Berlin zieht jedes Jahr Millionen von Touristen aus aller Welt an, mit stark steigender Tendenz. Mit der Übernachtungsteuer wollen wir erreichen, dass auch Touristen einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass Berlin attraktiv bleibt und noch attraktiver wird. Davon profitieren sowohl die Berlinerinnen und Berliner als auch die Besucher dieser Stadt.“

Die Übernachtungsteuer soll als so genannte örtliche Aufwandssteuer eingeführt und bei gewerblichen Übernachtungsbetrieben sowie privaten Anbietern von Übernachtungen erhoben werden. Dazu gehören neben Hotels und Pensionen auch Ferienwohnungen, Jugendherbergen und Campingplätze.

Besteuert werden sollen nur private Übernachtungen, begrenzt auf einen zusammenhängenden Zeitraum von 21 Tagen. Dienstreisende sind von der Steuer ausgenommen. Für Gäste, die erst nachträglich einen beruflichen Aufwand gegenüber dem Finanzamt geltend machen, ist eine Erstattungsmöglichkeit vorgesehen.

Senator Dr. Nußbaum: „Mit der Übernachtungsteuer ist Berlin in guter Gesellschaft, denn viele Städte im In- und Ausland erheben ähnliche Abgaben, darunter mit Paris, Rom und Barcelona auch absolute Schwergewichte im europäischen Städtetourismus. Die Erfahrung in anderen Städten zeigt: Eine moderate Steuer hält niemanden davon ab, eine Reise in eine so spannende Stadt wie Berlin zu unternehmen. Und auch die Unternehmen werden durch das Gesetz nicht nennenswert belastet. Wir waren bestrebt, den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten.“

Der Gesetzentwurf wird nun vom Senat im Abgeordnetenhaus von Berlin zur Beschlussfassung eingebracht.

Quelle: Senat Berlin

-> Steuerberater Berlin

Steuerliche Aufbewahrungsfristen verkürzt

Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 25. April einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Verkürzung der Aufbewahrungsfristen sowie zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (17/13082) auf Empfehlung des Finanzausschusses (17/13259) angenommen.

Damit werden die Aufbewahrungsfristen für steuerrelevante Unterlagen von zehn Jahren rückwirkend zum 1. Januar 2013 auf acht Jahre und ab 1. Januar 2015 auf sieben Jahre verkürzt. Geregelt wird ferner die Steuerbefreiung von Geld- und Sachbezügen von Wehrpflichtigen, Zivildienstleistenden, freiwillig Wehrdienstleistenden, Reservistendienstleistenden und Bundesfreiwilligendienstleistenden.

Das Gesetz enthält eine Gewerbesteuerbefreiung für Einrichtungen zur ambulanten Rehabilitation und eine Umsatzsteuerbefreiung von rechtlichen Betreuern und Vormündern. Die Umsatzsteuerbefreiungsnorm wird ferner um die Leistungen der Bühnenregisseure und Bühnenchoreografen ergänzt. Eingedämmt werden sollen missbräuchliche Gestaltungen durch Nutzung so genannter Cash-GmbHs. Auch können Arbeitnehmer künftig beantragen, dass ein im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigender Freibetrag für zwei Kalenderjahre statt nur für ein Kalenderjahr gilt.

Quelle: Deutscher Bundestag

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin