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Freiberufler – Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse

1. Eignung einer Tätigkeit zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse

2. Umfang der Begutachtung durch einen Sachverständigen

BFH v. 11.07.1991 – IV R 73/90

Leitsatz

1. Eine Tätigkeit ist zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse nicht geeignet, wenn sie auch anhand von Formelsammlungen und praktischen Erfahrungen ausgeübt werden kann, selbst wenn sie vielfach auch von Ingenieuren ausgeübt wird.

2. Wird mit der Begutachtung der Tätigkeit des Steuerpflichtigen ein Sachverständiger beauftragt, so ist es in der Regel nicht erforderlich, daß er den Steuerpflichtigen einer Wissensprüfung unterzieht. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, wenn er feststellt, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen so anspruchsvoll ist, daß sie der Tiefe und der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt.

Gesetze

EStG § 18 Abs. 1
Instanzenzug

FG Baden-Württemberg

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger) absolvierte eine Ausbildung als Modellbauer und als technischer Zeichner. 1969 trat er in die Firma X-GmbH, einem Fertigungsbetrieb für Sitzmöbel, Tische und Konferenzanlagen, ein und erhielt 1978 die eigenverantwortliche Leitung der Modell-Entwicklungsabteilung übertragen. Mit diesem Aufgabenbereich war er bis zu seinem Ausscheiden betraut. Er war dabei verantwortlich für die technische Realisierung von neuen Erzeugnissen mit dem Schwerpunkt bei der Entwicklung neuer Stuhl- und Tischmöbel. Zusammen mit firmenfremden freiberuflichen Designern entwickelte er Neuprodukte der X-GmbH, und zwar sowohl gestalterisch als auch mit technischen Neuerungen. Seine Tätigkeit erstreckte sich von der Ausarbeitung von Anschauungs- und Funktionsmodellen bis zur Konstruktion im Detail und der Erstellung von Prototypen. Darüber hinaus hatte er die Gestaltung und Konstruktion von Sondermodellen übernommen. Durch seine Fortbildungsbemühungen eignete sich der Kläger nach seinem Vortrag einen einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnisstand an und erwarb auch verschiedene Patente und Gebrauchsmuster. Ende Juni 1983 schied der Kläger aus der Firma aus und setzte seine bisherige Tätigkeit in erweitertem Umfang selbständig fort. Er arbeitete als ständiger Berater verschiedener Firmen, die ihn mit Entwicklungsaufgaben beauftragten.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1983 bezeichnete sich der Kläger als Produktdesigner, seinen Betrieb als Studio für Produktentwicklung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) folgte seinem Begehren, als Freiberufler behandelt zu werden, nicht und versagte daher die Gewährung des Freibetrags nach § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Außerdem erließ er für die Streitjahre 1983 und 1984 Gewerbesteuer-Meßbescheide.

Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der zum Finanzgericht (FG) erhobenen Klage. Er machte geltend, er sei freiberuflich tätig, weil er eine einem Architekten oder Ingenieur ähnliche Tätigkeit ausübe. Produktdesign werde wie jene Berufsbildungsgänge als ordentliches Studienfach an Hochschulen gelehrt. Der Klage waren zahlreiche Unterlagen über Arbeiten des Klägers sowie Nachweise seiner Fortbildungsbemühungen auf dem Gebiet des technischen Zeichners, der Raumgestaltung und Raumtechnik sowie dem der elektronischen Datenverarbeitung beigefügt.

Das FG holte ein Gutachten darüber ein, ob die Tätigkeit des Klägers (zumindest von Gelegenheit zu Gelegenheit) Vorkenntnisse voraussetze, die denjenigen eines Ingenieurs klassischer Vorbildung entsprächen und ohne eine solche die Ergebnisse seiner Tätigkeit nicht denkbar wären. Der Gutachter gelangte zusammenfassend zu dem Ergebnis, die Ausübung der Tätigkeit des Klägers setze zwar Vorkenntnisse voraus, die der klassischen Vorbildung eines Ingenieurs entsprächen. Diese Vorkenntnisse seien jedoch beim Kläger nicht vorhanden. Die Vorgehensweise des Klägers sei deshalb anders als die eines Ingenieurs mit entsprechender Ausbildung. Er greife verstärkt auf seinen 18jährigen Erfahrungsschatz zurück und unterstütze von ihm angenommene Werte bei der Dimensionieren durch Versuche. Ergebnis seien dann ingenieurgerechte Entwürfe in einem relativ breiten Arbeitsspektrum.

Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens wies das FG die Klage ab.

Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 1987 die Gewerbesteuer-Meßbescheide 1983 und 1984 vom 29. August 1985 aufzuheben (nur Kläger zu 2) und den Einkommensteuerbescheid 1983 in der Weise zu ändern, daß der Freibetrag für freie Berufe gewährt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger war in den Streitjahren nicht freiberuflich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig. Insbesondere übte er nicht den Beruf des Ingenieurs aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist Ingenieur i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur derjenige, der das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Ingenieurschule oder den Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule abgeschlossen hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409 , BStBl II 1990, 73 , m. w. N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach den Feststellungen des FG nicht.

Der Kläger hat auch nicht einen dem Ingenieurberuf ähnlichen Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt.

Ein Beruf ist einem der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann (BFH-Urteil vom 25. April 1978 VIII R 149/74 , BFHE 125, 369 , BStBl II 1978, 565 ). Dazu gehören die Vergleichbarkeit

(1) der Ausbildung und

(2) der beruflichen Tätigkeit.

Es genügt demnach nicht, daß der Steuerpflichtige eine  Tätigkeit  ausübt, die auch von Ingenieuren ausgeübt wird.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die  Ausbildung  als „ein in aller Regel zulässiges und sachlich einleuchtendes Differenzierungskriterium für die Zuordnung zu einem Katalogberuf i. S. des § 18 EStG ” bezeichnet (Beschluß vom 9. Oktober 1990 2 BvR 146/90, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK -, Einkommensteuergesetz 1975 , § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 59). Für die Zugehörigkeit zu einem „ähnlichen Beruf” reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige Kenntnisse, die den aufgrund der für den Katalogberuf vorgesehenen Ausbildung erworbenen vergleichbar sind, durch die Teilnahme an Kursen oder durch Selbststudium erworben hat. Ist der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse in dieser Form nicht möglich, kann der Steuerpflichtige sie durch seine eigene praktische Tätigkeit belegen (BFH-Urteile vom 18. Juni 1980 I R 109/77 , BFHE 132, 16 , BStBl II 1981, 118 , 120; vom 10. November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198).

Im Streitfall hat das FG aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt, daß dem Kläger die üblicherweise durch die Ingenieurausbildung vermittelten theoretischen Kenntnisse fehlen. Der Sachverständige hatte dem Kläger 13 mit dessen Entwürfen im Zusammenhang stehende Fachfragen gestellt, die dieser zum überwiegenden Teil nicht beantworten konnte. Die Feststellungen des FG sind für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Sie sind verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und verstoßen entgegen der Auffassung der Kläger nicht gegen die Denkgesetze.

Allerdings hat der Sachverständige die Auffassung geäußert, die Arbeit des Klägers erfordere an sich die Kenntnisse eines Ingenieurs, er löse die ihm gestellten Aufgaben jedoch auf andere Weise, nämlich aufgrund seiner praktischen Berufserfahrung. Hierin liegt kein unauflöslicher Widerspruch.

Wie sich aus dem Zusammenhang des Gutachtens ergibt, meint der Sachverständige mit seiner Äußerung, daß die vom Kläger erbrachten Leistungen gewöhnlich von ausgebildeten Ingenieuren erbracht werden. Derartige Sachverhalte kommen häufig vor. Sie hängen damit zusammen, daß zahlreiche Ingenieure – der größeren Nachfrage wegen – in Aufgabenbereichen tätig sind, die auch von erfahrenen Praktikern ohne theoretische Ausbildung, sei es aufgrund ihrer Berufserfahrung, sei es mittels Formelsammlungen, wahrgenommen werden können. Übt ein Autodidakt eine solche Tätigkeit aus, ist sie nicht geeignet, den Nachweis der erforderlichen theoretischen Kenntnisse zu erbringen:

Ingenieurähnliche Kenntnisse können nur dann mittels der eigenen Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, wenn diese besonders anspruchsvoll ist und sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt (BFH-Urteile in BFHE 132, 16 , BStBl II 1981, 118 , 120; in BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73; ähnlich BVerfG in StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 59). Soll nämlich von der Art der ausgeübten Tätigkeit auf den Kenntnisstand und die Qualifikation des Berufsausübenden geschlossen werden, so muß sich diese Tätigkeit an der allgemeinen Aufgabenbeschreibung des Vergleichsberufs messen lassen (BFH-Urteil vom 21. Februar 1986 III R 183, 184/82, BFH/NV 1986, 603).

Hierin liegt keine unzulässige Bevorzugung des Ingenieurs, der in einem nicht ausbildungsadäquaten Aufgabenbereich tätig ist. Denn dieser vermag auch relativ einfach erscheinende Probleme anhand seiner umfassenden theoretischen Ausbildung in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen als derjenige, der nur auf seine praktische Berufserfahrung zurückgreifen kann (BFH-Urteil vom 22. Januar 1988 III R 43-44/85, BFHE 152, 345 , BStBl II 1988, 497 ). Zudem hat der Senat entschieden, daß auch ein Autodidakt, der (in früheren Jahren) durch den fachlichen Anspruch und die Breite seiner Tätigkeit seine theoretischen Kenntnisse nachgewiesen hat, ebenso wie der ausgebildete Ingenieur oder Architekt Freiberufler bleibt, wenn er in späteren Jahren eine Tätigkeit ausübt, die zwar auch von Ingenieuren und Architekten ausgeübt wird, jedoch nicht deren Kenntnisstand voraussetzt (Urteil vom 12. Oktober 1989 IV R 118-119/87, BFHE 158, 413 , BStBl II 1990, 64 , zu einem Bauleiter).

In der Regel wird es in Fällen wie dem hier zu beurteilenden nicht erforderlich sein, daß der Sachverständige den Steuerpflichtigen einer Art Examen unterzieht. Es genügt, wenn er feststellt, ob dessen Tätigkeit so anspruchsvoll ist, daß sie sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt (BFH-Urteil in BFHE 132, 16 , BStBl II 1981, 118 , 120), oder ob sie auch anhand von Formelsammlungen oder praktischen Erfahrungen ausgeübt werden kann. Dementsprechend sollte bereits in dem dem Sachverständigen vom FG erteilten Auftrag tunlichst darauf hingewiesen werden, daß eine Tätigkeit nicht bereits dann geeignet ist, ingenieurähnliche Kenntnisse zu dokumentieren, wenn sie auch – oder sogar überwiegend – von Ingenieuren ausgeübt wird.

Keine Verteilung des Übergangsgewinns bei Buchwerteinbringung

Zurückbehalten von Forderungen bei Praxiseinbringung

Leitsatz

Geht ein Steuerpflichtiger vor Einbringung seiner Einzelpraxis in eine neu gegründete Sozietät von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG über, so hat er jedenfalls bei Buchwerteinbringung keinen Anspruch auf Billigkeitsverteilung eines etwa dabei entstehenden Übergangsgewinns.

Gesetze

EStG § 4 Abs. 1 und 3
UmwStG § 24
Instanzenzug

Niedersächsisches FG

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielt als Steuerberater bis zum 30. Juni 1988 eine eigene Praxis und ermittelte seinen Gewinn daraus durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) . Zum 1. Juli 1988 gründete er mit einem weiteren Steuerberater, seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten, eine Sozietät, in die er seine Praxis zum Buchwert einbrachte. Forderungen und Verbindlichkeiten bis zur Einbringung standen dem Kläger weiterhin persönlich zu. Zur Abgeltung des hälftigen Praxiswerts und der materiellen Wirtschaftsgüter erbrachte der eintretende Sozius eine Bareinlage in Höhe von 415 000 DM. Nachdem die Sozietät zum 1. Juli und 31. Dezember 1988 sowie zum 31. Dezember 1989 bilanziert hatte, ging sie zum 1. Januar 1990 zur Einnahmen-Überschussrechnung über.

Der Kläger nahm eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. Juni 1988 vor und erstellte einen Jahresabschluss zum 30. Juni 1988. Den sich daraus ergebenden Übergangsgewinn von 382 018,70 DM beantragte er unter Hinweis auf Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987 (EStR 1987 ) im Streitjahr lediglich mit einem Drittel zu versteuern. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) lehnte dies mit der Begründung ab, die Einbringung sei wirtschaftlich einer Praxisveräußerung gleichzustellen, für die eine Verteilung des Übergangsgewinns ebenfalls nicht in Betracht komme.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 29. November 1999 ist in juris unter dem Az. XII 343/96 veröffentlicht.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Die Zuzahlung des eintretenden Sozius habe nur den Praxiswert abgegolten, während die Forderungen zwar eingebracht, aber anschließend ihm, dem Kläger, allein über Sonderbilanzen zugerechnet worden seien. Er habe also praktisch seinen Betrieb in der Sozietät fortgeführt und daher Anspruch auf die Anwendung der Billigkeitsregelung des Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 , andernfalls die Besteuerungsgleichheit verletzt sei. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass der Übergangsgewinn bei der Gewinnfeststellung der Sozietät zu berücksichtigen sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1988 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Übergangsgewinn nur zu einem Drittel erfasst wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens änderte das FA den angefochtenen Bescheid zur Steuerfreistellung des Existenzminimums für die Kinder des Klägers gemäß § 53 EStG und ermäßigte die Einkommensteuer um 386 DM auf 227 593 DM

Die Revision ist mit der Maßgabe unbegründet, dass die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1988 vom 14. November 2000 abzuweisen war (§ 127 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ).

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ergangene Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. November 2000, der zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde. Darüber sind sich die Beteiligten einig.

1. Obwohl der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, bedarf es im Streitfall keiner Aufhebung des Urteils mit Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 127 FGO ), weil die Sache spruchreif ist. Hinsichtlich der Streitfrage, ob dem Kläger die Gewinnkorrekturen aus dem Übergang zum Bestandsvergleich auf drei Jahre zu verteilen sind, hat sich durch die Änderung des ursprünglich angefochtenen Bescheids kein neuer Sachverhalt ergeben. Die Entscheidung des Senats in der Sache selbst setzt aber voraus, dass er das FG-Urteil ungeachtet dessen aufhebt, dass es keinen Rechtsfehler erkennen lässt. Denn dieses Urteil betraf einen Verwaltungsakt, der nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist (s. etwa Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. Juli 1992 II R 39/89 , BFHE 168, 431 , BStBl II 1993, 63 , m. w. N.).

2. Mit der Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils fallen die Feststellungen des FG allerdings nicht fort. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die tatsächlichen Feststellungen des FG bis zur Beendigung des Prozesses bestehen bleiben und ungeachtet der Aufhebung der Vorentscheidung Grundlage der weiteren Entscheidung des Senats sind (BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 II R 164/85 , BFHE 154, 13 , BStBl II 1988, 955 ). Der Senat hält den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel nicht für durchgreifend. Von einer Begründung wird gemäß § 126 Abs. 6 FGO insoweit abgesehen.

II. Der erkennende Senat entscheidet auf Grund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das FA eine Verteilung der Gewinnzuschläge aus dem der Einbringung vorangegangenen Übergang zur Bilanzierung abgelehnt.

1. Geht ein Steuerpflichtiger von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG über, so erfordert der Wechsel vom Zu- und Abflussprinzip zum Realisationsprinzip die Vornahme von Zu- und Abrechnungen, damit sich Geschäftsvorfälle nicht doppelt oder (andererseits) überhaupt nicht auswirken (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – vom 7. Dezember 1938 VI 774/37, RStBl 1939, 172; s. auch Senatsurteile vom 28. Mai 1968 IV R 202/67 , BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650 , und vom 24. Januar 1985 IV R 155/83, BFHE 143, 78, BStBl II 1985, 255, sowie aus jüngerer Zeit Senatsbeschluss vom 23. August 1995 IV B 78/94, BFH/NV 1996, 119).

a) Erfolgt der Übergang zum Bestandsvergleich im Zusammenhang mit der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft, so erhöht ein dabei entstehender Übergangsgewinn den laufenden Gewinn des einbringenden Steuerpflichtigen im letzten Wirtschaftsjahr vor der Einbringung (s. Senatsurteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, BFHE 129, 380 , BStBl II 1980, 239 ; a. A. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1964 VI 236/63 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1965, 311 ). Insofern wird der Übergangsgewinn nicht anders behandelt als die Zurechnungen, die sich aus dem vor der Aufgabe oder der Veräußerung eines Betriebs mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gebotenen fiktiven Bestandsvergleich ergeben (Senatsurteil vom 23. November 1961 IV 98/60 S, BFHE 74, 535, BStBl III 1962, 199 ). Der Übergangsgewinn ist danach dem Einbringenden und nicht der Gesellschaft im Wege der Gewinnfeststellung zuzurechnen.

b) Das FA hat diese Parallele zur Betriebsveräußerung auch seiner Ablehnung einer Billigkeitsverteilung im Streitfall zugrunde gelegt. Für den Fall der Betriebsveräußerung vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Hinzurechnungen zum laufenden Gewinn nicht nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 (jetzt R 17 Abs. 1 Satz 4 EStR 2001 ) auf drei Jahre verteilt werden können (Urteile vom 3. August 1967 IV 30/65, BFHE 90, 17, BStBl III 1967, 755 , und vom 11. August 1983 IV R 156/80, nicht veröffentlicht – NV – juris, sowie Beschluss vom 23. August 1991 IV B 69/90, BFH/NV 1992, 512).

Die EStR lehnen eine Billigkeitsverteilung für den Fall der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich ab, sondern regeln seit jeher nur den Fall, dass der Steuerpflichtige die Verteilung des Übergangsgewinns gewählt hat, den Betrieb aber vor Ablauf dieses Verteilungszeitraums veräußert oder aufgibt; dann erhöhen die noch nicht berücksichtigten Beträge den laufenden Gewinn des letzten Wirtschaftsjahrs (R 17 Abs. 1 Satz 5 EStR 2001 ; ebenso schon Abschn. 19 Abs. 1 Satz 9 EStR 1987 ).

c) Der Senat hat den Grund für diese Beschränkung der Billigkeitsmaßnahme darin gesehen, dass die infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart veranlasste Gewinnkorrektur die Existenz eines fortbestehenden Betriebs nicht gefährden soll; ein Billigkeitsgedanke, der bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs aber nicht zum Zuge kommt (BFH in BFHE 90, 17, BStBl III 1967, 755 , und BFH-Urteil IV R 156/80, NV). Ob diese Erwägungen auch auf den bislang noch nicht entschiedenen Fall von Gewinnkorrekturen anzuwenden sind, die im Zusammenhang mit der Erstellung einer Einbringungsbilanz anfallen, kann dahinstehen. Auch die Frage, ob die vom FG vorgenommene Gleichsetzung der Einbringung mit einer Betriebsveräußerung nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98 (BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123) noch Bestand haben kann (s. etwa Offerhaus, in Festschrift für Widmann, S. 441, 450 ff.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn abgesehen davon, dass es dem Senat verwehrt ist, die Billigkeitsregelung in Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 auf den Fall der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft auszudehnen, fehlt es insoweit bereits an einer sachlichen Rechtfertigung für eine Billigkeitsmaßnahme.

2. Rechtsgrundlage der Gewinnkorrekturen beim Übergang zum Bestandsvergleich ist der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG (vgl. Kanzler, Finanz-Rundschau – FR – 1999, 225, 227, m. w. N.), der es erfordert, den Steuerpflichtigen so zu stellen, als hätte er von Anfang an bilanziert (s. nur Senatsurteil vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91, BFHE 169, 180 , BStBl II 1993, 284 ). Der Übergang zum Bestandsvergleich dient daher nicht nur der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Einbringungsgewinns, sondern ,,bezweckt auch eine dem Gewinnbegriff des Einkommensteuergesetzes entsprechende Erfassung des laufenden Gewinns“ (BFH in BFHE 129, 380 , BStBl II 1980, 239 ). Die sich daraus ergebenden Gewinnerhöhungen entsprechen dem Gesetzesplan, der Billigkeitsregelungen allenfalls rechtfertigen kann, wenn ein solcher Wechsel der Gewinnermittlungsart zwingend, d. h. auf Grund gesetzlicher Vorschriften, wie etwa des Eintritts in die Buchführungspflicht, vorzunehmen ist. Die EStR gehen insoweit darüber hinaus, als sie eine Billigkeitsverteilung der Gewinnhinzurechnungen auf zwei oder drei Jahre auch für den Fall eines freiwilligen Übergangs zum Bestandsvergleich zulassen, für den weder eine sachliche noch eine persönliche Härte zu bejahen ist.

Auch im Streitfall bedurfte es keines Übergangs zum Bestandsvergleich, weil die Einbringung zum Buchwert erfolgen sollte und für diesen Fall auf die Erstellung einer Einbringungs- und einer Übergangsbilanz verzichtet werden konnte (BFH in BFHE 189, 465 , BStBl II 2000, 123 , zu C. II. 1. der Entscheidungsgründe; s. auch Widmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1985, 387). Wenn sich der Kläger gleichwohl für die Erstellung einer Einbringungsbilanz entschieden hatte, so, weil, er die Sofortversteuerung seiner Honorarforderungen herbeiführen wollte. Unter diesen Umständen besteht kein Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme, zumal eine Sofortversteuerung der dem Einbringenden zustehenden Honorare auch hätte vermieden werden können, wenn der Kläger diese von der Einbringung ausgenommen hätte (s. nur Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG 1977 Rz. 157).

Schließlich konnte der Senat nicht unberücksichtigt lassen, das die Sozietät 18 Monate nach der Einbringung wieder zur Einnahmen-Überschussrechnung unter Ansatz eines Übergangsverlustes in beträchtlicher Höhe zurückgekehrt ist.

Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht Düsseldorf mit Datum von heute (04.03.2013) veröffentlicht:

– FG Düsseldorf Beschluss vom 14.12.2012 – 1 K 2309/09 E: Verfassungswidrigkeit der sog. Reichensteuer im Veranlagungszeitraum 2007

Im Streitfall bezog ein Arbeitnehmer im Jahr 2007 ein Gehalt von über 1,5 Mio. €. Das Finanzamt unterwarf die betreffenden Einkünfte dem für Einkommen über 250.000 € (Ledige) bzw. 500.000 € (Verheiratete) geltenden Spitzensteuersatz von 45 %. Dagegen wandte sich der Arbeitnehmer und machte eine Ungleichbehandlung geltend: Selbständige Unternehmer und Freiberufler, die gleich hohe Einkünfte erzielten, unterlägen nämlich nur dem Spitzensteuersatz von 42 %.

Dem ist das Finanzgericht Düsseldorf gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Tatsache, dass im Jahr 2007 Arbeitnehmer mit Lohn- und Gehaltseinkünften sowie Steuerpflichtige mit Miet- oder Zinseinkünften einem Steuersatz von 45 % unterworfen würden, andere Steuerpflichtige dagegen maximal 42 % zahlten, stelle eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. Ein Rechtfertigungsgrund sei vom Gesetzgeber nicht angeführt worden.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die streitige Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung vorgelegt.1

– FG Düsseldorf Urteil vom 27.06.2012 – 4 K 4372/08 VE: Energiesteuerbefreiung eines Firmenjets

Die Beteiligten stritten um die Energiesteuerbefreiung eines Firmenjets. Die Klägerin, eine Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns, hatte die Aufgabe, ein Firmenflugzeug zu betreiben und das dafür erforderliche Personal zu stellen. Neben Trainings- und Werkstattflügen führte die Gesellschaft fast ausschließlich Flüge für das Management des Konzerns und seiner Tochtergesellschaften durch. Sie beantragte beim Hauptzollamt die Vergütung der für den Treibstoff bezahlten Energiesteuer, soweit dieser für dienstliche Flüge verwendet worden war. Dies wurde ihr unter Hinweis darauf, dass sie kein gewerbliches Luftfahrtunternehmen betreibe, versagt.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Da die Klägerin Flüge für andere Konzerngesellschaften durchgeführt habe, diene ihr Flugzeug gewerblichen Zwecken und nicht der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt. Es komme nicht darauf an, ob die Gesellschaft luftverkehrsrechtlich als Luftfahrtunternehmen zugelassen sei und andere Passagiere befördern dürfe. Die Gesellschaft erfülle daher die Voraussetzungen für eine Energiesteuerbefreiung.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Weitere aktuelle Entscheidungen

– FG Düsseldorf Urteil 21.11.2012 – 7 K 3613/12 GE (Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz);

– FG Düsseldorf Urteil 11.12.2012 – 10 K 4050/10 E (Keine Besteuerung der Barabfindungen bei sog. Altaktienbeständen anlässlich der Einführung der Abgeltungssteuer zum 1. Januar 2009);

– FG Düsseldorf Urteil vom 14.01.2013 – 11 K 2439/10 (Nachweise für die Berücksichtigung einer Spende an eine spanische Stiftung);

– FG Düsseldorf Urteil vom 28.11.2012 – 15 K 4263/11 Kg (Kindergeldanspruch eines im Inland lebenden Vaters für sein in Polen bei – nicht kindergeldberechtigten – Pflegeeltern lebendes Kind);

– FG Düsseldorf Urteil vom 10.01.2013 – 16 K 2855/12 Kg
– FG Düsseldorf Urteil vom 10.01.2013 – 16 K 3495/12 Kg (Gewährung von Kindergeld unter Anwendung der neuen EG-Verordnung Nr. 883/2004 und der Durchführungsverordnung EG-Verodnung Nr. 987/2009).

Finanzgericht Düsseldorf

Reichensteuer teilweise verfassungswidrig?

Einkommensteuer; Reichensteuer teilweise verfassungswidrig?

Der 1. Senat des FG Düsseldorf ist davon überzeugt, dass die Reichensteuer insoweit verfassungswidrig ist, als der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45 % gleichzeitig eine auf Gewinneinkünfte beschränkte Tarifbegrenzung (Entlastungsbetrag) eingeführt hat. Aus diesem Grund hat er sich mit Beschluss vom 14. 12. 2012 zur Klärung der Frage an das BVerfG gewandt. Die als „Reichensteuer” bezeichnete Erhöhung der Einkommensteuer für besonders hohe Einkommen trat mit dem StÄndG 2007 (BGBl 2006 I S. 1652 ) zum 1. 1. 2007 in Kraft. Ab einem zu versteuernden Einkommen von derzeitig 250.731 € für Ledige bzw. ab 501.462 € bei Zusammenveranlagung beträgt der Spitzensteuersatz 45 %. Dieser Steuersatz galt im Veranlagungszeitraum 2007 allerdings nicht für die Gewinneinkünfte, was damit begründet wurde, dass zum 1. 1. 2008 eine Unternehmensteuerreform (BGBl 2007 I S. 1912 ) in Kraft trat (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG a. F., § 32c EStG a. F.).

Anmerkung:

Die Frage, ob die Reichenbesteuerung im Jahr 2007 gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist im Streitfall entscheidungserheblich. Sollte die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht gegeben sein, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine für die Kläger des Ausgangsverfahrens günstige Regelung schafft und etwa zu einem einheitlichen Spitzensteuersatz von 42 % zurückkehrt. Liegt ein Gleichheitsverstoß vor, hat der Gesetzgeber jedoch verschiedene Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. In diesem Fall müsste das Klageverfahren bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgesetzt werden.

EDV-Berater – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit

Abgrenzung freiberufliche Tätigkeit zum Gewerbebetrieb – Vergleichbarkeit der Ausbildung

Ein aktuelles Urteil zeigt, dass es für im EDV-Bereich selbstständig tätige Nicht-Akademiker fast unmöglich ist, als Freiberufler anerkannt zu werden und damit von der Gewerbesteuer befreit zu sein.

Leitsatz

  1. 1.            Eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit liegt vor, sofern sie in Ausbildung und berufliche Tätigkeit im wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf vergleichbar ist.
  2. 2.            Im Rahmen der Vergleichbarkeit der Katalogberufe des § 18 EStG kann das für ein Ingenieurstudium erforderliche Grundlagenwissen in Mathematik nicht durch besondere Kenntnisse in anderen Bereichen ersetzt werden.

Gesetze

EStG § 15 Abs. 2 Satz 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
GewStG § 2 Abs. 1
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

Tatbestand

Strittig ist, ob die Klägerin im Streitjahr freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

Die Klägerin ist …. Nach ihren eigenen Angaben besitzt sie seit 1989 Erfahrungen im EDV-Bereich und war ausweislich ihres Lebenslaufs nach einer gut achtmonatigen Ausbildung zum Systemverwalter SAP R3 in 1994/1995 überwiegend als SAP R3 Beraterin tätig. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den in den Akten vorhandenen Lebenslauf der Klägerin verwiesen.

Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2003 führte zu einer Überprüfung des Finanzamts, ob die Klägerin möglicherweise gewerbliche Einkünfte erzielt habe. … Die Anfrage des Finanzamts vom 28.04.2004, welche Tätigkeiten ab dem Veranlagungszeitraum 1998 im Einzelnen tatsächlich ausübt wurden, folgte eine allgemeine, nicht auf bestimmte Auftraggeber bezogene Tätigkeitsbeschreibung. Arbeitsverträge könnten nicht vorgelegt werden, da sie freiberuflich tätig sei und nur Auftragsbestätigungen erhalte. Das Finanzamt legte daraufhin im Schreiben vom 04.08.2004 dar, dass, wenn die Klägerin tatsächlich unterrichtend tätig sei, dies im Gegensatz zu ihren Angaben in der Steuererklärung stehe, wonach sie sich selbst als EDV-Beraterin (Systemsoftwareentwicklung) bezeichne. Ohne konkreten Nachweis hinsichtlich der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit werde es daher davon ausgehen, dass die Klägerin als EDV-Beraterin tätig sei. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) V R 11/85 werde verwiesen. …. Diese Angaben reichten dem Finanzamt für die Streitjahre ab 1998 nicht aus; es forderte nochmals Angaben zur konkret ausgeübten Tätigkeit und erließ für das Jahr 2003 am 21.09.2004 einen Gewerbesteuermessbescheid.

Die Klägerin legte am 30.09.2004 Einspruch ein und verwies auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren für die Vorjahre. ….

Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde der Einspruch wegen Gewerbesteuermessbetrags … 2003 mit am 22.06.2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

In ihrer Klagebegründung für die Streitjahre … und 2003 trug die Klägerin vor, sie sei freiberufliche IT – Systemprogrammiererin. Sie habe im Wesentlichen neue Software erstellt und Programmierleistungen selbständig erbracht. … Die Gewerbesteuermessbescheide seien aufzuheben.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sie über die erforderliche Ausbildung verfüge.

Am 16.04.2007 hat das Gericht einen Beweisbeschluss erlassen, wonach Beweis erhoben werden sollte, ob die konkrete Tätigkeit der Klägerin ingenieurähnlich ist, weil sie sich durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) auszeichnet, und ob die praktischen Arbeiten der Klägerin in Verbindung mit ihrem Ausbildungsgang den Schluss zulassen, dass sie, obwohl sie kein Ingenieur- oder Informatikstudium abgeschlossen hat, (bereits) in den Streitjahren über ingenieurähnliche Kenntnisse verfügte, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Ingenieurs oder Diplominformatikers entsprechen.

….

Der vom Gericht bestellte Sachverständige A. kam in seinem Gutachten vom 29.09.2010 unter Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsproben zu dem Ergebnis, dass er nicht abschließend beurteilen könne, ob die Kenntnisse der Klägerin ingenieurmäßig seien, weil das Wissen in dem Fach Mathematik von ihm nicht beurteilt werden könne. …

… Daraufhin wurden die Verfahren für 1998 – 2001 von diesem Verfahren abgetrennt.

….

Die Klägerin trägt vor, sie sei ingenieurmäßig tätig geworden. Auch der Sachverständige habe festgestellt, dass ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten. 93 % des Wissens wäre daher dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar. Da das Gericht schriftsätzlich zu erkennen gegeben habe, dass es der Auffassung sei, die Breite und Tiefe der Ausbildung sei nicht nachgewiesen, werde vorsorglich eine Wissensprüfung beantragt. Sie selbst sei aber der Auffassung, bei dieser Sachlage sei eine Wissensprüfung nicht angezeigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2003 vom 10.10.2011 sowie die davor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide insgesamt aufzuheben;

hilfsweise,

für den Fall der Klagabweisung die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hat … beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat am 27.02.2012 beschlossen, dass Beweis erhoben werden soll, ob die Klägerin in den Streitjahren über ingenieurähnliche Kenntnisse verfügte, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Ingenieurs oder Diplominformatikers entsprechen, durch Vornahme einer Wissensprüfung. Mit der Durchführung der Wissensprüfung wurde der B. beauftragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 verwiesen.

Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamts vor.

Gründe

I. ….

II. Die Klage ist nicht begründet.

Die selbständige Betätigung der Klägerin in den Streitjahren stellt sich….nicht als Ausübung eines freien Berufs dar.

1. Da die Klägerin unbestritten wegen fehlenden Studiums nicht als Ingenieur tätig war, kommt im Streitfall nur eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit in Betracht, sofern sie in Ausbildung und beruflicher Tätigkeit in wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf vergleichbar ist. Die danach in Tiefe und Breite –einem Ingenieur– vergleichbaren Kenntnisse kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung auch ein Diplom-Informatiker geltend machen, weil das Studium der Informatik an einer (Fach-)Hochschule dem der traditionellen Ingenieurwissenschaften gleichwertig ist, auch wenn das Ingenieurstudium im Grundsatz allgemeiner sein kann. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige

–ohne entsprechende Hochschulausbildung– nachweisen kann, dass er sich das Wissen eines Diplom-Informatikers in vergleichbarer Breite und Tiefe auf andere Weise im Wege der Fortbildung und/oder des Selbststudiums oder ggf. anhand eigener praktischer Arbeiten angeeignet hat, sofern die erworbenen Kenntnisse der Tiefe und der Breite nach dem Wissen des Kernbereichs des jeweiligen Fachstudiums entsprechen. Dies erfordert Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen des Katalogberufs. Dementsprechend kann auch ein EDV-Berater geltend machen, einen ingenieurähnlichen Beruf auszuüben (BFH-Urteile vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 ; vom 18.04.2007 XI R 29/06, BFHE 218, 65 , BStBl II 2007, 781 jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

2. Ausweislich des eingeholten Gutachtens ist die Klägerin auf dem Fachgebiet Entwicklung, Implementierung und Betreuung von Software tätig gewesen. Derartige Tätigkeiten sind bei Anlegung der dargelegten Grundsätze für den Ingenieurberuf typische Tätigkeiten (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.2009 VIII R 63/06 , BFHE 227, 386 , BStBl II 2010, 466). In diesem Bereich besitzt die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen A. profunde Kenntnisse.

Jedoch ist der Nachweis, dass die Klägerin über die erforderlichen Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfügt, nicht gelungen.

a) Die Klägerin hat im Fach Mathematik keine nennenswerten Kenntnisse durch Ausbildungsnachweise belegen können. Der Sachverständige A. hat in seinem Gutachten festgestellt, auch ihre vorgelegten praktischen Arbeiten hätten einen Bezug zu mathematischen Grundkenntnisses nicht herstellen können. In der Berufstätigkeit der Klägerin sah er auch keine Gelegenheit dafür, dass sie sich diese Kenntnisse „on the job” angeeignet haben könnte. Es sah daher den Themenblock „Mathematik” nicht als ausreichend abgedeckt an (Tz. 4.5.4).

Die Klägerin irrt, wenn sie der Auffassung ist, angesichts der Feststellung des Sachverständigen, dass ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten, sei ihr Wissen mit 93 % des Wissens dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar. Derartige Würdigungen werden zwar gerichtsbekannt auch von anderen Sachverständigen in ihren Privat- oder Gerichtsgutachten vertreten. Dabei wird aber übersehen, dass zu beurteilen ist, ob die Klägerin mit ihren vorhandenen Kenntnissen ein Fachhochschulstudium mit einem Abschluss bestanden hätte. Nur dann ist ihr Wissen der Tiefe und der Breite nach mit dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar.

Der erkennende Senat teilt die Auffassung des BFH, wonach der Nachweis eines vergleichbar umfänglichen Wissens ein sachgerechter und verfassungsrechtlich zulässiger Maßstab für die Abgrenzung gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeiten ist. Denn das in einem förmlichen Studiengang vermittelte Grundlagenwissen ist für die spätere Tätigkeit schon deshalb nicht als überflüssig anzusehen, weil bei typisierender Betrachtung ein Steuerpflichtiger, der über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen verfügt, insbesondere seltener in der Praxis auftretende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen vermag als jemand, der aufgrund überwiegend praktischer Erfahrung sich ein Spezialwissen angeeignet hat (BFH-Urteil vom 18.04.2007 XI R 29/06 , BFHE 218, 65 , BStBl II 2007, 781 m.w.N.).

Da die Prüfung im Grundlagenfach Mathematik bei einem Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH) mit Studienabschluss vor dem Streitjahr 2003 in einer Fachprüfung mindestens mit ausreichend bestanden werden muss und bei einem nicht ausreichenden Ergebnis nicht durch andere Prüfungsleistungen ausgeglichen werden kann (so die einschlägigen Prüfungsordnungen verschiedener Fachhochschulen), konnten die Kenntnisse der Klägerin im Streitfall allenfalls durch eine Wissensprüfung belegt werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 19.09.2002 IV R 74/00 , BStBl II 2003 , 27 ; Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 07.09.2011 1 K 1586/09 , nv, juris).

b) Da die Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr ingenieurmäßig war und sich nach den Feststellungen im schriftlichen Sachverständigengutachten erkennen ließ, dass die Klägerin über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte, war auf Antrag der Klägerin eine Wissensprüfung vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 16.06.2005 IV B 187/03 , BFH/NV 2005, 2015 ). Denn der erkennende Senat ist aufgrund fehlender Sachkunde im Bereich der Informatik nicht in der Lage, den Wissensstand der Klägerin zu überprüfen.

aa) Nach den Feststellungen des Sachverständigen A. sind die vorhandenen Kenntnisse der Klägerin, die vorwiegend im SAP R3 -Bereich tätig ist, am ehesten mit denen eines Wirtschaftsinformatikers vergleichbar. Der Sachverständige A. hat ihren Wissensstand anhand der für die Fachhochschule Köln geltenden Studienbedingungen überprüft. Die Klägerin hat gegen diese Einschätzung keine Einwendungen erhoben.

bb) Der Sachverständige A. hielt in seinem Gutachten nur die mathematischen Kenntnisse für nicht ausreichend nachgewiesen. In dem Bereich „Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen” (Tz. 4.5.3), der auch die Grundlagen der theoretischen Informatik umfasst, konnte die Klägerin seinen Feststellungen nach ihre Ausbildung nur in geringem Umfang belegen. Der Sachverständige hat aber „bei der Zuordnung von Ausbildungs- und Fachliteraturthemen zu diesen Themenblöcken bewusst davon abgesehen, Wissenskomponenten den Themenblöcken Grundlagen Informatik und Systemarchitekturen zuzuordnen”, weil die Abgrenzung schwierig sei und sich eher mit einer pauschalen Schätzung über die Gesamtheit der Fortbildung bemessen lasse, da sowohl in Hardware- und in Software-Fachthemen der hier vorliegenden Besonderheit auch Fragen der Grundlagen Informatik und Systemarchitekturen enthalten seien. Aufgrund der (langjährigen) „beruflichen Praxis auf ihrem speziellen Tätigkeitsfeld der Systementwicklung” attestierte er ihr Kenntnisse, die weit höher seien, als sie sich aus einer formalen Betrachtung ergäben. Da die (bei einem Fachhochschulstudium) geforderte Stundenzahl um mehr als das 10-fache überschritten sei, habe sie, wenn man ihr zubillige, dass nur 5 % dieser Zeit mit den Themen der Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen belegt seien, die gestellte Anforderung bereits erfüllt. Er resümierte, dass deshalb die Kenntnisse insgesamt denen eines Fachhochschulabsolventen ebenbürtig seien.

Der Senat vermochte diese Würdigung des Sachverständigen A. nicht nachzuvollziehen. Diese Einschätzung beruht nicht auf der besonderen Sachkunde des Sachverständigen. Wenn in Teilbereichen Kenntnisse vorhanden sind, die weit über das geforderte Maß hinausgehen, andererseits aber in Teilbereichen überhaupt keine Kenntnisse vorhanden sind, sind die Grundlagen in ihrer Breite nicht nachgewiesen. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige hier mehrere relevante Prüfungsfächer des Grundlagenbereiches miteinander vermengt und einheitlich gewürdigt hat. Mit der vorgenannten Rechtsprechung ist dies nicht zu vereinbaren. Auch wenn Teilbereiche von Grundlagenfächern zum ausreichend abgedeckten Wissensstand der Klägerin gehören, vermögen sie die an einer Fachhochschule erworbenen Fähigkeiten ihrer Tiefe und Breite nach grundsätzlich nicht zu ersetzen. Gerade die Ausbildung der Breite nach und nicht ein Spezialwissen wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert, um eine Vergleichbarkeit mit einem freien Beruf herstellen zu können.

Die Klägerin hat nach Auffassung des Senats durch eigene Weiterbildungsmaßnahmen und durch ihre Arbeitsproben Kenntnisse im Bereich der Mathematik, der Theoretischen Informatik und der Systemarchitekturen nicht belegt. Aus ihrem beruflichen Werdegang als so genannter Seiteneinsteiger mit einer Vorausbildung, die nichts mit EDV zu tun hatte, kann auch nicht geschlossen werden, dass sie sich über ihre Spezialisierung auf Unix und SAP R3 hinaus grundlegend mit weitergehenden Fragestellungen auseinandergesetzt hätte. Zumindest ergab sich dafür keine berufsbedingte Notwendigkeit. Der erkennende Senat, der für den gesamten Gerichtsbezirk im Rahmen seiner Spezialzuständigkeit für die Abgrenzung von gewerblichen Einkünften zu anderen Einkunftsarten zuständig ist und daher häufiger Fallgestaltungen wie solche im Streitfall zu beurteilen hat, kann die Feststellung des Sachverständigen A., dass die theoretischen Fächer „sich ein Berufstätiger nur mit besonderer, zielgerichteter Anstrengung nachträglich aneignen kann” (Tz. 4.5.10), uneingeschränkt bestätigen. Aus diesen Gründen kommt auch den durch Selbststudium (angeblich) erworbenen Kenntnissen, die ein Steuerpflichtiger anhand von Literaturlisten nachweisen will, nur eingeschränkte Beweiskraft zu.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin war aus vorgenannten Gründen die Wissensprüfung nicht auf das Fach Mathematik zu beschränken. Steht wie im Streitfall fest, dass das Wissen der Klägerin zumindest auch in den genannten Grundlagenfächern Theoretische Informatik und Systemarchitekturen nicht belegt wurde, hat gem. § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 404a Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) das Gericht zu bestimmen, welche Tatsachen von dem (für die Wissensprüfung beauftragten) Sachverständigen zu begutachten sind. Denn dem Finanzgericht obliegt es aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO ), die tatsächlichen Kenntnisse der Klägerin festzustellen.

dd) Eine Wissenprüfung ist in mündlicher Verhandlung durchzuführen. Zwar kommt der Beurteilung des Sachverständigen, ob die Wissensprüfung bestanden ist, aufgrund dessen Sachkunde vorrangige Bedeutung zu. Dem Gericht ist es aber nach der Durchführung einer solchen Wissensprüfung vorzunehmenden Beweiswürdigung vorbehalten festzustellen, ob im Einzelfall ein Rückschluss von den Ergebnissen der Prüfung auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren aufgrund besonderer Umstände in Zweifel zu ziehen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 ). Eine solche Beweiswürdigung ist nach Auffassung des Senats nur dann möglich, wenn das Gericht bei der Wissensprüfung zugegen war.

ee) Der Sachverständige B. hat die Wissensprüfung in den Grundlagenfächern Mathematik und Theoretische Informatik als nicht ausreichend und damit als nicht bestanden beurteilt. Nach Auffassung des Sachverständigen hatte die Klägerin nahezu keine Kenntnisse im Bereich der Grundlagen der theoretischen Informatik. In Mathematik waren wesentliche Grundbegriffe der Klägerin überhaupt nicht bekannt. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 verwiesen. Diese Würdigung konnte das Gericht nicht nur nachvollziehen, sondern es hätte selbst, ohne über ausreichende Sachkenntnisse zu verfügen, nach dem Ablauf der Wissensprüfung diese so beurteilt. Obwohl der Sachverständige in den Grundlagenfächern verschiedene Bereiche prüfte und wiederholt Hilfestellungen leistete, konnten die Fragen von der Klägerin überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang beantwortet werden.

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin ihr ursprünglich vorhandenes Wissen nicht einfach nur vergessen hatte. Zum einen kam ihr auch dann, wenn der Sachverständige ihr „Brücken bauen” wollte, keine Erinnerung; zum anderen hat sie selbst mehrfach betont, solche Fragestellungen kämen in ihrer praktischen Tätigkeit niemals vor oder aber sie frage einen Diplom-Informatiker, wenn bei ihr derartige Probleme auftauchten.

II. Da die Klage abzuweisen war, fallen der Klägerin die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu Last. ….

III. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Zuordnung nachträglicher gewerblicher Einkünfte nach Betriebsaufgabe

§ 4 EStG – Zuordnung nachträglicher gewerblicher Einkünfte nach Betriebsaufgabe

Einkünfte nach einer Betriebsaufgabe sind unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips zwingend nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Nunmehr vertritt der BFH diese Auffassung, nachdem er den Unternehmern zuvor ein Wahlrecht eingeräumt hatte. Es ist auch unerheblich, ob zuvor eine Buchführungspflicht bestanden hat, freiwillig Bücher geführt worden sind oder ohnehin bereits die Einnahme-Überschuss-Rechnung erstellt wurde.

Im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe wird der Gewinn letztmalig durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, wobei die Bilanzpositionen unter Aufdeckung der stillen Reserven in der Schlussbilanz erfasst werden. Danach ist eine Bilanzierung durch Gegenüberstellung des Aktiv- und des Passivvermögens nicht mehr möglich.

Die Anwendung der Grundsätze der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auf nachträgliche Einnahmen und Ausgaben hat zur Folge, dass z.B. nachträgliche Entschädigungen erst bei tatsächlichem Zufluss und nicht bereits bei Vereinbarung oder sogar rückwirkend als Betriebseinnahmen gelten. Das ist i.d.R. positiv, da in den Jahren nach der Betriebsaufgabe meist eine geringere Steuer anfällt.

 

Teilanfechtung eines Gewinnfeststellungsbescheids; Ermittlung nachträglicher Einkünfte nach einer Betriebsaufgabe nach § 4 Abs. 3 EStG

Leitsatz

1. Eine Aufgabebilanz ist auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung aufzustellen.
2. Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Die nachträglichen Einkünfte sind nicht mehr nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG ) sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln.
3. Ein nachträglich geänderter Gewinnfeststellungsbescheid wird nach § 68 FGO nur hinsichtlich der in zulässiger Weise mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Wird eine in einem nachträglichen Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlage nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens, kann der Steuerpflichtige innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde Einspruch einlegen.

Gesetze

FGO § 68
,
FGO § 96
,
AO § 162
,
AO § 181
,
EStG § 4 Abs. 1
,
EStG § 4 Abs. 3
, EStG § 5, EStG § 24 Nr. 2, EStG § 11, EStG § 15
Instanzenzug

FG Köln Urteil vom 24.04.2008 6 K 2496/06 BFH IV R 31/09

Gründe

1  I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) —eine GbR— betrieb auf einem eigenen Grundstück ein Tagungshotel und führte gegen Entgelt verschiedene Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durch. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellte die Klägerin den Tagungsbetrieb 1995 ein und verpachtete das gesamte Objekt zunächst an die B GmbH. Ab Herbst 1998 stand das Objekt leer. Am 21. Oktober 1999 wurde das gesamte Grundstück für 1,4 Mio. DM versteigert.

2  Die Klägerin ermittelte für 1999 (Streitjahr) durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen laufenden Verlust von 325.090,94 DM und in einer „Aufgabeschlussbilanz” zum 31. Dezember 1999 einen Veräußerungsverlust von 497.901,43 DM.

3  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) veranlagte die Klägerin weitgehend erklärungsgemäß. Auf Grund weiterer aktenkundiger Aufwendungen berücksichtigte es in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr vom 26. Oktober 2001 bei den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und daneben einen Veräußerungsverlust in Höhe von 497.482,34 DM. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4  Da die Verbindlichkeiten durch den Versteigerungserlös nur zum Teil befriedigt werden konnten, kam es in der Folgezeit zu Verhandlungen der Klägerin mit den Gläubigern, die schließlich zu einem Teilerlass der Restverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1.776.279 DM führten.

5  Nach Kenntnisnahme von diesem Umstand vertrat das FA die Auffassung, dass der Erlass der Verbindlichkeiten durch die Gläubiger rückwirkend zu einem Veräußerungsgewinn geführt habe.

6  Mit Änderungsbescheid vom 15. März 2004 stellte das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1999 nunmehr in Höhe von 869.166,32 DM fest, die sich —insoweit unverändert— aus einem laufenden Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.199.579,26 DM zusammensetzten. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

7  Gegen den Änderungsbescheid erhob die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage, die unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 beim Finanzgericht Köln (FG) anhängig war. Mit dieser Klage begehrte sie die Änderung des Feststellungsbescheides dahin, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen sei und hilfsweise, dass der Veräußerungsgewinn im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 1 AO nur in Höhe von 159.549,46 DM festgestellt werde. Zur Begründung des Hauptantrags machte die Klägerin insbesondere geltend, dass ein Veräußerungsgewinn (nunmehr als Aufgabegewinn) bereits im Veranlagungszeitraum 1998 und nicht im Streitjahr zu erfassen sei.

8  Das FA schloss sich während des Klageverfahrens 6 K 1864/04 der Ansicht der Klägerin an, dass der Betrieb bereits in 1998 aufgegeben worden und deshalb der Aufgabegewinn in 1998 zu berücksichtigen sei. Im Hinblick auf die bisher im Streitjahr berücksichtigten laufenden Einkünfte vertrat es allerdings die Auffassung, dass diese ebenfalls einer neuen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen seien. Sie seien nunmehr als nachträgliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern die Klägerin den Abfluss der geltend gemachten Aufwendungen nachweise.

9  Vor Abschluss des Klageverfahrens 6 K 1864/04 erließ das FA am 4. April 2005 einen weiteren geänderten Feststellungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (im Weiteren Änderungsbescheid) und stellte darin den Veräußerungsgewinn, gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO , sowie die laufenden Einkünfte, gestützt auf § 174 AO , jeweils mit 0 DM fest. In den Erläuterungen zum Bescheid ist u.a. der Hinweis enthalten, dass die laufenden Einkünfte mit 0 DM geschätzt worden seien, weil die Klägerin den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben in 1999 nicht durch Belege nachgewiesen habe.

10  Die Klägerin ging davon aus, dass sich durch die Herabsetzung des Veräußerungsgewinns auf 0 DM ihr Klagebegehren in dem Verfahren 6 K 1864/04 erledigt habe, da die Klage nur gegen die Feststellung des Veräußerungsgewinns gerichtet gewesen sei. Der Feststellungsbescheid im Übrigen, also insbesondere die Feststellung der laufenden Einkünfte, sei deshalb in Bestandskraft erwachsen. Der Änderungsbescheid vom 4. April 2005 sei hinsichtlich der laufenden Einkünfte auch nicht gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

11  Da das FA einer Erledigung des Verfahren 6 K 1864/04 widersprach, beantragte die Klägerin in diesem Verfahren, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, hilfsweise, die laufenden Einkünfte wie erklärt in Höhe eines Verlustes von 330.412,94 DM festzustellen und weiter hilfsweise, das FA zu verpflichten, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen.

12  Das FG hat die Klage 6 K 1864/04 in vollem Umfang abgewiesen. Über die dagegen unter dem Aktenzeichen IV R 32/09 anhängige Revision hat der erkennende Senat mit Urteil vom 23. Februar 2012 ebenfalls entschieden.

13  Entsprechend ihrer in dem Klageverfahren 6 K 1864/04 vertretenen Rechtsansicht legte die Klägerin am 15. April 2005 Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein, soweit darin die laufenden Einkünfte unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 15. März 2004 mit 0 DM festgestellt worden sind.

14  Das FA verwarf diesen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 als unzulässig.

15  Die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin begehrte, den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 in Gestalt der Ein-spruchsentscheidung insoweit zu ändern, als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Verlust von 330.412,94 DM berücksichtigt werden und hilfsweise, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen, hatte keinen Erfolg. Das FG ging davon aus, dass der Einspruch gegen den Änderungsbescheid gemäß § 68 Satz 2 FGO unzulässig gewesen und deshalb auch die dagegen erhobene Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen sei.

16  Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005, der sich nur gegen den Ansatz des laufenden Gewinns gerichtet habe, sei nicht gemäß § 68 Satz 2 FGO unzulässig, da sie, die Klägerin, in dem Verfahren 6 K 1864/04 nur die Feststellung des Veräußerungsgewinns angefochten habe. Für eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 15. März 2004 hinsichtlich des laufenden Gewinns fehle es an einer verfahrensrechtlichen Grundlage. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO lägen im Streitfall hinsichtlich des laufenden Gewinns nicht vor. Ungeachtet dessen wäre der Klage aber auch deshalb stattzugeben, weil sie, die Klägerin, unter Ausübung des ihr zustehenden Wahlrechts den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG habe ermitteln dürfen. Dieses Wahlrecht habe der Klägerin auch dann zugestanden, wenn im Streitfall nachträgliche Einkünfte nach Beendigung der gewerblichen Tätigkeit anzunehmen wären.

17  Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Änderungsbescheid vom 4. April 2005, soweit er die laufenden Einkünfte aus Gewerbetrieb betrifft, sowie die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 aufzuheben.

18  Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

19  Das FG habe den Einspruch zu Recht als unzulässig angesehen, weil die geänderte Feststellung des laufenden Gewinns Gegen-stand des anhängigen Klageverfahrens 6 K 1864/04 geworden sei. Die Feststellung des laufenden Gewinns und des Aufgabegewinns hätten nur gemeinsam angefochten werden können. Zu Recht habe das FG den Klageantrag in dem Verfahren 6 K 1864/04 entsprechend ausgelegt. Die Frage, ob die Betriebsaufgabe im Streitjahr oder in einem früheren Jahr stattgefunden habe, sei untrennbar damit verbunden, ob überhaupt noch gemeinschaftlich gewerbliche Einkünfte erzielt worden seien und damit die Voraussetzungen für ein Feststellungsverfahren gegeben seien.

20  Der Änderungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Nach Betriebsaufgabe oder Veräußerung sei eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht mehr möglich. Denn ab diesem Zeitpunkt sei kein Betriebsvermögen mehr vorhanden.

21  II. 1. Der Senat geht auf Grund der Feststellungen des FG in dem Verfahren 6 K 1864/04 davon aus, dass die Klägerin gegenwärtig noch nicht vollbeendet ist. Demzufolge war die Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt. Die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen kann daher im Streitfall nur von den gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigten Gesellschaftern namens der Klägerin erhoben werden (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 29. Juni 2004 IX R 39/03 , BFH/NV 2004, 1371 ). Es ist nicht ersichtlich, dass die Gesellschafter daneben auch persönlich gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 FGO klagebefugt sind. Der Senat hat das Rubrum daher entsprechend geändert.

22  2. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO ). Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 zu Unrecht ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abgewiesen hat. Der von der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 eingelegte Einspruch, soweit er die Feststellung der laufenden Einkünfte betrifft, war nicht nach § 68 Satz 2 FGO unzulässig.

23  a) Gemäß § 68 Satz 2 FGO ist ein Einspruch gegen einen neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen, als dieser gemäß § 68 Satz 1 FGO einen angefochtenen Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ändert und deshalb Gegenstand des laufenden Klageverfahrens wird. Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Die Vorschrift setzt voraus, dass beide Bescheide dieselbe Steuersache betreffen. Der Anwendungsbereich des § 68 FGO ist nicht eröffnet, wenn ein teilbarer Verwaltungsakt nur teilweise angefochten wird und sich der Änderungsbescheid nur auf den nicht angefochtenen Teil bezieht (BFH-Urteile vom 9. Februar 2011 IV R 15/08 , BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764, und vom 14. April 2011 IV R 36/08, BFH/NV 2011, 1361 ). Auch der Gewinnfeststellungsbescheid ist wegen der in ihm enthaltenen selbständigen Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen ein teilbarer Verwaltungsakt (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01 , BFH/NV 2004, 1372 ). Ein nachträglich geänderter Gewinnfeststellungsbescheid wird daher nach § 68 FGO nur hinsichtlich der in zulässiger Weise mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens (BFH-Urteil in BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764). Wird eine in einem nachträglichen Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlage nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens, kann der Steuerpflichtige innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde Einspruch einlegen (BFH-Urteil in BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764).

24  b) Wie der Senat in dem Revisionsverfahren IV R 32/09 mit Urteil vom 23. Februar 2012 entschieden hat, hat die Klägerin den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 15. März 2004 in dem vor dem FG Köln unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 anhängigen Klageverfahren nur hinsichtlich des Veräußerungsgewinns angefochten. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen in dem Urteil IV R 32/09 vom 23. Februar 2012 Bezug. Der Änderungsbescheid vom 4. April 2005, mit dem sowohl die Feststellung des Veräußerungsgewinns als auch die des laufenden Gewinns geändert worden sind, ist daher gemäß § 68 Satz 1 FGO nur bezüglich der Feststellungen des Veräußerungsgewinns zum Gegenstand des Verfahrens 6 K 1864/04 geworden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764). Da die in dem Änderungsbescheid vom 4. April 2005 festgestellten laufenden Einkünfte nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens 6 K 1864/04 geworden sind, konnte die Klägerin, wie geschehen, innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei dem FA Einspruch einlegen.

25  3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Änderungsbescheides vorlagen, soweit darin die laufenden Einkünfte mit 0 DM festgestellt worden sind. Der Senat kann deshalb nicht in der Sache selbst entscheiden. Er verweist die Sache daher an das FG zurück.

26  Hinsichtlich der weiteren Sachbehandlung weist der Senat ohne Bindungswirkung auf Folgendes hin:

27  a) Das FG wird zunächst zu klären haben, ob der Änderungsbescheid vom 4. April 2005, soweit er die hier alleine streitige Feststellung der laufenden Einkünfte 1999 betrifft, auf eine die Bestandskraft durchbrechende Änderungsnorm gestützt werden konnte. In Betracht kommen insoweit insbesondere die Regelungen des § 174 Abs. 4 AO und des § 173 AO . Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 173 AO wäre insbesondere dann im Einzelnen zu prüfen, wenn die Tatsachen, die das FA veranlasst haben, die Betriebsaufgabe in 1998 anzunehmen, diesem erst nachträglich —etwa im Klageverfahren— bekannt geworden sind.

28  Im Hinblick auf die Regelung des § 174 Abs. 4 AO ist anzumerken, dass eine Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen wegen der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nur dann zum Anlass für die Aufhebung oder die Änderung eines weiteren Steuerbescheides genommen werden kann, wenn der zuerst geänderte Bescheid in seiner ursprünglichen Fassung objektiv rechtswidrig war (BFH-Urteil vom 4. März 2009 I R 1/08 , BFHE 225, 312 , BStBl II 2010, 407). Insoweit bedarf es der Feststellung, ob der Veräußerungs- bzw. Aufgabevorgang zutreffend in 1998 statt wie in dem Feststellungsbescheid vom 15. März 2004 in 1999 zu erfassen war. Ist der Betrieb, wie von der Klägerin vorgetragen und vom FA den beiden Änderungsbescheiden vom 4. April 2005 für 1998 und 1999 zu Grunde gelegt, in 1998 aufgegeben worden, kommt es jedenfalls für die Ermittlung der laufenden Einkünfte im Streitjahr nicht darauf an, ob ein etwaiger Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen als begünstigter Aufgabegewinn im Streitjahr zu erfassen gewesen wäre. Denn für die Frage, ab welchem Zeitpunkt nachträgliche Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG vorliegen, kommt es auf den Zeitpunkt der Erstellung der Aufgabebilanz an. Diese ist aber auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung, hier den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung, aufzustellen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02 , BFHE 209, 384 , BStBl II 2005, 637).

29  b) Im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheides weist der Senat auf Folgendes hin:

30  Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die laufenden Einkünfte des Streitjahres in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sind (dazu unter aa). Davon ausgehend wäre es unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Erkenntnisstandes nicht zu beanstanden, wenn das FG die laufenden Einkünfte der Klägerin mit 0 DM schätzt (dazu unter bb).

31  aa) Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Dies betrifft auch nachträgliche Verluste aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit der Klägerin. Die nachträglichen Einkünfte sind indes nicht mehr nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 , § 5 EStG ), sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln (BFH-Urteile vom 22. Februar 1978 I R 137/74 , BFHE 125, 42 , BStBl II 1978, 430; vom 21. Dezember 1993 VIII R 315/84, BFH/NV 1994, 626 , und vom 2. Dezember 1997 VIII R 42/96, BFHE 185, 1 , BStBl II 2008, 177; offengelassen in den BFH-Urteilen vom 24. Oktober 1979 VIII R 49/77, BFHE 129, 334 , BStBl II 1980, 186, und vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78 , BStBl II 1997, 509).

32  Der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 , § 5 EStG liegt eine Bewertung von Bilanzpositionen unter Bildung stiller Reserven zu Grunde. Die in den Vermögensvergleich einzubeziehenden Wirtschaftsgüter werden letztmalig im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe in der Schlussbilanz erfasst. Soweit in den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Wirtschaftsgütern stille Reserven enthalten sind, erhöhen diese den Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn. Aktive Wirtschaftsgüter gelten, soweit sie nicht veräußert werden, als in das Privatvermögen überführt. Ein Betriebsvermögensvergleich im Sinne einer Gegenüberstellung des Aktiv- und des Passivvermögens ist deshalb ab dem Zeitpunkt einer Betriebsveräußerung oder einer Betriebsaufgabe nicht mehr möglich. Auch sind bei einem Betriebsvermögensvergleich die Bewertungsvorschriften des EStG anzuwenden. Der danach ggf. anzusetzende Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG beruht aber z.B. auf der Annahme, dass der Betrieb unverändert fortgeführt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1999 XI S 14/98 , BFH/NV 1999, 926 ). Dieser Würdigung steht auch die Rechtsprechung nicht entgegen, wonach die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform nach § 4 Abs. 1 EStG immer dann einschlägig ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 57/07 , BFHE 224, 513 , BStBl II 2009, 659). Denn dabei wird vorausgesetzt, dass ein Betriebsvermögensvergleich noch durchgeführt werden kann. Dies ist vorliegend aber für das Streitjahr zu verneinen.

33  Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass die nach der Betriebsaufgabe noch fortbestehenden Verbindlichkeiten dem negativen Betriebsvermögen der Klägerin zuzuordnen sind, ein Argument für die Notwendigkeit der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich abgeleitet werden. Denn Änderungen im Bestand der Verbindlichkeit sind, soweit sie auf Tilgungsleistungen beruhen, steuerlich irrelevant. Soweit sie durch den Erlass der Verbindlichkeit bedingt sind, haben sie nur (rückwirkend) Einfluss auf die Höhe des Aufgabegewinns. Die Erfassung der für die fortbestehenden Verbindlichkeiten aufgewandten Schuldzinsen erfordert deshalb keinen „partiellen” Bestandsvergleich.

34  Kommt eine Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich nicht in Betracht, ist der Gewinn zwingend entsprechend den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung aus, weil die Vorschrift voraussetzt, dass eine Buchführungspflicht nicht besteht und der Steuerpflichtige auch nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse macht. Der Grundgedanke der Vorschrift muss aber auch dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um betriebliche Einkünfte handelt, diese aber nicht nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs ermittelt werden dürfen und es demgemäß unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige etwa freiwillig Bücher führt (BFH-Urteil in BFHE 125, 42 , BStBl II 1978, 430). Soweit der erkennende Senat in der Entscheidung in BFHE 183, 78 BStBl II 1997, 509 für die Ermittlung nachträglicher gewerblicher Einkünfte lediglich ein Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erwogen hat, hält er daran nicht mehr fest.

35  bb) Es ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO in Anlehnung an die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA gemäß §§ 162 , 181 AO die laufenden Einkünfte mit 0 DM festgestellt hat. Die nachträglichen Einkünfte der Klägerin sind wie dargelegt unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln. Die Klägerin hat den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben weder dem FA noch dem FG nachgewiesen. Sollte der Klägerin ein entsprechender Nachweis im 2. Rechtsgang nicht gelingen, hätte der Senat keinen Anlass, das gefundene Schätzungsergebnis in Frage zu stellen.

Zurückbehaltung von Forderungen im Rahmen einer Praxiseinbringung

Zurückbehaltung von Forderungen im Rahmen einer Praxiseinbringung i.S. des § 24 UmwStG

Der BFH hatte zu entscheiden, ob ein Steuerberater, der seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt, Forderungen, die er anlässlich einer Praxiseinbringung nach § 24 UmwStG zurückbehält und die nach der Einbringung noch zu seinem Restbetriebsvermögen gehören, als Übergangsgewinn zu erfassen hat oder ob eine Versteuerung der Einnahmen erst bei Zufluss erfolgt (Az. VIII R 41/09).

Leitsatz

1. Honorarforderungen eines Steuerberaters können als unwesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Einbringung nach § 24 UmwStG zurückbehalten werden.

2. Entnimmt der Steuerpflichtige die zurückbehaltenen Forderungen nicht ausdrücklich in sein Privatvermögen, verbleiben sie in seinem Restbetriebsvermögen.

3. Die zur Ermittlung des Einbringungsgewinns erforderliche Übergangsgewinnermittlung erstreckt sich nur auf tatsächlich eingebrachte Wirtschaftsgüter.

4. Ermittelte der Steuerpflichtige vor der Einbringung seiner Praxis den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG , so sind die zurückbehaltenen Forderungen als nachträgliche Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG im Zuflusszeitpunkt zu erfassen.

Gesetze

GG Art. 3
EStG §§
4
,
16
,
18, 24, 34
UmwStG § 24
AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Instanzenzug

FG Münster vom 23. Juni 2009 1 K 4263/06 F BFH VIII R 41/09

Gründe

I.

1  Streitig ist, ob die bei der Einbringung einer freiberuflichen Einzelpraxis in eine Sozietät zurückbehaltenen Honorarforderungen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfolgswirksam schon im Zeitpunkt der Einbringung oder erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses zu erfassen sind.

2  Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Steuerberater. Er führte zunächst eine Einzelpraxis, deren Gewinn er nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte.

3  Im Jahr 1996 vereinbarte er mit weiteren Steuerberatern die Gründung einer Sozietät in Form einer GbR. Der Kläger verpflichtete sich zum 2. Januar 1997 seine bisherige Praxis unter Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven in die Sozietät einzubringen. Forderungen und Verbindlichkeiten, die bis zum 2. Januar 1997 entstanden waren, waren nach dem Sozietätsvertrag von der Einbringungsverpflichtung des Klägers ausgenommen.

4  Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) schätzte den Gewinn des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit im Streitjahr 1997 auf 300.000 DM. Der entsprechende Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 1997 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

5  Nach einer Außenprüfung bei dem Kläger kam der Außenprüfer zu dem Ergebnis, dass der Gewinn des Klägers für 1997 3.663.650 DM inklusive eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 1.373.398 DM betrage. In dem Gesamtbetrag hatte der Außenprüfer Zahlungseingänge auf die vor dem 2. Januar 1997 bestehenden Forderungen des Klägers in den Jahren 1997 bis 1999 ebenso gewinnerhöhend berücksichtigt wie die am 31. Dezember 1999 noch ausstehenden Forderungsbeträge.

6  Das FA übernahm den von der Außenprüfung ermittelten Gewinn und änderte den Feststellungsbescheid des Klägers für 1997 entsprechend gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) . Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Der vom Kläger gegen diesen Änderungsbescheid eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

7  Die dagegen gerichtete Klage war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) änderte den Gewinn des Klägers für 1997 aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1915 veröffentlichten Gründen auf 2.679.905 DM.

8  Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9  Nach Auffassung des FA kommt es im Fall der Einbringung für die Ermittlung des Überleitungsgewinns nicht darauf an, ob der Einbringende seine Forderungen miteinzubringen hat, diese im Restbetriebsvermögen belässt oder sie ins Privatvermögen übernimmt. Der Gewinn aus diesen Forderungen realisiere sich in allen Fallgestaltungen spätestens im Zeitpunkt der Einbringung. Alle bisherigen betrieblichen Vermögenswerte seien in der Übergangsbilanz zu erfassen. Anderenfalls könne hierdurch die Entstehung eines Übergangsgewinns vermieden werden. Ließe man die Erfassung der Forderungseingänge zeitlich unbegrenzt zu, verstoße dies gegen den Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit.

10  Das FA beantragt,

das Urteil des FG Münster vom 23. Juni 2009 1 K 4263/06 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11  Der Kläger beantragt,

die Revision des FA zurückzuweisen.

12  Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 VIII R 41/09 (BFH/NV 2012, 1648 ) hat der Senat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Das BMF ist dem Verfahren beigetreten und hat schriftlich sowie in der mündlichen Verhandlung zu den aufgeworfenen Fragen Stellung genommen. Es unterstützt und vertieft die Auffassung des FA.

II.

13  Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— ). Zu Recht hat das FG die vom Kläger zurückbehaltenen Forderungen nur insoweit gewinnerhöhend erfasst, als er diese im Streitjahr tatsächlich eingezogen hat.

14  Der Kläger war nicht verpflichtet, seine zurückbehaltenen Honorarforderungen im Zuge der Einbringung seiner Einzelpraxis in die Sozietät als Ertrag in seiner Gewinnermittlung zu erfassen.

15  a) Die Voraussetzungen einer Einbringung i.S. des § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) und damit einer möglichen Begünstigung des Einbringungsgewinns nach §§ 16 , 34 EStG lagen im Streitfall trotz Zurückbehaltung der Honorarforderungen vor.

16  aa) § 24 UmwStG setzt voraus, dass ein Betrieb oder Teilbetrieb in eine Personengesellschaft eingebracht und der Einbringende Mitunternehmer dieser Gesellschaft wird. Ein Betrieb ist dann i.S. des § 24 UmwStG eingebracht, wenn seine wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Personengesellschaft übergehen (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 29. November 1988 VIII R 316/82 , BFHE 156, 408 , BStBl II 1989, 602, unter 6.). Werden einzelne nicht wesentliche Wirtschaftsgüter des Betriebs zurückbehalten und auch nicht Sonderbetriebsvermögen bei der übernehmenden Personengesellschaft, so ist dies unschädlich für die Anwendung von § 24 UmwStG (Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz 245). Ob eine Betriebsgrundlage wesentlich ist, beurteilt sich im Rahmen des § 24 UmwStG nach der funktionalen Betrachtungsweise (BFH-Urteil vom 25. November 2009 I R 72/08 , BFHE 227, 445 , BStBl II 2010, 471, unter II.3.a bb aaa). Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gehören unabhängig vom Umfang nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 X R 39/04 , BFHE 219, 144 , BStBl II 2008, 220, unter II.4.c). Bei der Einbringung einer freiberuflichen Praxis sind der Mandantenstamm, der Praxiswert und unter Umständen die Praxiseinrichtung wesentlich, nicht jedoch bereits vorhandene Forderungen (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 13/01 , BFHE 196, 546 , BStBl II 2002, 287; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Mai 1994 I R 109/93 , BFHE 175, 249 , BStBl II 1994, 92).

17  bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall um eine Einbringung einer ganzen Praxis. Sowohl der Mandantenstamm, der Praxiswert als auch die Einrichtungsgegenstände wurden in die GbR eingebracht. Die zurückbehaltenen Forderungen sind unabhängig von ihrer Höhe nicht funktional wesentlich und stehen damit den Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 UmwStG nicht entgegen.

18  cc) Um die Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 UmwStG i.V.m. §§ 16 , 34 EStG in Gestalt des begünstigten Veräußerungsgewinns auszulösen, ist weiter erforderlich, dass die Praxis zum Teilwert eingebracht wird. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger verpflichtet, eine Einbringungsbilanz aufzustellen und seine Praxis mit den gemeinen Werten einzubringen.

19  b) Die zurückbehaltenen Forderungen gehörten nach der Einbringung weiterhin zu einem Betriebsvermögen, nämlich zum Restbetriebsvermögen des Klägers. Anders als das FA und das beigetretene BMF meinen, ist ein Betriebsvermögen ohne aktiven Betrieb möglich. Denn der einkommensteuerrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs umfasst auch die auf Abwicklung eines Unternehmens gerichtete Tätigkeit (BFH-Urteile vom 9. November 1999 II R 45/97 , BFH/NV 2000, 686 ; vom 24. April 1980 IV R 68/77, BFHE 131, 70 , BStBl II 1980 , 658 ). Auch bei der Betriebsveräußerung i.S. des § 16 EStG können nicht mitveräußerte unwesentliche Wirtschaftsgüter im Restbetriebsvermögen verbleiben (BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 686 ; vom 1. August 2007 XI R 47/06, BFHE 218, 509 , BStBl II 2008, 106). Nichts anderes gilt für die Abwicklung von zurückbehaltenen Forderungen bei einer Einbringung einer freiberuflichen Einzelpraxis in eine freiberufliche Sozietät. Die Vorschrift des § 24 EStG setzt voraus, dass auch nach Beendigung der aktiven freiberuflichen Tätigkeit freiberufliche Einkünfte entstehen können.

20  Die Anerkennung eines Restbetriebsvermögens verbunden mit der Erfassung der Erträge zum Zeitpunkt des Zuflusses verhindert zudem Streitigkeiten im Hinblick auf die Bewertung der Forderungen zum fiktiven Entnahmezeitpunkt. Diesem Wert käme im Falle einer Zwangsentnahme entscheidende Bedeutung zu. Denn dann wären sämtliche späteren Vorgänge, wie tatsächlicher Einnahmenausfall, vom angesetzten Entnahmebetrag abweichende Mehr- oder Mindereinnahmen, in Zusammenhang mit den zwangsweise entnommenen Forderungen dem nichtsteuerbaren Privatbereich zuzuordnen. Ob in diesen Fällen eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich wäre, erscheint zumindest bei unbestrittenen Forderungen zweifelhaft (BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92 , BFHE 174, 140 , BStBl II 1994, 564, unter 4.d).

21  c) Die vom Kläger zurückbehaltenen Honorarforderungen waren auch nicht als (Zwangs-)Entnahme mit dem Teilwert in der Gewinnermittlung zu erfassen.

22  aa) Entgegen der Auffassung des BMF gehen anlässlich einer Einbringung i.S. des § 24 UmwStG zurückbehaltene Forderungen nicht zwangsläufig in das Privatvermögen des Einbringenden über (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 32/06 , BFH/NV 2008, 385 ). Erklärt der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich eine Übernahme der zurückbehaltenen betrieblich begründeten Forderungen ins Privatvermögen, kann er diese auch ohne Betrieb als Restbetriebsvermögen behandeln und schrittweise einziehen (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 385 ; in BFH/NV 2000, 686 ). Dauert aber die freiberufliche Einkünfteerzielung —wenn auch nicht mehr aus werbender Tätigkeit— an, besteht kein Zwang, Forderungen dem Privatvermögen zuzuordnen (BFH-Urteil vom 25. Februar 1975 VIII R 84/69 , BFHE 115, 429 , BStBl II 1975, 571). Nach zutreffender Auffassung des FG muss der Einbringende seine Forderungen dabei nicht in einem bestimmten Abwicklungszeitraum einziehen (offengelassen im BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 385 ). Die Erfassung als Betriebseinnahme ist wegen der betrieblichen Verstrickung im Restbetriebsvermögen sichergestellt. Denn im Zeitpunkt des Zuflusses der Honorareinnahmen hat der Einbringende nachträgliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit vor der Einbringung (§ 24 Nr. 2 EStG ; BFH-Urteil vom 25. März 1976 IV R 174/73 , BFHE 118, 572 , BStBl II 1976, 487). Zudem besteht insbesondere bei Forderungen nicht die Gefahr von „ewigem” Betriebsvermögen. Entweder der Steuerpflichtige macht seine Forderungen gerichtlich geltend und setzt damit den Einziehungsprozess in Gang oder nach zwei —jetzt nach drei— Jahren tritt regelmäßig Verjährung von Honorarforderungen ein (§ 196 Abs. 1 Nr. 15, § 198 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB — a.F., heute § 195 BGB ; vgl. Oberlandesgericht —OLG— Köln, Urteil vom 22. Januar 2004 8 U 67/03, OLG-Report Hamm Düsseldorf Köln 2005, 32 zur Verjährung im Jahr 1999). Dies führt in der Regel zu einer Entwertung der Forderungen. Aufgrund dessen besteht für die Fiktion einer Entnahme ins Privatvermögen im Zeitpunkt der Einbringung keine Notwendigkeit (so aber BMF-Schreiben zur Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 11. November 2011 IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl I 2011, 1314).

23  Der vom FA vertretene automatische Übergang der Forderungen ins Privatvermögen kann auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des im Streitjahr geltenden Satzes 4 (heute Satz 7) des § 16 Abs. 3 EStG begründet werden. Gemäß dieser Vorschrift sind die im Zuge einer Betriebsaufgabe nicht veräußerten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe des Gewerbebetriebs anzusetzen. Allerdings setzt bereits die direkte Anwendung dieser Norm voraus, dass die Wirtschaftsgüter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ins Privatvermögen überführt worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 686 ).

24  bb) Im Streitfall verblieben die Honorarforderungen des Klägers in dessen Restbetriebsvermögen. Denn der Kläger hat sie nach den Feststellungen des FG nicht durch eine Entnahme ins Privatvermögen überführt.

25  d) Die Honorarforderungen des Klägers waren auch nicht im Rahmen der Übergangsgewinnermittlung anlässlich der Einbringung zu erfassen.

26  aa) Das FA geht zwar zu Recht davon aus, dass der Kläger anlässlich der Einbringung seiner Praxis in die Sozietät von der bisherigen Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich i.S. des § 4 Abs. 1 EStG übergehen musste. Denn die Aufdeckung aller stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Ermittlung eines Einbringungsgewinns auf der Grundlage einer Einbringungsbilanz und einer Eröffnungsbilanz der Gesellschaft sind Voraussetzung für die Begünstigungen der §§ 16 , 34 EStG (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465 , BStBl II 2000, 123, unter C.I.1.; BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 385 ; vom 5. April 1984 IV R 88/80, BFHE 141, 27 , BStBl II 1984, 518).

27  bb) Allerdings musste der Kläger die zurückbehaltenen Honorarforderungen nicht in die Einbringungsbilanz der Sozietät einstellen. § 24 Abs. 1 UmwStG bezieht sich auf das „eingebrachte Betriebsvermögen”. Infolge dessen sind in der Übergangsgewinnermittlung nur die tatsächlich eingebrachten Wirtschaftsgüter zu erfassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 27 , BStBl II 1984, 518). Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Begünstigungen der §§ 16, 18 Abs. 3 und 34 EStG. Denn ein Einbringungsgewinn soll nur dann steuerbegünstigt sein, wenn sämtliche stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen —aber eben auch nur dieser— aufgedeckt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 465 , BStBl II 2000, 123, unter C.V.1.c). Daher findet in Bezug auf die zurückbehaltenen Forderungen kein Wechsel der Gewinnermittlungsart statt (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 385 ; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 196, 546 , BStBl II 2002, 287; Korn, Finanz-Rundschau —FR— 2005, 1236, unter IV.). Dies ist auch nicht erforderlich, weil die Forderungen durch die Zugehörigkeit zu einem Restbetriebsvermögen weiterhin betrieblich verstrickt bleiben und eine Erfassung der Zahlungseingänge als nachträgliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG sichergestellt ist.

28  cc) Dadurch wird —entgegen der Auffassung des FA— auch nicht der aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit verletzt. Diesem ist bereits dann genügt, wenn der aufgrund einer Überschussrechnung und der aufgrund eines Bestandsvergleichs ermittelte Totalgewinn, der jeweils alle Geschäftsvorfälle erfasst, identisch sind (BFH-Urteil vom 10. Juni 2008 VIII R 101/04 , BFH/NV 2008, 1824 ; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 4 Rz D 10 sowie D 203). Dabei sind auch Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen, die sich nach Beendigung, Veräußerung oder Einbringung eines Betriebes ereignen. Insofern muss die Gesamtgewinngleichheit im Streitfall erst mit dem letzten Geldeingang beim Kläger erreicht sein. Aufgrund dessen ist auch kein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Einbringung und der zu erwartenden Einziehung der Forderungen erforderlich. Soweit der XI. Senat des BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2008, 385 den Grundsatz der Totalgewinnidentität nur dann als gewahrt angesehen haben sollte, wenn die zurückbehaltenen Forderungen in einem überschaubaren Zeitraum nach der Einbringung der Praxis eingezogen werden, könnte ihm der erkennende Senat nicht folgen. Für eine derartige Einschränkung des zu betrachtenden Gesamtgewinnzeitraums bestehen keine Rechtfertigungsgründe. Insofern kommt es im Streitfall nicht darauf an, wann der Kläger seine Honorarforderungen eingezogen hat. Darin liegt schon deshalb keine Abweichung gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FGO, weil der XI. Senat für Rechtsfragen der hier zu entscheidenden Art nicht mehr zuständig ist.

29  dd) Der Einwand des FA, dass im Falle einer Gewerbesteuerpflicht des eingebrachten Betriebes der Grundsatz der Totalgewinnidentität deswegen verletzt sei, weil die nachträglichen Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 EStG nicht gewerbesteuerpflichtig seien, verfängt nicht. Denn der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit verlangt nur die Identität des nach verschiedenen Methoden ermittelten Gewinns als Bemessungsgrundlage für Ertragsteuern, jedoch nicht eine Gleichheit der gesamten steuerlichen Belastung (Weber-Grellet, a.a.O., § 4 Rz D 10; Drüen, FR 1999, 1097, 1105).

30  e) Der Kläger hatte die Zahlungen, die auf seine zurückbehaltenen Honorarforderungen geleistet werden, erst mit dem tatsächlichen Zufluss i.S. des § 11 EStG als nachträgliche Betriebseinnahmen zu erfassen. Denn er hat die Höhe der nachträglichen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach den Grundsätzen der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Der Kläger hat nach den Feststellungen des FG für das Streitjahr keine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durchgeführt und auch keine einer Buchführung entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Bei dieser Sachlage ist für einen Steuerpflichtigen nur die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zulässig (BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95 , BFHE 183, 78 , BStBl II 1997, 509). Der Senat kann daher offenlassen, ob dem Kläger zur Ermittlung des Gewinns des Restbetriebsvermögens anderenfalls ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart zugestanden hätte (Schießl, FR 2007, 136) oder ob dies nur nach § 4 Abs. 3 EStG möglich gewesen wäre (BFH-Urteil vom 22. Februar 1978 I R 137/74 , BFHE 125, 42 , BStBl II 1978, 430).

Kein Übergang von der Einnahmenüberschussrechnung zum Bestandsvergleich

Kein Übergang von der Einnahmenüberschussrechnung zum Bestandsvergleich

Bei der Realteilung einer Mitunternehmerschaft, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, bedarf es im Falle der Fortführung der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter in Einzelunternehmen der Realteiler und Aufrechterhaltung der Einnahmenüberschussrechnung grundsätzlich keines Übergangs zum Bestandsvergleich.(FG Rheinland-Pfalz 2.5.12, 1 K 1146/10, BFH III R 32/12

BFH  – III R 32/12

Anhängige und erledigte Verfahren

Bestandsvergleich; Buchwert; Einnahmenüberschussrechnung; Realteilung; Übergangsgewinn

Rechtsfrage

Muss die Freiberuflersozietät, welche ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, im Falle der Realteilung zu Buchwerten zum Bestandsvergleich übergehen?
Gesetze: EStG § 4 Abs 1 , EStG § 4 Abs 3 , EStG § 16 Abs 2 S 2

Instanzenzug (anhängig gemeldet seit 21.11.2012):

FG Rheinland-Pfalz 2.5.2012 1 K 1146/10

Zulassung: durch FG

Dieses Verfahren ist anhängig

FG Urteil  Rheinland-Pfalz 2.5.2012 1 K 1146/10

1.     des Herrn,In dem Finanzrechtsstreit

2.     des Herrn

– Kläger –

prozessbevollmächtigt:

gegen

– Beklagter –

wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Einkünften 2002; AO/FGO-Sachen

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz – 1. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. Mai 2012 durch

die Vizepräsidentin des Finanzgerichts
den Richter am Finanzgericht
den Richter am Finanzgericht
die ehrenamtliche Richterin
den ehrenamtlichen Richter

 

für Recht erkannt:

I.          Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2010 wird der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2002 vom 26. März 2008 dahingehend geändert, dass der Ansatz eines Übergangsgewinns unterbleibt.

Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

II.          Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.          Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.          Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Streitig ist, ob im Rahmen der Realteilung einer Mitunternehmerschaft und Buchwertfortführung ein Wechsel der Gewinnermittlungsart vorzunehmen und ein Übergangsgewinn anzusetzen ist.

Die Kläger betrieben im Streitjahr 2002 eine Steuerberatungs- und Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR), die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz -EStG- durch Einnahmen-Überschuss-rechnung ermittelte. Der Kläger zu 2. kündigte den Gesellschaftsvertrag im Juni 2002 zum 31. Dezember 2002 (vgl. Bl. 115 Außenprüfungsakten). Im Jahr 2003 betrieben beide Kläger nach Realteilung der Mitunternehmerschaft ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen unter Fortführung der Buchwerte der jeweils übernommenen Wirtschaftsgüter und Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG weiter.

Unter dem 14. Juli 2003 schlossen die Kläger zur Auseinandersetzung der aufgelösten GbR eine Vereinbarung (vgl. Bl. 116 ff. Außenprüfungsakten). Darin war u.a. bestimmt, dass jeder Kläger die Gegenstände zu Alleineigentum erhalten sollte, die er zur betrieblichen Nutzung in Besitz hatte. Darüber hinaus wurde die Übernahme von Verbindlichkeiten der GbR durch beide Kläger geregelt.

Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 2. Januar 2004, der nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, stellte der Beklagte für die GbR Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 317.319,00 € fest, die er dem Kläger zu 1. in Höhe von 161.782,00 € und dem Kläger zu 2. in Höhe von 155.537,00 € zurechnete.

In den Jahren 2007 und 2008 führte der Beklagte eine Außenprüfung der GbR durch. Hierbei gelangte er zum Ergebnis, dass die Gesellschaft durch Realteilung aufgelöst worden sei; zum Stichtag 31. Dezember 2002 sei der Gewinn nach bilanziellen Grundsätzen zu ermitteln. Die Realteilung sei durch den bei der Mitunternehmerschaft verwirklichten Tatbestand der Betriebsaufgabe gekennzeichnet. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG besage, dass auch die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils als Veräußerung gelte. Bei Beendigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittele, sei deshalb zwangsweise der Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu berechnen. Der Übergangsgewinn sei laufender Gewinn. Im Streitfall sei bei Beendigung der Gesellschaft das vorhandene positive und negative Vermögen aufgeteilt worden. Aufgelder oder ein sog. Spitzenausgleich seien nicht bezahlt worden; ein Aufgabegewinn einerseits bzw. Anschaffungskosten andererseits seien nicht entstanden. Insgesamt sei der laufende Gewinn aus selbständiger Tätigkeit um 283.203,05 € auf 600.523,59 € zu erhöhen.

Entsprechend den Prüfungsfeststellungen änderte der Beklagte unter dem 26. März 2008 nach § 164 Abs. 2 AO den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2002.

Die Kläger legten hiergegen jeweils Einspruch ein. Dabei führte der Kläger zu 1. aus, dass der vom Beklagten vorgenommene Übergang der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht gerechtfertigt sei. Der entscheidende Unterschied zwischen der Betriebsaufgabe und der Realteilung liege darin, dass bei der ersten Alternative die unternehmerische Tätigkeit aufgegeben werde, während die zweite Alternative zu einer Fortsetzung dieser Tätigkeit in einem anderen Umfeld führe, wodurch eine Besteuerung noch nicht vereinnahmter Honorare sichergestellt werde. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. November 2007 (XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385) sei ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittele und sein Einzelunternehmen in eine Personengesellschaft einbringe, zwar grundsätzlich so zu behandeln, als wäre er im Zeitpunkt der Einbringung zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allerdings nicht in Fällen der Buchwertfortführung. Nach einem weiteren Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. September 2001 (IV R 13/01, BStBl II 2002, 287) bedürfe es keines Übergangs zum Bestandsvergleich, wenn die Einbringung zum Buchwert erfolgen solle und für diesen Fall auf die Erstellung einer Einbringungs- und Übergangsbilanz verzichtet werden könne.

Der Kläger zu 2. trug vor, dass er im Rahmen der Realteilung der GbR einen Spitzenausgleich geleistet habe. Es sei ein Ausgleichsanspruch zu Gunsten des Klägers zu 1. lediglich unter Berücksichtigung der direkt mit den Aktiva in Verbindung stehenden Passiva errechnet worden, den er, der Kläger zu 2., durch Zahlungen aus einem Privatvermögen bedient habe. Nach Auflösung der Gesellschaft und noch vor Abschluss der Auseinandersetzungsvereinbarung habe er Zahlungen auf Verbindlichkeiten der GbR geleistet. Im Übrigen habe auch eine Bilanzierung zum 31. Dezember 2002 nicht erfolgen müssen. Nach einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19. April 1984 (VI 408/83, EFG 1984, 598) sei der Übergang zum Bestandsvergleich kein Selbstzweck. Bei der Beendigung von Betrieben solle durch die Bilanzierung die Höhe eines etwaigen Aufgabegewinns ermittelt und sichergestellt werden, dass der laufende Gewinn zutreffend erfasst werde. Diese Funktionen seien im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Ein Aufgabe- bzw. Veräußerungserlös werde nicht festgestellt. Beide Kläger ermittelten in ihren Einzelpraxen nach der Realteilung wieder die Gewinne nach § 4 Abs. 3 EStG, wodurch alle Einnahmen mit ihrem Zufluss erfasst würden.

Durch Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2010 wies der Beklagte die Einsprüche zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Realteilung der GbR die Betriebsaufgabe bei der Mitunternehmerschaft voraussetze. Die Betriebsaufgabe habe zur Folge, dass, da die GbR bisher ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt habe, zu einer Bilanzierung und Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen sei. Die Realteilung stelle lediglich eine andere Art der Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens dar. Eine Realteilung mit Wertausgleich sei nicht erfolgt. Dies sei vielmehr nur dann anzunehmen, wenn der ausgleichsverpflichtete Gesellschafter den Spitzenausgleich aus seinem Privatvermögen leiste. Hierbei sei zu beachten, dass im Gegensatz zu Sachwertabfindungen die Mitübernahme von Verbindlichkeiten nicht zu Anschaffungskosten führe. Der Kläger zu 2. habe im Rahmen der Vereinbarung vom Juli 2003 lediglich mehr Verbindlichkeiten übernommen als der Kläger zu 1. Ein Aufgeld sei nicht gezahlt worden; es seien daher weder Anschaffungskosten des Klägers zu 2. noch ein Veräußerungsgewinn des Klägers zu 1. entstanden.

Die Kläger haben hiergegen – der Kläger zu 1. nach § 46 Finanzgerichtsordnung -FGO- bereits vor Erlass der Einspruchsentscheidung – Klagen erhoben, die zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden. Der Kläger zu 1. trägt vor, die GbR sei durch Kündigung zum 31. Dezember 2002 beendet und in Form einer gewinnneutralen Realteilung auseinandergesetzt worden. Eine steuerliche Pflicht, auf Grund dieses Umstands von der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen, habe nicht bestanden. Die Realteilung ohne Wertausgleich führe trotz begrifflicher Betriebsaufgabe zwingend zu einer gewinnneutralen Buchwertfortführung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG, wenn beide Gesellschafter die aufgeteilten Wirtschaftsgüter in ihr Betriebsvermögen überführten und die Besteuerung der stillen Reserven gesichert sei.

Der Kläger zu 2. trägt vor, dass die gemeinsamen Verbindlichkeiten nicht Bestandteil der Berechnungsgrundlage der Auseinandersetzung gewesen seien. Es sei lediglich ein Ausgleichsanspruch zu Gunsten des Klägers zu 1. errechnet worden. Den gesamten Ausgleichsanspruch habe er, der Kläger zu 2., im Ergebnis durch Zahlungen aus seinem Privatvermögen bedient. Ein Übergangsgewinn sei nicht entstanden. Die Ermittlung eines derartigen Gewinns sei nicht notwendig, sondern stelle einen reinen Selbstzweck dar, der wegen der Fortführung der Einzelkanzleien nach § 4 Abs. 3 EStG im Jahr 2003 wieder rückgängig gemacht werden müsste. Auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 13. September 2001 (a.a.O.) ergebe sich im Umkehrschluss, dass es keines Übergangs zum Bestandsvergleich bedürfe.

Der Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2010 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2002 vom 26. März 2008 dahingehend zu ändern, dass der Ansatz eines Übergangsgewinns unterbleibt,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass bei Beendigung einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich eine Bilanz zu erstellen sei. Dies sei vor allem auch für Zwecke der zutreffenden Gewinnermittlung der einzelnen Gesellschafter geboten, da hier alle Forderungen und Verbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, soweit sie die Gesellschaft beträfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Streitjahr 2002 anlässlich der Realteilung der Mitunternehmerschaft der Kläger ein Wechsel der Gewinnermittlungsart vorzunehmen und ein Übergangsgewinn anzusetzen ist.

1. a) Veräußert ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, seinen Betrieb, oder gibt er ihn auf, ist er grundsätzlich so zu behandeln, als wäre er im Augenblick der Veräußerung oder Aufgabe zunächst zur Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 1 EStG übergegangen (vgl. BFH, Urteile vom 10. Juli 1973, VIII R 34/71, BStBl II 1973, 786; vom 13. Oktober 1989, III R 30-31/85, BStBl II 1990, 287). In diesen Fällen ist deshalb wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart in der Regel ein Übergangsgewinn zu ermitteln (vgl. BFH, Urteil vom 14. November 2007, a.a.O., m.w.N.).

b) Besonderheiten bestehen – trotz begrifflicher Betriebsaufgabe – bei der Realteilung einer Mitunternehmerschaft. Unter einer Realteilung ist ertragsteuerlich die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern zu verstehen, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt (vgl. BFH, Beschluss vom 29. April 2004, IV B 124/02, BFH/NV 2004, 1395; vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. Februar 2006, BStBl I 2006, 228). Die Realteilung lässt sich in zwei Gruppen einteilen, nämlich die „reine“ Realteilung und die Realteilung mit Wert- bzw. Spitzenausgleich. Bei der ersten Alternative werden die einzelnen Wirtschaftsgüter oder Teilbetriebe zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt, ohne dass Barzahlungen oder Sachleistungen zum Zwecke des Wertausgleichs erbracht werden. Demgegenüber leistet im Rahmen der Realteilung mit Spitzenausgleich ein Beteiligter, der bei der Aufteilung mehr als der andere erhalten hat, einen Wertausgleich in Geld oder Sachwerten (vgl. Stuhrmann in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, Loseblatt, Stand September 2009,
§ 16 EStG Rdnr. 273). In die Realteilung miteinzubeziehen sind nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Wirtschaftsgüter. Die Übernahme von Schulden der Mitunternehmerschaft stellt deshalb keinen Wertausgleich dar; dies gilt auch dann nicht, wenn deren Höhe nicht dem Anteil des Übernehmers an den Gesellschaftsschulden entspricht. Denn auch die Verbindlichkeiten gehören zu den Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Realteilung frei verteilt werden können (vgl. BFH, Urteil vom 10. Dezember 1991, VIII R 69/86, BStBl II 1992, 385). Beim ausgleichsberechtigten Realteiler führt der Spitzenausgleich bei Buchwertfortführung zur Realisierung eines Veräußerungsgewinns im Rahmen der Betriebsaufgabe der Gesellschaft; beim Ausgleichsverpflichteten entstehen in dieser Höhe Anschaffungskosten (vgl. BFH, Urteil vom 1. Dezember 1992, VIII R 57/90, BStBl II 1994, 607).

c) Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob bei Mitunternehmerschaften, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, im Falle der Realteilung mit Buchwerteinbringung unter Fortsetzung der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich übergegangen werden muss. Das Niedersächsische Finanzgericht hat dies im Urteil vom 19. April 1984 (VI 408/83, EFG 1984, 598) verneint. Es hat ausgeführt, dass auf eine Umstellung anlässlich einer Realteilung zu Buchwerten verzichtet werden könne, wenn die Gesellschafter den Gewinn auch nach der Auseinandersetzung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart sei nicht Selbstzweck, sondern erfülle eine Doppelfunktion. Einerseits diene er der Ermittlung des Veräußerungs- und Aufgabegewinns, andererseits einer zutreffenden Erfassung des laufenden Gesamtgewinns. Bei der Realteilung zu Buchwerten werde indessen keiner der beiden Zwecke vereitelt, da die Ermittlung eines Aufgabegewinns wegen des Verzichts auf die Gewinnrealisierung entbehrlich sei. Die zutreffende Erfassung des Totalgewinns sei dagegen dann gewährleistet, wenn die Gesellschafter auch in ihren Einzelunternehmen den Gewinn durch Überschussrechnung ermittelten und damit eine Erfassung der Einnahmen im Zeitpunkt ihres Zuflusses sichergestellt sei (in diesem Sinne auch Korn in ders., EStG, Kommentar, Loseblatt, Stand Juli 2008, § 4 Rdnr. 588; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, Loseblatt, Stand Januar 1988, § 4 Anm. D 327; Sterzinger, NJW 2011, 3057; vgl. auch Wacker in Schmidt, EStG, Kommentar, 30. Aufl., 2011, § 16 Rdnr. 547).

Die Finanzverwaltung hat bislang – soweit ersichtlich – zu der Frage, ob anlässlich einer Realteilung mit Buchwertfortführung zwingend zum Bestandsvergleich gewechselt werden muss, noch nicht ausdrücklich Stellung genommen. Allerdings hält sie bei der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils gem. § 24 Umwandlungssteuergesetz -UmwStG- einen Übergang für erforderlich. Dieser Übergang zum Bestandsvergleich diene nicht nur der Ermittlung des Veräußerungsgewinns, sondern u.a. auch der zutreffenden Verteilung der laufenden Gewinne auf die Wirtschaftsjahre vor und nach der Einbringung (vgl. OFD Düsseldorf, Verfügung vom 13. September 1993, DB 1993, 2002; OFD Koblenz, Kurzinformation vom 11. August 2003, BB 2003, 2060; vgl. auch Kanzler in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Kommentar, Loseblatt, Stand Juni 2010, vor §§ 4-7 EStG, Anm. 68). Im Anschluss hieran wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auch im umgekehrten Fall der Realteilung einer Mitunternehmerschaft und Buchwertfortführung ein Übergang zum Bestandsvergleich notwendig ist (vgl. Stahl in Korn, a.a.O, Stand Januar 2007, § 16 Rdnr. 322; ders. FR 2006, 1071; vgl. auch Regierer/Meining, DStZ 2006, 474, die einen Übergang zum Bestandsvergleich anlässlich einer Realteilung dann für sinnvoll erachten, wenn die Mitunternehmer einen Spitzenausgleich vereinbaren). Nach dieser Ansicht wird der Übergangsgewinn neutralisiert, wenn nach Durchführung der Realteilung der Realteiler bzw. die Mitunternehmerschaft, bei der er nunmehr Mitunternehmer ist, den Gewinn (wieder) nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt (vgl. auch R 4.6 Einkommensteuerrichtlinien -EStR-). Einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. November 2007 (a.a.O.) zufolge ist ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und sein Einzelunternehmen in eine Personengesellschaft einbringt, grundsätzlich ebenfalls so zu behandeln, als wäre er im Zeitpunkt der Einbringung zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen; dies gilt allerdings nicht in Fällen der Buchwertfortführung. Der Bundesfinanzhof nimmt dabei Bezug auf eine weitere Entscheidung vom 13. September 2001 (a.a.O.). Danach besteht keine Verpflichtung, zum Bestandsvergleich überzugehen, wenn die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft zum Buchwert erfolgt; für diesen Fall kann auf die Erstellung einer Einbringungs- und einer Übergangsbilanz verzichtet werden (vgl. hierzu auch Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 4 Rdnr. 668).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im Streitfall im Rahmen der Realteilung der Mit-unternehmerschaft der Kläger zum 31. Dezember 2002 ein Übergang von der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht erforderlich. Denn die Kläger haben nach der Realteilung ihrer Mitunternehmerschaft, die auf Grund der zum Stand des 31. Dezember 2002 erfolgten Aufteilung der positiven und negativen Wirtschaftsgüter der GbR (vgl. Bl. 120 f. Außenprüfungsakten) – ungeachtet der vom Kläger zu 2. bereits vor Fixierung der Auseinandersetzungsvereinbarung auf einzelne Verbindlichkeiten der GbR geleisteten Zahlungen – ohne Spitzenausgleich vorgenommen worden ist, in ihren im Anschluss gebildeten Einzelpraxen unter Fortführung der Buchwerte der jeweils übernommenen Wirtschaftsgüter (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG) ihre Gewinne aus selbständiger Tätigkeit ebenso wie in der GbR selbst gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Durch die Fortführung der Buchwerte der in die Einzelunternehmen eingebrachten Wirtschaftsgüter und die Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG wird eine zutreffende Erfassung des („Total“-) Gewinns (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 30. März 2006, IV R 25/04, BStBl II 2008, 171) ermöglicht. So ist mit der Buchwertfortführung gewährleistet, dass etwaige stille Reserven, die in den real geteilten und in die Betriebsvermögen der Einzelunternehmen übernommenen Wirtschaftsgütern enthalten sind, bei Wegfall der Betriebsvermögenseigenschaft in zutreffender Höhe der Einkommensbesteuerung unterworfen werden. Ebenso ist etwa auch eine Erfassung der Einnahmen aus der Einziehung von betrieblichen Forderungen, die im Streitfall auf Grund des vom Beklagten angenommenen Übergangs zum Realisationsprinzip des Bestandsvergleichs maßgeblich für die Höhe des festgestellten Übergangsgewinns ursächlich war, im Zeitpunkt des Zuflusses (vgl. § 11 Abs. 1 EStG) sichergestellt. Im Übrigen bleibt die zutreffende Verteilung der laufenden Gewinne auf die Wirtschaftsjahre vor und nach der Realteilung unberührt. Schließlich lässt der Umstand, dass ansonsten bei einer erneuten Rückkehr zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die zuvor bei Umstellung auf den Bestandsvergleich durchgeführten Gewinnkorrekturen wieder rückgängig zu machen und im Ergebnis zu neutralisieren wären, zur Überzeugung des Senats ebenfalls erkennen, dass es bei Buchwertfortführung eines Übergangs von der Einnahmen-Überschuss-rechnung zum Bestandsvergleich und eines (doppelten) Wechsels der Gewinnermittlungsart zur Herstellung der Gewinnneutralität grundsätzlich nicht bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zur Klärung der Frage zuzulassen, ob bei Mitunternehmerschaften, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, im Falle der Realteilung mit Buchwerteinbringung unter Fortsetzung der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich übergegangen werden muss.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Für die Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Einnahmenüberschussrechnung

Standardisierte Einnahmenüberschussrechnung nach § 60 Abs. 4 EStG (Anlage EÜR)

Das BMF hat die Vordrucke für die Anlage EÜR (Einnahmenüberschussrechnung) und die dazugehörige Anleitung für 2012 bekannt gegeben (BMF 12.10.12, IV C 6 – S 2142/11/10001 :003). Der amtlich vorgeschriebene Datensatz, der nach § 60 Abs. 4 S. 1 EStDV durch Datenfernübertragung zu übermitteln ist, wird nach Tz. 3 des Schreibens des BMF-Schreibens (16.11.11, BStBl I 11,1063) zur StDÜV/StDAV im Internet unter www.elster.de bekannt gegeben.

Bei Betriebseinnahmen unter 17.500 EUR im Wirtschaftsjahr wird es nicht beanstandet, wenn der Steuererklärung anstelle des Vordrucks eine formlose Gewinnermittlung beigefügt wird. Insoweit wird auch auf die elektronische Übermittlung der Einnahmenüberschussrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichtet. Die Verpflichtungen, den Gewinn nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften zu ermitteln sowie die sonstigen gesetzlichen Aufzeichnungspflichten zu erfüllen, bleiben davon unberührt.

Übersteigen die im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ohne die Berücksichtigung der Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens,den Betrag von 2.050 EUR, sind bei Einzelunternehmen die in der Anlage SZE (Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen) enthaltenen Angaben an die Finanzverwaltung zu übermitteln.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gebe ich die Vordrucke der Anlage EÜR und die dazugehörige Anleitung für das Jahr 2012 bekannt.

Der amtlich vorgeschriebene Datensatz, der nach § 60 Absatz 4 Satz 1 EStDV durch Daten-fernübertragung zu übermitteln ist, wird nach Tz. 3 des BMF-Schreibens zur StDÜV/StDAV vom 16. November 2011 (BStBl I S. 1063) im Internet unter www.elster.de bekannt gegeben. […]“

BMF-Schreiben vom 12. Oktober 2012 (PDF, 28,8 KB)
Anleitung zum Vordruck “Einnahmenüberschussrechnung – Anlage EÜR” (PDF, 270,3 KB)
Anlage EÜR – Einnahmenüberschussrechnung (PDF, 121,8 KB)
Anlage AVEÜR 2012 – Anlageverzeichnis/Ausweis des Umlaufvermögens zur Anlage EÜR (PDF, 69,2 KB)
Anlage SZE – Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen zur Anlage EÜR (PDF, 65,4 KB)

12.11.2012 | Bundesfinanzministerium

Weiterer Zuwachs bei der Riester-Rente

Die Zahl der Riester-Verträge ist in 2012 um 370.000 gestiegen – Gesamtzahl nun bei 15,7 Millionen.

Im vierten Quartal 2012 stieg die Zahl der Riester-Verträge um 106.000. Die Gesamtzahl der Verträge hat sich damit zum Ende des Jahres 2012 auf rund 15,7 Millionen erhöht. Der Zuwachs im gesamten Jahr 2012 betrug 370.000.

Statistik Riester-Rente Verträge

(-> Riester Rechner)

Den stärksten Zugang im vergangenen Jahr verzeichnete einmal mehr das Wohn-Riestern mit 229.000 zusätzlichen Verträgen, was gut 60 Prozent aller Neuabschlüsse entspricht. Es folgen die förderfähigen Versicherungen mit einem Zuwachs von 74.000, die Fondssparpläne mit einem Plus von 36.000 und die Banksparpläne mit 31.000 neuen Abschlüssen.

Informationen und Beratung rund um die zusätzliche Altersvorsorge gibt es bei den Banken, Sparkassen, Versicherungen, Investmentgesellschaften und Bausparkassen oder im Internet unter:

Hinweis: 
Bei den Versicherungsverträgen sind die Vertragsabgänge (wie seit Anfang 2009 üblich) bereits berücksichtigt; die Zahlen stellen also bereits den Nettozuwachs dar. Der Anteil der ruhend gestellten Riester-Verträge (aktuell keine Beitragsleistungen in der Ansparphase) wird für das Jahr 2011 auf rund 19,5 Prozent geschätzt.

In den Jahren 2010 und 2011 wurden die Zahlen für Wohn-Riester/ Eigenheimrente teilweise redigiert.

VersicherungsverträgeBanksparverträgeInvestmentfondsverträgeWohn-Riester/ Eigenheimrente2001200220032004200520062007200820092010201120120 Mio2.5 Mio5 Mio7.5 Mio10 Mio12.5 Mio15 Mio17.5 MioQuelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
StandEnde/
Produkte
Versicherungsverträge Banksparverträge Investmentfondsverträge Wohn-Riester/
Eigenheimrente
2001 1.400000 0 0  0
2002 3.047000 0.149500 0.174000  0
2003 3.486000 0.197440 0.241000  0
2004 3.660500 0.213000 0.316000  0
2005 4.796900 0.260000 0.574000  0
2006 6.468000 0.351000 1.231000  0
2007 8.355000 0.480000 1.922000  0
2008 9.185000 0.554000 2.386000 0.22000
2009 9.794000 0.633000 2.629000 0.197000
2010 10.380000 0.703000 2.815000 0.460000
2011 10.882000 0.750000 2.953000 0.724000
2012 10.956000 0.781000 2.989000 0.953000