Schlagwort-Archive: EDV-Berater

Ertragsteuerliche Behandlung der Tätigkeit der EDV-Berater

Ertragsteuerliche Behandlung der Tätigkeit der EDV-Berater

Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 17/2005

Bezug: OFD Koblenz vom 20.02.2004 – S 2246 A

Die Beurteilung der Tätigkeit eines EDV-Beraters als freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ist häufig umstritten.

Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 07.12.1989, BStBl 1990 II S. 337 ; 07.11.1991, BStBl 1993 II S. 324 ) war für die Beurteilung, ob ein EDV-Berater, gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte erzielte, maßgebend, ob dieser System- oder Anwendersoftware entwickelte. Diese Rechtsprechung ist zu Veranlagungszeiträumen der 70er und 80er Jahre ergangen.

Mit Urteil vom 04.05.2004, BStBl 2004 II S. 989 weicht der BFH für die Zeiträume ab 1990 nunmehr von seiner bisherigen Rechtsprechung ab.

In seinem Urteil führt der BFH aus, dass das typische Berufsbild der Diplom-Informatiker, welches ursprünglich stark theoretisch ausgerichtet war, bereits in dem dem Urteil zu Grunde liegenden Streitjahr 1991 seinen Schwerpunkt von der Systemsoftwareentwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung (angewandte/praktische Informatik) verlagert hat, da die grundlegenden Probleme der Informatik bereits in den 70er und 80er Jahren gelöst worden seien. Dieser Entwicklung trage zunehmend auch die Einrichtung entsprechender Lehrstühle im Bereich Softwaretechnologie, -engineering und -technik Rechnung.

Ein selbständiger Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung nach Breite und Tiefe derjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs vergleichbar ist, übt somit seit Anfang der 90er Jahre – unter Beachtung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (z. B. leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit) – eine dem Ingenieurberuf vergleichbare Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, und zwar auch dann, wenn er vorwiegend Anwendersoftware entwickelt.

Bei Autodidakten muss – wie bisher – verlangt werden, dass die Tätigkeit in den wesentlichen Elementen dem Beruf des Ingenieurs in Theorie (Ausbildung, Kenntnisse, Qualifikation) und Praxis (berufliche Tätigkeit) gleichwertig ist. Sofern der Vergleich anhand praktischer Arbeiten geführt wird, müssen diese einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen. Des Weiteren ist nachzuweisen, dass diese qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2002, BStBl 2002 II S. 475 ).

In seinem Urteil vom 04.05.2004 (a. a. O.) betont der BFH aber auch, dass nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt.  Insbesondere ist für die Qualifizierung als freiberufliche Tätigkeit Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software (keine Trivialsoftware) durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Ingenieur auf Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke plant, konstruiert und ihre Fertigung überwacht.

Die selbständige Tätigkeit der EDV-Beratung in Form von Anwenderbetreuung ist weiterhin als gewerbliche Tätigkeit einzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 24.08.1995, BStBl 1995 II S. 888 ), da die typische Beratungstätigkeit i. d. R. nicht die Entwicklung von Anwender- oder Systemsoftware und damit keine klassische ingenieurmäßige Entwicklungstätigkeit umfasst.

Rechtsbehelfsverfahren, die unter Verweis auf das BFH-Verfahren XI R 9/03 gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhend gestellt worden sind, bittet die OFD wieder aufzunehmen und unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden.

Die Bezugsverfügung ist hiermit überholt.

 

Beurteilung der Tätigkeit eines EDV-Beraters (Softwareentwicklung)

Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 02/2005; OFD Münster vom 23.04.2004 (Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 17/2004)

Mit der o.a. Kurzinformation wurde auf das Revisionsverfahren XI R 9/03 zur Frage hingewiesen, ob ein EDV-Berater, der überwiegend Anwendersoftware entwickelt, freiberufliche oder gewerblicher Einkünfte erzielt.

Die Revision des Finanzamtes ist zwischenzeitlich durch Urteil des BFH vom 04.05.2004 – XI R 9/03  – als unbegründet zurückgewiesen worden.

Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung, nach der die Entwicklung von Anwendersoftware stets zu gewerblichen Einkünften führt, aufgegeben, da sie nach seiner Auffassung durch die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse überholt ist. Der BFH stützt seine Entscheidung auf die Feststellungen des FG, nach denen die grundlegenden Probleme der Informatik bereits in den 70er und 80er Jahren gelöst worden seien. Hierdurch habe sich eine Verlagerung von der Systemsoftware-Entwicklung zur Anwendersoftware-Entwicklung ergeben. Dieser Bereich bilde nunmehr einen Schwerpunkt im Rahmen der Ausbildung und der Tätigkeit von Diplom-Informatikern.

Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass auch künftig nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware als ingenieurähnliche Tätigkeit und damit als Ausübung eines freien Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG beurteilt werden kann. Nur die Entwicklung qualifizierter Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) könne zu Einkünften i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Darüber hinaus müsse der EDV-Berater stets eine Ausbildung nachweisen, die der eines Ingenieurs vergleichbar sei (z.B. Diplom-Informatiker).

Das Urteil ist zwischenzeitlich im BStBl 2004 II S. 989 veröffentlicht worden. H 136 (Abgrenzung selbständige Arbeit/Gewerbebetrieb) EStH 2003 ist insoweit überholt.

Die Bearbeitung ruhender Verfahren ist wieder aufzunehmen.

Die o.g. Kurzinformation ist durch diese Information überholt.

-> siehe auch http://www.steuerschroeder.de/freiberufler.htm

Ingenieurähnliche Tätigkeit EDV-Beraters

Ingenieurähnliche Tätigkeit eines Autodidakten im EDV-Bereich

Leitsatz

Ein selbständiger EDV-Berater ohne Hochschulabschluss, der im Bereich der Systemtechnik bzw. der Entwicklung komplexer Anwendersoftware tätig ist, übt auch dann eine ingenieurähnliche und damit freiberufliche Tätigkeit aus, wenn er nicht über ein ingenieurähnliches Grundlagenwissen verfügt.

Gesetze

EStG § 15
EStG § 18

Instanzenzug

BFH 22.08.2006 – XI R 29/06

BFH 18.04.2007 XI R 29/06

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist aufgehoben

Tatbestand

Es ist streitig, ob der Kläger im Sinne von § 18 EStG selbständig tätig ist oder ob er einen Gewerbebetrieb unterhält.

Der Kläger ist seit 1998 selbständiger EDV-Berater.

Nach der Mittleren Reife in 1967 und dem anschließenden Besuch einer kaufmännischen Privatschule bildete sich der Kläger seit 1972 kontinuierlich auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung fort. Die Kenntnisse für seine verschiedenen Positionen im EDV-Bereich bis hin zu den Tätigkeitsschwerpunkten im Bereich Datenbankadministration, Datenbankdesign, Systemprogrammierung, Projektleitung, Rechenzentrum-Untersuchung, Anwendungsdesign und Anwendungsentwicklung erwarb sich der Kläger neben dem Selbststudium durch die Teilnahme an diversen Seminaren der Firmen A, B und C GmbH.

Nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit in 1997 war der Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 im Auftrag der D GmbH und der A Hamburg/E GmbH mit der Planung, Konstruktion und Überwachung von IT-Projekten bei Banken, Versicherungen, Handelsbetrieben und der Öffentlichen Verwaltung befasst. Diese Tätigkeiten umfassten die Installation verschiedenartiger SAP-Systeme, die Korrekturen von SAP-Systemen, die Einweisung und Beratung von Systemprogrammierern/Systemtechnikmitarbeitern in die DB2 -Datenbankadministration, die Einrichtung und Verwaltung von allgemeinen DB2 -Systemen, den Releasewechsel/Upgrade von DB2 -Systemen, die Performance-Analyse und das Tuning von DB2 -Systemen, die Unterstützung der Anwendungsentwicklung bei der Durchführung von Optimierungsmaßnahmen, die Erstellung standardisierter Sicherungs- und Wiederherstellungsverfahren und die Anpassung von DB2 -Systemparametern/DB2 -Systemdateien an die aktuellen Erfordernisse.

Der Beklagte erließ gegen den Kläger unter dem 11.11.1999 und 30.01.2001 für die Streitjahre Gewerbesteuermessbetragsbescheide. Auf die hiergegen erhobenen Einsprüche vom 07.12.1999 und 31.01.2001, mit denen der Kläger geltend machte, eine ingenieurähnliche und also freiberufliche Tätigkeit auszuüben, entschied der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 02.05.2002. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht mit der eines Ingenieurs bzw. Diplom-Informatikers vergleichbar. Der Kläger habe weder nachgewiesen, über Kenntnisse in der Breite und Tiefe eines Diplom-Informatikers zu verfügen, noch dass er ausschließlich im Bereich der Entwicklung von Systemsoftware tätig gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die am 30.05.2002 erhobene Klage. Er, der Kläger, sei nicht gewerbesteuerpflichtig, weil seine Qualifikation und seine Tätigkeit als selbständiger Systemberater der eines Ingenieurs bzw. Informatikers i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entsprächen. Als Autodidakt arbeite er seit 1972 im EDV-Bereich und zähle – vergleichbar dem Urteilsfall des FG Niedersachsen vom 14.05.2003 (EFG 2004, 1059 ) und ausweislich der erstellten Ausbildungsdokumentation – zu den Pionieren der EDV-Entwicklung. Des Weiteren verlange der BFH, dass der freiberufliche EDV-Berater auf dem Gebiet der Entwicklung komplexer Anwendersoftware bzw. der Systemsoftware tätig sein müsse, wobei hierzu das Betriebssystem selbst, Hilfs- und Dienstprogramme, Compiler, Übersetzer, Datenbanksysteme und als weitere Teilgebiete die Datenfernübertragungssoftware, Programmiersprachen, Hardwarekonfiguration und Datenübertragungsnetze gehörten (vgl. BFH-Urteile vom 07.12.1989, BStBl II 1990, 338; vom 07.11.1991, BStBl II 1993, 324; vom 04.05.2004, BStBl II 2004, 989). In diesen Bereichen sei er, der Kläger, ganz überwiegend tätig, was die Projekt- und Tätigkeitsbeschreibungen belegen würden.

Der Kläger beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 02.05.2002 und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 1998 und 1999 vom 11.11.1999 und 30.01.2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Das Gericht hat über die Art der vom Kläger in den Streitjahren ausgeübten Tätigkeit Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens zu folgendem Beweisthema: „Ob die berufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren als selbständiger EDV-Berater im Gesamtbild (oder in einem abgrenzbaren Tätigkeitsbereich) derjenigen eines an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entsprach und somit als freiberufliche Tätigkeit zu qualifizieren ist.”

In seinem Gutachten führt der Sachverständige u. a. aus: „Zwar ist ein Vergleich mit den gesamten Kenntnissen eines Dipl. Inform. (FH) wegen des Fehlens insbesondere der mathematischen und hardwaretechnischen Komponenten nicht möglich. Jedoch ist mit guter Gewissheit davon auszugehen, dass die methodischen und praktischen Kenntnisse des Autors der analysierten Software und Unterlagen in dem abgegrenzten Fachgebiet „Systemsoftware-Technologie” mindestens dem Stand eines Absolventen eines Studienganges Diplom-Informatik (FH) entsprechen. Zusammenfassung: nach Sachstand besitzt der Autor gute Kenntnisse auf dem Stand der Kenntnisse eines Dipl.-Inform. (FH) in dem Fachgebiet „Technologie von Systemsoftware”.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Sachverständigen-Gutachten verwiesen.

Dem Gericht lagen 5 Bände Steuerakten vor:

– 1 Bd. Gewerbesteuerakten

– 1 Bd. Rechtsbehelfsakten

– 1 Bd. Bilanz- und Bilanzberichtsakten

– 1 Bd. Umsatzsteuerakten

– 1 Bd. Einkommensteuerakten.

Gründe

Das Gericht entscheidet durch Gerichtsbescheid, § 90a FGO .

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO . Der Kläger übt eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG aus und unterhält keinen Gewerbebetrieb. Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterhält einen Gewerbebetrieb, wer eine selbständige nachhaltige Betätigung ausübt, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

Neben den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich genannten sog. Katalogberufen gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf (vgl. BFH-Urteile vom 05. Oktober 1989, IV R 154/86 , BFHE 158 /409, BStBl II 1990, 73; vom 04. Mai 2004, XI R 9/03, BStBl II 2004, 989).

Der BFH hat entschieden, dass ein selbständiger Diplom-Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben kann (vgl. z.B. Urteile vom 04. August 1983, IV R 6/80, BFHE 139, 84 , BStBl II 1983, 677; vom 07. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl II 1990 , 337 ; vom 07. November 1991, IV R 17/90, BStBl II 1993, 324; vom 04. Mai 2004, XI R 9/03, BStBl II 2004, 989). Voraussetzung ist, dass der Informatiker im Bereich der Systemtechnik bzw. der Entwicklung von (komplexer) Anwendersoftware tätig wird und dass die derart qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 25. April 2002, IV R 4/01 , BFHE 199, 176 , BStBl II 2002, 475; vom 04. Mai 2004, XI R 9/03, BStBl II 2004, 989). Der Begriff der Systemtechnik umfasst insofern die Bereiche der Betriebssysteme, Datenbanksoftware, Datenfernverarbeitungssoftware, Programmiersprachen, Hardware-Konfigurationen, Datenübertragungsnetze, wobei dem Steuerpflichtigen auf mindestens einem Teilgebiet der Entwurf, die Auswahl, Bereitstellung, Implementierung, Überwachung (Fehleranalyse und -beseitigung), Optimierung oder Fortentwicklung der einzusetzenden bzw. eingesetzten Hardware- oder Software-Komponenten sowie die Beratung und Unterstützung obliegen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 07. November 1991, IV R 17/90 , BFHE 166, 443 , BStBl II 1993, 324).

Ebenso wie der EDV-Berater mit Hochschulabschluss kann aber auch der Autodidakt einen ingenieurähnlichen Beruf ausüben. Der Autodidakt ist somit im Bereich der EDV ebenso zu behandeln wie im Bereich anderer technischer Berufe (vgl. BFH-Urteile vom 5.Oktober 1989, IV R 154/86 , BFHE 158, 409 , BStBl II 1990, 73; vom 12.Oktober 1989, IV R 118-119/87, BFHE 158, 413 , BStBl II 1990, 64; vom 07. November 1991, IV R 17/90, BFHE 166, 443 , BStBl II 1993, 324). Es müssen jedoch theoretische Kenntnisse vorhanden sein, die in ihrer Breite und Tiefe denen an einer Fachhochschule oder Hochschule Ausgebildeten entsprechen (BFH-Beschluss vom 14. November 2000, IV B 156/99 , BFH/NV 2001, 593 ). Den Nachweis der erforderlichen theoretischen Kenntnisse kann der Autodidakt insbesondere anhand eigener praktischer Arbeiten erbringen. Diese Arbeiten müssen den Schluss auf das Wissensspektrum eines an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 07. November 1991, IV R 17/90 , BFHE 166, 443 , BStBl II 1993, 324).

Diese Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger ist nicht Ingenieur im Sinne von § 18 EStG ; er übt jedoch eine ingenieurähnliche Tätigkeit aus. Denn seine Gesamttätigkeit ist mit der eines Diplom-Informatikers im Bereich der Entwicklung und Handhabung von Systemsoftware und komplexer Anwendersoftware vergleichbar.

Dies hat der Sachverständige zur Überzeugung des Gerichts in seinem Gutachten bestätigt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die analysierten Arbeitsproben des Klägers den Schluss zulassen, dass dessen Kenntnisse in dem Fachgebiet „Technologie von Systemsoftware” mindestens dem Stand eines Diplom-Informatikers (FH) entsprechen. Diesem vom Sachverständigen überzeugend und in sich schlüssig begründeten Ergebnis schließt sich das Gericht an. Aus der Schlussfolgerung des Sachverständigen – wie auch aus den sonstigen Feststellungen des Gutachtens – folgt weiter, dass die analysierte Software dem Bereich der Systemtechnik (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 07. November 1991, IV R 17/90 , BFHE 166, 443 , BStBl II 1993, 324) zuzuordnen ist. Diese Feststellung wird im Übrigen durch die Tätigkeitsbeschreibungen des Klägers bestätigt. Die Arbeitsproben stammen darüber hinaus – was inzwischen unstreitig ist – aus den Streitjahren und bilden den Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers in diesem Zeitraum ab. Der Kläger hat damit insgesamt die Voraussetzungen erfüllt, die von der Rechtsprechung des BFH an die ingenieurähnliche Tätigkeit eines Diplom-Informatikers gestellt werden.

Soweit der Sachverständige dagegen einen Vergleich der klägerischen Kenntnisse mit den gesamten Kenntnissen eines Diplom-Informatikers wegen des Fehlens insbesondere der mathematischen und hardwaretechnischen Komponenten ausschließt, spielen diese Wissens-Defizite nach Überzeugung des Gerichts für die freiberufliche Qualifikation des Klägers keine Rolle.

Voraussetzung für die Anerkennung eines Diplom-Informatikers als eines ingenieurähnlich tätigen Freiberuflers ist, dass er im Bereich der Systemtechnik und der Entwicklung komplexer Anwendersoftware tätig ist (zu den Rechtsprechungsnachweisen vgl. oben). Die Betätigung in diesem Bereich erlaubt den Schluss auf eine ingenieurähnliche, wissenschaftliche Arbeitsweise. Gelingt dieser Tätigkeitsnachweis nicht, so kommt es nicht mehr darauf an, ob der Diplom-Informatiker im Übrigen über die mit einem Ingenieurberuf vergleichbaren Kenntnisse verfügt. Das im Studium der Informatik erworbene Grundlagenwissen ist mit anderen Worten für die steuerrechtliche Qualifikation des EDV-Beraters mit Hochschulabschluss nicht ausschlaggebend. Die gleichen Grundsätze gelten nach Auffassung des Gerichts auch für den Autodidakten. Auch für diesen muss aus einem gelungenen Tätigkeitsnachweis der Schluss auf eine insgesamt ingenieurähnliche Berufsausübung zulässig sein. Das Gericht verzichtet deshalb bei der Prüfung der ingenieurähnlichen Tätigkeit eines EDV-Beraters ohne Hochschulabschluss auf das Erfordernis des ingenieurähnlichen Grundlagenwissens (ähnlich FG Niedersachsen, Urteil vom 13. Dezember 2005, 1 K 407/02 , StE 2006, 166, zur ingenieurähnlichen Tätigkeit eines Technikers).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 , § 151 Abs. 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO .

Wegen der Rechtsauffassung des Gerichts über die Bedeutung des Grundlagenwissens eines Autodidakten bei den Anforderungen an eine ingenieurähnliche Tätigkeit war die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH XI R 29/06 )

-> siehe auch http://www.steuerschroeder.de/freiberufler.htm

Abgrenzung Gewerbebetrieb und freiberuflicher Tätigkeit

Abgrenzung zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb und solchen aus freiberuflicher Tätigkeit eines EDV-Beraters

Leitsatz

  1. Die Tätigkeit eines EDV-Beraters ist bereits dann nicht als freiberufliche Tätigkeit anzusehen, wenn der Steuerpflichtige nicht über eine dem Ingenieurberuf vergleichbare qualifizierte Ausbildung verfügt.
  2. Das erforderliche Wissen kann sich der Steuerpflichtige durch Teilnahme an Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen, eigenständiges Literaturstudium und durch die gewonnene praktische Erfahrung aneignen.
  3. Das dokumentierte Wissen muss dabei die Themenblöcke des Studiengangs: Allgemeine Informatik abdecken.
  4. Es obliegt dem Steuerpflichtigen dazulegen und nachzuweisen, dass er über entsprechende Kenntnisse verfügt. Die Vorlage vom praktischen Arbeiten aus der keine Rückschlüsse auf die erforderlichen Ausbildungsinhalte gezogen werden kann, reicht dazu nicht aus.

Gesetze

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1

Instanzenzug

BFH 21.11.2007 – VIII R 27/07

BFH 16.12.2008 VIII R 27/07

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist aufgehoben

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb oder einen freien Beruf ausgeübt hat.

Der … geborene Kläger hat am … das Abitur abgelegt und anschließend eine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann absolviert, die er am … .1985 erfolgreich abgeschlossen hat. Während dieser Zeit und in den nachfolgenden Jahren hat der Kläger den Besuch weiterer Fortbildungsveranstaltungen im Bereich der EDV, insbesondere SAP, durch Teilnahmebestätigungen nachgewiesen.

Beim Magistrat der Stadt A meldete der Kläger am … 1992 eine EDV-Beratung an. Der Ort der Hauptniederlassung wurde zum … 1994 nach B und zum … 1996 nach C verlegt. Zum … 1997 zeigte er der Stadt C die Aufgabe seines Gewerbebetriebs an. Er bezeichnet seitdem seine Tätigkeit als „Systementwicklung” und erklärte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

Der Kläger gab im … 1995 eine Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1994 ab, in der er einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von … DM erklärte. Gegen den erklärungsgemäß veranlagten Gewerbesteuermessbescheid vom … 1996 und gegen den Zerlegungsbescheid vom … 1997, in dem der Gewerbesteuermessbetrag auf die Gemeinden B und A zerlegt wurde, legte der Kläger Einspruch ein. Er sei nicht gewerbesteuerpflichtig. Aus seinen Ausbildungsunterlagen und seinen Tätigkeitsbeschreibungen ergebe sich, dass seine Tätigkeit derjenigen eines Wirtschafts-Informatikers entspreche und daher freiberuflich sei. Im Februar 1997 gab der Kläger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewinns 1995 und eine Gewerbesteuererklärung 1995 ab, wies aber darauf hin, dass er freiberuflich tätig sei. Den Feststellungsbescheid 1995 vom 1997, mit dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … DM gesondert festgestellt wurden, focht der Kläger mit dem Einspruch an.

Beginnend in 1998 wurde beim Kläger eine Betriebsprüfung für den Veranlagungszeitraum 1996 durchgeführt. Er legte für den Zeitraum 1994 – 1997 Aufgabenbeschreibungen seiner Tätigkeit für die Firmen U, für V, für W und X sowie div. Teilnahmebestätigungen für Schulungen zum Nachweis seiner Ausbildung vor. Im weiteren Verlauf reichte der Kläger zwei Verträge aus dem Jahr 1996 (Fa. U, Fa. Y), eine Projektspezifikation bzw. -dokumentation sowie Tätigkeitsbeschreibungen durch die Firmen W und U zu den Akten. Der Betriebsprüfer war der Auffassung, die Tätigkeit des Klägers, der Anwendersoftware der Fa. SAP für die Unternehmen seiner Auftraggeber auswähle und diese dort ggf. den betrieblichen Abläufen der Datenverarbeitung anpasse, sei nicht als ingenieurmäßig und damit nicht als freiberufliche Tätigkeit anzuerkennen.

Das Finanzamt folgte den Ausführungen des Prüfers auch für die anderen Veranlagungszeiträume und erließ nach Vorlage des Prüfungsberichts am … .2001 Bescheide, in denen es Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1996 mit … DM, für 1997 mit … DM, für 1998 mit … DM und für 1999 mit … DM gesondert feststellte. Entsprechend ergingen Gewerbesteuermessbescheide für 1995 am … 2001 und für 1996 – 1999 am … .2001. Ferner forderte das Finanzamt den Kläger mit Schreiben vom … .2001 auf, ab dem 01.01.2002 nach § 141 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) Bücher zu führen, da der Gewinn 1999 den Betrag von 48.000 DM übersteige. Die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche blieben, wie auch die Einsprüche gegen den Gewerbesteuermessbescheid vom … .1996, gegen den Zerlegungsbescheid vom … .1997 und den Feststellungsbescheid 1995 vom … 1997 erfolglos.

Mit seiner dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, das Finanzamt beurteile zu Unrecht seine Tätigkeit als eine gewerbliche. Qualität und Tätigkeit als selbständiger Systemberater entspreche der eines Ingenieurs bzw. eines Informatikers. Er betreibe während seines gesamten Ausbildungs- und Berufslebens ein kontinuierliches Selbststudium. Sein Wissen sei mit dem eines an einer Fachhochschule ausgebildeten Wirtschaftsinformatikers vergleichbar. Aus den Projektbeschreibungen gehe hervor, dass er in den Bereichen des Entwurfs, der Auswahl, Bereitstellung Implementierung, Überwachung, Optimierung und Fortentwicklung der eingesetzten Hardware- und Softwarekomponenten sowie in der Beratung und Unterstützung tätig sei, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Systemtechnik gehören. Sofern der Sachverständige davon ausgehe, ihm fehle es an der Tiefe und Breite der erforderlichen Ausbildung, werde Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung gestellt.

Der Kläger beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide 1994-1999, die Bescheide über die Gewerbesteuerzerlegung 1994 und die gesonderte Feststellung des Gewinn 1995 – 1999 sowie die Aufforderung zur Buchführungspflicht ab dem 01.01.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom aufzuheben.

Hilfsweise beantragt er,

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt ist unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidungen der Auffassung, die Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei nicht freiberuflich tätig, weil die vorgelegten Unterlagen nicht erkennen ließen, dass er über eine dem Ingenieurberuf adäquate Ausbildung verfüge. Den Nachweis seiner Tätigkeit lägen nur Auftragsbeschreibungen zu Grunde, konkrete Nachweise über seine Tätigkeitsfelder im Rahmen der jeweiligen Auftragsdurchführung (z.B. Pflichtenhefte, Projektberichte) habe er trotz Aufforderung nicht erbracht.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Akten vor.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 15.03.2003, geändert durch Beschluss von 26.10.2004, Beweis erhoben, ob der Kläger eine Tätigkeit ausübt, die in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich liegt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige hat vor Erstattung seines Gutachtens auf seine vorläufige Bewertung hingewiesen und ergänzend weitere Unterlagen angefordert. Auf das danach erstellte Gutachten vom 20.02.2007 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

1. Die Klage gegen den Zerlegungsbescheid 1994 ist unzulässig.

Gem. § 351 Abs.2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden.

Der einheitliche Gewerbesteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) im Verhältnis zum Zerlegungsbescheid (BFH, Urteil vom 21. Januar 1988 IV R 100/85 , BStBl II 1988, 456 ). Der Kläger hat zur Begründung des Einspruchs gegen den Zerlegungsbescheid auf die Begründung des Einspruchs wegen des Gewerbesteuermessbescheids verwiesen. Danach wendet er sich nur gegen die Gewerbesteuerpflicht als solche und damit gegen den Grundlagen-, nämlich den Gewerbesteuermessbescheid. Gründe, die das Zerlegungsverfahren betreffen, sind auch im Klageverfahren nicht vorgetragen worden.

2. Die Klage gegen die Gewerbesteuermess- und Feststellungsbescheide ist unbegründet. Mangels einer entsprechenden Ausbildung hat der Kläger keine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausgeübt. Er war in den Streitjahren gewerblich tätig.

Die Tätigkeit des Klägers wäre nur dann als eine Freiberufliche anzusehen, wenn sie in ihren wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Katalogberufe verglichen werden könnte. Dazu ist zum einen erforderlich, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen in einem für den Katalogberuf typischen Bereich gelegen hat. Zum anderen muss er über eine Ausbildung verfügen, die der für den Katalogberuf Erforderlichen vergleichbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des BFH vom 04.05.2004 XI R 9/03 , BStBl II 2004, 989 mit weiteren Nachweisen).

a) Aufgrund der Prognose des Sachverständigen ist zu vermuten, dass die von dem Kläger konkret ausgeübte Tätigkeit, soweit sie durch Arbeitsproben für die Jahre 1996 und 1997 nachgewiesen wurde, auch in einem für den Beruf eines Ingenieurs typischen Bereich liegt (vgl. 1.1.5., Seite 3 des Gutachtens – G –; 3.B.III.5, Seite 18 G). Die Klage für die Veranlagungszeiträume 1994 – 1995, 1998 -1999 ist jedoch schon deshalb abzuweisen, weil nicht feststeht, dass (auch) in diesen Jahren seine Tätigkeit typisch ingenieurmäßig war. Der Kläger hat keinen Nachweis seiner konkreten Tätigkeit in diesen Veranlagungszeiträumen erbracht.

b) Eine sachverständige Beurteilung der Tätigkeit des Klägers war jedoch schon deshalb entbehrlich, weil der Kläger nicht über die vergleichbare qualifizierte Ausbildung eines Ingenieurs bzw. Informatikers verfügt.

Da der Ingenieur auf wissenschaftlicher Grundlage tätig ist, setzt ein Beruf, der dem eines Ingenieurs ähnlich sein soll, ebenfalls eine Ausbildung voraus, die mit der Berufsausbildung des Ingenieurs oder der eines Informatikers verglichen werden kann. Aufgabe des Ingenieurs ist es, auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen (vgl. BFH, Urteil vom 5. Juni IV R 34/01, BStBl II 2003, 761 , 764). In all diesen den Beruf eines Ingenieurs prägenden Bereichen müsste der Kläger ein dem Absolventen einer Hochschule oder Fachhochschule vergleichbares Wissen nachweisen. Das Wissen kann der Kläger sich durch Teilnahme an Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen, eigenständiges Literaturstudium und durch die gewonnene praktische Erfahrung angeeignet haben.

Grundlagen aller an (Fach-)Hochschulen angebotenen Ingenieurs- und Informatikstudiengänge sind die Grundlagen der Naturwissenschaften und der Mathematik sowie die Methodik von Untersuchungs- und Problemlösungstechniken. Bei diesen komplexen Lerninhalten eines Studiums müssen die Ausbildungsinhalte inhaltlich aufeinander abgestimmt und aufgebaut sein bzw. sich ergänzen. Entsprechend muss aus dem Ausbildungsgang eines Steuerpflichtigen, der nicht ein Hochschulstudium absolviert hat, erkennbar sein, dass er aufgrund seines Literaturstudiums als Autodidakt, der besuchten Ausbildungs- und Fortbildungskurse und aufgrund des „learning by doing” (Wissenserwerb in der Praxis) entsprechendes breit angelegtes Wissen und nicht nur Einzelausschnitte bestimmter Teilgebiete erworben hat.

Im Streitfall hat der Sachverständige zum Vergleich den Studiengang Allgemeine Informatik an der Fachhochschule Köln herangezogen, weil er der Auffassung war, dieser werde von allen in Betracht kommenden Studiengängen vom Kläger am ehesten erfüllt (3.B.V.4., Seite 26 G). Das Gericht hat aus den vom Sachverständigen genannten Gründen keine Bedenken, diesen Ausbildungsgang als Vergleichsmaßstab zu Grunde zu legen. Auch der Kläger hat keine diesbezüglichen Einwendungen erhoben.

Der Sachverständige hat das durch die vorgelegten Ausbildungs- und Tätigkeitsnachweise dokumentierte Wissen des Klägers mit den Kenntnissen verglichen, die ein Absolvent des Studienganges Allgemeine Informatik nach seinem Studienabschluss haben sollte. Er hat festgestellt, dass aus den vorgelegten Ausbildungsnachweisen nicht ersichtlich war, dass der Kläger die Themenblöcke Theoretische Grundlagen der Informatik (3.B.IV.4 G, Seite 19) und Pflichtwahlfächer (3.B.IV.8 G, Seite 21) sowie nur teilweise die Themenblöcke Mathematik (3.B.IV.2 G, Seite 19), Systemarchitekturen (3.B.IV.7 G, Seite 21), Hardware(3.B.IV.3 G, Seite 19) und Allgemeine (Wahl-) Fächer (3.B.IV.9 G, Seite 22) abgedeckt hat. Der Sachverständige ging jedoch davon aus, dass auch ohne weiteren Nachweis aufgrund der langjährigen Berufspraxis des Klägers Kenntnisse in diesen Themenblöcken vorhanden waren. So attestierte er dem Kläger in Hardware 25 % (3.B.IV.3 G, Seite 19), in Grundlagen der Informatik 50 % (3.B.IV.4 G, Seite 20), in Systemarchitekturen (3.B.IV.7 G, Seite 21) 50 % und in Pflicht-Wahlfächern 100 % (3.B.IV.8 G, Seite 22) der geforderten Semesterstunden. Weder Ausbildung noch Literaturstudium noch die durch wenige Arbeitsproben nachgewiesene Tätigkeit des Klägers ließen jedoch für den Sachverständigen erkennen, dass dessen Kenntnisse in den Fächern Mathematik, Hardware, Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen derjenigen eines Fachhochschulabsolventen entsprachen. Wenn der Sachverständige bei diesem Befund feststellt, dass „die berufliche Tätigkeit auf einem zu schmalen Pfad verläuft, um daraus Kenntnisse unter Beweis zu stellen, die in Breite und Tiefe in ausreichendem Maße anstelle der fehlenden Ausbildungsnachweise gewertet werden könnten”, so schließt sich das Gericht dieser nachvollziehbaren Beurteilung an. Der Kläger ist auf seinem Gebiet ein Fachmann und übertrifft insoweit die geforderten Ausbildungsinhalte erheblich. Andererseits verfügt er nicht über die Breite eines Wissens, wie sie an den (Fach-) Hochschulen in vergleichbaren Studiengängen gelehrt werden. Umfassende theoretische Grundlagen, wie sie in einem Studium erarbeitet werden, hat der Kläger nicht nachweisen können.

c) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es sachgerecht, für die Beurteilung, ob ein Steuerpflichtiger einen einem Ingenieur ähnlichen Beruf ausübt, auch auf seine Ausbildung abzustellen. Wer über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen in seinem Beruf verfügt, vermag auch relativ einfach erscheinende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen als jemand, der dies nur aufgrund einer vorwiegend praktischen Ausbildung sowie seiner praktischen Erfahrungen tut. Im Übrigen ist der Gesetzgeber befugt, Berufsbilder festzulegen und damit auch, wer Angehöriger dieses Berufes ist. Bei der Auslegung des § 18 EStG können diese Berufsbilder zugrunde gelegt werden. Das gilt sowohl für die Beurteilung der Berufstätigkeit eines der sog. Katalogberufe als auch für die Beurteilung der „ähnlichen Berufe” (BFH, Urteil vom 22. Januar 1988 III R 43 – 44/85, BStBl II 1988, 497 , 500). Das Gericht folgt daher nicht der Auffassung des Finanzgerichts Hamburg (Urteil vom 27.04.2006 6 K 120/06, EFG 2006, 1324 ), wonach ein selbstständiger EDV-Berater ohne Hochschulabschluss, der im Bereich der Systemtechnik bzw. der Entwicklung komplexer Anwendersoftware tätig ist, auch dann eine ingenieurähnliche und damit freiberufliche Tätigkeit ausübt, wenn er nicht über ein ingenieurähnliches Grundlagenwissen verfügt.

d) Dem Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung war nicht zu entsprechen.

Das Finanzgericht muss aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) zwar grundsätzlich den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen, entsprechen, wenn diese Tatsachen nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Die Entscheidung über die Einholung eines solchen Gutachtens steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BFH, Beschlüsse vom 22.08.2006 IV B 109/04, BFH/NV 2006, 2288 ; vom 16. Juni 2005 IV B 187/03, BFH/NV 2005, 2015 ; Urteil vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, BStBl II 2002, 768 ).

Eine Wissensprüfung ist geeignet, den Nachweis über ein aktuell vorhandenes Wissen zu erbringen. Sie lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass der Kläger bereits im Streitzeitraum die erforderlichen Kenntnisse besaß. Das Gericht ist schon aus diesem Grund der Auffassung, dass angesichts dessen, dass die Streitjahre heute mehr als acht Jahre zurückliegen, eine Wissensprüfung nicht den Nachweis erbringen könnte, dass der Kläger in den Jahren 1994 – 1999 über ausreichende Kenntnisse verfügte.

Außerdem hätte der Kläger dem Gericht konkret vortragen müssen, dass er sich die Kenntnisse angeeignet habe, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen eines Ingenieurs bzw. Informatikers entsprechen. Der Kläger hat aber (trotz Aufforderung des Sachverständigen) nur praktische Arbeiten der Jahre 1996 und 1997 vorgelegt, aus denen der Sachverständige keine Rückschlüsse auf die von ihm als fehlend attestierten Ausbildungsinhalte ziehen konnte. Dabei hat der Sachverständige allein auf Grund der langjährigen Berufsausübung auch Kenntnisse zu Gunsten des Klägers unterstellt, die nicht durch die vorgelegten Ausbildungs- und Tätigkeitsnachweise bestätigt wurden. Bei dieser Sachlage hätte es nach Erstellung des Gutachtens entsprechender Ausführungen des Klägers bedurft, z.B., warum es ihm nicht möglich war, weitere Arbeitsproben einzureichen bzw. weitere Ausbildungsmaßnahmen darzulegen, aus denen auf die konkret vom Sachverständigen vermissten Kenntnisse hätte geschlossen werden können. Nach Aktenlage lässt sich somit aus den vorgetragenen Tatsachen nicht erkennen, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte (vgl. BFH, Urteil vom 19. September 2002 IV R 74/00 , BStBl II 2003, 27 und in BStBl II 2002, 768 ).

3. Der Beklagte hat den Kläger auch zu Recht auf die Buchführungspflicht hingewiesen und deren Beginn auf den 1. Januar 2002 festgelegt.

Gem. § 141 Abs. 1 AO ( in der für 2001 geltenden Fassung) sind gewerbliche Unternehmer, die nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb einen Gewinn von mehr als 48.000 DM im Wirtschaftsjahr gehabt haben, auch dann verpflichtet, für diesen Betrieb Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, wenn sich eine Buchführungspflicht nicht aus § 140 AO ergibt. Die §§ 238, 240 bis 242 Abs. 1 und die §§ 243 bis 256 des Handelsgesetzbuches gelten sinngemäß, sofern sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt. Die vorgenannte Verpflichtung ist vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat (§ 141 Abs. 2 Satz 1 AO) .

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift waren in den Streitjahren erfüllt. Der Kläger hat gewerbliche Einkünfte erzielt und sein Gewinn überstieg in den Streitjahren 48.000 DM.

Nach § 141 Abs. 2 AO 1977 ist die Buchführungspflicht vom Steuerpflichtigen erst vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung erfolgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn der Buchführungspflicht hingewiesen hat. Diese Mitteilung hat als rechtsgestaltender Verwaltungsakt selbständige Bedeutung (BFH, Urteil vom 2.Dezember 1982 IV R 8/82 , BStBl II 1983, 254 ).

Stellt die Finanzbehörde das Überschreiten eines der in § 141 Abs. 1 genannten Grenzwerte fest, hat sie die Buchführungsaufforderung zu erlassen. § 141 Abs. 2 Satz 1 AO ist insoweit zwingendes Recht (Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Tz. 24 m.w.N.). Deshalb hat der Beklagte den Kläger zu Recht aufgefordert, zu Beginn der Buchführungspflicht eine Eröffnungsbilanz aufzustellen und diese bis zum 31. Januar 2001 beim Beklagten einzureichen.

4. Da die Klage abzuweisen war, fallen dem Kläger die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu Last.

5. Die Revision war zuzulassen. Beim BFH ist ein Revisionsverfahren anhängig, in dem es um die im Streitfall erhebliche Rechtsfrage geht, ob ein selbstständiger EDV-Berater ohne Hochschulabschluss, der im Bereich der Systemtechnik bzw. der Entwicklung komplexer Anwendersoftware tätig ist, auch dann eine ingenieurähnliche und damit freiberufliche Tätigkeit ausübt, wenn er nicht über ein ingenieurähnliches Grundlagenwissen verfügt (XI R 29/06). Darüber hinaus sind die Voraussetzungen einer Wissensprüfung nicht hinreichend geklärt. Das Gericht hält eine Wissensprüfung schon deshalb im finanzgerichtlichen Verfahren nicht für angezeigt, weil sich wegen des Zeitablaufs zwischen

Veranlagungszeitraum und gerichtlichem Verfahren die konkret im Streitjahr vorhandenen Kenntnisse nicht werden nachweisen lassen.

EDV-Berater – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit

Abgrenzung freiberufliche Tätigkeit zum Gewerbebetrieb – Vergleichbarkeit der Ausbildung

Ein aktuelles Urteil zeigt, dass es für im EDV-Bereich selbstständig tätige Nicht-Akademiker fast unmöglich ist, als Freiberufler anerkannt zu werden und damit von der Gewerbesteuer befreit zu sein.

Leitsatz

  1. 1.            Eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit liegt vor, sofern sie in Ausbildung und berufliche Tätigkeit im wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf vergleichbar ist.
  2. 2.            Im Rahmen der Vergleichbarkeit der Katalogberufe des § 18 EStG kann das für ein Ingenieurstudium erforderliche Grundlagenwissen in Mathematik nicht durch besondere Kenntnisse in anderen Bereichen ersetzt werden.

Gesetze

EStG § 15 Abs. 2 Satz 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
GewStG § 2 Abs. 1
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

Tatbestand

Strittig ist, ob die Klägerin im Streitjahr freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

Die Klägerin ist …. Nach ihren eigenen Angaben besitzt sie seit 1989 Erfahrungen im EDV-Bereich und war ausweislich ihres Lebenslaufs nach einer gut achtmonatigen Ausbildung zum Systemverwalter SAP R3 in 1994/1995 überwiegend als SAP R3 Beraterin tätig. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den in den Akten vorhandenen Lebenslauf der Klägerin verwiesen.

Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2003 führte zu einer Überprüfung des Finanzamts, ob die Klägerin möglicherweise gewerbliche Einkünfte erzielt habe. … Die Anfrage des Finanzamts vom 28.04.2004, welche Tätigkeiten ab dem Veranlagungszeitraum 1998 im Einzelnen tatsächlich ausübt wurden, folgte eine allgemeine, nicht auf bestimmte Auftraggeber bezogene Tätigkeitsbeschreibung. Arbeitsverträge könnten nicht vorgelegt werden, da sie freiberuflich tätig sei und nur Auftragsbestätigungen erhalte. Das Finanzamt legte daraufhin im Schreiben vom 04.08.2004 dar, dass, wenn die Klägerin tatsächlich unterrichtend tätig sei, dies im Gegensatz zu ihren Angaben in der Steuererklärung stehe, wonach sie sich selbst als EDV-Beraterin (Systemsoftwareentwicklung) bezeichne. Ohne konkreten Nachweis hinsichtlich der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit werde es daher davon ausgehen, dass die Klägerin als EDV-Beraterin tätig sei. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) V R 11/85 werde verwiesen. …. Diese Angaben reichten dem Finanzamt für die Streitjahre ab 1998 nicht aus; es forderte nochmals Angaben zur konkret ausgeübten Tätigkeit und erließ für das Jahr 2003 am 21.09.2004 einen Gewerbesteuermessbescheid.

Die Klägerin legte am 30.09.2004 Einspruch ein und verwies auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren für die Vorjahre. ….

Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde der Einspruch wegen Gewerbesteuermessbetrags … 2003 mit am 22.06.2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

In ihrer Klagebegründung für die Streitjahre … und 2003 trug die Klägerin vor, sie sei freiberufliche IT – Systemprogrammiererin. Sie habe im Wesentlichen neue Software erstellt und Programmierleistungen selbständig erbracht. … Die Gewerbesteuermessbescheide seien aufzuheben.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sie über die erforderliche Ausbildung verfüge.

Am 16.04.2007 hat das Gericht einen Beweisbeschluss erlassen, wonach Beweis erhoben werden sollte, ob die konkrete Tätigkeit der Klägerin ingenieurähnlich ist, weil sie sich durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) auszeichnet, und ob die praktischen Arbeiten der Klägerin in Verbindung mit ihrem Ausbildungsgang den Schluss zulassen, dass sie, obwohl sie kein Ingenieur- oder Informatikstudium abgeschlossen hat, (bereits) in den Streitjahren über ingenieurähnliche Kenntnisse verfügte, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Ingenieurs oder Diplominformatikers entsprechen.

….

Der vom Gericht bestellte Sachverständige A. kam in seinem Gutachten vom 29.09.2010 unter Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsproben zu dem Ergebnis, dass er nicht abschließend beurteilen könne, ob die Kenntnisse der Klägerin ingenieurmäßig seien, weil das Wissen in dem Fach Mathematik von ihm nicht beurteilt werden könne. …

… Daraufhin wurden die Verfahren für 1998 – 2001 von diesem Verfahren abgetrennt.

….

Die Klägerin trägt vor, sie sei ingenieurmäßig tätig geworden. Auch der Sachverständige habe festgestellt, dass ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten. 93 % des Wissens wäre daher dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar. Da das Gericht schriftsätzlich zu erkennen gegeben habe, dass es der Auffassung sei, die Breite und Tiefe der Ausbildung sei nicht nachgewiesen, werde vorsorglich eine Wissensprüfung beantragt. Sie selbst sei aber der Auffassung, bei dieser Sachlage sei eine Wissensprüfung nicht angezeigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2003 vom 10.10.2011 sowie die davor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide insgesamt aufzuheben;

hilfsweise,

für den Fall der Klagabweisung die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hat … beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat am 27.02.2012 beschlossen, dass Beweis erhoben werden soll, ob die Klägerin in den Streitjahren über ingenieurähnliche Kenntnisse verfügte, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Ingenieurs oder Diplominformatikers entsprechen, durch Vornahme einer Wissensprüfung. Mit der Durchführung der Wissensprüfung wurde der B. beauftragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 verwiesen.

Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamts vor.

Gründe

I. ….

II. Die Klage ist nicht begründet.

Die selbständige Betätigung der Klägerin in den Streitjahren stellt sich….nicht als Ausübung eines freien Berufs dar.

1. Da die Klägerin unbestritten wegen fehlenden Studiums nicht als Ingenieur tätig war, kommt im Streitfall nur eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit in Betracht, sofern sie in Ausbildung und beruflicher Tätigkeit in wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf vergleichbar ist. Die danach in Tiefe und Breite –einem Ingenieur– vergleichbaren Kenntnisse kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung auch ein Diplom-Informatiker geltend machen, weil das Studium der Informatik an einer (Fach-)Hochschule dem der traditionellen Ingenieurwissenschaften gleichwertig ist, auch wenn das Ingenieurstudium im Grundsatz allgemeiner sein kann. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige

–ohne entsprechende Hochschulausbildung– nachweisen kann, dass er sich das Wissen eines Diplom-Informatikers in vergleichbarer Breite und Tiefe auf andere Weise im Wege der Fortbildung und/oder des Selbststudiums oder ggf. anhand eigener praktischer Arbeiten angeeignet hat, sofern die erworbenen Kenntnisse der Tiefe und der Breite nach dem Wissen des Kernbereichs des jeweiligen Fachstudiums entsprechen. Dies erfordert Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen des Katalogberufs. Dementsprechend kann auch ein EDV-Berater geltend machen, einen ingenieurähnlichen Beruf auszuüben (BFH-Urteile vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 ; vom 18.04.2007 XI R 29/06, BFHE 218, 65 , BStBl II 2007, 781 jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

2. Ausweislich des eingeholten Gutachtens ist die Klägerin auf dem Fachgebiet Entwicklung, Implementierung und Betreuung von Software tätig gewesen. Derartige Tätigkeiten sind bei Anlegung der dargelegten Grundsätze für den Ingenieurberuf typische Tätigkeiten (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.2009 VIII R 63/06 , BFHE 227, 386 , BStBl II 2010, 466). In diesem Bereich besitzt die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen A. profunde Kenntnisse.

Jedoch ist der Nachweis, dass die Klägerin über die erforderlichen Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfügt, nicht gelungen.

a) Die Klägerin hat im Fach Mathematik keine nennenswerten Kenntnisse durch Ausbildungsnachweise belegen können. Der Sachverständige A. hat in seinem Gutachten festgestellt, auch ihre vorgelegten praktischen Arbeiten hätten einen Bezug zu mathematischen Grundkenntnisses nicht herstellen können. In der Berufstätigkeit der Klägerin sah er auch keine Gelegenheit dafür, dass sie sich diese Kenntnisse „on the job” angeeignet haben könnte. Es sah daher den Themenblock „Mathematik” nicht als ausreichend abgedeckt an (Tz. 4.5.4).

Die Klägerin irrt, wenn sie der Auffassung ist, angesichts der Feststellung des Sachverständigen, dass ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten, sei ihr Wissen mit 93 % des Wissens dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar. Derartige Würdigungen werden zwar gerichtsbekannt auch von anderen Sachverständigen in ihren Privat- oder Gerichtsgutachten vertreten. Dabei wird aber übersehen, dass zu beurteilen ist, ob die Klägerin mit ihren vorhandenen Kenntnissen ein Fachhochschulstudium mit einem Abschluss bestanden hätte. Nur dann ist ihr Wissen der Tiefe und der Breite nach mit dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar.

Der erkennende Senat teilt die Auffassung des BFH, wonach der Nachweis eines vergleichbar umfänglichen Wissens ein sachgerechter und verfassungsrechtlich zulässiger Maßstab für die Abgrenzung gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeiten ist. Denn das in einem förmlichen Studiengang vermittelte Grundlagenwissen ist für die spätere Tätigkeit schon deshalb nicht als überflüssig anzusehen, weil bei typisierender Betrachtung ein Steuerpflichtiger, der über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen verfügt, insbesondere seltener in der Praxis auftretende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen vermag als jemand, der aufgrund überwiegend praktischer Erfahrung sich ein Spezialwissen angeeignet hat (BFH-Urteil vom 18.04.2007 XI R 29/06 , BFHE 218, 65 , BStBl II 2007, 781 m.w.N.).

Da die Prüfung im Grundlagenfach Mathematik bei einem Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH) mit Studienabschluss vor dem Streitjahr 2003 in einer Fachprüfung mindestens mit ausreichend bestanden werden muss und bei einem nicht ausreichenden Ergebnis nicht durch andere Prüfungsleistungen ausgeglichen werden kann (so die einschlägigen Prüfungsordnungen verschiedener Fachhochschulen), konnten die Kenntnisse der Klägerin im Streitfall allenfalls durch eine Wissensprüfung belegt werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 19.09.2002 IV R 74/00 , BStBl II 2003 , 27 ; Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 07.09.2011 1 K 1586/09 , nv, juris).

b) Da die Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr ingenieurmäßig war und sich nach den Feststellungen im schriftlichen Sachverständigengutachten erkennen ließ, dass die Klägerin über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte, war auf Antrag der Klägerin eine Wissensprüfung vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 16.06.2005 IV B 187/03 , BFH/NV 2005, 2015 ). Denn der erkennende Senat ist aufgrund fehlender Sachkunde im Bereich der Informatik nicht in der Lage, den Wissensstand der Klägerin zu überprüfen.

aa) Nach den Feststellungen des Sachverständigen A. sind die vorhandenen Kenntnisse der Klägerin, die vorwiegend im SAP R3 -Bereich tätig ist, am ehesten mit denen eines Wirtschaftsinformatikers vergleichbar. Der Sachverständige A. hat ihren Wissensstand anhand der für die Fachhochschule Köln geltenden Studienbedingungen überprüft. Die Klägerin hat gegen diese Einschätzung keine Einwendungen erhoben.

bb) Der Sachverständige A. hielt in seinem Gutachten nur die mathematischen Kenntnisse für nicht ausreichend nachgewiesen. In dem Bereich „Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen” (Tz. 4.5.3), der auch die Grundlagen der theoretischen Informatik umfasst, konnte die Klägerin seinen Feststellungen nach ihre Ausbildung nur in geringem Umfang belegen. Der Sachverständige hat aber „bei der Zuordnung von Ausbildungs- und Fachliteraturthemen zu diesen Themenblöcken bewusst davon abgesehen, Wissenskomponenten den Themenblöcken Grundlagen Informatik und Systemarchitekturen zuzuordnen”, weil die Abgrenzung schwierig sei und sich eher mit einer pauschalen Schätzung über die Gesamtheit der Fortbildung bemessen lasse, da sowohl in Hardware- und in Software-Fachthemen der hier vorliegenden Besonderheit auch Fragen der Grundlagen Informatik und Systemarchitekturen enthalten seien. Aufgrund der (langjährigen) „beruflichen Praxis auf ihrem speziellen Tätigkeitsfeld der Systementwicklung” attestierte er ihr Kenntnisse, die weit höher seien, als sie sich aus einer formalen Betrachtung ergäben. Da die (bei einem Fachhochschulstudium) geforderte Stundenzahl um mehr als das 10-fache überschritten sei, habe sie, wenn man ihr zubillige, dass nur 5 % dieser Zeit mit den Themen der Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen belegt seien, die gestellte Anforderung bereits erfüllt. Er resümierte, dass deshalb die Kenntnisse insgesamt denen eines Fachhochschulabsolventen ebenbürtig seien.

Der Senat vermochte diese Würdigung des Sachverständigen A. nicht nachzuvollziehen. Diese Einschätzung beruht nicht auf der besonderen Sachkunde des Sachverständigen. Wenn in Teilbereichen Kenntnisse vorhanden sind, die weit über das geforderte Maß hinausgehen, andererseits aber in Teilbereichen überhaupt keine Kenntnisse vorhanden sind, sind die Grundlagen in ihrer Breite nicht nachgewiesen. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige hier mehrere relevante Prüfungsfächer des Grundlagenbereiches miteinander vermengt und einheitlich gewürdigt hat. Mit der vorgenannten Rechtsprechung ist dies nicht zu vereinbaren. Auch wenn Teilbereiche von Grundlagenfächern zum ausreichend abgedeckten Wissensstand der Klägerin gehören, vermögen sie die an einer Fachhochschule erworbenen Fähigkeiten ihrer Tiefe und Breite nach grundsätzlich nicht zu ersetzen. Gerade die Ausbildung der Breite nach und nicht ein Spezialwissen wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert, um eine Vergleichbarkeit mit einem freien Beruf herstellen zu können.

Die Klägerin hat nach Auffassung des Senats durch eigene Weiterbildungsmaßnahmen und durch ihre Arbeitsproben Kenntnisse im Bereich der Mathematik, der Theoretischen Informatik und der Systemarchitekturen nicht belegt. Aus ihrem beruflichen Werdegang als so genannter Seiteneinsteiger mit einer Vorausbildung, die nichts mit EDV zu tun hatte, kann auch nicht geschlossen werden, dass sie sich über ihre Spezialisierung auf Unix und SAP R3 hinaus grundlegend mit weitergehenden Fragestellungen auseinandergesetzt hätte. Zumindest ergab sich dafür keine berufsbedingte Notwendigkeit. Der erkennende Senat, der für den gesamten Gerichtsbezirk im Rahmen seiner Spezialzuständigkeit für die Abgrenzung von gewerblichen Einkünften zu anderen Einkunftsarten zuständig ist und daher häufiger Fallgestaltungen wie solche im Streitfall zu beurteilen hat, kann die Feststellung des Sachverständigen A., dass die theoretischen Fächer „sich ein Berufstätiger nur mit besonderer, zielgerichteter Anstrengung nachträglich aneignen kann” (Tz. 4.5.10), uneingeschränkt bestätigen. Aus diesen Gründen kommt auch den durch Selbststudium (angeblich) erworbenen Kenntnissen, die ein Steuerpflichtiger anhand von Literaturlisten nachweisen will, nur eingeschränkte Beweiskraft zu.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin war aus vorgenannten Gründen die Wissensprüfung nicht auf das Fach Mathematik zu beschränken. Steht wie im Streitfall fest, dass das Wissen der Klägerin zumindest auch in den genannten Grundlagenfächern Theoretische Informatik und Systemarchitekturen nicht belegt wurde, hat gem. § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 404a Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) das Gericht zu bestimmen, welche Tatsachen von dem (für die Wissensprüfung beauftragten) Sachverständigen zu begutachten sind. Denn dem Finanzgericht obliegt es aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO ), die tatsächlichen Kenntnisse der Klägerin festzustellen.

dd) Eine Wissenprüfung ist in mündlicher Verhandlung durchzuführen. Zwar kommt der Beurteilung des Sachverständigen, ob die Wissensprüfung bestanden ist, aufgrund dessen Sachkunde vorrangige Bedeutung zu. Dem Gericht ist es aber nach der Durchführung einer solchen Wissensprüfung vorzunehmenden Beweiswürdigung vorbehalten festzustellen, ob im Einzelfall ein Rückschluss von den Ergebnissen der Prüfung auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren aufgrund besonderer Umstände in Zweifel zu ziehen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 ). Eine solche Beweiswürdigung ist nach Auffassung des Senats nur dann möglich, wenn das Gericht bei der Wissensprüfung zugegen war.

ee) Der Sachverständige B. hat die Wissensprüfung in den Grundlagenfächern Mathematik und Theoretische Informatik als nicht ausreichend und damit als nicht bestanden beurteilt. Nach Auffassung des Sachverständigen hatte die Klägerin nahezu keine Kenntnisse im Bereich der Grundlagen der theoretischen Informatik. In Mathematik waren wesentliche Grundbegriffe der Klägerin überhaupt nicht bekannt. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 verwiesen. Diese Würdigung konnte das Gericht nicht nur nachvollziehen, sondern es hätte selbst, ohne über ausreichende Sachkenntnisse zu verfügen, nach dem Ablauf der Wissensprüfung diese so beurteilt. Obwohl der Sachverständige in den Grundlagenfächern verschiedene Bereiche prüfte und wiederholt Hilfestellungen leistete, konnten die Fragen von der Klägerin überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang beantwortet werden.

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin ihr ursprünglich vorhandenes Wissen nicht einfach nur vergessen hatte. Zum einen kam ihr auch dann, wenn der Sachverständige ihr „Brücken bauen” wollte, keine Erinnerung; zum anderen hat sie selbst mehrfach betont, solche Fragestellungen kämen in ihrer praktischen Tätigkeit niemals vor oder aber sie frage einen Diplom-Informatiker, wenn bei ihr derartige Probleme auftauchten.

II. Da die Klage abzuweisen war, fallen der Klägerin die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu Last. ….

III. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.