Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Kosten eines verwaltungsgerichtlichen Streites absetzbar

Der 11. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem am 10.01.2014 veröffentlichten Urteil (vom 27. November 2013, 11 K 2519/12 E) entschieden, dass auch Aufwendungen für einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erfolgt und aus Sicht eines verständigen Dritten Aussicht auf Erfolg bietet. Er hat damit die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu den Kosten eines Zivilverfahrens auf die Aufwendungen für ein Verwaltungsgerichtsverfahren übertragen.

Im Streitfall hatten sich die Kläger gegen eine ihrem Nachbarn erteilte Baugenehmigung gewendet, die sie für rechtswidrig hielten. Das Verwaltungsgericht teilte diese Auffassung, das Oberverwaltungsgericht war jedoch anderer Meinung. Das hiergegen vor dem Bundesverwaltungsgericht geführte Klageverfahren verloren die Kläger ebenfalls. Sie mussten daher sämtliche Verfahrenskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) in Höhe von rund 17.500 Euro tragen. Diese Aufwendungen machten sie als außergewöhnliche Belastungen in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab – zu Unrecht, wie der 11. Senat jetzt entschieden hat. Die Aufwendungen der Kläger für das verwaltungsgerichtliche Verfahren seien – so das Gericht – als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG anzusehen. Dass die Kläger zur Durchsetzung ihrer Auffassung gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen hätten, sei nicht mutwillig gewesen. Ihre Klage habe – wie die erstinstanzliche Entscheidung zeige – auch Aussicht auf Erfolg gehabt.

Der 11. Senat hat zudem klargestellt, dass die im Jahr 2013 geschaffene gesetzliche Neuregelung des § 33 Abs. 2 EStG, nach der Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreites weitestgehend vom Abzug ausgeschlossen werden, im Streitfall keine Anwendung findet.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 10.01.2014 zum Urteil 11 K 2519/12 vom 27.11.2013

Finanzgericht Münster, 11 K 2519/12 E

Datum:
27.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 2519/12 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2012 und Abänderung der bisherigen Festsetzung in dem Bescheid vom 16.12.2011 wird die Einkommensteuer für das Jahr 2010 auf … € festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

1G r ü n d e :

2Streitig ist, ob Aufwendungen für einen in letzter Instanz verlorenen Verwaltungsgerichtsprozess als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

3Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Ihre Wohnung befindet sich in C1., F.-Straße 01. Eigentümer des Grundstücks ist der Kl. Beide Kl. erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie der Kl. solche aus

4nichtselbständiger Arbeit und die Klin. solche aus Renten. Im Streitjahr 2010 hat der Gesamtbetrag der Einkünfte … € betragen. Mit Bescheid vom 16.12.2011 hat das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer (ESt) nach einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von … € unter Berücksichtigung einer Ermäßigung gem. § 35a EStG für Handwerkerleistungen in Höhe von … € nach dem Splitting-Tarif auf … € festgesetzt. Dabei wurden außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG in Höhe von … € unter Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von … € als mit … € abziehbar berücksichtigt.

5In ihrer Erklärung zur ESt hatten die Kl. weitere außergewöhnliche Belastungen aus folgendem Grund geltend gemacht:

6Auf dem angrenzenden Nachbargrundstück (F.-Straße 02) befindet sich ein metall-verarbeitender Betrieb. Nach dem Bebauungsplan sind dieses Grundstück sowie das der Kl. als Gewerbegebiet ausgewiesen. In der Vergangenheit war von dem vorherigen Betriebsinhaber eine betrieblich genutzte Halle ohne Baugenehmigung unmittelbar auf der Grenze zum Grundstück des Kl. errichtet werden. Im Jahr 2001 wurden auf dem Nachbargrundstück Umbaumaßnahmen durchgeführt. Die Halle wurde mit Ausnahme der Mauer, die auf der Grundstücksgrenze stand, abgerissen. Die Mauer hatte nach den Angaben des Kl. deswegen stehen bleiben sollen, damit sich der Inhaber des Betriebes auf Bestandsschutz berufen konnte. Gegen das Bauvorhaben war der Kl. vorgegangen. Über das Verwaltungsgericht N. hatte er ein Urteil erstritten, mit dem die dem Vorhaben zu Grunde liegende Baugenehmigung erfolgreich angefochten wurde. Dieses Urteil war rechtskräftig geworden.

7In der Folgezeit wurden das Nachbargrundstück und der Betrieb auf einen nahen Angehörigen (Vater) übertragen. Die betriebliche Halle wurde weiter gebaut und war seit dem Jahr 2002 fertig. Zur Legalisierung hatte der nunmehrige Betriebsinhaber erneut einen Antrag auf Baugenehmigung gestellt. Diese war ihm auch von der Stadt C1. erteilt worden. Die dagegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht N. war zunächst in der ersten Instanz erfolgreich. Auf die Berufung der Stadt C1. hatte das Oberverwaltungsgericht N1. diese Entscheidung mit Urteil vom 15.05.2008 aufgehoben. Die daraufhin von dem Kl. eingelegte Revision ist von dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2010 zurückgewiesen worden. Dabei wurde der Kl. zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten verurteilt. Aus diesem Anlass waren im Streitjahr Rechtsanwaltskosten in Höhe von … € sowie Gerichtskosten in Höhe von … €, insgesamt Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von … €, angefallen. Nach Meinung der Kl. waren diese Aufwendungen ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG zu berücksichtigen. Sie beriefen sich hierbei auf die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015).

8Das FA lehnte dies in dem ESt-Bescheid vom 16.12.2011 ab. Unter anderem verwies es darauf, dass das genannte Urteil aufgrund eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen – BMF-Schreiben – vom 20.12.2011 IV C 4 – S 2284/07/0031: 002 – / – 2011/1025909 – (BStBl. I 2011, 1286) über den Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH komme es im Hinblick darauf, ob Gerichtskosten zwangsläufig angefallen seien, auf die wesentliche Ursache an, die zu den Aufwendungen geführt habe. Liege diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, komme ein Abzug nicht in Betracht. Ein Abzug sei außerdem bisher nur für den Fall von Aufwendungen für einen Zivilprozess in Betracht gekommen.

9Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kl. Klage erhoben. Sie machen geltend, dass die genannten Aufwendungen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien. Es komme nur darauf an, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe und nicht mutwillig erschienen sei. Auf eine Unterscheidung zwischen Zivilprozesskosten und Kosten in einer Verwaltungsstreitsache könne es nicht ankommen. Sie beziehe sich allein auf die Zuständigkeit der Gerichte und habe keinen Einfluss auf die grundsätzliche Bewertung einer Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit der damit verbundenen Verfahrenskosten. Sie, die Kl., hätten die Aufwendungen für die Rechtsverfolgung weder mutwillig veranlasst noch ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hierfür spreche bereits die Tatsache, dass sie in erster Instanz Recht erhalten hätten. Dem Verfahren in der Berufungsinstanz hätten sie sich nicht entziehen können. Die Kosten hinsichtlich der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht seien nicht anders einzuordnen, weil die Aussichten für einen aus ihrer Sicht positiven Ausgang des Verfahrens wegen des Erfolges in der ersten Instanz nicht als negativ einzuschätzen gewesen seien.

10Die Kl. beantragen,

11den ESt-Bescheid vom 16.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von … € gem. § 33 EStG anzuerkennen sind,

12hilfsweise,

13die Revision zuzulassen.

14Das FA beantragt,

15die Klage abzuweisen.

16Unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung macht es geltend, dass es wegen des Nichtanwendungserlasses des BMF vom 20.12.2011 daran gehindert sei, die neuere Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234/30, BStBl. II 2011, 1015) zu berücksichtigen. Die bisherige Rechtsprechung lasse eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nicht zu.

17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten FA-Akten verwiesen.

18Am 29.10.2013 hat vor dem Berichterstatter des Senats ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

19Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

20Die Klage ist begründet.

21Die im Streitjahr angefallenen Aufwendungen für Rechtsanwälte und Gerichtskosten aus Anlass der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

22Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastungen), wird auf Antrag die ESt dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

23Die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von … € sind dem Kl. zwangsläufig entstanden.

24Allerdings bestehen Bedenken, ob die genannten Aufwendungen nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH als zwangsläufig zu beurteilen gewesen sind. Im Falle von Kosten für einen Zivilprozess war dieses Merkmal nur dann zu bejahen, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen war. In der Regel aber ist es der freien Entscheidung der (Vertrags-) Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrecht-lichen Anspruchs einem Prozess-(kosten)Risiko aussetzen. Lasse sich ein Steuerpflichtiger trotz ungewissem Ausgang auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen. Als zwangsläufig anerkannt worden sind Kosten aus Anlass eines Zivilprozesses nur dann, wenn dieser existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Nur dann, wenn ein Steuerpflichtiger ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (bisherige ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. Urteile vom 09.05.1996 III R 224/94, BStBl. II 1996, 596 und vom 27.08.2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 533. Den Bedenken, ob die genannten Maßstäbe im Streitfall erfüllt sind, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen.

25Denn an der vorgenannten Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit hat der BFH seit seinem Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015) nicht mehr festgehalten. Danach sind Kosten für einen Zivilprozess dann als zwangs-läufig zu beurteilen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Kosten eines Zivilprozesses sind auf Seiten des jeweiligen Klägers bzw. Beklagten bereits dann unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus der Sicht eines verständigen Dritten Aussicht auf Erfolg bietet (BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015 unter Tz. 15). Maßgeblich sind demnach die Vorgaben, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen (vgl. Anm. Rosenke zum Urteil des FG München vom 20.04.2012 8 K 2190/09, Entscheidungen der Finanzgerichte, – EFG – 2013, 453).

26Für den Streitfall folgt der Senat dieser neueren Rechtsprechung. Soweit die darin genannten Auslegungsgrundsätze nach dem Erlass des BMF in seinem Schreiben vom 20.12.2011 IV C 4 – S 2284/07/003: 002 -/- 2011/1025909 (BStBl. I 2011, 1286) nicht zu berücksichtigen sein sollen, sind hieran lediglich die nachgeordneten Finanzbehörden gebunden. Eine Bindung der Gerichte vermag hiervon nicht auszugehen.

27Im vorliegenden Rechtsstreit geht es allerdings nicht um die Kosten für einen Zivilprozess. Die vom BFH herausgestellten Grundsätze sind aber auch in den Fällen anzuwenden, in denen – wie im Streitfall – Kosten aus Anlass eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betroffen sind. Grund für die geänderte Rechtsauffassung des BFH zur Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit in seinem Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015) ist der Ausgangspunkt, dass sich im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol streitige Ansprüche regelmäßig nur gerichtlich durchsetzen oder abwehren lassen. Zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten seien die Kontrahenten auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für Fälle eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Soweit es um Maßnahmen eines Trägers öffentlicher Verwaltung geht, kann von dem dadurch Betroffenen eine Korrektur letztlich nur mit gerichtlicher Hilfe begehrt werden. Das vom BFH in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015) betonte staatliche Gewaltmonopol, nach dem zivilrechtliche An-sprüche nur mit Hilfe von Gerichten durchzusetzen oder abzuwehren sind, muss demgemäß auch bei der Durchsetzung von Ansprüchen bzw. Abwehrmaßnahmen im öffentlich-rechtlichen Bereich gelten (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 14.01.2013 11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701, Anm. Trossen EFG 2013, 43, zum Urteil des FG Hamburg vom 24.09.2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41).

28Nach diesen Vorgaben sind im Streitfall die Kosten für die Bezahlung der Rechtsanwälte und der Gerichtskosten aus Anlass der Auseinandersetzungen mit dem Nachbarn wegen des auf dessen Grundstück errichteten Bauvorhabens als zwangsläufig anzusehen. Dass Hilfe des Verwaltungsgerichts in Anspruch genommen wurde, war nicht mutwillig. Der Kl. hatte sich gegen ein Bauvorhaben seines Nachbarn gewandt, welches seiner Auffassung nach nicht gesetzeskonform genehmigt war. Gegenüber dem früheren Eigentümer hatte er in den Vorjahren bereits ein verwaltungsgerichtliches Urteil er-stritten, nach dem das Bauvorhaben rechtswidrig war. Dieses Urteil war auch in Rechtskraft erwachsen.

29Nachdem das Eigentum an dem Nachbargrundstück auf eine andere Person übergegangen war, war der Kl. gegenüber der von der Baubehörde nunmehr nochmals erteilten Genehmigung erneut vorgegangen. Angesichts des Umstands, dass seine Rechtsauffassung hinsichtlich der dem Vorgänger erteilten Genehmigung als nicht rechtmäßig bestätigt war, kann nicht davon gesprochen werden, dass sein erneutes Vorgehen unter Zurhilfenahme des Gerichts mutwillig gewesen ist.

30Für die Inanspruchnahme der Hilfe durch das Verwaltungsgericht hatten auch hinreichende Erfolgsaussichten bestanden. Zumindest hatte in der ersten Instanz das Verwaltungsgericht N. die Rechtsauffassung des Kl. bestätigt.

31Der Höhe nach sind die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten mit … € anzusetzen. Hierüber besteht kein Streit.

32Soweit zum heutigen Zeitpunkt die Gesetzesvorschrift zu den nach § 33 EStG abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen geändert worden ist, hat dies auf die Beurteilung des Streitfalls keinen Einfluss. In Abs. 2 des § 33 EStG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilfe-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Amtshilfe RLUmsG – vom 26.06.2013 (BGBl. 2013, 1809) nach Artikel 2 Nr. 16 folgender Satz 4 angefügt worden: Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Diese Vorschrift gilt aber nach Art. 31 des vorgenannten Gesetzes erst seit dem Tag nach der Verkündung, d. h. seit dem 30.06.2013 (vgl. Juris). Da von dieser Gesetzesänderung keine Rückwirkung ausgeht, ist der Streitfall nach der Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit zu beurteilen, die bis dahin maßgeblich gewesen ist.

33Die ESt für das Streitjahr 2010 errechnet sich damit wie folgt neu:

34Zu versteuerndes Einkommen bisher                                                                            … €

35mehr außergewöhnliche Belastungen                                                                      ./.  … €

36zu versteuerndes Einkommen neu                                                                                … €

37ESt nach Splittingtarif                                                                                                 … €

38Ermäßigung für Handwerkerleistungen                                                                    ./.  … €

39ESt lt. Urteil                                                                                                              … €

40Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709 Nr. 10, 710 ZPO.

42Die Revision ist im Hinblick auf eine Vielzahl von beim BFH anhängigen Revisionsverfahren nach der Änderung seiner Rechtsauffassung zum Merkmal der Zwangsläufigkeit in § 33 EStG zuzulassen (vgl. u. a. VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12, VI R 74/12, VI R 9/13, VI R 16/13, VI R 31/13, sowie XR 34/12).

Reisekostenreform 2014: Überblick über die Neuregelungen

Reisekostenreform 2014: Überblick über die Neuregelungen

Kernaussage
Das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) zur „Reform des steuerlichen Reisekostenrechts – Grundsätze ab dem 1. Januar 2014“ vom 30.9.2013 soll die bisherigen Bestimmungen des Reisekostenrechts neu definieren. Im Wesentlichen erfolgt dies durch Vereinfachungen der Berechnungsgrundlagen sowie durch Anpassungen und Erhöhung der Pauschalen zu Gunsten der Arbeitnehmer.

Ausgewählte Neuregelungen
Im Wesentlichen finden sich im BMF-Schreiben folgende Neuregelungen: Zum Einen wird die regelmäßige Arbeitsstätte durch die so genannte „erste Tätigkeitsstätte“ ersetzt. Zum Anderen werden die Verpflegungspauschalen erhöht und es erfolgt eine Pauschalbesteuerung mit 25 % bis zu 100 % der steuerfrei zu erstattenden Mehraufwendungen. Ferner werden die Verpflegungspauschalen bei arbeitgeberseitig gestellten Mahlzeiten gekürzt und die Behandlung von Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu gestellten Mahlzeiten neu geregelt. Zudem werden neue Kriterien zur Vereinfachung in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Unterkunftskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung und einer Auswärtstätigkeit festgelegt. Schließlich erfolgt noch eine Anhebung der Höchstbeträge für steuerfreie Erstattungen der Unterkunftskosten.

Konsequenz
Die Neuregelung der Reisekostenreform bietet erstmalig Gestaltungsmöglichkeiten zu Gunsten der Arbeitnehmer. Zu beachten ist, dass noch vor dem 1.1.2014 erheblicher Handlungsbedarf in der Praxis besteht, um möglichen Mehraufwand zu vermeiden. Unter anderem sind die internen Reisekostenrichtlinien und Arbeitsverträge zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern. Schulungen der Mitarbeiter sind für eine reibungslose Umsetzung ebenfalls zu erwägen.

Gewerbesteuer-Messbetrag: Schachtelprivileg und Besitzzeitanrechnung

Gewerbesteuer-Messbetrag: Schachtelprivileg und Besitzzeitanrechnung

Kernaussage
Das Umwandlungsteuergesetz (UmwStG) behandelt in § 23 die steuerlichen Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft, wenn diese eingebrachtes Betriebsvermögen mit einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert ansetzt. Die dort angeordnete „entsprechende“ Anwendung bedeutet, dass eine Besitzzeitanrechnung bei der übernehmenden Gesellschaft auch für vorher im Privatvermögen gehaltene Anteile erfolgt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). In der Folge ist dies auch bei den Hinzurechnungs- und Kürzungsbeträgen im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus einem Gewerbebetrieb zu beachten (§ 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a GewStG).

Sachverhalt
Klägerin ist die eine GmbH, die wiederum nur einen alleinigen Gesellschafter hat. Im Dezember 2009 wurde eine Stammkapitalerhöhung um 25.000 EUR beschlossen. Der neue Geschäftsanteil wurde vom Alleingesellschafter übernommen; er leistete dafür 100 % seiner im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an der GmbH. Die Beteiligung wurde zum Buchwert angesetzt und als qualifizierter Anteilstausch behandelt. Die anschließend beschlossene Gewinnausschüttung wurde zu 95 % als steuerfrei behandelt. Entsprechend erging ein Gewerbesteuermessbescheid. Infolge einer Außenprüfung im Jahr 2011 erging ein geänderter Gewerbesteuermessbescheid, da die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nicht erfüllt worden seien. Hiergegen klagte die GmbH.

Entscheidung
Das Finanzgericht Köln gab der Klage statt. Die Revision wurde aber aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Zu Unrecht hatte die Steuerbehörde zum Gewerbeertrag der Klägerin die Gewinnausschüttung hinzugerechnet. Die in § 23 Abs. 1 UmwStG angeordnete „entsprechende“ Anwendung bedeutet, dass in § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG eine Besitzzeitanrechnung auch für vorher im Privatvermögen gehaltene Anteile erfolgt. In der Folge ist dies auch bei § 8 Nr. 5 bzw. § 9 Nr. 2a GewStG (Hinzurechnungen bzw. Kürzungen) zu beachten. Hätte der Alleingesellschafter die Beteiligung nicht im Privat-, sondern im Betriebsvermögen gehalten, wäre die dann teilweise steuerfreie Gewinnausschüttung nicht bei der Gewerbesteuer erhöhend berücksichtigt worden. Diese „günstige Position“ darf nicht durch einen Anteilstausch verloren gehen.

Konsequenz
Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof (BFH) letztinstanzlich entscheiden wird. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte ist zur Besitzzeitanrechnung für im Privatvermögen gehaltener Anteile bisher uneinheitlich.

Verspätete Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen

Verspätete Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen

Kernaussage
Allein aus dem Umstand der verspäteten Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen über einen Zeitraum von 10 Monaten muss der Sozialversicherungsträger nicht auf die Zahlungseinstellung des Schuldners schließen.

Sachverhalt
Der Kläger ist seit Mai 2007 Verwalter in dem auf Eigenantrag eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Im Zeitraum von Februar bis Oktober 2006 zahlte die Schuldnerin mit jeweils etwa 3 bis 4 Wochen Verspätung ihre gesamten Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich angefallener Säumniszuschläge und Mahngebühren. Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung die Erstattung sämtlicher Zahlungen.

Entscheidung
Die Klage blieb mangels Kenntnis der beklagten Einzugsstelle von der Liquiditätslage der Schuldnerin über sämtliche Instanzen erfolglos. Aus der verzögerten Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge können keine Rückschlüsse auf die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin gezogen werden. Von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schuldnerin hatte die Beklagte keine Kenntnis; insbesondere wusste sie nicht, dass die Schuldnerin auch anderen Gläubigern gegenüber Schulden hatte, die nicht pünktlich beglichen wurden. Zudem erfolgten die Zahlungen ohne Androhung der Zwangsvollstreckung mit etwa 3 bis 4 Wochen Verzögerung in voller Höhe zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahngebühren. Aufgrund der vollständigen Zahlung der Beiträge sowie der Säumniszuschläge und Mahngebühren war nicht anzunehmen, dass andere Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht beglichen wurden. In den Fällen der verspäteten Zahlung kann erst bei einer mehrmonatigen Nichtabführung auf eine Zahlungseinstellung geschlossen werden.

Konsequenz
Das Urteil der Bundesgerichtshofs (BGH) ist angesichts der Zahlungsmoral einer Vielzahl von Schuldnern zu begrüßen. Anderenfalls müssten die Gläubiger bei jedem wiederholten Zahlungsverzug bereits von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner ausgehen. Um das Anfechtungsrisiko zu minimieren, ist beim Forderungseinzug stets darauf zu achten, keine hohen Verbindlichkeiten auflaufen zu lassen.

Betriebsprüfung über 11 Jahre kann rechtmäßig sein

Betriebsprüfung über 11 Jahre kann rechtmäßig sein

Kernaussage
Für den Erlass einer Prüfungsanordnung für einen Zeitraum von elf Jahren ist maßgeblich, ob der Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit besteht.

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die Beteiligten zu je 50 % beteiligt sind. Die Klägerin betreibt seit 1995 ein Restaurant. Einer der Gesellschafter ist nicht in das operative Tagesgeschäft des Restaurants eingebunden. Der andere Gesellschafter gab am 8.2.2011 eine Selbstanzeige beim beklagten Finanzamt ab. In dieser erklärte er für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2009 Einkünfte aus Kapitalvermögen von insgesamt über 130.000 EUR nach. Im März 2011 zeigte die Klägerin dem Finanzamt an, dass der anzeigende Gesellschafter jährlich ca. 24.000 EUR an Trinkgeldern erzielt habe und diese steuerfrei behandelt worden seien. Im August 2009 ordnete das Finanzamt – ohne weitere Begründung – eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2000 – 2010 bei der GbR an. Anschließend wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen den Gesellschafter eingeleitet. Die GbR legte gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein und machte geltend, dass der Prüfungszeitraum regelmäßig nur 3 zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen dürfe. Gegen die Einspruchsablehnung, in der das Finanzamt zur Begründung des Prüfungsumfangs auf den Verdacht einer Steuerstraftat hinwies, erhob die GbR Klage beim Finanzgericht.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Prüfungsanordnung war rechtmäßig. Zunächst war sie ausreichend begründet, da bei Gewerbetreibenden der Hinweis auf die gesetzliche Zulässigkeit einer Außenprüfung (§ 193 Abs. 1 AO) genügt und auch Gründe zur Abweichung vom Regel-Prüfungsumfang nachgeschoben wurden. Weiter war die Prüfungsanordnung auch in der Sache nicht zu beanstanden. Für den Erlass einer mehr als 3 Besteuerungszeiträume umfassenden Prüfungsanordnung ist insoweit nicht entscheidend, ob eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit begangen oder nicht begangen wurde. Maßgeblich ist nur, ob der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. Dies ist vorliegend bereits aufgrund der Einleitung der Strafverfahren der Fall.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass in speziellen Fällen der Regelprüfungszeitraum erheblich überschritten werden kann. Im Übrigen verdeutlicht die Entscheidung, dass auch nach Einleitung eines Strafverfahrens Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung erfolgen können. Es besteht keine sich gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung (vgl. § 393 AO).

Wann ist eine Prüfungsanordnung mangels Bestimmtheit nichtig?

Wann ist eine Prüfungsanordnung mangels Bestimmtheit nichtig?

Kernaussage
Die Anordnung für eine Betriebsprüfung ist hinreichend begründet, wenn sie die für die Ermessensausübung auch des beauftragenden Finanzamts maßgebenden Erwägungen enthält. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied kürzlich, dass eine Prüfungsanordnung nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig ist, wenn für den Steuerpflichtigen der Regelungsgehalt nicht ernsthaft zweifelhaft sein kann. Das vorübergehende Bestehen von 2 Prüfungsanordnungen, die sich inhaltlich nicht widersprechen, führt ebenfalls nicht zu deren Nichtigkeit.

Sachverhalt
Im November 2009 bat das beklagte Finanzamt das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, um die Befugnis zum Erlass einer Prüfungsanordnung und Durchführung der anschließenden Außenprüfung. Begründet wurde dies damit, dass bei dem betreffenden Konzern eine Außenprüfung durchgeführt werde (Prüfungszeitraum 2001 bis 2004). Zum Konzernbereich gehöre „nachstehendes Unternehmen: Eheleute A und B“ (darunter der Kläger). Es sei zweckmäßig, dieses Unternehmen nicht vom Wohnsitzfinanzamt aus zu prüfen, weil sich dort nicht die Buchführung und die Auskunftspersonen befänden. Es drohe die Verjährung des Prüfungszeitraums 2002. Noch im November 2009 teilte das Wohnsitzfinanzamt dem beklagte Finanzamt mit, es übertrage ihm die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Zuvor hatte das Finanzgericht eine Prüfungsanordnung des beklagten Finanzamts aus dem Jahr 2006 für die Jahre 2001 bis 2004 mangels örtlicher Zuständigkeit des beklagten Finanzamts aufgehoben. Die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen blieb erfolglos. Mit Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 ordnete das beklagte Finanzamt gegenüber dem Kläger die Durchführung einer Außenprüfung an, gab als Prüfungsgegenstand „Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002-2004“ an und führte zur Begründung u. a. aus, das beklagte Finanzamt sei vom Wohnsitzfinanzamt mit der Prüfung beauftragt worden; die Prüfung erfolge im Zusammenhang mit der laufenden Außenprüfung der Firmengruppe Z und umfasse nicht die Sachverhalte (Tat im prozessualen Sinn), welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 6.3.2009 abgedeckt würden. Der Einleitung des Steuerstrafverfahrens ging eine Selbstanzeige des Klägers voraus, die Einkünfte aus Kapitalvermögen ausländischer Herkunft betraf. Während das Finanzgericht der hiergegen gerichteten Klage noch stattgab und die Prüfungsanordnung des beklagten Finanzamts vom 1.12.2009 aufhob, wies der BFH die Klage endgültig ab.

Entscheidung
Für die Besteuerung des Klägers zuständig war zunächst das Wohnsitzfinanzamt. Durch innerdienstliches Schreiben vom November 2009 hatte dieses das beklagte Finanzamt mit der Durchführung der Außenprüfung bei dem Kläger beauftragt. Dem Auftrag lag eine Ermessensentscheidung der beauftragenden Finanzbehörde zugrunde. Die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sie mit Gründen versehen ist, die die Ermessenserwägungen der Behörde erkennen lässt. Die angefochtene Prüfungsanordnung enthält die für die Ermessensausübung des Wohnsitzfinanzamts maßgebenden Erwägungen: der Steuerpflichtige (der Kläger), der Prüfungsumfang (Einkommensteuer und gesonderte Feststellungen sowie Umsatzsteuer 2002 bis 2004) und die tragenden Ermessenserwägungen für die Auftragsprüfung (einheitliche Prüfung des Konzerns). Eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung schied ersichtlich aus: Die streitige Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 sollte „neben die Prüfungsanordnung vom 11.12.2006“ treten, die vom Finanzgericht mangels Zuständigkeit des beklagten Finanzamts aufgehoben worden war. Zwar ist das Urteil erst mit BFH-Beschluss, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Finanzamts zurückgewiesen worden ist, rechtskräftig geworden. Das vorübergehende gleichzeitige Bestehen beider Prüfungsanordnungen führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung, da sich die beiden Anordnungen in ihrem Regelungsgehalt hinsichtlich des Prüfungszeitraums (2002 bis 2004), des Steuerpflichtigen (dem Kläger) und der zu prüfenden Steuerarten (Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer) nicht widersprachen.

Konsequenz
Die Prüfungsanordnung war auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt der Prüfungsanordnung aus der Sicht des Empfängers. Denn für den Kläger konnte der Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Prüfungsgegenstand war Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002 bis 2004 mit Ausnahme der „Sachverhalte, welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 6.3.2009 abgedeckt“ wurden.

Insolvenz: Kündigungsschutzklagen nicht immer gegen Insolvenzverwalter zu richten

Insolvenz: Kündigungsschutzklagen nicht immer gegen Insolvenzverwalter zu richten

Kernfrage
Fällt ein Arbeitgeber (Einzelunternehmen) in Insolvenz, geht die Verfügungsbefugnis mit Rücksicht auf die beim Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes auf den Insolvenzverwalter über. Klagen gegen den Arbeitgeber sind deshalb gegen den Insolvenzverwalter zu richten; dieser ist regelmäßig passiv legitimiert. Gleichzeitig kann der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit eines Arbeitgebers aus der Insolvenzmasse freigeben. Mit anderen Worten, diese selbständige Tätigkeit kann der Arbeitgeber weiter in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung und eigenes Risiko fortführen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob im Falle einer solchen Freigabe eine Klage gegen den Arbeitgeber weiterhin gegen den Insolvenzverwalter zu richten ist.

Sachverhalt
Ein Einzelunternehmer hatte einen Arbeitnehmer fristlos entlassen. Kurze Zeit später wurde das Insolvenzverfahren über den Einzelunternehmer eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter seinerseits gab die selbständige Tätigkeit unmittelbar aus der Insolvenzmasse frei. Danach klagte der Arbeitnehmer gegen den Insolvenzverwalter gegen die Kündigung.

Entscheidung
Zuletzt erklärte das BAG die Klage für unzulässig. Richtiger Klagegegner (= Beklagter) wäre der Arbeitgeber gewesen. Die wirksame Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters bewirke, dass dessen mit Insolvenz eintretende Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverhältnisse (wieder) an den Arbeitgeber zurückfalle und durchbreche insoweit den insolvenzrechtlichen Grundsatz der Verfügungsbefugnis über Arbeitsverhältnisse durch den Insolvenzverwalter.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Tücken im Umgang mit Arbeitsverhältnissen in der Insolvenz des Arbeitgebers. Vorsorglich wird der insolvenzrechtliche Status vorab zu klären sein. Allerdings dürfte die Entscheidung nur auf die Insolvenz von Einzelunternehmern bzw. Gesellschaften mit ausschließlich persönlich haftenden Gesellschaftern Anwendung finden.

Verwertungsverbot von Zufallsfunden im Besteuerungsverfahren

Verwertungsverbot von Zufallsfunden im Besteuerungsverfahren

Kernaussage
Zufallserkenntnisse, die bei einer gegen einen anderen Beschuldigten durchgeführten Telefonüberwachung gewonnen werden, dürfen in einem Besteuerungsverfahren gegen den Betroffenen nur eingeschränkt verwendet werden. Eine Verwendung ist zulässig, wenn die dem Betroffenen im Haftungsbescheid zur Last gelegte Straftat strafprozessrechtlich die Anordnung einer Telefonüberwachung gerechtfertigt hätte.

Sachverhalt
Der Kläger wurde als Haftender für Tabaksteuer vom Hauptzollamt mit der Begründung in Anspruch genommen, er habe das Kaufgeschäft von unverzollten und nicht versteuerten Zigaretten vermittelt und damit den Tatbestand der einfachen (d. h. nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangenen) Steuerhehlerei erfüllt. Im Strafverfahren wurde nur der Verkäufer der Zigaretten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt, dem Kläger konnte keine Beteiligung nachgewiesen werden. Dennoch ging das Hauptzollamt im Haftungsbescheid von einer Verkaufsvermittlung durch den Kläger aus und stützte sich dabei auf die Protokolle aus einer (aus anderen Gründen angeordneten) Telefonüberwachung aus dem Jahr 2007. Der Kläger legte erfolglos Einspruch gegen den Bescheid ein. Das Finanzgericht hob den Bescheid mit der Begründung auf, dass für die zufälligen Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung ein Verwertungsverbot bestanden habe. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Hauptzollamts.

Entscheidung
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg, da das Urteil auf keinem Verfahrensmangel beruht. Im Ergebnis teilt der Bundesfinanzhof (BFH) die Auffassung des Finanzgerichts. Er führt aus, dass unter bestimmten Voraussetzungen, die in der Strafprozessordnung (StPO) und der Abgabenordnung (AO) näher festgelegt sind, Auskünfte aus Strafverfahren an die Finanzbehörden zur Feststellung eines Haftungsanspruchs wegen einer begangenen Steuerhehlerei zwar grundsätzlich zulässig sind, sie aber den besonderen Voraussetzungen der Vorschrift der StPO zur Informationsübermittlung unterliegen. Nach dieser Vorschrift dürfen aufgrund einer nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässigen Maßnahme erlangte personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach der StPO hätte angeordnet werden dürfen. Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung dürfen zu Beweiszwecken daher nur verwertet werden, wenn sich die Erkenntnisse auf eine Tat beziehen, bei der nach der StPO eine Überwachung zulässig ist. Andernfalls besteht für die Erkenntnisse nach dieser Vorschrift ein Verwertungsverbot. Die Maßnahme der Anordnung einer Telefonüberwachung ist für die Aufklärung des Verdachts einer einfachen Steuerhehlerei unzulässig, allein bei einem Verdacht der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung wäre eine Überwachung zulässig gewesen. Zu letzterem hatte das Hauptzollamt aber nichts vorgetragen. Ein solcher Verdacht war auch nicht ersichtlich. Es bestand daher ein Verwertungsverbot.

Konsequenz
Werden Zufallsfunde in einem Besteuerungsverfahren verwertet, ist genau zu prüfen, ob diese Verwertung auch zulässig ist oder ob ein Verwertungsverbot besteht.

Festsetzung unbezahlter Umsatzsteuervorauszahlungen als Masseverbindlichkeit

Festsetzung unbezahlter Umsatzsteuervorauszahlungen als Masseverbindlichkeit

Kernaussage
Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Für die „Zustimmung“ reicht es aus, wenn sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt hat.

Sachverhalt
Der Kläger wurde im Oktober 2011 zum sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter einer Kommanditgesellschaft (KG) bestellt und führte den Geschäftsbetrieb zunächst fort. Für die Monate Oktober und November 2011 reichte die KG Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim beklagten Finanzamt ein. Zahlungen auf die Umsatzsteuer erfolgten nicht. Zum 31.12.2011 wurde der Geschäftsbetrieb eingestellt, das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen abweichend von den Voranmeldungen gegenüber dem Insolvenzverwalter fest. Die Steuerfestsetzungen wurden mit einem Leistungsgebot verbunden. Der Kläger ist u. a. der Auffassung, dass hinsichtlich der geforderten Beträge keine Masseverbindlichkeiten im Sinne der Insolvenzordnung begründet worden seien.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab. Die streitigen Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Oktober und November 2011 sind wie Masseverbindlichkeiten zu behandeln, denn sie sind mit Zustimmung des Klägers als „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden. Ausreichend ist, dass sich der Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt. Der vorläufige Insolvenzverwalter stimmt demnach nicht mehr zu, sobald er Umsatzgeschäften des Schuldners widerspricht. Das Finanzamt ist zudem berechtigt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gegenüber dem Kläger festzusetzen. Die Insolvenzmasse betreffende Steuerbescheide können nämlich nicht mehr durch Bekanntgabe an den Insolvenzschuldner wirksam werden, weil dieser durch die Verfahrenseröffnung seine Verfügungsrechte verloren hat.

Konsequenz
Wie die Geltendmachung von solchen Steuerforderungen die insolvenzrechtlich als Masseverbindlichkeiten gelten, durch das Finanzamt in der Praxis zu erfolgen hat, ist höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) ist daher zugelassen.

Schenkungsteuer bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus WP-Gesellschaft?

Schenkungsteuer bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus WP-Gesellschaft?

Kernaussage
Das Finanzgericht Düsseldorf hat aktuell entschieden, dass keine Schenkungsteuer entsteht, wenn der Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter Auszahlung nur des Nennbetrags seines Geschäftsanteils aus einer Kapitalgesellschaft ausscheidet, welche nach dem so genannten Managermodell organisiert ist.

Sachverhalt
Eine Wirtschaftsprüfgesellschaft mit beschränkter Haftung hatte den Geschäftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters zum Nennwert auf einen Treuhänder übertragen. Der Treuhänder hatte den Anteil bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters für die verbliebenen Altgesellschafter zu halten. Die Finanzverwaltung forderte daraufhin eine Schenkungsteuererklärung der Gesellschaft und setzte Schenkungsteuer fest. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage der Gesellschaft statt, die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde zugelassen.

Entscheidung
Das Gericht hat eine Schenkungsteuerpflicht für die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Treuhänder verneint. Die Gesellschaft ist nicht Steuerschuldnerin, da der Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters nicht auf sie übergegangen war. Vielmehr wurde der Geschäftsanteil dem Treuhänder zum Nennwert übertragen. Laut Finanzgericht gab es weder eine Bereicherung der Gesellschaft noch der verbliebenen Gesellschafter, noch sei es zu einem Übergang der Vermögenssubstanz auf die Gesellschaft oder die anderen Gesellschafter gekommen.

Konsequenz
Scheidet ein Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfgesellschaft unter Auszahlung des Nennbetrags seines Anteils aus und erfolgt eine Übertragung auf einen Treuhänder, so fällt keine Schenkungsteuer an. Wichtig ist, dass es keine Bereicherung der Gesellschaft oder der verbleibenden Gesellschafter gibt und ihnen auch keine Vermögenssubstanz übertragen wird.