Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Auch freie Berufe können in Liebhaberei betrieben werden

Freiberufler: Gewinnerzielungsabsicht bei Rechtsanwaltskanzlei

Leitsatz

1) Bei einer Anwaltskanzlei entfällt ein für die Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis, wenn nicht das Streben nach Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend sind.

2) Indizien für persönliche Gründe können entweder hohe andere Einkünfte sein, mit denen der Stpfl. die Verluste verrechnet, oder das Unterlassen von Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität trotz ständiger und nachhaltiger Verluste.

Gesetze

EStG § 18 Abs 1 Nr 1

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt in den Streitjahren 2003 bis 2010 mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger ist seit dem Jahr 1994 Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei in C. Seit 1996 beschäftigt er eine halbtags tätige Rechtsanwältin, Frau S, als Angestellte und seit dem Jahr 2000 zusätzlich Herrn E als Rechtsanwalt in Vollzeit. Die Klägerin ist bei dem Kläger in Teilzeit als Bürokraft tätig (400,– EUR-Basis). Durch die Rechtsanwaltskanzlei erzielt der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Darüber hinaus erzielte er in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung betrugen zusammen jährlich zwischen 95.798,– EUR (2006) und 193.395,– EUR (2008).

Bereits seit dem Jahr 1995 verzeichnete der Kläger aus dem Betrieb der Rechtsanwaltskanzlei Verluste (mit Ausnahme eines für das Jahr 1998 vom Beklagten geschätzten Gewinns von 30.000,– DM). Die Verluste summierten sich in den Jahren 1995 bis 2001 auf 376.967,– DM, im Jahr 2002 betrug der Verlust 85.192,– EUR.

Für die Streitjahre gaben die Kläger Einkommensteuererklärungen ab. Hierin erklärten sie folgende Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit, die sich wie folgt zusammensetzten (gerundet auf volle Euro):

 

 Jahr

 2003

 2004

 2005

 2006

 2007

 2008

 2009

 2010

   Summe

 Einnahmen

 83.208

 103.279

 105.045

 94.589

 82.188

 86.396

 101.180

 88.499

   744.384

 Ausgaben

 135.716

 157.114

 171.461

 138.971

 130.921

 132.349

 137.167

 110.472

   1.114.171

   davon Personal

   64.585

   75.551

   73.513

   68.166

   65.776

   65.419

   69.009

   62.127

   544.146

   Gewinn

   -52.508

   -53.835

   -66.416

   -44.382

   -48.733

   -45.953

   -35.987

   -21.973

   -369.787

 

Der Beklagte erließ für die Jahre 2003 bis 2007 zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – hinsichtlich der Einkünfte der Rechtsanwaltskanzlei ergingen, da – wie der Beklagte in den Bescheiden erläuterte – die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne (Liebhaberei).

Aufgrund einer bei dem Kläger im Jahr 2007 durchgeführten Betriebsprüfung führte der Prüfer in seinem Prüfungsbericht vom 17.04.2007 aus, er habe die Frage der Gewinnerzielungsabsicht nicht endgültig klären können. Für die ersten Jahre der Selbständigkeit seien die Anlaufverluste allerdings u.a. durch Abschreibungen erklärbar. In den Jahren 2000 bis 2002 seien krankheitsbedingt weniger Einnahmen und höhere Ausgaben angefallen. Für die Jahre ab 2003 sei noch eine nähere Prüfung erforderlich.

Diese Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nahm der Beklagte im Jahr 2010 auf. Nach entsprechender Anhörung erließ er am 20.04.2010 Änderungsbescheide zur Einkommensteuer gem. § 165 Abs. 2 Satz 1 AO , mit denen er die geltend gemachten Verluste des Klägers aus selbständiger Arbeit nicht mehr anerkannte. Dementsprechend setzte er die Einkommensteuer auf 63.208,– EUR (2003), 55.740,– EUR (2004), 54.910,– EUR (2005), 22.552,– EUR (2006) und 73.377,– EUR (2007) fest. Für das Jahr 2008 setzte er mit Bescheid vom 29.04.2010 die Einkommensteuer erstmals auf 52.592,– EUR fest, ohne Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus ergingen an demselben Tag Vorauszahlungsbescheide für die Jahre 2009 und 2010, in denen der Beklagte ebenfalls keine Verluste aus der Rechtsanwaltskanzlei berücksichtigte. Die Bescheide waren an den Kläger und an „Frau Z G-G” gerichtet.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger am 18.05.2010 Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens erging mehrfach, zuletzt am 11.06.2010 ein Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2008.

Nach Auffassung der Kläger sind die angefochtenen Bescheide nichtig, da der Name der Klägerin falsch angegeben worden sei. Anders als in den Bescheiden genannt heiße die Klägerin nicht „Z G-G”, sondern Z G.

In der Sache habe der Kläger seine anwaltliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – seien bei Tätigkeiten, die nicht typischerweise dem Hobbybereich zuzurechnen seien, allein langjährige Verluste nicht ausreichend, um die Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen. Vielmehr müsse der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausüben (BFH-Beschluss vom 25. 9. 2009 VIII B 76/08 ). Solche Gründe lägen bei dem Kläger nicht vor. Die maßgeblichen Kosten der Kanzlei bestünden aus Löhnen und Gehältern und hätten mit dem privaten Bereich nicht die geringste Beziehung. Die Kosten seien vielmehr so niedrig wie möglich gehalten worden, z.B. finde keine Fremdfinanzierung statt. Auch eine von dem Beklagten als Privatmotiv genannte repräsentative Kanzleiführung bestehe nicht, da die Kanzlei ausschließlich in eigenen Räumlichkeiten geführt werde. Die Kanzlei werde auch nicht wegen des mit der anwaltlichen Tätigkeit verbundenen „Sozialprestiges” betrieben, dieses lasse sich auf andere Weise ungleich kostengünstiger erlangen. Als persönliches Motiv könne schließlich nicht ein Streben nach Steuerersparnis gewertet werden. Denn unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Ausgaben könne sich erst bei einem Steuersatz von über 100 % ein positiver Gesamteffekt ergeben.

Vielmehr spreche im Streitfall für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht insbesondere, dass der Kläger seine Kanzlei mit vollem persönlichem Einsatz in Vollzeit ausübe und durchgehend mindestens drei Angestellte beschäftige. Seine Umsätze seien deutlich höher als in anderen vom BFH entschiedenen Sachverhaltskonstellationen (BFH-Urteil vom 14.12.2004 XI R 6/02 , Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 208, 557, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2005, 392 ). Außerdem besuchten der Kläger und seine zwei angestellten Rechtsanwälte regelmäßig Fortbildungen. Frau S habe im Jahr 2002 erfolgreich die Prüfung zur Fachanwältin für Familienrecht abgelegt und im Jahr 2003 die Zulassung als Fachanwältin erhalten. Sie habe zudem bereits seit dem Jahr 2000 fortlaufend die zeitaufwendigen Fortbildungsveranstaltungen zum Erwerb des Anwaltsnotariats besucht. In den Jahren 2003 und 2007, in denen sie sich jeweils um eine frei gewordene Stelle als Anwaltsnotarin beworben habe, sei sie jeweils wegen eines stärkeren Konkurrenten nicht zum Zuge gekommen. Frau S habe zudem im Jahr 2009 eine Fortbildung zum Verfahrensbeistand für Kinder und Jugendliche nach §§ 158 und 167 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG – abgeschlossen. Auch Herr E habe im Jahr 2006 erfolgreich einen Lehrgang für die Zulassung als Fachanwalt für Verkehrsrecht besucht und sei im Jahr 2007 als Fachanwalt zugelassen worden. Diese Fortbildungen seien insbesondere aus der ex-ante-Sicht erfolgversprechend gewesen, um den Umsatz zu steigern.

Der tatsächlich ausgebliebene Umsatzanstieg sei aber im Wesentlichen darauf zurückzuführen gewesen, dass in derselben Zeit Kollegen aus zwei konkurrierenden Kanzleien jeweils eine Zulassung als Fachanwalt für Familienrecht und Verkehrsrecht erworben hätten. Außerdem sei die Anwaltsdichte in C insgesamt angestiegen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.05.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Dies begründete er damit, dem Kläger habe bei seiner freiberuflichen Tätigkeit die Gewinnerzielungsabsicht gefehlt. Zwar sei den Klägern grundsätzlich darin zuzustimmen, dass bei einer Rechtsanwaltskanzlei der Beweis des ersten Anscheins für eine Gewinnerzielungsabsicht spreche. Im Streitfall ergebe sich jedoch aus den objektiven Umständen, dass der Kläger seine Kanzlei in einer Art und Weise führe, die nicht zum Erzielen von Gewinnen geeignet sei, so dass der Anscheinsbeweis entfalle. Ein Totalgewinn sei angesichts der bereits insgesamt angefallenen Verluste von rund 650.000 EUR nicht mehr zu erwarten. Dies zeige sich bereits an den Personalkosten der angestellten Rechtsanwälte, die über die Jahre deutlich höher seien als die vereinnahmten Gesamthonorare. Außerdem betrügen die durchschnittlichen Einnahmen des Klägers im Streitzeitraum nur ungefähr die Hälfte des durchschnittlichen Umsatzes, der von einem in Vollzeit tätigen Rechtsanwalt erwartet werden könne, und nur ungefähr ein Viertel eines in einer Sozietät tätigen Rechtsanwaltes. Der jährliche Umsatz sei – auf die drei in der Kanzlei des Klägers tätigen Anwälte heruntergebrochen – auf niedrigstem Niveau stagniert, so dass nicht einmal die notwendigen Kosten gedeckt werden könnten.

Der Kläger habe gegen die Verlustsituation auch keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen. Denn die laufenden Fortbildungen und Zusatzqualifikationen seien bei freien Berufen eher als selbstverständliches Erfordernis anzusehen und hätten keinen Erfolg gezeigt. Hierbei sei auch das angestrebte Notariat der angestellten Rechtsanwältin S unbeachtlich, da es sich lediglich um eine Spekulation über eine möglicherweise künftig eintretende Veränderung handle und der erhoffte Erfolg auch deshalb hätte ausbleiben können, weil die Angestellte aus der Kanzlei hätte ausscheiden können. Vielmehr hätte der ausbleibende Erfolg ein Umdenken bzw. weitere Maßnahmen erforderlich gemacht. Auch die von den Klägern vorgebrachte Ansiedelung weiterer Anwaltskanzleien lasse den ausbleibenden Erfolg des Klägers nicht schlüssig erscheinen, da die anderen Kanzleien einem vergleichbaren wirtschaftlichen Druck hätten ausgesetzt sein müssen.

Insgesamt sei die betriebswirtschaftlich ungewöhnliche Strategie des Klägers und die dargestellte Arbeits- und Büroorganisation auf in der Privatsphäre liegende Umstände zurückzuführen. Dem Kläger komme es offenbar auf das mit einer repräsentativen Kanzlei verbundene Sozialprestige und das damit in einer Kleinstadt wie C verbundene gesellschaftliche Ansehen an. Außerdem sei der Kläger wegen seiner erheblichen Kapitalerträge nicht darauf angewiesen, mit der selbständigen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem würde dem Kläger durch eine Verrechnung der Verluste eine Steuerersparnis bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen zugute kommen, was ebenfalls als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht zu werten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

Die Kläger haben am 10.06.2011 Klage erhoben, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgen. Im Laufe des Klageverfahrens ist am 20.09.2011 ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009, am 01.08.2012 ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 ergangen.

Ergänzend und vertiefend zu ihrer Einspruchsbegründung tragen die Kläger Folgendes vor:

Die Kanzlei des Klägers sei von Anfang an objektiv geeignet gewesen, einen Totalgewinn zu erzielen. Sie werde im ca. 150 qm großen Erdgeschoss der sog. „T-Villa” in C betrieben, eines gut wahrnehmbaren und repräsentativen Altbaus aus der Gründerzeit, der im Alleineigentum des Klägers stehe. Die Büroöffnungszeiten seien branchenüblich, das Telefon durchgehend besetzt. Es seien mehrere Hinweisschilder auf die Kanzlei vorhanden. Der Kläger führe außerdem seit dem Jahr 2007 ein „corporate design” und einen professionellen Internetauftritt. Die technische Ausstattung sei angemessen, aber so kostengünstig wie möglich.

Der Kläger habe auf die Verlustsituation in geeigneter Weise reagiert und die erforderlichen Umstrukturierungen vorgenommen. Zur Beurteilung, ob Umstrukturierungen (hier insbesondere Fortbildungen und Fachanwaltschaften) geeignet seien, sei auf den Erkenntnishorizont im Zeitpunkt der Umstrukturierung abzustellen (ex-ante-Sicht). Es genüge, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die Gewinnzone erreicht werden könnte. Dies sei wegen der durch Fortbildungen, Fachanwaltschaften und ein mögliches Notariat zu erwartenden erheblichen Umsatzsteigerungen anzunehmen gewesen. … Für die Zukunft strebe der Kläger an, als Mediator und Testamentsvollstrecker anerkannt zu werden. Frau S erwäge, sich als Verfahrenspflegerin für Betreuungssachen zu bestellen. Dass alle diese Maßnahmen in der Vergangenheit wegen der zugenommenen Konkurrenz und auch wegen einer überwiegenden Anzahl von Aufträgen mit geringen Streitwerten bzw. auf Basis der Beratungshilfe nicht erfolgreich gewesen seien, sei nicht vorhersehbar gewesen und dürfe ihnen – den Klägern – daher nicht angelastet werden. Für das Jahr 2011 erwarte der Kläger hingegen eine „schwarze Null”, für das Jahr 2012 sogar einen leichten Gewinn.

Auch die Beschäftigung von zwei angestellten Rechtsanwälten mit jährlich sechsstelligen Honorareinnahmen sei ein Indiz für eine Gewinnerzielungsabsicht (BFH-Urteil vom 14. 12. 2004 XI R 6/02 , BFHE 208, 557 , BStBl II 2005, 392 unter II.3 c). Von einer Sozietät mit drei Anwälten gehe in einem kleinen Ort wie C eine erhebliche Werbewirkung aus, außerdem diene dies der Qualitätssteigerung. Die angetragenen Mandate würden entsprechend der beiden Fachanwaltschaften verteilt, im Übrigen habe jeder Anwalt Tätigkeitsschwerpunkte herausgebildet. Bei allen drei Anwälten ergäben sich im Tagesgeschäft allerdings regelmäßig zeitliche Leerläufe, in denen die Anwälte keine Aufträge zu bearbeiten hätten. Vor diesem Hintergrund kontrolliere der Kläger auch nicht, wie viel Zeit der einzelne Anwalt auf welches Mandat verwende. Es seien insgesamt hinreichend Zeitkapazitäten vorhanden. Teilweise würden Mandate auch von mehreren Anwälten bearbeitet. Es sei aber sicher nicht angezeigt gewesen, die angestellten Anwälte zu entlassen, da sich hierdurch das Beratungsangebot verkleinert hätte und ein negativer Umsatzeffekt zu erwarten gewesen wäre.

Schließlich könne die Möglichkeit einer Verrechnung der Verluste mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten nicht als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht gewertet werden, weil der BFH gerade bei sog. „echten Verlusten” anerkannt habe, dass deren Verrechnung für sich allein kein privates Motiv sei (BFH-Urteil vom 21. 7. 2004 X R 33/03 , BFHE 207, 183 , BStBl II 2004, 1063). Gerade bei „echten Verlusten” schädige sich der Kläger selbst, wenn er durch hohe Betriebsausgaben eine deutlich geringere Steuerersparnis erkaufe. Allein die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Verlustverrechnung könne daher kein privates Motiv sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 05.08.2011 und 15.05.2012 sowie auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 28.03.2012 verwiesen.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2011, und die Einkommensteuerbescheide für 2009 und 2010 zu ändern und die von ihnen erklärten Verluste aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers anzuerkennen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, aus Sicht des Klägers hätte es nahe gelegen, als erforderliche Umstrukturierungsmaßnahme auf die Beschäftigung und Bezahlung der angestellten Rechtsanwälte zu verzichten und die offenbar nur gering vorhandene Arbeit selbst zu erledigen. Der Kläger habe auf diese Umstrukturierung auch nur deshalb verzichten können, weil er aufgrund seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen nicht auf einen Überschuss aus der anwaltlichen Tätigkeit angewiesen sei.

Der Senat hat am 22.08.2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

1) Entgegen der Auffassung der Kläger sind die angefochtenen Bescheide nicht nichtig. Gem. § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Schwerwiegend ist ein Fehler insbesondere dann, wenn ein Verwaltungsakt etwas anordnet oder verlangt, was anzuordnen oder zu verlangen das Gesetz unter keinen Umständen jemals zulässt, weil es mit seinen grundlegenden Wertvorstellungen oder mit tragenden Verfassungsprinzipien unvereinbar und die Beachtung des Verwaltungsakts zu erwarten daher unerträglich wäre (BFH-Beschluss vom 21.06.2010 VII R 27/08 , BFHE 229, 492 , BStBl II 2011, 331).

Dies ist im Streitfall nicht anzunehmen, da die angefochtenen Bescheide der Auslegung zugänglich sind. Im Streitfall ergibt die Auslegung, dass Adressatin der angefochtenen Bescheide neben dem Kläger auch die Klägerin war mit ihrem tatsächlichen Namen Z G.

2) Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die geltend gemachten Verluste des Klägers aus selbständiger Arbeit anzuerkennen.

Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit steuerpflichtig als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG . Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG u.a. die selbständige Berufstätigkeit der Rechtsanwälte.

Die von den Klägern geltend gemachten negativen Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit sind in den Streitjahren nicht als Einkünfte gem. § 18 EStG anzuerkennen, da dem Kläger das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht fehlte.

Auch bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit ist eine derartige Gewinnerzielungsabsicht zu fordern (BFH-Urteil vom 31. 5. 2001 IV R 81/99 , BFHE 195, 382 , BStBl II 2002, 276; BFH-Beschluss vom 25. 5. 2012 III B 233/11 , juris). Dies ergibt sich zum einen aus der ausdrücklichen Verweisung in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG , wonach es genügt, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist; das setzt gedanklich voraus, dass überhaupt eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Zum anderen ergibt sich dies auch aus dem Negativmerkmal des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG , wonach eine selbständige nachhaltige Betätigung, die u.a. mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, nur dann Gewerbebetrieb ist, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung selbständiger Arbeit anzusehen ist (BFH-Urteil vom 26. 2. 2004 IV R 43/02 , BFHE 205, 243 , BStBl II 2004, 455). Hieraus ist zu schließen, dass auch bei der selbständigen Arbeit eine Gewinnerzielungsabsicht i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlich ist.

a) Zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit sind alle Umstände des Einzelfalles einschließlich etwaiger Besonderheiten der Verhältnisse zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 14. 12. 2004 XI R 6/02 , BFHE 208, 557 , BStBl II 2005, 392). Der Nachweis der Gewinnerzielungsabsicht kann, da es sich um eine innere Tatsache handelt, aber nur anhand äußerer Merkmale geführt werden. Aus objektiven Umständen (sog. Beweisanzeichen) muss auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht zur Gewinnerzielung geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405 , BStBl II 1984, 751 , 766 ).

Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. In diesem Fall deuten längere Verlustperioden erst dann auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hin, wenn die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. 6. 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405 , BStBl II 1984, 751 , 766 ; BFH-Urteil vom 22. 4. 1998 XI R 10/97 , BFHE 186, 206 , BStBl II 1998, 663). Bei einer Anwaltskanzlei spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Anwalt seine Kanzlei in der Absicht betreibt, Gewinne zu erzielen; denn ein Unternehmen dieser Art ist regelmäßig nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (BFH-Urteile vom 31. 5. 2001 IV R 81/99 , BFHE 195, 382 , BStBl II 2002, 276, und vom 22. 4. 1998 XI R 10/97, BFHE 186, 206 , BStBl II 1998, 663).

Die zitierte Rechtsprechung kann allerdings nicht in der Weise verstanden werden, dass bei einer Anwaltskanzlei automatisch eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden könnte. Vielmehr entfällt auch bei einer Anwaltskanzlei ein für die Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis bereits dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe des Steuerpflichtigen für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend waren (BFH-Urteil vom 14. 12. 2004 XI R 6/02 , BFHE 208, 557 , BStBl II 2005, 392).

Persönliche Gründe sind alle einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motive (BFH-Urteil vom 19. 11. 1985 VIII R 4/83 , BFHE 145, 375 , BStBl II 1986, 289, m.w.N.). Als relevante Indizien für die Führung des Verlustbetriebs aus persönlichen Gründen hat die Rechtsprechung – gerade auch im Fall einer Rechtsanwaltskanzlei – im Wesentlichen zwei zu würdigende Umstände entwickelt:

(1) Zum einen erscheint es als persönliches Motiv, wenn dem Steuerpflichtigen hohe andere Einkünfte zur Verfügung stehen, mit denen er seine freiberuflichen Verluste verrechnet (BFH-Urteile vom 14. 12. 2004 XI R 6/02 , BFHE 208, 557 , BStBl II 2005, 392, und vom 26. 2. 2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243 , BStBl II 2004, 455) und hierdurch Steuern spart (BFH-Beschluss vom 27. 5. 2008 VIII B 123/07 , juris; BFH-Urteile vom 14. 12. 2004 XI R 6/02 , BFHE 208, 557 , BStBl II 2005, 392 und vom 23. 8. 2000 X R 106/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2001, 160; Wacker in Schmidt, Kommentar zum EStG , 31. Auflage, § 15 Rz. 32). Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es für die Steuerersparnis nicht auf eine Gesamtbetrachtung von tatsächlichen Aufwendungen und steuerlicher Ersparnis an, sondern es genügt, wenn positive Einkünfte durch eine Saldierung mit den Verlusten geringer besteuert würden. In dieser geringeren Besteuerung ist die vom BFH benannte Steuerersparnis zu sehen.

(2) Zum anderen spricht als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht, wenn es der Steuerpflichtige trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterlässt, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebs zu ergreifen (vgl. BFH-Urteile vom 23. 5. 2007 X R 33/04 , BFHE 218, 163 , BStBl II 2007, 874, vom 14. 12. 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557 , BStBl II 2005, 392 und vom 29. 6. 1995 VIII R 68/93, BFHE 178, 160 , BStBl II 1995, 722). Insofern besteht eine Reaktions- oder Umstrukturierungspflicht. Auch wenn die Gewinnerzielungsabsicht nicht allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktion auf bereits eingetretene hohe Verluste verneint werden kann (so BFH-Urteil vom 12. 9. 2002 IV R 60/01 , BFHE 200, 284 , BStBl II 2003, 85), ist das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten doch als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten (BFH-Urteil vom 23. 5. 2007 X R 33/04 , BFHE 218, 163 , BStBl II 2007, 874). Denn es lässt den Schluss zu, dass die Betriebsführung nicht ernstlich auf eine am Markt erfolgreiche Tätigkeit gerichtet war (BFH-Urteile vom 12. 5. 2011 IV R 36/09 , BFH/NV 2011, 2092 und vom 23. 5. 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163 , BStBl II 2007, 874). An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen (BFH-Urteile vom 12. 5. 2011 IV R 36/09 , BFH/NV 2011, 2092 und vom 23. 5. 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163 , BStBl II 2007, 874).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, hat der Kläger im Streitfall seine Anwaltskanzlei aus persönlichen Beweggründen geführt, so dass der bei einer Anwaltskanzlei zunächst für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechende Anscheinsbeweis im Streitfall entfällt.

(1) Als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht spricht, dass der Kläger aus den von ihm erklärten Verlusten steuerliche Vorteile ziehen würde, da seine Verluste mit seinen übrigen positiven Einkünften zu verrechnen wären.

So haben die Kläger in den Streitjahren Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung von jährlich zwischen 95.798,– EUR (2006) und 193.395,– EUR (2008) erzielt. Diese Einkünfte würden geringer besteuert, wenn sie die Kläger mit den Verlusten der Anwaltskanzlei verrechnen könnten. In dieser Verminderung der Besteuerung der positiven Einkünfte ist – entgegen dem Verständnis der Kläger – eine Steuerersparnis zu sehen, die als Indiz gegen eine Gewinnerzielungsabsicht zu werten ist. Wie ausgeführt gilt dies auch dann, wenn die Steuerersparnis durch „echte Verluste” entsteht und der Saldo aus tatsächlichen Betriebsausgaben und möglicher Steuerersparnis negativ wäre.

(2) Gegen eine Gewinnerzielungsabsicht spricht weiterhin, dass es der Kläger trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterließ, effektive Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität seiner Kanzlei zu ergreifen. Die Verlustsituation blieb während sämtlicher Streitjahre ununterbrochen und hat sich über den gesamten Streitzeitraum hinweg (9 Jahre) verstetigt.

Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass für die Frage der Eignung einer Umstrukturierungsmaßnahme für die Verlustverminderung bzw. Gewinnsteigerung auf den Erkenntnishorizont im Zeitpunkt der Umstrukturierung abzustellen ist (ex-ante-Sicht). Die Verluste aus der Anwaltskanzlei reichen jedoch bereits bis in das Jahr 1995 zurück. Der Kläger hat bereits ab 1995 und in den Folgejahren mit Umstrukturierungsmaßnahmen (insbesondere Fortbildungen und Fachanwaltschaften) auf die Verlustsituation reagiert. Er hat bereits in diesen Jahren – also noch vor dem Streitzeitraum – feststellen müssen, dass diese Maßnahmen nicht zu den gewünschten Ergebnissen führten. Ab dem Jahr 2003, dem ersten Jahr des Streitzeitraums, hätte es für den Kläger daher auch aus der ex-ante-Sicht ersichtlich sein müssen, dass allein Fortbildungen, Fachanwaltschaften und die Bewerbung um eine Notariatszulassung in seiner Kanzlei unter Berücksichtigung der Größe, der Lage und der Mandantenstruktur nicht mit hinreichender Sicherheit den gewünschten Erfolg zu vermitteln vermochte.

Vielmehr hätte es aus Sicht des Klägers nahe gelegen, die Struktur seiner Personalkosten zu verändern. Auf seine zwei angestellten Rechtsanwälte hätte er vor allem vor dem Hintergrund verzichten müssen, dass sich bei allen Anwälten – wie die Kläger selbst vortragen – im Tagesgeschäft regelmäßig zeitliche Leerläufe ergaben, in denen die Anwälte keine Aufträge zu bearbeiten hatten. Wenn also keine entsprechenden Mandate für drei Anwälte vorhanden waren, erschließt sich nicht, warum der Kläger für zwei Anwälte Personalkosten aufwandte, ohne aus deren Arbeit einen entsprechenden Ertrag ziehen zu können. Hiergegen können die Kläger auch nicht einwenden, von der Zahl der drei Anwälte gehe in einem kleinen Ort wie C eine erhebliche Werbewirkung aus und dies diene außerdem der Qualitätssteigerung; denn bereits seit dem Jahr 1996 (Eintritt von Frau S) bzw. seit dem Jahr 2000 (Eintritt von Herrn E) hat sich diese Werbewirkung und Qualitätssteigerung in den wirtschaftlichen Ergebnissen der Kanzlei nicht niedergeschlagen. Die Kläger können auch nicht argumentieren, gerade die Anstellung von zwei Rechtsanwälten spreche nach der Rechtsprechung des BFH für eine Gewinnerzielungsabsicht. Denn im vorliegenden Streitfall waren die Personalkosten nicht durch entsprechend hohe Umsätze gedeckt.

Unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags, wonach die drei Anwälte nicht ausgelastet waren, der Kläger folglich die angefallenen Mandate ohne wesentliche Umsatzeinbuße auch allein hätte bearbeiten können, ergäbe sich – wenn der Kläger auf die Personalkosten verzichtet hätte – das folgende Ergebnis:

 

 Jahr

 2003

 2004

 2005

 2006

 2007

 2008

 2009

 2010

   Summe

 Personalkosten erklärter Gewinn

 64.585

 75.551

 73.513

 68.166

 65.776

 65.419

 69.009

 62.127

   544.146

 -52.508

 -53.835

 -66.416

 -44.382

 -48.733

 -45.953

 -35.987

 21.973

   -369.787

   Gewinn ohne Personal

   12.077

   21.716

   7.097

   23.784

   17.043

   19.466

   33.022

   40.154

   174.359

 

Demnach hätte die Kanzlei des Klägers mit Gewinn geführt werden können, wenn er auf dasjenige Personal verzichtet hätte, das er nach seinem eigenen Vortrag ohnehin zur Mandatsbearbeitung nicht benötigte. Dies hätte der Kläger nach der Überzeugung des Senats auch mit Sicherheit getan, wenn er auf Einkünfte aus der Anwaltskanzlei angewiesen gewesen wäre, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Als weitere erforderliche Umstrukturierungsmaßnahme hat es der Kläger unterlassen, selbst eine Zulassung als Fachanwalt zu erwerben. Dies hat er vielmehr seinen angestellten Rechtsanwälten überlassen, obwohl nicht abzusehen war, ob für seine Angestellten zukünftig überhaupt hinreichend Mandate vorhanden sein würden. Der Erwerb einer eigenen Zulassung als Fachanwalt wäre für den Kläger auch möglich gewesen, da er die hierzu erforderlichen Fortbildungen hätte besuchen können und da in seiner Kanzlei – wie die zwei Fachanwaltschaften der angestellten Rechtsanwälte zeigen – die für die Zulassung als Fachanwalt erforderliche Anzahl von Mandaten vorhanden war.

Dass der Kläger nicht in der erforderlichen effektiven Weise auf seine Verlustsituation reagiert hat, lässt den Schluss zu, dass persönliche Beweggründe für die Kanzleiführung im Vordergrund standen. Hierbei ist unerheblich, um welche persönlichen Beweggründe es sich im Einzelnen gehandelt haben könnte.

(3) Der Senat ist schließlich davon überzeugt, dass die Anwaltskanzlei des Klägers nach ihrer Wesensart und der Art ihrer Bewirtschaftung nicht auf die Dauer gesehen dazu geeignet war, mit Gewinn zu arbeiten. Dies zeigt sich bereits an dem Verlust von 647.719,– EUR, der in den Jahren von 1995 bis 2010 kumuliert entstanden ist. Es sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, dass dieser Verlust durch Gewinne in Folgejahren kompensiert werden könnte und sich hierdurch insgesamt ein Totalgewinn ergeben könnte. Auch die erwartete „schwarze Null” des Jahres 2011 und der prognostizierte „leichte Gewinn” des Jahres 2012 lassen keine Kompensation der Verluste in der genannten Höhe erwarten. Der Kläger hat auch keine Umstände dargelegt, aufgrund derer der Senat zu der Überzeugung gelangen könnte, seine Anwaltskanzlei könnte effektiv in die Gewinnzone geführt werden. Denn ob etwa die von den Klägern genannte Tätigkeit als Mediator oder Testamentsvollstrecker umsetzbar sein wird und die Umsätze anheben könnte, ist derzeit ungewiss.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO . Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht zugelassen.

Softwareentwickler ohne Studienabschluss

Softwareentwickler ohne Studienabschluss und ohne einem Fachhochschulabsolventen vergleichbare IT-Kenntnisse nicht freiberuflich tätig Beurteilung der auf Datenträger vorgelegten Arbeitsproben durch Sachverständigen zulässig

Leitsatz

1. Ein Steuerpflichtiger, der eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht nachweisen kann, muss den Erwerb von in der Breite und Tiefe vergleichbaren Kenntnissen, die er im Wege der Fortbildung bzw. des Selbststudiums erworben hat, entweder durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen oder anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Wissensprüfung nachweisen.

2. Werden zum Nachweis für die Ausübung eines ingenieurähnlichen Berufs auch Arbeitsproben auf einem elektronischen Datenträger vorgelegt, ist es bei fehlender eigener Fachkompetenz des Gerichts und Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Freiberuflichkeit der IT-Tätigkeit des Klägers zulässig, die vorgelegten Arbeitsproben unmittelbar vom Sachverständigen auch daraufhin prüfen zu lassen, ob die dokumentierten Arbeiten vom Kläger persönlich stammen.

3. Auch wenn der nicht über einen förmlichen Berufsabschluss der Ingenieurswissenschaften verfügende Steuerpflichtige aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und damit einem Ingenieur vergleichbar tätig ist, ist seine Tätigkeit als gewerblich einzustufen, wenn er sich unter Würdigung der gesamten vorgelegten Unterlagen (zu zwei abgebrochenen technischen Studiengängen sowie zu Kursen und zum Selbststudium) zwar im EDV-Bereich ausgebildet, aber nicht annähernd Kenntnisse erworben hat, die denen eines Fachhochschulabsolventen entsprechen, der 2/3 der Pflichtfächer bestanden hat, und wenn sich nach der Wertung des Sachverständigen die für eine ingenieursähnliche Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse auch nicht aus den nachträglich vorgelegten Unterlagen des Klägers über seine praktischen Arbeiten ergeben.

Gesetze

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
FGO § 82
ZPO § 404a Abs. 4

Gründe

 

I.

Streitig ist, ob es sich bei den im Rahmen des Einzelunternehmens Informationstechnologie erzielten Einkünften des Klägers um Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit handelt.

Der Kläger hat nach Erreichen der Fachhochschulreife an einer Höheren Handelsschule und der allgemeinen Hochschulreife an einem Wirtschaftsgymnasium eine Ausbildung in elektronischer Datenverarbeitung und als Pascal-Programmierer an der Bundeswehrschule … gemacht. Daraufhin absolvierte er an der Technischen Universität München im Diplomstudiengang Chemie das 1. bis 6. Semester mit Vordiplomprüfung und studierte anschließend für drei Semester Informatik. Über einen abgeschlossenen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss verfügt er nicht.

Seit 1993 übte der Kläger eine gewerbliche Tätigkeit aus mit den Schwerpunkten Planung, Durchführung und Verkauf von Netzwerkinfrastrukturen, Expertensystemen für Konstruktionszeichnungen und die Druckvorstufe sowie kaufmännischer Software. Seit 1996 wirkte er an diversen Projekten zur Entwicklung von System- und Anwendersoftware mit.

In den Streitjahren war er im Rahmen von Projekten der … AG, der … AG, der … GmbH – jeweils mittelbar über den Auftraggeber … GmbH –, der …, sowie der … und … (Projekt …) beauftragt.

Der Kläger erklärte diesbezüglich als Kaufmann aus seinem Einzelunternehmen Informationstechnologie Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Gewerbsteuermessbetragsfestsetzung für 2000 bis 2002 erfolgte insoweit zunächst erklärungsgemäß (Bescheide vom 29. September 2003, 11. Februar 2004, 9. März 2004). Zudem wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2002 in Höhe von 929 EUR mit Bescheid vom 9. März 2004 festgestellt

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung (BP) für die Jahre 2000 bis 2003 (BP-Bericht vom 27. August 2007) wurde mit Änderungsbescheiden vom 19. September 2007 der Gewerbesteuermessbetrag für 2000 auf 2.910 DM, für 2001 auf 2.515 DM und für 2002 auf 115 EUR festgesetzt und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2002 aufgehoben.

Mit seinen hiergegen gerichteten Einsprüchen trug der Kläger – neben anderen Gesichtspunkten – erstmals vor, dass es sich bei den Einkünften aus dem Einzelunternehmen Informationstechnologie um freiberufliche Einkünfte handle. Der Aufforderung seitens des Beklagten (Finanzamt – FA –), ein Sachverständigengutachten vorzulegen zum Nachweis dafür, dass er in Breite und Tiefe über dem Wissen eines Diplom-Informatikers vergleichbare Kenntnisse verfüge, kam der Kläger nicht nach.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 setzte das FA den Gewerbesteuermessbetrag aus hier nicht streitigen Gründen auf 2.505 DM (2000), auf 1.251 DM (2001) und 34 EUR (2002) herab und wies im Übrigen die Einsprüche als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Er sei als selbständiger Informatik-Ingenieur nicht gewerblich, sondern freiberuflich tätig, da sowohl seine Qualifikation als auch seine Tätigkeit in den Streitjahren der eines Diplom-Informatikers (FH) entsprächen und er daher einen dem Ingenieur bzw. Informatiker ähnlichen Beruf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübe.

Zum beruflichen Werdegang und seiner Qualifikation führt er zusätzlich aus, dass er in Breite und Tiefe über das Wissen eines Wirtschafts-Diplominformatikers verfüge, das er sich durch kontinuierliche autodidaktische Fortbildung über Fachliteratur, Teilnahme an Seminaren und Training-on-the-job erworben habe. Seit 1996 habe er sich auf diese Weise auf die freiberufliche Tätigkeit als Informatiker mit Schwerpunkt System- und Anwendersoftwareentwicklung vorbereitet, sich zunächst auf bestimmte Systeme konzentriert und sein Wissen in Bereichen Softwareentwicklungsprozesse und Qualitäts- und Projektmanagement vertieft. Seit 1998 habe er eigene Studienarbeiten im Bereich Daten- und Prozessmodellierung und Konzeption einer Datenmodellierungssprache und deren – spezifische – Implementierung durchgeführt und seit 2001 habe er seine technischen Kompetenzen in Bezug auf Softwareentwicklung nochmals erweitert. Seine insgesamt auf die beschriebene Weise erworbenen Kenntnisse entsprächen denjenigen, die die Gesellschaft für Informatik (= Dachverband der in Deutschland an den Hochschulen und in Wirtschaft und Verwaltung tätigen Informatiker) im Rahmen eines Musterstudiums für Fachhochschulstudium der Informatik empfehle (zum Vortrag über den Umfang des Wissensstands vgl. auch Fax des Klägers vom 1. Dezember 2009). Zum beruflichen Werdegang legt der Kläger außerdem dar, dass er seit 1993 Inhaber und Projektleiter eines IT-Systemanbieters mit zwei festangestellten und mehreren freien Mitarbeitern gewesen sei, seit 1996 eine Übergangsphase mit sukzessivem Beenden der gewerblichen Tätigkeit und Vorbereitung auf eine Tätigkeit als freiberuflicher Informatiker sowie mit Auftragsannahme von Projekten mit Schwerpunkt Entwicklung von System- und Anwendungssoftware gehabt habe und seit 1999 die Tätigkeit als freiberuflicher Informatiker ausübe. Der Kläger sei in den Streitjahren wie ein Ingenieur tätig gewesen, da sein Tätigkeitsbereich schwerpunktmäßig in der Softwareentwicklung liege. Das Berufsbild des Informatik-Ingenieurs umfasse auch die Implementierung, Anpassung, Betreuung/Verwaltung von Software, soweit dabei auch auf eigene bzw. mitentwickelte Softwareentwicklungsarbeiten zurückgegriffen werde, sowie weitere qualifizierte Dienstleistungen. Anhand der von ihm selbst erstellten Beschreibungen der Projekte, an denen er mitgewirkt habe, sei belegt, dass die Tätigkeit derjenigen eines Informatik-Ingenieurs entspreche.

Als Nachweise legte der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 zum Projekt … ein Softwaregutachten/Bericht der … für die …, Aufträge der …, eine Projektbeschreibung, ein Ablaufprogramm und eine Übersicht Projektstatus … Stand 11. April 2001 sowie Dokumentationen der Arbeiten an … Schriftwechsel in 2002 vor; zu den Projekten der … und der … AG liegen Angebote der Fa. …GmbH an die … vor. Des Weiteren wurden Ausgangsrechnungen des Jahres 2000 an die Fa. … GmbH und eine Rahmenvereinbarung für freie Mitarbeiter mit der Fa. … vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

die geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2000, 2001 und 2002 und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2002, jeweils vom 19. September 2007 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 26. Mai 2010, aufzuheben,

Das FA beantragt ,

die Klage abzuweisen.

Da sich die im Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen nicht von den Einwendungen im Vorverfahren unterschieden, werde vollinhaltlich auf die Einspruchsentscheidungen vom 26. Mai 2010 verwiesen. Insbesondere sei die vorgelegte Tätigkeitsdokumentation vom Kläger selbst abgefasst; es seien jedoch keine Unterlagen vorgelegt worden, die die erbrachten Leistungen aus Sicht der Auftraggeber darstellten.

Auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2012, dass die zum Nachweis der Freiberuflichkeit bis dahin vorgelegte Dokumentation, vor allem die vom Kläger selbst erstellten Beschreibungen seines Wissensstands und seiner beruflichen Tätigkeiten, nicht als Nachweis für das erforderliche Wissen dienen könnten, und außerdem nicht erkennbar sei, welche Arbeiten der Kläger in den Projekten jeweils ausgeführt habe, beantragte der Kläger die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis dafür, dass er in den Streitjahren das Wissen eines Wirtschaftsinformatikers (FH) besessen und eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt habe (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung).

Das Gericht erhob daraufhin Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. Beweisbeschluss vom 31. Januar 2012, Gutachten vom 28. Juli 2012). Entsprechend seiner Ankündigung in der mündlichen Verhandlung und in Absprache mit dem Sachverständigen überließ der Kläger dem Sachverständigen zum Zwecke des Nachweises seiner Tätigkeiten und Qualifikation eine DVD. Auf dieser sind 6.903 Dateien in 326 Ordnern mit einer Größe von insgesamt 3,3 GB gespeichert. Sie enthält die Hauptordner „Arbeitsproben”, „Auskunftspersonen”, „Qualifikationsprofil”, „Rechnungen”, „Sonstiges”, „Tätigkeitsnachweise” und „Verträge”.

Den Antrag des Klägers vom 01. Juni 2012 auf Abbestellung des Gutachters wegen Befangenheit lehnte der Senat mit Beschluss vom 22. Juni 2012 ab.

Auf Aufforderung des Gerichts, zum Sachverständigen-Gutachten und insbesondere zur Frage einer Wissensprüfung Stellung zu nehmen, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28. September 2012, dass er keinen Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung stelle. Zum Gutachten hat sich der Kläger nicht geäußert. Das beklagte Finanzamt hat sich dem Gutachten angeschlossen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Aufklärungsanordnungen vom 29. Juli 2011 und vom 30. Januar 2012 und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2012 Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das FA ist zu Recht von einem gewerblichen Unternehmen ausgegangen. Nach den Feststellungen des Senats, unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012, liegen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine freiberufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren vor.

1. Ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (GewStG ) unterliegt der Gewerbesteuer, zu deren Berechnung nach Maßgabe des § 11 GewStG ein Steuermessbetrag festzusetzen ist (§ 14 GewStG ).

Nicht der Gewerbesteuer unterliegt dagegen eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG , zu der neben den ausdrücklich genannten sog. Katalogberufen auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe gehören. Ein Beruf ist dem – im Streitfall in Frage kommenden – Katalogberuf des Ingenieurs ähnlich, wenn er sowohl in der Ausbildung als auch in der beruflichen Tätigkeit mit diesem vergleichbar ist (BFH-Urteil vom 18. April 2007 XI R 57/05 , BFH/NV 2007, 1854 ).

1.1. Für die Bejahung einer vergleichbaren beruflichen Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann es ausreichen, dass sich die Tätigkeit zumindest auf einen der Kernbereiche einer Ingenieurtätigkeit erstreckt (BFH Beschluss vom 25. Oktober 2007 VIII B 21/07 , BFH/NV 2008, 214 ). Die Ingenieurtätigkeit umfasst auch die beratende Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05 , BFH/NV 2006, 1270 , m.w.N.) und die Entwicklung qualifizierter System- oder Anwender-Software durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03 , BStBl II 2004, 989).

1.2. Eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung kann in einem förmlichen Ausbildungsgang, wie z. B. in einem Studium, stattfinden (BFH-Beschluss vom 23. März 2009 VIII B 173/08 , juris m.w.N.), so dass z. B. ein selbständiger Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausüben kann, wenn er qualifizierte System- oder Anwender-Software durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt (BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03 , BStBl II 2004, 989). Ein Steuerpflichtiger, der eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht nachweisen kann, muss den Erwerb von in der Breite und Tiefe vergleichbaren Kenntnissen, die er im Wege der Fortbildung bzw. des Selbststudiums erworben hat, entweder durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen oder anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Wissensprüfung nachweisen (BFH-Urteile vom 18. April 2007 XI R 29/06 , BStBl II 2007, 781 und XI R 34/06, BFH/NV 2007, 1495 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 23. März 2009 VIII B 173/08 , juris). Der Nachweis ist jeweils nur dann erbracht, wenn auf eine dem Katalogberuf vergleichbare Tiefe und Breite des Wissens auf allen Hauptgebieten eines Studiums der Ingenieurwissenschaften geschlossen werden kann. Im Falle des Nachweises durch praktische Arbeiten müssen diese den wesentlichen Teil des Katalogberufes umfassen und dürfen sich nicht lediglich auf einen Abschnitt hieraus beschränken, da nur derjenige, der bereits entsprechend umfangreiche Kenntnisse nachgewiesen hat, sich in seiner Tätigkeit auf Teilbereiche eines Katalogberufes beschränken kann (BFH Beschluss vom 13.12.1999 – IV B 68/99 , BFH/NV 2000, 705 ).

2. Das Gericht hat sowohl zur Klärung der Frage, ob die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren ihrem Wesen nach einer freiberuflichen Ingenieurtätigkeit in einem ihrer Kernbereiche vergleichbar ist, als auch zur Klärung der Frage, ob vorgelegte praktische Arbeiten bzw. Belege über Fortbildungsmaßnahmen den Rückschluss auf vorhandenes Wissen in der gebotenen Tiefe und Breite zulassen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. September 2006 IV B 18/05 , BFH/NV 2007, 89 m.w.N.) neben dem vom Kläger vorgelegten Unterlagen und Nachweisen auch das Sachverständigengutachten vom 28. Juli 2012 herangezogen.

Das Gericht, das dem Beweisantrag des Klägers gefolgt ist, die vorgelegten sowie angekündigten weiteren Unterlagen (Arbeitsproben und Projektunterlagen in Form von elektronischen Dateien) von einem Sachverständigen begutachten zu lassen, hat es mangels ausreichender eigener Sachkunde für notwendig erachtet, diese weiteren Unterlagen unmittelbar dem Sachverständigen vorzulegen. Denn es hat sich dabei vor allem um technische Dokumentationen mit teilweise für das Gericht nicht lesbaren oder unverständlichen Dateiinhalten gehandelt, anhand derer nur ein Sachverständiger sicher beurteilen kann, ob sie bzw. die ggf. hierzu automatisch gespeicherten Protokolldaten Hinweise darauf ergeben, dass die Arbeitsproben tatsächlich vom Kläger erstellt worden sind (Urheberschaft) und von welchen Kenntnissen und beruflichen Tätigkeiten des Klägers in den Streitjahren auszugehen ist. Wegen der insoweit fehlenden Sachkunde des Gerichts ist daher ausnahmsweise auch die Ermittlung von Anknüpfungstatsachen, hier der Urheberschaft der Arbeitsproben, dem Sachverständigen gemäß § 82 FGO i.V.m. § 404a Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) übertragen worden (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 VIII B 224/09 , BFH/NV 2010, 1650 ).

3. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat sich eine freiberufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren nicht ergeben.

3.1. Zwar erscheint es nach den vorgelegten Unterlagen als sehr wahrscheinlich, dass der Kläger in den Streitjahren auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und damit einem Ingenieur vergleichbar, tätig geworden ist.

So hat es das Gericht bereits anhand der bis zur mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2012 vorliegenden Unterlagen für möglich gehalten, dass der Kläger innerhalb der Projekte, an denen er – durch unmittelbare oder mittelbare Beauftragung – mitgewirkt hat, zumindest auch ingenieurähnlich tätig geworden ist. Denn aufgrund der Unterlagen (v.a. Verträge und Rechnungen) steht fest, dass die diversen Projekte, an denen er zweifelsfrei mitgewirkt hat, jeweils der Entwicklung von spezieller Software gedient haben. Jedoch hat sich aus den bis dahin vorgelegten Unterlagen nicht ergeben, ob und in welchem Umfang der Kläger die jeweilige Software selbst entwickelt hat. So haben sich aus den Ausgangsrechnungen an die Fa. … GmbH (Rb-A, Bd. II, Bl. 280 ff.) und den Aufträgen der … (Rb-A, Bd. II, Bl. 224 ff.) keine ausreichend konkretisierten Leistungsbezeichnungen ergeben. Aus den Rechnungen der Fa. … GmbH an die … folgt lediglich, dass der Kläger mit der Lieferung, Installation und Inbetriebnahme von … befasst war (Rb-A, Bd. II, Bl. 216). Im Übrigen ist dort nicht dokumentiert, welche Arbeiten der Kläger durchgeführt hat. Dasselbe gilt für die Rechnung der Fa. … GmbH an die … AG (Rb-A, Bd. II, Bl. 217). Die zu dem Projekt … vorgelegten Unterlagen haben weder erkennen lassen, welche Arbeiten der Kläger durchgeführt hat (Rb-A, Bd. II, Bl. 165 ff., 202) noch ist es für das Gericht erkennbar gewesen, ob der Kläger im Rahmen des Projekts lediglich gewerblich tätig geworden ist (durch Implementierung bzw. Anpassung vorhandener Softwaremodule) oder die Entwicklung von Software (zumindest teilweise) in Eigenleistung erbracht hat (Rb-A, Bd II, Bl. 209 182 ff.).

Eine Durchsicht der DVD des Klägers durch das Gericht hat ergeben, dass in zahlreichen Dokumenten Elemente der Systemanalyse, der Ablaufdarstellung, Programmschemata, Programmabläufe, Definition von Schnittstellen und Anforderungsprofilen sowie der Strukturierung komplexer Abläufe zur Softwareimplementierung zu finden sind (z. B. in Unterordner „…”: Fachkonzepte 1.0 bis 1.2; Voruntersuchungen 1.0, 1.1; Unterordner „…”\Projects\… Products\Moving Team Object Manager Repository\Project Documentation). Es war dem Gericht jedoch nicht möglich, einwandfrei und sicher die Aussagekraft dieser Unterlagen in Bezug auf die Urheberschaft und die Anforderungen an den Verfasser zu beurteilen. So hat sich für das Gericht kein eindeutiger Hinweis darauf ergeben, dass der Kläger anspruchsvolle Tätigkeiten eigenständig oder verantwortlich leitend verrichtet hat. Vielmehr heißt es im Vertrag mit … gemäß Fax vom 20. März 2001 (vgl. Hauptordner „Verträge”, Unterordner „1999-2001 – … GmbH”): „Wie wir im Telefonat vereinbart haben, erhältst Du in Verbindung mit … den Auftrag von Anfang April bis Ende Juni 4 Tage/Woche die Entwicklung bei der … zu unterstützen.”. Im Schreiben der Firma … vom 30. November 2000 an die … GmbH (Anhang zur Email vom 4. Dezember 2000 von … an den Kläger, vgl. Hauptordner „Verträge”, Unterordner „1999 – … AG”\…\ … eml) heisst es: „Es ist übrigens sowohl bei … als auch bei …-Mitarbeitern (Herr …, Herr …) bekannte Tatsache, daß die Firma … für die Firma … lediglich stundenweise abzurechnende Arbeiten unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung erbringt.”. Aus einer Reihe von weiteren Textdateien ergibt sich, dass der Kläger teilweise nur als Mittler zwischen Anwender und Entwickler fungierte und die Erfüllung des Pflichtenheftes und der Anforderungsprofile einforderte.

Darüber hinaus ist das Gericht auf zahlreiche Dateien gestoßen, die für Laien unlesbar sind (*.sql-, *.app-, *.apt-, *.apl-, *.qrp usw., z. B. in den Unterordnern „1997-2001-… Deutschland” und „…”) oder auf Dateien, deren Bezug zur Tätigkeit und Qualifikation des Klägers in den Streitjahren nicht erkennbar ist (z. B. in Unterordner „1997-2001 … Deutschland”: Logo …; Unterordner „…”: Ordner „Logos …” etc.) oder die bereits in Papierform Akteninhalt geworden sind (vgl. z. B. Unterordner „2001, 2002 …”). Dies deckt sich mit den Feststellungen des Sachverständigen. Darin wird in nachvollziehbarer Weise festgestellt, dass sich aus der Aktenlage und den ihm – in Form der DVD – vorgelegten Unterlagen (Zusammenstellung der Inhalte, vgl. Ziff. 4.13 des Sachverständigen-Gutachtens, FG-A, Bl. 265) zwar eine hohe Wahrscheinlichkeit ergebe, dass der Kläger die Arbeitsproben sowie andere Projektunterlagen zumindest zum Teil selbst erstellt habe, es aber unklar bleibe, ob und in welchem Umfang andere Personen dabei mitgewirkt haben (vgl. Ziff. 4.12 Anmerkung a, b, Ziff. 4.13, 4.14, 4.17, Ziff. 5 Abs. 2 und Ziff. 6 Abs. 3 des Gutachtens vom 28. Juli 2012).

3.2. Das Gericht hat jedoch nicht feststellen können, dass der Kläger in den Streitjahren das der Ausbildung eines Ingenieurs seines Fachgebiets in Tiefe und Breite vergleichbare Wissen gehabt hat.

3.2.1. Der Kläger, der unstreitig nicht über einen förmlichen Berufsabschluss der Ingenieurswissenschaften verfügt, hat einen entsprechenden Wissenserwerb im Selbststudium nicht nachgewiesen.

Der Senat kommt aufgrund seiner eigenen Feststellungen und der – anhand sorgfältiger Auswertung aller Angaben und Unterlagen zur Ausbildung, Weiterbildung und Selbststudium der in Papierform und ergänzend auf DVD vorgelegten Materialien des Klägers (Ziff. 5.1.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012) – herausgearbeiteten Fakten im Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich zwar im EDV-Bereich ausgebildet hat, aber nicht annähernd Kenntnisse erworben hat, die denen eines Fachhochschulabsolventen entsprechen, der 2/3 der Pflichtfächer bestanden hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 74/00 , BStBl II 2003, 27, m.w.N. und Ziff. 2.2 des Sachverständigengutachtens).

Aus der dem Gericht bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 vorliegenden Aktenlage haben sich solche Kenntnisse nicht ableiten lassen. Denn die vom Kläger erstellten Listen über „Literatur”, „Training-on-the-job”, „selbst durchgeführte Seminare” und „Seminarteilnahmen ohne Bescheinigung” (FG-A, Bl. 49 ff.), also ohne jegliche Fortbildungsbelege, stellen naturgemäß gerade keinen Nachweis für die behauptete Fortbildung bzw. das Eigenstudium dar. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich um einen – detaillierten – Sachvortrag zur Klagebegründung. Dasselbe gilt für die vom Kläger erstellten Projekt- bzw. Tätigkeitsbeschreibungen zu den einzelnen Projekten, an denen er mitgewirkt hat (FG-A, Bl. 62 ff.), sowie für das von ihm selbst erstellte Qualifikationsprofil, Stand 2008 (Rb-A, Bd. II, Bl. 190 ff). Auch die übrigen bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 vorgelegten Unterlagen (insbesondere Zeugnis DV-Institut …, FG-A, Bl. 120, Übungsscheine des Lehrstuhls für theoretische Chemie, FG-A, Bl. 121, Praktikumsbestätigungen des Instituts für Physikalische und Theoretische Chemie, FG-A, Bl. 122 f., Studiennachweise für zwei Semester Informatikstudium, FG-A, Bl. 124) lassen keinen sicheren Schluss auf das für die Freiberuflichkeit erforderliche Wissen des Klägers zu. Denn einzelne Ausbildungsabschnitte (abgebrochene Diplomstudiengänge Chemie und Informatik) sind von vornherein nicht geeignet, Kenntnisse eines Diplom-/Wirtschaftsinformatikers zu belegen. Die zwei abgebrochenen technischen Studiengänge sind auch zusammen mit den nachweislich besuchten EDVKursen nicht als eine einem abgeschlossenen Informatik- oder Wirtschaftsinformatikstudium vergleichbare Ausbildung anzusehen. Die behauptete Durcharbeit von 110 Fachbüchern neben der beruflichen Auslastung ist unglaubwürdig. Ob sich der Kläger dadurch ausreichendes Wissen angeeignet hat, hätte daher allenfalls eine – vom Kläger abgelehnte – Wissensprüfung ergeben können.

An diesen Feststellungen des Gerichts hat sich auch durch die Beweiserhebung im Wege des Sachverständigengutachtens nichts geändert; denn der Kläger hat insoweit keine neuen Fortbildungs- oder Qualifikationsnachweise vorgelegt (vgl. Ziff. 4.1 bis 4.7 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012) und der Sachverständige hat die vorhandenen Nachweise und Darlegungen ebenso wie das Gericht gewertet (vgl. Ziff. 5.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012).

3.2.2. Die für eine ingenieursähnliche Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse ergeben sich aber auch nicht aus den nachträglich vorgelegten Unterlagen des Klägers über seine praktischen Arbeiten.

Aufgrund der sachkundigen und fundierten Feststellungen des Sachverständigen kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger selbst wenn er über das Know-how eines versierten Softwareentwicklers verfügt, er damit nicht Tätigkeiten ausgeübt hat, die nur ausgeübt werden können, wenn man über Wissen in einer Breite und Tiefe verfügt, das mit dem eines Diplominformatikers oder Wirtschaftsinformatikers vergleichbar ist.

Der Sachverständige hat in den Unterlagen des Klägers Projektbeschreibungen gefunden, wonach typische Aufgaben eines Diplom- oder Wirtschaftsinformatikers übernommen worden sind, ferner Projektunterlagen, wonach typische Tätigkeiten von Diplominformatikern ausgeübt worden sind, sowie Programmcodes (Quellcodes) mittleren Schwierigkeitsgrades. Alle diese Arbeiten hat der Sachverständige aber nicht als so anspruchsvoll angesehen, dass dadurch sämtliche Kernbereiche der Ausbildung eines Diplom- oder Wirtschaftsinformatikers abgedeckt wären (Tz. 5.1.1 und 5.1.2 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012). Der Sachverständige stützt dies nachvollziehbar darauf, dass der Kläger durch die von ihm verwendete Entwicklungsumgebung in aller Regel von komplizierten Algorithmen und Datenstrukturen befreit war (Tz. 5.2.1 des Sachverständigengutachtens). Der Senat geht aufgrund der Beurteilung durch den Sachverständigen davon aus, dass dies auch für das Computerprogramm … gilt, dessen Nutzungsrecht der Kläger am 01. Januar 2001 an … GmbH für 78.272 DM verkauft hat (vgl. Hauptordner „Verträge”, Unterordner „1997-2001 – … GmbH”\ …, 2001 – Nutzungsvertrag.pdf) und das ausführlich dokumentiert ist (vgl. Hauptordner „Arbeitsproben”, Unterordner „1997-2001 – … GmbH”\ … – Software für operative Geschäftsprozess-Abwicklung\ … Workflow 1.0.45.3 – 1.1.0.21.x).

3.2.3. Aus den Verträgen, Rechnungen, Tätigkeitsnachweisen und Stundenaufstellungen ergeben sich weder für den Senat noch für den Sachverständigen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen nur aufgrund eines Wissens in der Breite und Tiefe erbracht werden konnten, wie es durch ein Fachhochschulstudium vermittelt wird (vgl. hierzu oben Punkt 3.1 dieses Urteils sowie Ziff. 4.15 bis 4.17 und 5.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012). Die angegebenen Auskunftspersonen waren zum Teil nicht erreichbar, im Übrigen nicht in der Lage, die Leistung des Klägers zu beurteilen (Ziff. 4.9 und 5.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012). Die Auswertung der Verdienstangaben und der Stundensätze hat keinen Hinweis auf eine überdurchschnittliche Entlohnung als Anhaltspunkt für eine hochschulmäßige Qualifikation ergeben (Ziff. 4.8 und 5.1 des Sachverständigengutachtens).

3.2.4. Da der Kläger eine Wissensprüfung, die als ergänzendes Beweismittel nur auf Antrag in Betracht kommt (BFH in BFH/NV 2007, 1495 ), ausdrücklich abgelehnt hat, ist eine weitere Sachaufklärung nicht möglich. Dies geht zu Lasten des Klägers, da er steuermindernde Tatsachen geltend macht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

5. Die Zulassung zur Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .

6. Das Gericht erachtet es für sachgerecht, mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO ).

Entwicklung von Anwendersoftware als freiberufliche Tätigkeit

Entwicklung von Anwendersoftware als freiberufliche Tätigkeit

Leitsatz

Ein selbständiger EDV-Berater, der Computer-Anwendungssoftware entwickelt, kann einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben (Änderung der Rechtsprechung).

Gesetze

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug

FG Köln vom 11. Dezember 2002 4 K 6906/94 (EFG 2003, 536 )BFH XI R 9/03

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde nach seinem Abitur im Rahmen einer zweieinhalbjährigen Ausbildung, die zur Hälfte auf einem praktischen und zur Hälfte auf einem theoretischen Teil beruhte, zum mathematisch-technischen Assistenten ausgebildet. Träger der Ausbildung war ein Zusammenschluss von Großunternehmen und dem Max-Planck-Institut. Die Ausbildung erfolgte durch Dozenten von Fachhochschulen. Die theoretische Ausbildung entfiel je zur Hälfte auf Datenverarbeitung (Datenfernverarbeitung, Adressierungsmechanismen der unterschiedlichen Datenbankarchitekturen, Systemprogrammierung mit Assembler-Programmen, Systemorganisation von Großrechnern, Durchsatzermittlung unterschiedlicher Prozessortypen) und auf Mathematik (Numerik, Analysis, Algebra, Statistik, Operations-Research). Nach erfolgreicher Abschlussprüfung im Jahr 1986 und zweijähriger Tätigkeit im Bereich Systembetreuung Datenbanken machte sich der Kläger selbständig und war als Subunternehmer im Rahmen einer Projektgruppe im Streitjahr 1991 tätig.

Der Kläger war der Meinung, eine ingenieurähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszuüben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) hingegen beurteilte seine Tätigkeit als gewerbliche und erließ für das Streitjahr 1991 einen Gewerbesteuermessbescheid.

Nach Klageerhebung und Anhörung des Klägers erhob das Finanzgericht (FG) Beweis über die Art der vom Kläger im Streitjahr ausgeübten Tätigkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Beweisthemen:

„1. Ob die Arbeiten des Klägers aus dem Streitjahr oder den Jahren davor den Schluss zulassen, dass seine theoretischen Kenntnisse im Streitjahr ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprachen,

2. ob die vom Bundesfinanzhof zur Abgrenzung einer freiberuflichen Tätigkeit von einer gewerblichen Tätigkeit als entscheidend herausgestellte Differenzierung der Entwicklung der Systemsoftware einerseits und der Anwendersoftware andererseits (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87 , BStBl II 1990, 337 und vom 7. November 1991 IV R 17/90, BStBl II 1993, 324 ) für das Streitjahr noch als sachgerecht angesehen werden kann und

3. für den Fall, dass die Beweisfrage 2 positiv beantwortet wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger im Streitjahr auf dem Gebiet der Systemsoftwareentwicklung tätig geworden ist und

4. für den Fall, dass die Beweisfrage 2 negativ beantwortet wird, ob die praktische Tätigkeit des Klägers im Streitjahr in wesentlichen Elementen der beruflichen Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar war.”

In seinem —ersten— Gutachten bestätigte der Sachverständige, dass die vom Bundesfinanzhof (BFH) zur Abgrenzung einer freiberuflichen von einer gewerblichen Tätigkeit eines Informatikers als entscheidend erachtete Differenzierung zwischen der Entwicklung der Systemsoftware einerseits und der Anwendersoftware andererseits (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87 , BFHE 159, 171 , BStBl II 1990, 337 , und vom 7. November 1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443 , BStBl II 1993, 324 ) für das Streitjahr nicht mehr sachgerecht sei und die praktische Tätigkeit des Klägers im Streitjahr in wesentlichen Elementen mit der beruflichen Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar sei, jedoch noch Vorbehalte hinsichtlich der Detaillierung der Tätigkeiten und einiger zeitlicher Zuordnungen bestünden. Die Arbeiten des Klägers aus dem Streitjahr und den Jahren davor ließen allerdings nicht den Schluss zu, dass seine theoretischen Kenntnisse im Streitjahr in ihrer Breite und Tiefe denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprächen.

Nachdem der Kläger zu diesem Gutachten umfangreich Stellung genommen hatte, forderte das FG den Gutachter zu einer weiteren Stellungnahme auf. Nach einem Gespräch mit dem Kläger und auf Grund weiterer von diesem vorgelegten Unterlagen verfasste der Sachverständige ein weiteres Gutachten. Auf der Basis der Arbeiten des Klägers aus dem Streitjahr und den Jahren davor sei nunmehr zu schließen, dass die theoretischen Kenntnisse des Klägers im Streitjahr ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprächen. Auch die praktische Tätigkeit des Klägers im Streitjahr sei in ihren wesentlichen Elementen mit der beruflichen Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar gewesen.

Das FG gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 536 ).

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) . Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übe ein Diplom-Informatiker mit Hochschulabschluss eine ingenieurähnliche Tätigkeit nur aus, wenn er sich mit der Entwicklung von Systemsoftware befasse. Dies habe der BFH auch noch für das Streitjahr 1991 ausgesprochen (BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 60-61/94, BFHE 178, 364 , BStBl II 1995, 888 ).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Ergänzend verweist er auf einen Vermerk des Sachverständigen, wonach der Kläger wesentlich auch mit der Erstellung von Systemprogrammen befasst gewesen sei. Das FA übersehe die neuere Entwicklung der BFH-Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 24. September 1998 IV B 49/96 , BFH/NV 1999, 462 ). Auch die FG gingen —entgegen den vom FA zitierten Entscheidungen— in jüngerer Zeit dazu über, von einer Differenzierung zwischen Anwender- und Systemsoftware abzusehen.

II.

Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Neben den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich genannten sog. Katalogberufen gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf. Nicht erforderlich ist der Abschluss einer nach den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschriebenen Ausbildung. Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule oder Fachhochschule, muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Diesen Nachweis kann er durch Belege über erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen. Soll der Nachweis anhand praktischer Arbeiten geführt werden, müssen diese einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen. Außerdem ist nachzuweisen, dass die derart qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 4/01 , BFHE 199, 176 , BStBl II 2002, 475 , m.w.N.). Diese Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit sind im Streitfall erfüllt.

1. Der BFH hat mit Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80 (BFHE 139, 84 , BStBl II 1983, 677 ) entschieden, dass unter den genannten Voraussetzungen ein selbständiger Diplom-Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben kann.

2. Im Streitfall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die theoretischen Kenntnisse des Klägers in ihrer Breite und Tiefe denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprechen. Es hat sich dabei im Wesentlichen auf das Sachverständigen-Gutachten berufen.

3. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung des FG, die Tätigkeit des Klägers, die offenbar sowohl die Entwicklung von System- als auch Anwendersoftware umfasste, habe im Streitjahr in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich gelegen. Weiterer Feststellungen zum Umfang der Tätigkeit des Klägers im Systemsoftwarebereich bedarf es nicht.

a) Aufgabe des Ingenieurs ist es, auf der Grundlage natur- und technik-wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen. Ein selbständiger Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung der Berufsausbildung der Ingenieure vergleichbar ist, übt seit Anfang der 90er-Jahre eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann aus, wenn er (vorwiegend) Anwendersoftware entwickelt. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 159, 171 , BStBl II 1990, 337 ) ist insoweit durch die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse überholt.

Der BFH ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das typische Berufsfeld für den an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatiker —jedenfalls im vorliegend ausschließlich interessierenden Softwarebereich— nur das der Systemsoftwareentwicklung ist. Demgegenüber hat das FG, das sich auf die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen bezieht, festgestellt, dass das typische Berufsbild eines Diplom-Informatikers, das ursprünglich stark theoretisch ausgerichtet war, bereits im Streitjahr 1991 seinen Schwerpunkt von der Systemsoftwareentwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung verlagert hat. Grundlegende Probleme der Informatik seien in den 70er und 80er Jahren gelöst worden und die Systemsoftware sei weitestgehend standardisiert gewesen. Der Schwerpunkt habe sich daher in Richtung der angewandten/praktischen Informatik verlagert. Dementsprechend nehme seither die Entwicklung der Anwendersoftware sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch der Tätigkeit von Diplom-Informatikern mit wissenschaftlichem Abschluss einen breiten Raum ein. Zugleich hätten Dissertationen mehr und mehr anwendungssoftwaretechnische Themen zum Gegenstand. Gegenstand der Forschungs- und Lehrtätigkeiten an den Hochschulen sei zunehmend die Entwicklung von großen und komplexen Anwendersoftwaresystemen geworden. Entsprechende Lehrstühle für Softwaretechnologie, Softwareengineering oder Softwaretechnik seien eingerichtet. Für die Anwendung dieser Methoden —zumindest bei komplexeren Projekten— sei eine entsprechende naturwissenschaftliche Qualifikation notwendig.

An diese Feststellungen des FG ist der Senat für das Streitjahr gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO ; vgl. auch z.B. BFH-Urteil vom 27. Juni 1985 I R 22/81 , BFH/NV 1985, 17 ). Sie verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Sie decken sich vielmehr mit den Feststellungen anderer FG (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2001 2 K 187/99 , EFG 2001, 1449 ; FG Hamburg, Urteil vom 13. September 2002 VI 170/00 , EFG 2003, 230 ; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Mai 2002 4 K 1375/01 , EFG 2002, 1046 ; FG Nürnberg, Urteil vom 6. November 2002 V 215/2000, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2003, 281; ernstliche Zweifel auch FG München, Beschluss vom 2. Oktober 2001 11 V 4133/01 E, G , EFG 2002, 132 ; vgl. auch Kempermann, Finanz-Rundschau 1999, 1375 ; Graf/Bisle, Deutsches Steuerrecht 2003, 1823).

b) Nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware ist allerdings eine freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ( vgl. z.B. zur Trivialsoftware FG Rheinland-Pfalz in EFG 2002, 1046 ; ähnlich FG Baden-Württemberg in EFG 2001, 1449 ). Diese setzt vielmehr voraus, dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickelt. Das hat das FG im Streitfall festgestellt. Hiergegen hat das FA keine Einwendungen gemäß § 118 Abs. 2 FGO erhoben.

4. Der erkennende Senat weicht mit dieser Entscheidung von der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH ab. Der IV. Senat des BFH hat auf Anfrage der Abweichung zugestimmt (§ 11 Abs. 3 FGO) .

-> siehe auch http://www.steuerschroeder.de/freiberufler.htm

Freiberufler – Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse

1. Eignung einer Tätigkeit zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse

2. Umfang der Begutachtung durch einen Sachverständigen

BFH v. 11.07.1991 – IV R 73/90

Leitsatz

1. Eine Tätigkeit ist zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse nicht geeignet, wenn sie auch anhand von Formelsammlungen und praktischen Erfahrungen ausgeübt werden kann, selbst wenn sie vielfach auch von Ingenieuren ausgeübt wird.

2. Wird mit der Begutachtung der Tätigkeit des Steuerpflichtigen ein Sachverständiger beauftragt, so ist es in der Regel nicht erforderlich, daß er den Steuerpflichtigen einer Wissensprüfung unterzieht. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, wenn er feststellt, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen so anspruchsvoll ist, daß sie der Tiefe und der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt.

Gesetze

EStG § 18 Abs. 1
Instanzenzug

FG Baden-Württemberg

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger) absolvierte eine Ausbildung als Modellbauer und als technischer Zeichner. 1969 trat er in die Firma X-GmbH, einem Fertigungsbetrieb für Sitzmöbel, Tische und Konferenzanlagen, ein und erhielt 1978 die eigenverantwortliche Leitung der Modell-Entwicklungsabteilung übertragen. Mit diesem Aufgabenbereich war er bis zu seinem Ausscheiden betraut. Er war dabei verantwortlich für die technische Realisierung von neuen Erzeugnissen mit dem Schwerpunkt bei der Entwicklung neuer Stuhl- und Tischmöbel. Zusammen mit firmenfremden freiberuflichen Designern entwickelte er Neuprodukte der X-GmbH, und zwar sowohl gestalterisch als auch mit technischen Neuerungen. Seine Tätigkeit erstreckte sich von der Ausarbeitung von Anschauungs- und Funktionsmodellen bis zur Konstruktion im Detail und der Erstellung von Prototypen. Darüber hinaus hatte er die Gestaltung und Konstruktion von Sondermodellen übernommen. Durch seine Fortbildungsbemühungen eignete sich der Kläger nach seinem Vortrag einen einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnisstand an und erwarb auch verschiedene Patente und Gebrauchsmuster. Ende Juni 1983 schied der Kläger aus der Firma aus und setzte seine bisherige Tätigkeit in erweitertem Umfang selbständig fort. Er arbeitete als ständiger Berater verschiedener Firmen, die ihn mit Entwicklungsaufgaben beauftragten.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1983 bezeichnete sich der Kläger als Produktdesigner, seinen Betrieb als Studio für Produktentwicklung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) folgte seinem Begehren, als Freiberufler behandelt zu werden, nicht und versagte daher die Gewährung des Freibetrags nach § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Außerdem erließ er für die Streitjahre 1983 und 1984 Gewerbesteuer-Meßbescheide.

Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der zum Finanzgericht (FG) erhobenen Klage. Er machte geltend, er sei freiberuflich tätig, weil er eine einem Architekten oder Ingenieur ähnliche Tätigkeit ausübe. Produktdesign werde wie jene Berufsbildungsgänge als ordentliches Studienfach an Hochschulen gelehrt. Der Klage waren zahlreiche Unterlagen über Arbeiten des Klägers sowie Nachweise seiner Fortbildungsbemühungen auf dem Gebiet des technischen Zeichners, der Raumgestaltung und Raumtechnik sowie dem der elektronischen Datenverarbeitung beigefügt.

Das FG holte ein Gutachten darüber ein, ob die Tätigkeit des Klägers (zumindest von Gelegenheit zu Gelegenheit) Vorkenntnisse voraussetze, die denjenigen eines Ingenieurs klassischer Vorbildung entsprächen und ohne eine solche die Ergebnisse seiner Tätigkeit nicht denkbar wären. Der Gutachter gelangte zusammenfassend zu dem Ergebnis, die Ausübung der Tätigkeit des Klägers setze zwar Vorkenntnisse voraus, die der klassischen Vorbildung eines Ingenieurs entsprächen. Diese Vorkenntnisse seien jedoch beim Kläger nicht vorhanden. Die Vorgehensweise des Klägers sei deshalb anders als die eines Ingenieurs mit entsprechender Ausbildung. Er greife verstärkt auf seinen 18jährigen Erfahrungsschatz zurück und unterstütze von ihm angenommene Werte bei der Dimensionieren durch Versuche. Ergebnis seien dann ingenieurgerechte Entwürfe in einem relativ breiten Arbeitsspektrum.

Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens wies das FG die Klage ab.

Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 1987 die Gewerbesteuer-Meßbescheide 1983 und 1984 vom 29. August 1985 aufzuheben (nur Kläger zu 2) und den Einkommensteuerbescheid 1983 in der Weise zu ändern, daß der Freibetrag für freie Berufe gewährt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger war in den Streitjahren nicht freiberuflich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig. Insbesondere übte er nicht den Beruf des Ingenieurs aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist Ingenieur i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur derjenige, der das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Ingenieurschule oder den Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule abgeschlossen hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409 , BStBl II 1990, 73 , m. w. N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach den Feststellungen des FG nicht.

Der Kläger hat auch nicht einen dem Ingenieurberuf ähnlichen Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt.

Ein Beruf ist einem der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann (BFH-Urteil vom 25. April 1978 VIII R 149/74 , BFHE 125, 369 , BStBl II 1978, 565 ). Dazu gehören die Vergleichbarkeit

(1) der Ausbildung und

(2) der beruflichen Tätigkeit.

Es genügt demnach nicht, daß der Steuerpflichtige eine  Tätigkeit  ausübt, die auch von Ingenieuren ausgeübt wird.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die  Ausbildung  als „ein in aller Regel zulässiges und sachlich einleuchtendes Differenzierungskriterium für die Zuordnung zu einem Katalogberuf i. S. des § 18 EStG ” bezeichnet (Beschluß vom 9. Oktober 1990 2 BvR 146/90, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK -, Einkommensteuergesetz 1975 , § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 59). Für die Zugehörigkeit zu einem „ähnlichen Beruf” reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige Kenntnisse, die den aufgrund der für den Katalogberuf vorgesehenen Ausbildung erworbenen vergleichbar sind, durch die Teilnahme an Kursen oder durch Selbststudium erworben hat. Ist der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse in dieser Form nicht möglich, kann der Steuerpflichtige sie durch seine eigene praktische Tätigkeit belegen (BFH-Urteile vom 18. Juni 1980 I R 109/77 , BFHE 132, 16 , BStBl II 1981, 118 , 120; vom 10. November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198).

Im Streitfall hat das FG aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt, daß dem Kläger die üblicherweise durch die Ingenieurausbildung vermittelten theoretischen Kenntnisse fehlen. Der Sachverständige hatte dem Kläger 13 mit dessen Entwürfen im Zusammenhang stehende Fachfragen gestellt, die dieser zum überwiegenden Teil nicht beantworten konnte. Die Feststellungen des FG sind für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Sie sind verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und verstoßen entgegen der Auffassung der Kläger nicht gegen die Denkgesetze.

Allerdings hat der Sachverständige die Auffassung geäußert, die Arbeit des Klägers erfordere an sich die Kenntnisse eines Ingenieurs, er löse die ihm gestellten Aufgaben jedoch auf andere Weise, nämlich aufgrund seiner praktischen Berufserfahrung. Hierin liegt kein unauflöslicher Widerspruch.

Wie sich aus dem Zusammenhang des Gutachtens ergibt, meint der Sachverständige mit seiner Äußerung, daß die vom Kläger erbrachten Leistungen gewöhnlich von ausgebildeten Ingenieuren erbracht werden. Derartige Sachverhalte kommen häufig vor. Sie hängen damit zusammen, daß zahlreiche Ingenieure – der größeren Nachfrage wegen – in Aufgabenbereichen tätig sind, die auch von erfahrenen Praktikern ohne theoretische Ausbildung, sei es aufgrund ihrer Berufserfahrung, sei es mittels Formelsammlungen, wahrgenommen werden können. Übt ein Autodidakt eine solche Tätigkeit aus, ist sie nicht geeignet, den Nachweis der erforderlichen theoretischen Kenntnisse zu erbringen:

Ingenieurähnliche Kenntnisse können nur dann mittels der eigenen Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, wenn diese besonders anspruchsvoll ist und sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt (BFH-Urteile in BFHE 132, 16 , BStBl II 1981, 118 , 120; in BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73; ähnlich BVerfG in StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 59). Soll nämlich von der Art der ausgeübten Tätigkeit auf den Kenntnisstand und die Qualifikation des Berufsausübenden geschlossen werden, so muß sich diese Tätigkeit an der allgemeinen Aufgabenbeschreibung des Vergleichsberufs messen lassen (BFH-Urteil vom 21. Februar 1986 III R 183, 184/82, BFH/NV 1986, 603).

Hierin liegt keine unzulässige Bevorzugung des Ingenieurs, der in einem nicht ausbildungsadäquaten Aufgabenbereich tätig ist. Denn dieser vermag auch relativ einfach erscheinende Probleme anhand seiner umfassenden theoretischen Ausbildung in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen als derjenige, der nur auf seine praktische Berufserfahrung zurückgreifen kann (BFH-Urteil vom 22. Januar 1988 III R 43-44/85, BFHE 152, 345 , BStBl II 1988, 497 ). Zudem hat der Senat entschieden, daß auch ein Autodidakt, der (in früheren Jahren) durch den fachlichen Anspruch und die Breite seiner Tätigkeit seine theoretischen Kenntnisse nachgewiesen hat, ebenso wie der ausgebildete Ingenieur oder Architekt Freiberufler bleibt, wenn er in späteren Jahren eine Tätigkeit ausübt, die zwar auch von Ingenieuren und Architekten ausgeübt wird, jedoch nicht deren Kenntnisstand voraussetzt (Urteil vom 12. Oktober 1989 IV R 118-119/87, BFHE 158, 413 , BStBl II 1990, 64 , zu einem Bauleiter).

In der Regel wird es in Fällen wie dem hier zu beurteilenden nicht erforderlich sein, daß der Sachverständige den Steuerpflichtigen einer Art Examen unterzieht. Es genügt, wenn er feststellt, ob dessen Tätigkeit so anspruchsvoll ist, daß sie sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums voraussetzt (BFH-Urteil in BFHE 132, 16 , BStBl II 1981, 118 , 120), oder ob sie auch anhand von Formelsammlungen oder praktischen Erfahrungen ausgeübt werden kann. Dementsprechend sollte bereits in dem dem Sachverständigen vom FG erteilten Auftrag tunlichst darauf hingewiesen werden, daß eine Tätigkeit nicht bereits dann geeignet ist, ingenieurähnliche Kenntnisse zu dokumentieren, wenn sie auch – oder sogar überwiegend – von Ingenieuren ausgeübt wird.

Keine Verteilung des Übergangsgewinns bei Buchwerteinbringung

Zurückbehalten von Forderungen bei Praxiseinbringung

Leitsatz

Geht ein Steuerpflichtiger vor Einbringung seiner Einzelpraxis in eine neu gegründete Sozietät von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG über, so hat er jedenfalls bei Buchwerteinbringung keinen Anspruch auf Billigkeitsverteilung eines etwa dabei entstehenden Übergangsgewinns.

Gesetze

EStG § 4 Abs. 1 und 3
UmwStG § 24
Instanzenzug

Niedersächsisches FG

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielt als Steuerberater bis zum 30. Juni 1988 eine eigene Praxis und ermittelte seinen Gewinn daraus durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) . Zum 1. Juli 1988 gründete er mit einem weiteren Steuerberater, seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten, eine Sozietät, in die er seine Praxis zum Buchwert einbrachte. Forderungen und Verbindlichkeiten bis zur Einbringung standen dem Kläger weiterhin persönlich zu. Zur Abgeltung des hälftigen Praxiswerts und der materiellen Wirtschaftsgüter erbrachte der eintretende Sozius eine Bareinlage in Höhe von 415 000 DM. Nachdem die Sozietät zum 1. Juli und 31. Dezember 1988 sowie zum 31. Dezember 1989 bilanziert hatte, ging sie zum 1. Januar 1990 zur Einnahmen-Überschussrechnung über.

Der Kläger nahm eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. Juni 1988 vor und erstellte einen Jahresabschluss zum 30. Juni 1988. Den sich daraus ergebenden Übergangsgewinn von 382 018,70 DM beantragte er unter Hinweis auf Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987 (EStR 1987 ) im Streitjahr lediglich mit einem Drittel zu versteuern. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) lehnte dies mit der Begründung ab, die Einbringung sei wirtschaftlich einer Praxisveräußerung gleichzustellen, für die eine Verteilung des Übergangsgewinns ebenfalls nicht in Betracht komme.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 29. November 1999 ist in juris unter dem Az. XII 343/96 veröffentlicht.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Die Zuzahlung des eintretenden Sozius habe nur den Praxiswert abgegolten, während die Forderungen zwar eingebracht, aber anschließend ihm, dem Kläger, allein über Sonderbilanzen zugerechnet worden seien. Er habe also praktisch seinen Betrieb in der Sozietät fortgeführt und daher Anspruch auf die Anwendung der Billigkeitsregelung des Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 , andernfalls die Besteuerungsgleichheit verletzt sei. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass der Übergangsgewinn bei der Gewinnfeststellung der Sozietät zu berücksichtigen sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1988 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Übergangsgewinn nur zu einem Drittel erfasst wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens änderte das FA den angefochtenen Bescheid zur Steuerfreistellung des Existenzminimums für die Kinder des Klägers gemäß § 53 EStG und ermäßigte die Einkommensteuer um 386 DM auf 227 593 DM

Die Revision ist mit der Maßgabe unbegründet, dass die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1988 vom 14. November 2000 abzuweisen war (§ 127 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ).

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ergangene Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. November 2000, der zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde. Darüber sind sich die Beteiligten einig.

1. Obwohl der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, bedarf es im Streitfall keiner Aufhebung des Urteils mit Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 127 FGO ), weil die Sache spruchreif ist. Hinsichtlich der Streitfrage, ob dem Kläger die Gewinnkorrekturen aus dem Übergang zum Bestandsvergleich auf drei Jahre zu verteilen sind, hat sich durch die Änderung des ursprünglich angefochtenen Bescheids kein neuer Sachverhalt ergeben. Die Entscheidung des Senats in der Sache selbst setzt aber voraus, dass er das FG-Urteil ungeachtet dessen aufhebt, dass es keinen Rechtsfehler erkennen lässt. Denn dieses Urteil betraf einen Verwaltungsakt, der nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist (s. etwa Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. Juli 1992 II R 39/89 , BFHE 168, 431 , BStBl II 1993, 63 , m. w. N.).

2. Mit der Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils fallen die Feststellungen des FG allerdings nicht fort. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die tatsächlichen Feststellungen des FG bis zur Beendigung des Prozesses bestehen bleiben und ungeachtet der Aufhebung der Vorentscheidung Grundlage der weiteren Entscheidung des Senats sind (BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 II R 164/85 , BFHE 154, 13 , BStBl II 1988, 955 ). Der Senat hält den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel nicht für durchgreifend. Von einer Begründung wird gemäß § 126 Abs. 6 FGO insoweit abgesehen.

II. Der erkennende Senat entscheidet auf Grund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das FA eine Verteilung der Gewinnzuschläge aus dem der Einbringung vorangegangenen Übergang zur Bilanzierung abgelehnt.

1. Geht ein Steuerpflichtiger von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG über, so erfordert der Wechsel vom Zu- und Abflussprinzip zum Realisationsprinzip die Vornahme von Zu- und Abrechnungen, damit sich Geschäftsvorfälle nicht doppelt oder (andererseits) überhaupt nicht auswirken (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – vom 7. Dezember 1938 VI 774/37, RStBl 1939, 172; s. auch Senatsurteile vom 28. Mai 1968 IV R 202/67 , BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650 , und vom 24. Januar 1985 IV R 155/83, BFHE 143, 78, BStBl II 1985, 255, sowie aus jüngerer Zeit Senatsbeschluss vom 23. August 1995 IV B 78/94, BFH/NV 1996, 119).

a) Erfolgt der Übergang zum Bestandsvergleich im Zusammenhang mit der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft, so erhöht ein dabei entstehender Übergangsgewinn den laufenden Gewinn des einbringenden Steuerpflichtigen im letzten Wirtschaftsjahr vor der Einbringung (s. Senatsurteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, BFHE 129, 380 , BStBl II 1980, 239 ; a. A. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1964 VI 236/63 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1965, 311 ). Insofern wird der Übergangsgewinn nicht anders behandelt als die Zurechnungen, die sich aus dem vor der Aufgabe oder der Veräußerung eines Betriebs mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gebotenen fiktiven Bestandsvergleich ergeben (Senatsurteil vom 23. November 1961 IV 98/60 S, BFHE 74, 535, BStBl III 1962, 199 ). Der Übergangsgewinn ist danach dem Einbringenden und nicht der Gesellschaft im Wege der Gewinnfeststellung zuzurechnen.

b) Das FA hat diese Parallele zur Betriebsveräußerung auch seiner Ablehnung einer Billigkeitsverteilung im Streitfall zugrunde gelegt. Für den Fall der Betriebsveräußerung vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Hinzurechnungen zum laufenden Gewinn nicht nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 (jetzt R 17 Abs. 1 Satz 4 EStR 2001 ) auf drei Jahre verteilt werden können (Urteile vom 3. August 1967 IV 30/65, BFHE 90, 17, BStBl III 1967, 755 , und vom 11. August 1983 IV R 156/80, nicht veröffentlicht – NV – juris, sowie Beschluss vom 23. August 1991 IV B 69/90, BFH/NV 1992, 512).

Die EStR lehnen eine Billigkeitsverteilung für den Fall der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich ab, sondern regeln seit jeher nur den Fall, dass der Steuerpflichtige die Verteilung des Übergangsgewinns gewählt hat, den Betrieb aber vor Ablauf dieses Verteilungszeitraums veräußert oder aufgibt; dann erhöhen die noch nicht berücksichtigten Beträge den laufenden Gewinn des letzten Wirtschaftsjahrs (R 17 Abs. 1 Satz 5 EStR 2001 ; ebenso schon Abschn. 19 Abs. 1 Satz 9 EStR 1987 ).

c) Der Senat hat den Grund für diese Beschränkung der Billigkeitsmaßnahme darin gesehen, dass die infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart veranlasste Gewinnkorrektur die Existenz eines fortbestehenden Betriebs nicht gefährden soll; ein Billigkeitsgedanke, der bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs aber nicht zum Zuge kommt (BFH in BFHE 90, 17, BStBl III 1967, 755 , und BFH-Urteil IV R 156/80, NV). Ob diese Erwägungen auch auf den bislang noch nicht entschiedenen Fall von Gewinnkorrekturen anzuwenden sind, die im Zusammenhang mit der Erstellung einer Einbringungsbilanz anfallen, kann dahinstehen. Auch die Frage, ob die vom FG vorgenommene Gleichsetzung der Einbringung mit einer Betriebsveräußerung nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98 (BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123) noch Bestand haben kann (s. etwa Offerhaus, in Festschrift für Widmann, S. 441, 450 ff.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn abgesehen davon, dass es dem Senat verwehrt ist, die Billigkeitsregelung in Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 auf den Fall der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft auszudehnen, fehlt es insoweit bereits an einer sachlichen Rechtfertigung für eine Billigkeitsmaßnahme.

2. Rechtsgrundlage der Gewinnkorrekturen beim Übergang zum Bestandsvergleich ist der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG (vgl. Kanzler, Finanz-Rundschau – FR – 1999, 225, 227, m. w. N.), der es erfordert, den Steuerpflichtigen so zu stellen, als hätte er von Anfang an bilanziert (s. nur Senatsurteil vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91, BFHE 169, 180 , BStBl II 1993, 284 ). Der Übergang zum Bestandsvergleich dient daher nicht nur der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Einbringungsgewinns, sondern ,,bezweckt auch eine dem Gewinnbegriff des Einkommensteuergesetzes entsprechende Erfassung des laufenden Gewinns“ (BFH in BFHE 129, 380 , BStBl II 1980, 239 ). Die sich daraus ergebenden Gewinnerhöhungen entsprechen dem Gesetzesplan, der Billigkeitsregelungen allenfalls rechtfertigen kann, wenn ein solcher Wechsel der Gewinnermittlungsart zwingend, d. h. auf Grund gesetzlicher Vorschriften, wie etwa des Eintritts in die Buchführungspflicht, vorzunehmen ist. Die EStR gehen insoweit darüber hinaus, als sie eine Billigkeitsverteilung der Gewinnhinzurechnungen auf zwei oder drei Jahre auch für den Fall eines freiwilligen Übergangs zum Bestandsvergleich zulassen, für den weder eine sachliche noch eine persönliche Härte zu bejahen ist.

Auch im Streitfall bedurfte es keines Übergangs zum Bestandsvergleich, weil die Einbringung zum Buchwert erfolgen sollte und für diesen Fall auf die Erstellung einer Einbringungs- und einer Übergangsbilanz verzichtet werden konnte (BFH in BFHE 189, 465 , BStBl II 2000, 123 , zu C. II. 1. der Entscheidungsgründe; s. auch Widmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1985, 387). Wenn sich der Kläger gleichwohl für die Erstellung einer Einbringungsbilanz entschieden hatte, so, weil, er die Sofortversteuerung seiner Honorarforderungen herbeiführen wollte. Unter diesen Umständen besteht kein Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme, zumal eine Sofortversteuerung der dem Einbringenden zustehenden Honorare auch hätte vermieden werden können, wenn der Kläger diese von der Einbringung ausgenommen hätte (s. nur Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG 1977 Rz. 157).

Schließlich konnte der Senat nicht unberücksichtigt lassen, das die Sozietät 18 Monate nach der Einbringung wieder zur Einnahmen-Überschussrechnung unter Ansatz eines Übergangsverlustes in beträchtlicher Höhe zurückgekehrt ist.

Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht Düsseldorf mit Datum von heute (04.03.2013) veröffentlicht:

– FG Düsseldorf Beschluss vom 14.12.2012 – 1 K 2309/09 E: Verfassungswidrigkeit der sog. Reichensteuer im Veranlagungszeitraum 2007

Im Streitfall bezog ein Arbeitnehmer im Jahr 2007 ein Gehalt von über 1,5 Mio. €. Das Finanzamt unterwarf die betreffenden Einkünfte dem für Einkommen über 250.000 € (Ledige) bzw. 500.000 € (Verheiratete) geltenden Spitzensteuersatz von 45 %. Dagegen wandte sich der Arbeitnehmer und machte eine Ungleichbehandlung geltend: Selbständige Unternehmer und Freiberufler, die gleich hohe Einkünfte erzielten, unterlägen nämlich nur dem Spitzensteuersatz von 42 %.

Dem ist das Finanzgericht Düsseldorf gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Tatsache, dass im Jahr 2007 Arbeitnehmer mit Lohn- und Gehaltseinkünften sowie Steuerpflichtige mit Miet- oder Zinseinkünften einem Steuersatz von 45 % unterworfen würden, andere Steuerpflichtige dagegen maximal 42 % zahlten, stelle eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. Ein Rechtfertigungsgrund sei vom Gesetzgeber nicht angeführt worden.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die streitige Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung vorgelegt.1

– FG Düsseldorf Urteil vom 27.06.2012 – 4 K 4372/08 VE: Energiesteuerbefreiung eines Firmenjets

Die Beteiligten stritten um die Energiesteuerbefreiung eines Firmenjets. Die Klägerin, eine Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns, hatte die Aufgabe, ein Firmenflugzeug zu betreiben und das dafür erforderliche Personal zu stellen. Neben Trainings- und Werkstattflügen führte die Gesellschaft fast ausschließlich Flüge für das Management des Konzerns und seiner Tochtergesellschaften durch. Sie beantragte beim Hauptzollamt die Vergütung der für den Treibstoff bezahlten Energiesteuer, soweit dieser für dienstliche Flüge verwendet worden war. Dies wurde ihr unter Hinweis darauf, dass sie kein gewerbliches Luftfahrtunternehmen betreibe, versagt.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Da die Klägerin Flüge für andere Konzerngesellschaften durchgeführt habe, diene ihr Flugzeug gewerblichen Zwecken und nicht der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt. Es komme nicht darauf an, ob die Gesellschaft luftverkehrsrechtlich als Luftfahrtunternehmen zugelassen sei und andere Passagiere befördern dürfe. Die Gesellschaft erfülle daher die Voraussetzungen für eine Energiesteuerbefreiung.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Weitere aktuelle Entscheidungen

– FG Düsseldorf Urteil 21.11.2012 – 7 K 3613/12 GE (Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz);

– FG Düsseldorf Urteil 11.12.2012 – 10 K 4050/10 E (Keine Besteuerung der Barabfindungen bei sog. Altaktienbeständen anlässlich der Einführung der Abgeltungssteuer zum 1. Januar 2009);

– FG Düsseldorf Urteil vom 14.01.2013 – 11 K 2439/10 (Nachweise für die Berücksichtigung einer Spende an eine spanische Stiftung);

– FG Düsseldorf Urteil vom 28.11.2012 – 15 K 4263/11 Kg (Kindergeldanspruch eines im Inland lebenden Vaters für sein in Polen bei – nicht kindergeldberechtigten – Pflegeeltern lebendes Kind);

– FG Düsseldorf Urteil vom 10.01.2013 – 16 K 2855/12 Kg
– FG Düsseldorf Urteil vom 10.01.2013 – 16 K 3495/12 Kg (Gewährung von Kindergeld unter Anwendung der neuen EG-Verordnung Nr. 883/2004 und der Durchführungsverordnung EG-Verodnung Nr. 987/2009).

Finanzgericht Düsseldorf

Reichensteuer teilweise verfassungswidrig?

Einkommensteuer; Reichensteuer teilweise verfassungswidrig?

Der 1. Senat des FG Düsseldorf ist davon überzeugt, dass die Reichensteuer insoweit verfassungswidrig ist, als der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45 % gleichzeitig eine auf Gewinneinkünfte beschränkte Tarifbegrenzung (Entlastungsbetrag) eingeführt hat. Aus diesem Grund hat er sich mit Beschluss vom 14. 12. 2012 zur Klärung der Frage an das BVerfG gewandt. Die als „Reichensteuer” bezeichnete Erhöhung der Einkommensteuer für besonders hohe Einkommen trat mit dem StÄndG 2007 (BGBl 2006 I S. 1652 ) zum 1. 1. 2007 in Kraft. Ab einem zu versteuernden Einkommen von derzeitig 250.731 € für Ledige bzw. ab 501.462 € bei Zusammenveranlagung beträgt der Spitzensteuersatz 45 %. Dieser Steuersatz galt im Veranlagungszeitraum 2007 allerdings nicht für die Gewinneinkünfte, was damit begründet wurde, dass zum 1. 1. 2008 eine Unternehmensteuerreform (BGBl 2007 I S. 1912 ) in Kraft trat (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG a. F., § 32c EStG a. F.).

Anmerkung:

Die Frage, ob die Reichenbesteuerung im Jahr 2007 gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist im Streitfall entscheidungserheblich. Sollte die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht gegeben sein, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine für die Kläger des Ausgangsverfahrens günstige Regelung schafft und etwa zu einem einheitlichen Spitzensteuersatz von 42 % zurückkehrt. Liegt ein Gleichheitsverstoß vor, hat der Gesetzgeber jedoch verschiedene Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. In diesem Fall müsste das Klageverfahren bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgesetzt werden.

EDV-Berater – freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit

Abgrenzung freiberufliche Tätigkeit zum Gewerbebetrieb – Vergleichbarkeit der Ausbildung

Ein aktuelles Urteil zeigt, dass es für im EDV-Bereich selbstständig tätige Nicht-Akademiker fast unmöglich ist, als Freiberufler anerkannt zu werden und damit von der Gewerbesteuer befreit zu sein.

Leitsatz

  1. 1.            Eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit liegt vor, sofern sie in Ausbildung und berufliche Tätigkeit im wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf vergleichbar ist.
  2. 2.            Im Rahmen der Vergleichbarkeit der Katalogberufe des § 18 EStG kann das für ein Ingenieurstudium erforderliche Grundlagenwissen in Mathematik nicht durch besondere Kenntnisse in anderen Bereichen ersetzt werden.

Gesetze

EStG § 15 Abs. 2 Satz 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
GewStG § 2 Abs. 1
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

Tatbestand

Strittig ist, ob die Klägerin im Streitjahr freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

Die Klägerin ist …. Nach ihren eigenen Angaben besitzt sie seit 1989 Erfahrungen im EDV-Bereich und war ausweislich ihres Lebenslaufs nach einer gut achtmonatigen Ausbildung zum Systemverwalter SAP R3 in 1994/1995 überwiegend als SAP R3 Beraterin tätig. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den in den Akten vorhandenen Lebenslauf der Klägerin verwiesen.

Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2003 führte zu einer Überprüfung des Finanzamts, ob die Klägerin möglicherweise gewerbliche Einkünfte erzielt habe. … Die Anfrage des Finanzamts vom 28.04.2004, welche Tätigkeiten ab dem Veranlagungszeitraum 1998 im Einzelnen tatsächlich ausübt wurden, folgte eine allgemeine, nicht auf bestimmte Auftraggeber bezogene Tätigkeitsbeschreibung. Arbeitsverträge könnten nicht vorgelegt werden, da sie freiberuflich tätig sei und nur Auftragsbestätigungen erhalte. Das Finanzamt legte daraufhin im Schreiben vom 04.08.2004 dar, dass, wenn die Klägerin tatsächlich unterrichtend tätig sei, dies im Gegensatz zu ihren Angaben in der Steuererklärung stehe, wonach sie sich selbst als EDV-Beraterin (Systemsoftwareentwicklung) bezeichne. Ohne konkreten Nachweis hinsichtlich der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit werde es daher davon ausgehen, dass die Klägerin als EDV-Beraterin tätig sei. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) V R 11/85 werde verwiesen. …. Diese Angaben reichten dem Finanzamt für die Streitjahre ab 1998 nicht aus; es forderte nochmals Angaben zur konkret ausgeübten Tätigkeit und erließ für das Jahr 2003 am 21.09.2004 einen Gewerbesteuermessbescheid.

Die Klägerin legte am 30.09.2004 Einspruch ein und verwies auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren für die Vorjahre. ….

Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde der Einspruch wegen Gewerbesteuermessbetrags … 2003 mit am 22.06.2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

In ihrer Klagebegründung für die Streitjahre … und 2003 trug die Klägerin vor, sie sei freiberufliche IT – Systemprogrammiererin. Sie habe im Wesentlichen neue Software erstellt und Programmierleistungen selbständig erbracht. … Die Gewerbesteuermessbescheide seien aufzuheben.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sie über die erforderliche Ausbildung verfüge.

Am 16.04.2007 hat das Gericht einen Beweisbeschluss erlassen, wonach Beweis erhoben werden sollte, ob die konkrete Tätigkeit der Klägerin ingenieurähnlich ist, weil sie sich durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) auszeichnet, und ob die praktischen Arbeiten der Klägerin in Verbindung mit ihrem Ausbildungsgang den Schluss zulassen, dass sie, obwohl sie kein Ingenieur- oder Informatikstudium abgeschlossen hat, (bereits) in den Streitjahren über ingenieurähnliche Kenntnisse verfügte, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Ingenieurs oder Diplominformatikers entsprechen.

….

Der vom Gericht bestellte Sachverständige A. kam in seinem Gutachten vom 29.09.2010 unter Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsproben zu dem Ergebnis, dass er nicht abschließend beurteilen könne, ob die Kenntnisse der Klägerin ingenieurmäßig seien, weil das Wissen in dem Fach Mathematik von ihm nicht beurteilt werden könne. …

… Daraufhin wurden die Verfahren für 1998 – 2001 von diesem Verfahren abgetrennt.

….

Die Klägerin trägt vor, sie sei ingenieurmäßig tätig geworden. Auch der Sachverständige habe festgestellt, dass ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten. 93 % des Wissens wäre daher dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar. Da das Gericht schriftsätzlich zu erkennen gegeben habe, dass es der Auffassung sei, die Breite und Tiefe der Ausbildung sei nicht nachgewiesen, werde vorsorglich eine Wissensprüfung beantragt. Sie selbst sei aber der Auffassung, bei dieser Sachlage sei eine Wissensprüfung nicht angezeigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2003 vom 10.10.2011 sowie die davor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide insgesamt aufzuheben;

hilfsweise,

für den Fall der Klagabweisung die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hat … beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat am 27.02.2012 beschlossen, dass Beweis erhoben werden soll, ob die Klägerin in den Streitjahren über ingenieurähnliche Kenntnisse verfügte, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Ingenieurs oder Diplominformatikers entsprechen, durch Vornahme einer Wissensprüfung. Mit der Durchführung der Wissensprüfung wurde der B. beauftragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 verwiesen.

Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamts vor.

Gründe

I. ….

II. Die Klage ist nicht begründet.

Die selbständige Betätigung der Klägerin in den Streitjahren stellt sich….nicht als Ausübung eines freien Berufs dar.

1. Da die Klägerin unbestritten wegen fehlenden Studiums nicht als Ingenieur tätig war, kommt im Streitfall nur eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit in Betracht, sofern sie in Ausbildung und beruflicher Tätigkeit in wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf vergleichbar ist. Die danach in Tiefe und Breite –einem Ingenieur– vergleichbaren Kenntnisse kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung auch ein Diplom-Informatiker geltend machen, weil das Studium der Informatik an einer (Fach-)Hochschule dem der traditionellen Ingenieurwissenschaften gleichwertig ist, auch wenn das Ingenieurstudium im Grundsatz allgemeiner sein kann. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige

–ohne entsprechende Hochschulausbildung– nachweisen kann, dass er sich das Wissen eines Diplom-Informatikers in vergleichbarer Breite und Tiefe auf andere Weise im Wege der Fortbildung und/oder des Selbststudiums oder ggf. anhand eigener praktischer Arbeiten angeeignet hat, sofern die erworbenen Kenntnisse der Tiefe und der Breite nach dem Wissen des Kernbereichs des jeweiligen Fachstudiums entsprechen. Dies erfordert Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen des Katalogberufs. Dementsprechend kann auch ein EDV-Berater geltend machen, einen ingenieurähnlichen Beruf auszuüben (BFH-Urteile vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 ; vom 18.04.2007 XI R 29/06, BFHE 218, 65 , BStBl II 2007, 781 jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

2. Ausweislich des eingeholten Gutachtens ist die Klägerin auf dem Fachgebiet Entwicklung, Implementierung und Betreuung von Software tätig gewesen. Derartige Tätigkeiten sind bei Anlegung der dargelegten Grundsätze für den Ingenieurberuf typische Tätigkeiten (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.2009 VIII R 63/06 , BFHE 227, 386 , BStBl II 2010, 466). In diesem Bereich besitzt die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen A. profunde Kenntnisse.

Jedoch ist der Nachweis, dass die Klägerin über die erforderlichen Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfügt, nicht gelungen.

a) Die Klägerin hat im Fach Mathematik keine nennenswerten Kenntnisse durch Ausbildungsnachweise belegen können. Der Sachverständige A. hat in seinem Gutachten festgestellt, auch ihre vorgelegten praktischen Arbeiten hätten einen Bezug zu mathematischen Grundkenntnisses nicht herstellen können. In der Berufstätigkeit der Klägerin sah er auch keine Gelegenheit dafür, dass sie sich diese Kenntnisse „on the job” angeeignet haben könnte. Es sah daher den Themenblock „Mathematik” nicht als ausreichend abgedeckt an (Tz. 4.5.4).

Die Klägerin irrt, wenn sie der Auffassung ist, angesichts der Feststellung des Sachverständigen, dass ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten, sei ihr Wissen mit 93 % des Wissens dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar. Derartige Würdigungen werden zwar gerichtsbekannt auch von anderen Sachverständigen in ihren Privat- oder Gerichtsgutachten vertreten. Dabei wird aber übersehen, dass zu beurteilen ist, ob die Klägerin mit ihren vorhandenen Kenntnissen ein Fachhochschulstudium mit einem Abschluss bestanden hätte. Nur dann ist ihr Wissen der Tiefe und der Breite nach mit dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar.

Der erkennende Senat teilt die Auffassung des BFH, wonach der Nachweis eines vergleichbar umfänglichen Wissens ein sachgerechter und verfassungsrechtlich zulässiger Maßstab für die Abgrenzung gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeiten ist. Denn das in einem förmlichen Studiengang vermittelte Grundlagenwissen ist für die spätere Tätigkeit schon deshalb nicht als überflüssig anzusehen, weil bei typisierender Betrachtung ein Steuerpflichtiger, der über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen verfügt, insbesondere seltener in der Praxis auftretende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen vermag als jemand, der aufgrund überwiegend praktischer Erfahrung sich ein Spezialwissen angeeignet hat (BFH-Urteil vom 18.04.2007 XI R 29/06 , BFHE 218, 65 , BStBl II 2007, 781 m.w.N.).

Da die Prüfung im Grundlagenfach Mathematik bei einem Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH) mit Studienabschluss vor dem Streitjahr 2003 in einer Fachprüfung mindestens mit ausreichend bestanden werden muss und bei einem nicht ausreichenden Ergebnis nicht durch andere Prüfungsleistungen ausgeglichen werden kann (so die einschlägigen Prüfungsordnungen verschiedener Fachhochschulen), konnten die Kenntnisse der Klägerin im Streitfall allenfalls durch eine Wissensprüfung belegt werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 19.09.2002 IV R 74/00 , BStBl II 2003 , 27 ; Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 07.09.2011 1 K 1586/09 , nv, juris).

b) Da die Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr ingenieurmäßig war und sich nach den Feststellungen im schriftlichen Sachverständigengutachten erkennen ließ, dass die Klägerin über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte, war auf Antrag der Klägerin eine Wissensprüfung vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 16.06.2005 IV B 187/03 , BFH/NV 2005, 2015 ). Denn der erkennende Senat ist aufgrund fehlender Sachkunde im Bereich der Informatik nicht in der Lage, den Wissensstand der Klägerin zu überprüfen.

aa) Nach den Feststellungen des Sachverständigen A. sind die vorhandenen Kenntnisse der Klägerin, die vorwiegend im SAP R3 -Bereich tätig ist, am ehesten mit denen eines Wirtschaftsinformatikers vergleichbar. Der Sachverständige A. hat ihren Wissensstand anhand der für die Fachhochschule Köln geltenden Studienbedingungen überprüft. Die Klägerin hat gegen diese Einschätzung keine Einwendungen erhoben.

bb) Der Sachverständige A. hielt in seinem Gutachten nur die mathematischen Kenntnisse für nicht ausreichend nachgewiesen. In dem Bereich „Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen” (Tz. 4.5.3), der auch die Grundlagen der theoretischen Informatik umfasst, konnte die Klägerin seinen Feststellungen nach ihre Ausbildung nur in geringem Umfang belegen. Der Sachverständige hat aber „bei der Zuordnung von Ausbildungs- und Fachliteraturthemen zu diesen Themenblöcken bewusst davon abgesehen, Wissenskomponenten den Themenblöcken Grundlagen Informatik und Systemarchitekturen zuzuordnen”, weil die Abgrenzung schwierig sei und sich eher mit einer pauschalen Schätzung über die Gesamtheit der Fortbildung bemessen lasse, da sowohl in Hardware- und in Software-Fachthemen der hier vorliegenden Besonderheit auch Fragen der Grundlagen Informatik und Systemarchitekturen enthalten seien. Aufgrund der (langjährigen) „beruflichen Praxis auf ihrem speziellen Tätigkeitsfeld der Systementwicklung” attestierte er ihr Kenntnisse, die weit höher seien, als sie sich aus einer formalen Betrachtung ergäben. Da die (bei einem Fachhochschulstudium) geforderte Stundenzahl um mehr als das 10-fache überschritten sei, habe sie, wenn man ihr zubillige, dass nur 5 % dieser Zeit mit den Themen der Grundlagen der Informatik und Systemarchitekturen belegt seien, die gestellte Anforderung bereits erfüllt. Er resümierte, dass deshalb die Kenntnisse insgesamt denen eines Fachhochschulabsolventen ebenbürtig seien.

Der Senat vermochte diese Würdigung des Sachverständigen A. nicht nachzuvollziehen. Diese Einschätzung beruht nicht auf der besonderen Sachkunde des Sachverständigen. Wenn in Teilbereichen Kenntnisse vorhanden sind, die weit über das geforderte Maß hinausgehen, andererseits aber in Teilbereichen überhaupt keine Kenntnisse vorhanden sind, sind die Grundlagen in ihrer Breite nicht nachgewiesen. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige hier mehrere relevante Prüfungsfächer des Grundlagenbereiches miteinander vermengt und einheitlich gewürdigt hat. Mit der vorgenannten Rechtsprechung ist dies nicht zu vereinbaren. Auch wenn Teilbereiche von Grundlagenfächern zum ausreichend abgedeckten Wissensstand der Klägerin gehören, vermögen sie die an einer Fachhochschule erworbenen Fähigkeiten ihrer Tiefe und Breite nach grundsätzlich nicht zu ersetzen. Gerade die Ausbildung der Breite nach und nicht ein Spezialwissen wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert, um eine Vergleichbarkeit mit einem freien Beruf herstellen zu können.

Die Klägerin hat nach Auffassung des Senats durch eigene Weiterbildungsmaßnahmen und durch ihre Arbeitsproben Kenntnisse im Bereich der Mathematik, der Theoretischen Informatik und der Systemarchitekturen nicht belegt. Aus ihrem beruflichen Werdegang als so genannter Seiteneinsteiger mit einer Vorausbildung, die nichts mit EDV zu tun hatte, kann auch nicht geschlossen werden, dass sie sich über ihre Spezialisierung auf Unix und SAP R3 hinaus grundlegend mit weitergehenden Fragestellungen auseinandergesetzt hätte. Zumindest ergab sich dafür keine berufsbedingte Notwendigkeit. Der erkennende Senat, der für den gesamten Gerichtsbezirk im Rahmen seiner Spezialzuständigkeit für die Abgrenzung von gewerblichen Einkünften zu anderen Einkunftsarten zuständig ist und daher häufiger Fallgestaltungen wie solche im Streitfall zu beurteilen hat, kann die Feststellung des Sachverständigen A., dass die theoretischen Fächer „sich ein Berufstätiger nur mit besonderer, zielgerichteter Anstrengung nachträglich aneignen kann” (Tz. 4.5.10), uneingeschränkt bestätigen. Aus diesen Gründen kommt auch den durch Selbststudium (angeblich) erworbenen Kenntnissen, die ein Steuerpflichtiger anhand von Literaturlisten nachweisen will, nur eingeschränkte Beweiskraft zu.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin war aus vorgenannten Gründen die Wissensprüfung nicht auf das Fach Mathematik zu beschränken. Steht wie im Streitfall fest, dass das Wissen der Klägerin zumindest auch in den genannten Grundlagenfächern Theoretische Informatik und Systemarchitekturen nicht belegt wurde, hat gem. § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 404a Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) das Gericht zu bestimmen, welche Tatsachen von dem (für die Wissensprüfung beauftragten) Sachverständigen zu begutachten sind. Denn dem Finanzgericht obliegt es aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO ), die tatsächlichen Kenntnisse der Klägerin festzustellen.

dd) Eine Wissenprüfung ist in mündlicher Verhandlung durchzuführen. Zwar kommt der Beurteilung des Sachverständigen, ob die Wissensprüfung bestanden ist, aufgrund dessen Sachkunde vorrangige Bedeutung zu. Dem Gericht ist es aber nach der Durchführung einer solchen Wissensprüfung vorzunehmenden Beweiswürdigung vorbehalten festzustellen, ob im Einzelfall ein Rückschluss von den Ergebnissen der Prüfung auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren aufgrund besonderer Umstände in Zweifel zu ziehen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2008 VIII R 27/07 , HFR 2009, 898 ). Eine solche Beweiswürdigung ist nach Auffassung des Senats nur dann möglich, wenn das Gericht bei der Wissensprüfung zugegen war.

ee) Der Sachverständige B. hat die Wissensprüfung in den Grundlagenfächern Mathematik und Theoretische Informatik als nicht ausreichend und damit als nicht bestanden beurteilt. Nach Auffassung des Sachverständigen hatte die Klägerin nahezu keine Kenntnisse im Bereich der Grundlagen der theoretischen Informatik. In Mathematik waren wesentliche Grundbegriffe der Klägerin überhaupt nicht bekannt. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 verwiesen. Diese Würdigung konnte das Gericht nicht nur nachvollziehen, sondern es hätte selbst, ohne über ausreichende Sachkenntnisse zu verfügen, nach dem Ablauf der Wissensprüfung diese so beurteilt. Obwohl der Sachverständige in den Grundlagenfächern verschiedene Bereiche prüfte und wiederholt Hilfestellungen leistete, konnten die Fragen von der Klägerin überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang beantwortet werden.

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin ihr ursprünglich vorhandenes Wissen nicht einfach nur vergessen hatte. Zum einen kam ihr auch dann, wenn der Sachverständige ihr „Brücken bauen” wollte, keine Erinnerung; zum anderen hat sie selbst mehrfach betont, solche Fragestellungen kämen in ihrer praktischen Tätigkeit niemals vor oder aber sie frage einen Diplom-Informatiker, wenn bei ihr derartige Probleme auftauchten.

II. Da die Klage abzuweisen war, fallen der Klägerin die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu Last. ….

III. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Können Rabatte von dritter Seite Arbeitslohn darstellen?

Können Rabatte von dritter Seite Arbeitslohn darstellen?

Kernproblem

Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die im Rahmen des Dienstverhältnisses gewährt werden. Dabei ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht oder unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden. Arbeitslohn kann ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie Entgelt des Arbeitnehmers für eine Leistung im Rahmen des Dienstverhältnisses mit seinem Arbeitgeber darstellt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich jüngst mit der Frage des Arbeitslohns von dritter Seite bei Rabattgewährung beschäftigt.

Sachverhalt
Der Lieferant eines Krankenhauses räumte den etwa 750 Krankenhaus-Mitarbeitern Vorteile beim Erwerb von Apothekenartikeln ein. Die Mitarbeiter erhielten bei der Bestellung von ihrem Arbeitsplatz aus einen Nachlass auf den üblichen Apothekenendpreis. Die Bezahlung erfolgte durch die Arbeitnehmer. Weil das Krankenhaus jedoch die Bekanntmachung des Mitarbeiter-Vorteilsprogramms und die Lieferung am Arbeitsplatz duldete, gelangte das Finanzamt anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass Arbeitslohn von dritter Seite vorläge. Die Klage des Krankenhauses gegen den Haftungsbescheid sah das Finanzgericht als begründet an, weil nach dessen Überzeugung das eigene Interesse des Lieferanten an einer Kundengewinnung und Gewinnmaximierung durch Synergieeffekte Anlass der Vorteilsgewährung war. Die Finanzverwaltung zog weiter zum BFH.

Entscheidung
Der BFH wies die Revision zurück. Arbeitslohn liege nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt werde. Hierbei sei das vom Finanzgericht gewürdigte eigene Interesse des Lieferanten naheliegend. Allein der Umstand, dass der Preisnachlass nicht auch Arbeitnehmern anderer (nicht belieferter) Krankenhäuser gewährt werde, könne den Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteilsgewährung und Arbeitsleistung nicht begründen. Davon sei erst auszugehen, wenn der Arbeitgeber z. B. einen ihm zustehenden Vorteil an seine Mitarbeiter weitergebe. Zwar könne die Mitwirkung des Arbeitgebers an der Rabattgewährung für Arbeitslohn sprechen; zwingend sei das jedoch nicht. Allein die Informationsgestellung (Schwarzes Brett) und Duldung der Auslieferung ließe kein aktives Mitwirken erkennen.

Konsequenz
Nach der Verwaltungsauffassung reicht das Mitwirken des Arbeitgebers für Arbeitslohn aus. Hieran kann nach dieser Entscheidung nicht mehr festgehalten werden.

Eigener Hausstand auch bei Mehrgenerationenhaushalt?

Eigener Hausstand auch bei Mehrgenerationenhaushalt?

Kernproblem

Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, sind Werbungskosten. Das gilt unabhängig vom Familienstand. Wohnen jedoch Alleinstehende im Haus der Eltern, bezweifelt das Finanzamt häufig das Vorliegen eines eigenen Haushalts. Wenn der Finanzbeamte stutzig wird und nach den Kosten im „Hotel Mama“ fragt, fehlen nicht selten die Argumente oder noch besser Belege einer Kostenübernahme. Dabei gibt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Anlass zur Hoffnung.

Sachverhalt
Der in den Streitjahren 31-jährige nichtselbstständige Sohn unterhielt einen Haushalt im elterlichen Mehrgenerationenhaus. Das Haus verfügte über 5 Wohn- bzw. Schlafzimmer, 2 Badezimmer und eine Küche. Davon waren 2 Zimmer und ein Bad in den über einen separaten Eingang erreichbaren Kellerräumen belegen, in denen der Sohn lebte. In dem im Keller gelegenen Bad befand sich die einzige Waschmaschine des Hauses, die die Eltern mitbenutzten. Dagegen nutzte der Sohn die Küche und den einzigen Telefonanschluss im Reich der Eltern mit. Eine Miete wurde nicht bezahlt. Es war jedoch vereinbart, dass der Sohn neben der Erledigung schwerer körperlicher Arbeiten im Garten die Kosten für Versicherungen, Reparaturen sowie Grundsteuer tragen sollte, während die Eltern alle Betriebskosten (Strom, Heizung, Wasser) übernahmen. Das Finanzamt sah hierin keinen eigenen Haushalt und lehnte den beantragten Werbungskostenabzug – ebenso wie das Finanzgericht – ab.

Entscheidung
Der BFH wies den Fall an das Finanzgericht zurück mit der Begründung, dass ein eigener Hausstand auch im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts (mit den Eltern) geführt werden könne. Zwar sei die Entgeltlichkeit ein gewichtiges Indiz, aber keine unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen eines eigenen Haushalts. So könne sich der kleinfamilientypische Haushalt der Eltern im Laufe der Zeit zu einem wohngemeinschaftsähnlichen, gemeinsamen und mitbestimmten Mehrgenerationenhaushalt oder gar zum Haushalt des erwachsenen Kindes wandeln, in den die Eltern (z. B. wegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit) aufgenommen sind.

Konsequenz
Für die weitere Beurteilung kommt es dem BFH insbesondere auf Größe und Ausstattung der zur Verfügung stehenden Räume mit eigenen Möbeln und Haushaltsgegenständen sowie die Art und Weise der Haushaltsführung im Mehrgenerationenhaushalt an. Dagegen sieht es der BFH als unerheblich an, ob die überlassenen Räume den bewertungsrechtlichen Anforderungen genügen, etwa weil man sich ein Bad oder die Küche teilen muss.