Softwareentwickler ohne Studienabschluss

Softwareentwickler ohne Studienabschluss und ohne einem Fachhochschulabsolventen vergleichbare IT-Kenntnisse nicht freiberuflich tätig Beurteilung der auf Datenträger vorgelegten Arbeitsproben durch Sachverständigen zulässig

Leitsatz

1. Ein Steuerpflichtiger, der eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht nachweisen kann, muss den Erwerb von in der Breite und Tiefe vergleichbaren Kenntnissen, die er im Wege der Fortbildung bzw. des Selbststudiums erworben hat, entweder durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen oder anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Wissensprüfung nachweisen.

2. Werden zum Nachweis für die Ausübung eines ingenieurähnlichen Berufs auch Arbeitsproben auf einem elektronischen Datenträger vorgelegt, ist es bei fehlender eigener Fachkompetenz des Gerichts und Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Freiberuflichkeit der IT-Tätigkeit des Klägers zulässig, die vorgelegten Arbeitsproben unmittelbar vom Sachverständigen auch daraufhin prüfen zu lassen, ob die dokumentierten Arbeiten vom Kläger persönlich stammen.

3. Auch wenn der nicht über einen förmlichen Berufsabschluss der Ingenieurswissenschaften verfügende Steuerpflichtige aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und damit einem Ingenieur vergleichbar tätig ist, ist seine Tätigkeit als gewerblich einzustufen, wenn er sich unter Würdigung der gesamten vorgelegten Unterlagen (zu zwei abgebrochenen technischen Studiengängen sowie zu Kursen und zum Selbststudium) zwar im EDV-Bereich ausgebildet, aber nicht annähernd Kenntnisse erworben hat, die denen eines Fachhochschulabsolventen entsprechen, der 2/3 der Pflichtfächer bestanden hat, und wenn sich nach der Wertung des Sachverständigen die für eine ingenieursähnliche Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse auch nicht aus den nachträglich vorgelegten Unterlagen des Klägers über seine praktischen Arbeiten ergeben.

Gesetze

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
FGO § 82
ZPO § 404a Abs. 4

Gründe

 

I.

Streitig ist, ob es sich bei den im Rahmen des Einzelunternehmens Informationstechnologie erzielten Einkünften des Klägers um Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit handelt.

Der Kläger hat nach Erreichen der Fachhochschulreife an einer Höheren Handelsschule und der allgemeinen Hochschulreife an einem Wirtschaftsgymnasium eine Ausbildung in elektronischer Datenverarbeitung und als Pascal-Programmierer an der Bundeswehrschule … gemacht. Daraufhin absolvierte er an der Technischen Universität München im Diplomstudiengang Chemie das 1. bis 6. Semester mit Vordiplomprüfung und studierte anschließend für drei Semester Informatik. Über einen abgeschlossenen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss verfügt er nicht.

Seit 1993 übte der Kläger eine gewerbliche Tätigkeit aus mit den Schwerpunkten Planung, Durchführung und Verkauf von Netzwerkinfrastrukturen, Expertensystemen für Konstruktionszeichnungen und die Druckvorstufe sowie kaufmännischer Software. Seit 1996 wirkte er an diversen Projekten zur Entwicklung von System- und Anwendersoftware mit.

In den Streitjahren war er im Rahmen von Projekten der … AG, der … AG, der … GmbH – jeweils mittelbar über den Auftraggeber … GmbH –, der …, sowie der … und … (Projekt …) beauftragt.

Der Kläger erklärte diesbezüglich als Kaufmann aus seinem Einzelunternehmen Informationstechnologie Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Gewerbsteuermessbetragsfestsetzung für 2000 bis 2002 erfolgte insoweit zunächst erklärungsgemäß (Bescheide vom 29. September 2003, 11. Februar 2004, 9. März 2004). Zudem wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2002 in Höhe von 929 EUR mit Bescheid vom 9. März 2004 festgestellt

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung (BP) für die Jahre 2000 bis 2003 (BP-Bericht vom 27. August 2007) wurde mit Änderungsbescheiden vom 19. September 2007 der Gewerbesteuermessbetrag für 2000 auf 2.910 DM, für 2001 auf 2.515 DM und für 2002 auf 115 EUR festgesetzt und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2002 aufgehoben.

Mit seinen hiergegen gerichteten Einsprüchen trug der Kläger – neben anderen Gesichtspunkten – erstmals vor, dass es sich bei den Einkünften aus dem Einzelunternehmen Informationstechnologie um freiberufliche Einkünfte handle. Der Aufforderung seitens des Beklagten (Finanzamt – FA –), ein Sachverständigengutachten vorzulegen zum Nachweis dafür, dass er in Breite und Tiefe über dem Wissen eines Diplom-Informatikers vergleichbare Kenntnisse verfüge, kam der Kläger nicht nach.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 setzte das FA den Gewerbesteuermessbetrag aus hier nicht streitigen Gründen auf 2.505 DM (2000), auf 1.251 DM (2001) und 34 EUR (2002) herab und wies im Übrigen die Einsprüche als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Er sei als selbständiger Informatik-Ingenieur nicht gewerblich, sondern freiberuflich tätig, da sowohl seine Qualifikation als auch seine Tätigkeit in den Streitjahren der eines Diplom-Informatikers (FH) entsprächen und er daher einen dem Ingenieur bzw. Informatiker ähnlichen Beruf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübe.

Zum beruflichen Werdegang und seiner Qualifikation führt er zusätzlich aus, dass er in Breite und Tiefe über das Wissen eines Wirtschafts-Diplominformatikers verfüge, das er sich durch kontinuierliche autodidaktische Fortbildung über Fachliteratur, Teilnahme an Seminaren und Training-on-the-job erworben habe. Seit 1996 habe er sich auf diese Weise auf die freiberufliche Tätigkeit als Informatiker mit Schwerpunkt System- und Anwendersoftwareentwicklung vorbereitet, sich zunächst auf bestimmte Systeme konzentriert und sein Wissen in Bereichen Softwareentwicklungsprozesse und Qualitäts- und Projektmanagement vertieft. Seit 1998 habe er eigene Studienarbeiten im Bereich Daten- und Prozessmodellierung und Konzeption einer Datenmodellierungssprache und deren – spezifische – Implementierung durchgeführt und seit 2001 habe er seine technischen Kompetenzen in Bezug auf Softwareentwicklung nochmals erweitert. Seine insgesamt auf die beschriebene Weise erworbenen Kenntnisse entsprächen denjenigen, die die Gesellschaft für Informatik (= Dachverband der in Deutschland an den Hochschulen und in Wirtschaft und Verwaltung tätigen Informatiker) im Rahmen eines Musterstudiums für Fachhochschulstudium der Informatik empfehle (zum Vortrag über den Umfang des Wissensstands vgl. auch Fax des Klägers vom 1. Dezember 2009). Zum beruflichen Werdegang legt der Kläger außerdem dar, dass er seit 1993 Inhaber und Projektleiter eines IT-Systemanbieters mit zwei festangestellten und mehreren freien Mitarbeitern gewesen sei, seit 1996 eine Übergangsphase mit sukzessivem Beenden der gewerblichen Tätigkeit und Vorbereitung auf eine Tätigkeit als freiberuflicher Informatiker sowie mit Auftragsannahme von Projekten mit Schwerpunkt Entwicklung von System- und Anwendungssoftware gehabt habe und seit 1999 die Tätigkeit als freiberuflicher Informatiker ausübe. Der Kläger sei in den Streitjahren wie ein Ingenieur tätig gewesen, da sein Tätigkeitsbereich schwerpunktmäßig in der Softwareentwicklung liege. Das Berufsbild des Informatik-Ingenieurs umfasse auch die Implementierung, Anpassung, Betreuung/Verwaltung von Software, soweit dabei auch auf eigene bzw. mitentwickelte Softwareentwicklungsarbeiten zurückgegriffen werde, sowie weitere qualifizierte Dienstleistungen. Anhand der von ihm selbst erstellten Beschreibungen der Projekte, an denen er mitgewirkt habe, sei belegt, dass die Tätigkeit derjenigen eines Informatik-Ingenieurs entspreche.

Als Nachweise legte der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 zum Projekt … ein Softwaregutachten/Bericht der … für die …, Aufträge der …, eine Projektbeschreibung, ein Ablaufprogramm und eine Übersicht Projektstatus … Stand 11. April 2001 sowie Dokumentationen der Arbeiten an … Schriftwechsel in 2002 vor; zu den Projekten der … und der … AG liegen Angebote der Fa. …GmbH an die … vor. Des Weiteren wurden Ausgangsrechnungen des Jahres 2000 an die Fa. … GmbH und eine Rahmenvereinbarung für freie Mitarbeiter mit der Fa. … vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

die geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2000, 2001 und 2002 und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2002, jeweils vom 19. September 2007 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 26. Mai 2010, aufzuheben,

Das FA beantragt ,

die Klage abzuweisen.

Da sich die im Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen nicht von den Einwendungen im Vorverfahren unterschieden, werde vollinhaltlich auf die Einspruchsentscheidungen vom 26. Mai 2010 verwiesen. Insbesondere sei die vorgelegte Tätigkeitsdokumentation vom Kläger selbst abgefasst; es seien jedoch keine Unterlagen vorgelegt worden, die die erbrachten Leistungen aus Sicht der Auftraggeber darstellten.

Auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2012, dass die zum Nachweis der Freiberuflichkeit bis dahin vorgelegte Dokumentation, vor allem die vom Kläger selbst erstellten Beschreibungen seines Wissensstands und seiner beruflichen Tätigkeiten, nicht als Nachweis für das erforderliche Wissen dienen könnten, und außerdem nicht erkennbar sei, welche Arbeiten der Kläger in den Projekten jeweils ausgeführt habe, beantragte der Kläger die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis dafür, dass er in den Streitjahren das Wissen eines Wirtschaftsinformatikers (FH) besessen und eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt habe (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung).

Das Gericht erhob daraufhin Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. Beweisbeschluss vom 31. Januar 2012, Gutachten vom 28. Juli 2012). Entsprechend seiner Ankündigung in der mündlichen Verhandlung und in Absprache mit dem Sachverständigen überließ der Kläger dem Sachverständigen zum Zwecke des Nachweises seiner Tätigkeiten und Qualifikation eine DVD. Auf dieser sind 6.903 Dateien in 326 Ordnern mit einer Größe von insgesamt 3,3 GB gespeichert. Sie enthält die Hauptordner „Arbeitsproben”, „Auskunftspersonen”, „Qualifikationsprofil”, „Rechnungen”, „Sonstiges”, „Tätigkeitsnachweise” und „Verträge”.

Den Antrag des Klägers vom 01. Juni 2012 auf Abbestellung des Gutachters wegen Befangenheit lehnte der Senat mit Beschluss vom 22. Juni 2012 ab.

Auf Aufforderung des Gerichts, zum Sachverständigen-Gutachten und insbesondere zur Frage einer Wissensprüfung Stellung zu nehmen, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28. September 2012, dass er keinen Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung stelle. Zum Gutachten hat sich der Kläger nicht geäußert. Das beklagte Finanzamt hat sich dem Gutachten angeschlossen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Aufklärungsanordnungen vom 29. Juli 2011 und vom 30. Januar 2012 und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2012 Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das FA ist zu Recht von einem gewerblichen Unternehmen ausgegangen. Nach den Feststellungen des Senats, unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012, liegen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine freiberufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren vor.

1. Ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (GewStG ) unterliegt der Gewerbesteuer, zu deren Berechnung nach Maßgabe des § 11 GewStG ein Steuermessbetrag festzusetzen ist (§ 14 GewStG ).

Nicht der Gewerbesteuer unterliegt dagegen eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG , zu der neben den ausdrücklich genannten sog. Katalogberufen auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe gehören. Ein Beruf ist dem – im Streitfall in Frage kommenden – Katalogberuf des Ingenieurs ähnlich, wenn er sowohl in der Ausbildung als auch in der beruflichen Tätigkeit mit diesem vergleichbar ist (BFH-Urteil vom 18. April 2007 XI R 57/05 , BFH/NV 2007, 1854 ).

1.1. Für die Bejahung einer vergleichbaren beruflichen Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann es ausreichen, dass sich die Tätigkeit zumindest auf einen der Kernbereiche einer Ingenieurtätigkeit erstreckt (BFH Beschluss vom 25. Oktober 2007 VIII B 21/07 , BFH/NV 2008, 214 ). Die Ingenieurtätigkeit umfasst auch die beratende Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05 , BFH/NV 2006, 1270 , m.w.N.) und die Entwicklung qualifizierter System- oder Anwender-Software durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03 , BStBl II 2004, 989).

1.2. Eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung kann in einem förmlichen Ausbildungsgang, wie z. B. in einem Studium, stattfinden (BFH-Beschluss vom 23. März 2009 VIII B 173/08 , juris m.w.N.), so dass z. B. ein selbständiger Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausüben kann, wenn er qualifizierte System- oder Anwender-Software durch klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt (BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03 , BStBl II 2004, 989). Ein Steuerpflichtiger, der eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht nachweisen kann, muss den Erwerb von in der Breite und Tiefe vergleichbaren Kenntnissen, die er im Wege der Fortbildung bzw. des Selbststudiums erworben hat, entweder durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen oder anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Wissensprüfung nachweisen (BFH-Urteile vom 18. April 2007 XI R 29/06 , BStBl II 2007, 781 und XI R 34/06, BFH/NV 2007, 1495 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 23. März 2009 VIII B 173/08 , juris). Der Nachweis ist jeweils nur dann erbracht, wenn auf eine dem Katalogberuf vergleichbare Tiefe und Breite des Wissens auf allen Hauptgebieten eines Studiums der Ingenieurwissenschaften geschlossen werden kann. Im Falle des Nachweises durch praktische Arbeiten müssen diese den wesentlichen Teil des Katalogberufes umfassen und dürfen sich nicht lediglich auf einen Abschnitt hieraus beschränken, da nur derjenige, der bereits entsprechend umfangreiche Kenntnisse nachgewiesen hat, sich in seiner Tätigkeit auf Teilbereiche eines Katalogberufes beschränken kann (BFH Beschluss vom 13.12.1999 – IV B 68/99 , BFH/NV 2000, 705 ).

2. Das Gericht hat sowohl zur Klärung der Frage, ob die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren ihrem Wesen nach einer freiberuflichen Ingenieurtätigkeit in einem ihrer Kernbereiche vergleichbar ist, als auch zur Klärung der Frage, ob vorgelegte praktische Arbeiten bzw. Belege über Fortbildungsmaßnahmen den Rückschluss auf vorhandenes Wissen in der gebotenen Tiefe und Breite zulassen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. September 2006 IV B 18/05 , BFH/NV 2007, 89 m.w.N.) neben dem vom Kläger vorgelegten Unterlagen und Nachweisen auch das Sachverständigengutachten vom 28. Juli 2012 herangezogen.

Das Gericht, das dem Beweisantrag des Klägers gefolgt ist, die vorgelegten sowie angekündigten weiteren Unterlagen (Arbeitsproben und Projektunterlagen in Form von elektronischen Dateien) von einem Sachverständigen begutachten zu lassen, hat es mangels ausreichender eigener Sachkunde für notwendig erachtet, diese weiteren Unterlagen unmittelbar dem Sachverständigen vorzulegen. Denn es hat sich dabei vor allem um technische Dokumentationen mit teilweise für das Gericht nicht lesbaren oder unverständlichen Dateiinhalten gehandelt, anhand derer nur ein Sachverständiger sicher beurteilen kann, ob sie bzw. die ggf. hierzu automatisch gespeicherten Protokolldaten Hinweise darauf ergeben, dass die Arbeitsproben tatsächlich vom Kläger erstellt worden sind (Urheberschaft) und von welchen Kenntnissen und beruflichen Tätigkeiten des Klägers in den Streitjahren auszugehen ist. Wegen der insoweit fehlenden Sachkunde des Gerichts ist daher ausnahmsweise auch die Ermittlung von Anknüpfungstatsachen, hier der Urheberschaft der Arbeitsproben, dem Sachverständigen gemäß § 82 FGO i.V.m. § 404a Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) übertragen worden (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 VIII B 224/09 , BFH/NV 2010, 1650 ).

3. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat sich eine freiberufliche Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren nicht ergeben.

3.1. Zwar erscheint es nach den vorgelegten Unterlagen als sehr wahrscheinlich, dass der Kläger in den Streitjahren auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und damit einem Ingenieur vergleichbar, tätig geworden ist.

So hat es das Gericht bereits anhand der bis zur mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2012 vorliegenden Unterlagen für möglich gehalten, dass der Kläger innerhalb der Projekte, an denen er – durch unmittelbare oder mittelbare Beauftragung – mitgewirkt hat, zumindest auch ingenieurähnlich tätig geworden ist. Denn aufgrund der Unterlagen (v.a. Verträge und Rechnungen) steht fest, dass die diversen Projekte, an denen er zweifelsfrei mitgewirkt hat, jeweils der Entwicklung von spezieller Software gedient haben. Jedoch hat sich aus den bis dahin vorgelegten Unterlagen nicht ergeben, ob und in welchem Umfang der Kläger die jeweilige Software selbst entwickelt hat. So haben sich aus den Ausgangsrechnungen an die Fa. … GmbH (Rb-A, Bd. II, Bl. 280 ff.) und den Aufträgen der … (Rb-A, Bd. II, Bl. 224 ff.) keine ausreichend konkretisierten Leistungsbezeichnungen ergeben. Aus den Rechnungen der Fa. … GmbH an die … folgt lediglich, dass der Kläger mit der Lieferung, Installation und Inbetriebnahme von … befasst war (Rb-A, Bd. II, Bl. 216). Im Übrigen ist dort nicht dokumentiert, welche Arbeiten der Kläger durchgeführt hat. Dasselbe gilt für die Rechnung der Fa. … GmbH an die … AG (Rb-A, Bd. II, Bl. 217). Die zu dem Projekt … vorgelegten Unterlagen haben weder erkennen lassen, welche Arbeiten der Kläger durchgeführt hat (Rb-A, Bd. II, Bl. 165 ff., 202) noch ist es für das Gericht erkennbar gewesen, ob der Kläger im Rahmen des Projekts lediglich gewerblich tätig geworden ist (durch Implementierung bzw. Anpassung vorhandener Softwaremodule) oder die Entwicklung von Software (zumindest teilweise) in Eigenleistung erbracht hat (Rb-A, Bd II, Bl. 209 182 ff.).

Eine Durchsicht der DVD des Klägers durch das Gericht hat ergeben, dass in zahlreichen Dokumenten Elemente der Systemanalyse, der Ablaufdarstellung, Programmschemata, Programmabläufe, Definition von Schnittstellen und Anforderungsprofilen sowie der Strukturierung komplexer Abläufe zur Softwareimplementierung zu finden sind (z. B. in Unterordner „…”: Fachkonzepte 1.0 bis 1.2; Voruntersuchungen 1.0, 1.1; Unterordner „…”\Projects\… Products\Moving Team Object Manager Repository\Project Documentation). Es war dem Gericht jedoch nicht möglich, einwandfrei und sicher die Aussagekraft dieser Unterlagen in Bezug auf die Urheberschaft und die Anforderungen an den Verfasser zu beurteilen. So hat sich für das Gericht kein eindeutiger Hinweis darauf ergeben, dass der Kläger anspruchsvolle Tätigkeiten eigenständig oder verantwortlich leitend verrichtet hat. Vielmehr heißt es im Vertrag mit … gemäß Fax vom 20. März 2001 (vgl. Hauptordner „Verträge”, Unterordner „1999-2001 – … GmbH”): „Wie wir im Telefonat vereinbart haben, erhältst Du in Verbindung mit … den Auftrag von Anfang April bis Ende Juni 4 Tage/Woche die Entwicklung bei der … zu unterstützen.”. Im Schreiben der Firma … vom 30. November 2000 an die … GmbH (Anhang zur Email vom 4. Dezember 2000 von … an den Kläger, vgl. Hauptordner „Verträge”, Unterordner „1999 – … AG”\…\ … eml) heisst es: „Es ist übrigens sowohl bei … als auch bei …-Mitarbeitern (Herr …, Herr …) bekannte Tatsache, daß die Firma … für die Firma … lediglich stundenweise abzurechnende Arbeiten unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung erbringt.”. Aus einer Reihe von weiteren Textdateien ergibt sich, dass der Kläger teilweise nur als Mittler zwischen Anwender und Entwickler fungierte und die Erfüllung des Pflichtenheftes und der Anforderungsprofile einforderte.

Darüber hinaus ist das Gericht auf zahlreiche Dateien gestoßen, die für Laien unlesbar sind (*.sql-, *.app-, *.apt-, *.apl-, *.qrp usw., z. B. in den Unterordnern „1997-2001-… Deutschland” und „…”) oder auf Dateien, deren Bezug zur Tätigkeit und Qualifikation des Klägers in den Streitjahren nicht erkennbar ist (z. B. in Unterordner „1997-2001 … Deutschland”: Logo …; Unterordner „…”: Ordner „Logos …” etc.) oder die bereits in Papierform Akteninhalt geworden sind (vgl. z. B. Unterordner „2001, 2002 …”). Dies deckt sich mit den Feststellungen des Sachverständigen. Darin wird in nachvollziehbarer Weise festgestellt, dass sich aus der Aktenlage und den ihm – in Form der DVD – vorgelegten Unterlagen (Zusammenstellung der Inhalte, vgl. Ziff. 4.13 des Sachverständigen-Gutachtens, FG-A, Bl. 265) zwar eine hohe Wahrscheinlichkeit ergebe, dass der Kläger die Arbeitsproben sowie andere Projektunterlagen zumindest zum Teil selbst erstellt habe, es aber unklar bleibe, ob und in welchem Umfang andere Personen dabei mitgewirkt haben (vgl. Ziff. 4.12 Anmerkung a, b, Ziff. 4.13, 4.14, 4.17, Ziff. 5 Abs. 2 und Ziff. 6 Abs. 3 des Gutachtens vom 28. Juli 2012).

3.2. Das Gericht hat jedoch nicht feststellen können, dass der Kläger in den Streitjahren das der Ausbildung eines Ingenieurs seines Fachgebiets in Tiefe und Breite vergleichbare Wissen gehabt hat.

3.2.1. Der Kläger, der unstreitig nicht über einen förmlichen Berufsabschluss der Ingenieurswissenschaften verfügt, hat einen entsprechenden Wissenserwerb im Selbststudium nicht nachgewiesen.

Der Senat kommt aufgrund seiner eigenen Feststellungen und der – anhand sorgfältiger Auswertung aller Angaben und Unterlagen zur Ausbildung, Weiterbildung und Selbststudium der in Papierform und ergänzend auf DVD vorgelegten Materialien des Klägers (Ziff. 5.1.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012) – herausgearbeiteten Fakten im Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich zwar im EDV-Bereich ausgebildet hat, aber nicht annähernd Kenntnisse erworben hat, die denen eines Fachhochschulabsolventen entsprechen, der 2/3 der Pflichtfächer bestanden hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 74/00 , BStBl II 2003, 27, m.w.N. und Ziff. 2.2 des Sachverständigengutachtens).

Aus der dem Gericht bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 vorliegenden Aktenlage haben sich solche Kenntnisse nicht ableiten lassen. Denn die vom Kläger erstellten Listen über „Literatur”, „Training-on-the-job”, „selbst durchgeführte Seminare” und „Seminarteilnahmen ohne Bescheinigung” (FG-A, Bl. 49 ff.), also ohne jegliche Fortbildungsbelege, stellen naturgemäß gerade keinen Nachweis für die behauptete Fortbildung bzw. das Eigenstudium dar. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich um einen – detaillierten – Sachvortrag zur Klagebegründung. Dasselbe gilt für die vom Kläger erstellten Projekt- bzw. Tätigkeitsbeschreibungen zu den einzelnen Projekten, an denen er mitgewirkt hat (FG-A, Bl. 62 ff.), sowie für das von ihm selbst erstellte Qualifikationsprofil, Stand 2008 (Rb-A, Bd. II, Bl. 190 ff). Auch die übrigen bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2012 vorgelegten Unterlagen (insbesondere Zeugnis DV-Institut …, FG-A, Bl. 120, Übungsscheine des Lehrstuhls für theoretische Chemie, FG-A, Bl. 121, Praktikumsbestätigungen des Instituts für Physikalische und Theoretische Chemie, FG-A, Bl. 122 f., Studiennachweise für zwei Semester Informatikstudium, FG-A, Bl. 124) lassen keinen sicheren Schluss auf das für die Freiberuflichkeit erforderliche Wissen des Klägers zu. Denn einzelne Ausbildungsabschnitte (abgebrochene Diplomstudiengänge Chemie und Informatik) sind von vornherein nicht geeignet, Kenntnisse eines Diplom-/Wirtschaftsinformatikers zu belegen. Die zwei abgebrochenen technischen Studiengänge sind auch zusammen mit den nachweislich besuchten EDVKursen nicht als eine einem abgeschlossenen Informatik- oder Wirtschaftsinformatikstudium vergleichbare Ausbildung anzusehen. Die behauptete Durcharbeit von 110 Fachbüchern neben der beruflichen Auslastung ist unglaubwürdig. Ob sich der Kläger dadurch ausreichendes Wissen angeeignet hat, hätte daher allenfalls eine – vom Kläger abgelehnte – Wissensprüfung ergeben können.

An diesen Feststellungen des Gerichts hat sich auch durch die Beweiserhebung im Wege des Sachverständigengutachtens nichts geändert; denn der Kläger hat insoweit keine neuen Fortbildungs- oder Qualifikationsnachweise vorgelegt (vgl. Ziff. 4.1 bis 4.7 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012) und der Sachverständige hat die vorhandenen Nachweise und Darlegungen ebenso wie das Gericht gewertet (vgl. Ziff. 5.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012).

3.2.2. Die für eine ingenieursähnliche Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse ergeben sich aber auch nicht aus den nachträglich vorgelegten Unterlagen des Klägers über seine praktischen Arbeiten.

Aufgrund der sachkundigen und fundierten Feststellungen des Sachverständigen kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger selbst wenn er über das Know-how eines versierten Softwareentwicklers verfügt, er damit nicht Tätigkeiten ausgeübt hat, die nur ausgeübt werden können, wenn man über Wissen in einer Breite und Tiefe verfügt, das mit dem eines Diplominformatikers oder Wirtschaftsinformatikers vergleichbar ist.

Der Sachverständige hat in den Unterlagen des Klägers Projektbeschreibungen gefunden, wonach typische Aufgaben eines Diplom- oder Wirtschaftsinformatikers übernommen worden sind, ferner Projektunterlagen, wonach typische Tätigkeiten von Diplominformatikern ausgeübt worden sind, sowie Programmcodes (Quellcodes) mittleren Schwierigkeitsgrades. Alle diese Arbeiten hat der Sachverständige aber nicht als so anspruchsvoll angesehen, dass dadurch sämtliche Kernbereiche der Ausbildung eines Diplom- oder Wirtschaftsinformatikers abgedeckt wären (Tz. 5.1.1 und 5.1.2 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012). Der Sachverständige stützt dies nachvollziehbar darauf, dass der Kläger durch die von ihm verwendete Entwicklungsumgebung in aller Regel von komplizierten Algorithmen und Datenstrukturen befreit war (Tz. 5.2.1 des Sachverständigengutachtens). Der Senat geht aufgrund der Beurteilung durch den Sachverständigen davon aus, dass dies auch für das Computerprogramm … gilt, dessen Nutzungsrecht der Kläger am 01. Januar 2001 an … GmbH für 78.272 DM verkauft hat (vgl. Hauptordner „Verträge”, Unterordner „1997-2001 – … GmbH”\ …, 2001 – Nutzungsvertrag.pdf) und das ausführlich dokumentiert ist (vgl. Hauptordner „Arbeitsproben”, Unterordner „1997-2001 – … GmbH”\ … – Software für operative Geschäftsprozess-Abwicklung\ … Workflow 1.0.45.3 – 1.1.0.21.x).

3.2.3. Aus den Verträgen, Rechnungen, Tätigkeitsnachweisen und Stundenaufstellungen ergeben sich weder für den Senat noch für den Sachverständigen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen nur aufgrund eines Wissens in der Breite und Tiefe erbracht werden konnten, wie es durch ein Fachhochschulstudium vermittelt wird (vgl. hierzu oben Punkt 3.1 dieses Urteils sowie Ziff. 4.15 bis 4.17 und 5.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012). Die angegebenen Auskunftspersonen waren zum Teil nicht erreichbar, im Übrigen nicht in der Lage, die Leistung des Klägers zu beurteilen (Ziff. 4.9 und 5.1 des Sachverständigengutachtens vom 28. Juli 2012). Die Auswertung der Verdienstangaben und der Stundensätze hat keinen Hinweis auf eine überdurchschnittliche Entlohnung als Anhaltspunkt für eine hochschulmäßige Qualifikation ergeben (Ziff. 4.8 und 5.1 des Sachverständigengutachtens).

3.2.4. Da der Kläger eine Wissensprüfung, die als ergänzendes Beweismittel nur auf Antrag in Betracht kommt (BFH in BFH/NV 2007, 1495 ), ausdrücklich abgelehnt hat, ist eine weitere Sachaufklärung nicht möglich. Dies geht zu Lasten des Klägers, da er steuermindernde Tatsachen geltend macht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

5. Die Zulassung zur Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .

6. Das Gericht erachtet es für sachgerecht, mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO ).