Anerkennung von grenzüberschreitenden Organschaften

Anerkennung von grenzüberschreitenden Organschaften

Kernproblem

Verpflichtet sich eine inländische Kapitalgesellschaft, ihren gesamten Gewinn als Organgesellschaft an ein anderes gewerbliches Unternehmen als Organträger abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Die Organschaft eignet sich somit insbesondere zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten innerhalb von Konzernen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Organschaft ist dabei u. a., dass der Organträger die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft innehat und seine Geschäftsleitung (früher zusätzlich auch Sitz) im Inland hat. Dies gilt für die Körperschaftsteuer ebenso wie für die Gewerbesteuer. Fraglich ist allerdings, ob der strikte Inlandsbezug der Organschaft den Anforderungen des Europa- und des Abkommensrechts standhält.

Sachverhalt

Klägerin war eine inländische GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts (public privat company) war. Letztere gewährte der inländischen GmbH im Streitjahr 1999 hohe Darlehensbeträge, für die in 1999 Darlehenszinsen anfielen. Die klagende GmbH begehrte als Organgesellschaft behandelt zu werden, so dass eine Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen für Zwecke der Gewerbesteuer unterbleiben würde. Das Finanzamt sowie das Finanzgericht Hessen folgten dieser Auffassung nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klägerin im Ergebnis jedoch nunmehr recht.

Entscheidung

Der BFH erkennt vorliegend die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der britischen Muttergesellschaft und der deutschen Tochter-GmbH an. Zwar könne die Obergesellschaft mangels inländischer Geschäftsleitung nach dem Gesetzeswortlaut nicht Organträger sein. Allerdings sei der strikte Inlandsbezug ein Verstoß gegen das im DBA-Großbritannien vereinbarte Diskriminierungsverbot. Danach dürfen Inlandsunternehmen, die von im Ausland ansässigen Gesellschaftern beherrscht werden, steuerlich nicht schlechter behandelt werden als von Inländern beherrschte Inlandsunternehmen. Da die Organschaft schon nach abkommensrechtlichen Grundsätzen anzuerkennen war, konnte der BFH die interessante Frage nach der Europarechtskonformität der Organschaftsregelungen offen lassen.

Konsequenzen

Das Urteil kann zwar nicht unmittelbar auf das geltende Recht übertragen werden, da nach aktuellem Recht (neben der körperschaftsteuerlichen) nunmehr auch die gewerbesteuerliche Organschaft den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags verlangt. Es ist jedoch fraglich, ob das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags europarechtlichen Anforderungen entspricht. Sofern diese Voraussetzung zukünftig aus europarechtlichen Gründen aufgehoben wird, käme dem Urteil zukünftig in grenzüberschreitenden Sachverhalten erhebliche Bedeutung zu. In diesen Fällen wären grenzüberschreitende Organschaften dann anzuerkennen, wenn die sonstigen Organschaftsvoraussetzungen erfüllt wären und das maßgebliche DBA ein Diskriminierungsverbot i. S. d. Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen beinhaltet.

Testkauf durch das Finanzamt in „Gyros-Bude“

Testkauf durch das Finanzamt in „Gyros-Bude“

Kernproblem

„Dem Betriebsprüfer muss das Wasser im Munde zusammengelaufen sein“. So oder ähnlich denkt man beim Lesen einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster. Es fallen im Zusammenhang mit Pommes Frites, Pita, Gyros und Tzaziki Ausdrücke wie Bratverlust, innerer und äußerer Betriebsvergleich, wohlwollende Portionierung, neuer Gyros-Zuschneider, verbranntes oder gebrochenes Pita-Brot, aber auch gerichtseigener Prüfer und Ausbeutekalkulation sowie Sturzfähigkeit der Kasse. All das findet sich in der Entscheidung wieder. Wenn nicht auch der Schwund durch Gammelfleisch vorkäme, der die Annahme zu Beginn revidiert. Aber was war geschehen?

Sachverhalt

Ein Betriebsprüfer des Finanzamts hatte eine Gyros-Bude auseinandergenommen. Es war nicht schwer, die Buchführung zu widerlegen, um Hinzuschätzungen vorzunehmen, denn die Verwechslung von Euro- mit DM-Beträgen (zugegebenermaßen im Jahr der Euro-Einführung) war nur eine der Beanstandungen. Es wurde aber auch mehr Pita-Brot eingekauft, als veräußert. Dem neben anderen Argumenten gelieferten Hinweis der Griechen, das Brot sei eingefroren gewesen und anschließend gebrochen, entgegneten die Finanzrichter später, dass sich so etwas durch Auftauen des Brotes vermeiden ließe und dies auch den Betreibern bewusst gewesen sein dürfte. Beim Finanzgericht ging es dann überwiegend um die Schätzungsparameter. Das Finanzamt prüfte die Jahre 2001 und 2002 und hatte offensichtlich in 2005 und 2007 Testkäufe durchgeführt. Hier ermittelte man durchschnittlich 226 g Fleischeinlage. Die Griechen gingen von 280 g aus und begründeten dies mit Umbau, Angebotserweiterung, neuem Gyros-Zuschneider und wohlwollender Portionierung des Ehemannes einer Mitinhaberin. Welche Lösung hatte jetzt das Finanzgericht (FG) Münster parat?

Entscheidung

Jetzt kam der gerichtseigene Prüfer ins Spiel. Auch dieser hatte eine Ausbeutekalkulation vorgenommen und kam auf 255 g je Portion. Nicht nur, dass die Richter darauf hinwiesen, dass der eigene Prüfer seine Berechnungen differenzierter als das Finanzamt vorgenommen hatte. Dem Finanzamt wurde vorgeworfen, offensichtlich selbst Zweifel an der Überzeugungskraft der auf den Testkauf gestützten Kalkulation zu haben, denn es habe die Zuschätzung durch Sicherheitsabschlag um mehr als die Hälfte nach unten korrigiert. So kam man zum Ergebnis, dass die Testkäufe des Finanzamts für die Bestimmung der Schätzungsparameter nicht repräsentativ und damit unverwertbar seien. Vielmehr sei eine zeitliche Nähe zwischen Verprobungszeitraum und Testkauf erforderlich, denn nur hierdurch könne sichergestellt werden, dass zum Zeitpunkt des Testkaufs dieselben betrieblichen Verhältnisse vorherrschten, wie im Verprobungsjahr. Zudem müsse eine Ausbeutekalkulation auf eine repräsentative Anzahl von Testkäufen gestützt werden können, um Zufälligkeiten zu vermeiden.

Konsequenz

Wen es noch interessiert: Letztendlich hat das FG die Hinzuschätzung auf Basis eines äußeren Betriebsvergleichs mit Rohgewinnaufschlagsatz durchgeführt.

Verluste aus Liebhaberei bei einer GmbH sind verdeckte Gewinnausschüttung (vGA)

Verluste aus Liebhaberei bei einer GmbH sind verdeckte Gewinnausschüttung (vGA)

Kernproblem

Die Frage, ob die von einem Steuerpflichtigen erzielten Verluste steuerlich anzuerkennen sind oder ob sie dem steuerlich irrelevanten (Privat-)Bereich der Liebhaberei zuzuordnen sind, ist immer wieder Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren. Dies kann auch Prüfgegenstand bei einer GmbH sein. Erzielt nämlich eine Kapitalgesellschaft auf Dauer Verluste, so kann hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an ihre Gesellschafter vorliegen, wenn und soweit die von der Gesellschaft getätigten Geschäfte im privaten Interesse der Gesellschafter liegen.

Sachverhalt

Klägerin war eine GmbH, an der 2 Gesellschafter zu je 50 % beteiligt waren. Kerngeschäft der Gesellschaft waren Dienstleistungen im Bereich des Beförderungsverkehrs. Daneben betrieb sie seit 1996/1997 die Zucht und den Vertrieb von Fleischrindern. Vor Aufnahme der Rinderzucht hatten die beiden Gesellschafter bereits eine private Pferdehaltung betrieben. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung der Jahre 1997-2003, die Verluste der Rinderzucht jeweils im 5-stelligen Bereich feststellte, gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Rinderzucht einen steuerlichen „Liebhabereibetrieb“ darstelle und somit die Verluste als vGA zu behandeln seien. Die GmbH erhob hiergegen Klage und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Der Antrag wurde vom Finanzgericht abgelehnt; die Revision wurde nicht zugelassen.

Entscheidung

Nach Auffassung der Richter bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide. Vielmehr sei die Tatsache, dass die GmbH außerhalb ihres Kerngeschäfts Verluste aus einer Rinderzucht über einen geschlossenen Zeitraum von 11 Jahre erzielte, ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Gesellschaft die Rinderzucht nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Gesellschafter unterhalte. Die Prüfung, ob die Gesellschaft im Eigen- oder Gesellschafterinteresse handele, sei dabei grundsätzlich nach denjenigen Regeln zu beurteilen, die bei natürlichen Personen und Personengesellschaften für die Abgrenzung der auf Einkunftserzielung gerichteten Tätigkeit von der steuerlich unbeachtlichen „Liebhaberei“ gelten würden.

Konsequenzen

Der Beschluss ist zwar nur im Aussetzungsverfahren ergangen, so dass eine abschließende Beurteilung der rechtlichen und tatsächlichen Zweifelsfragen nicht erfolgte. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren zu einer anderen Entscheidung gelangen wird. Dem „Vorwurf“ der Liebhaberei kann sich der Steuerpflichtige wohl nur noch entziehen, wenn er eine überzeugende und belastbare Prognose zum Erzielen eines Totalgewinns darlegen kann.

Rückstellungen für Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

Rückstellungen für Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

Kernaussage

Im Jahr 2002 stellte der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals fest, dass Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen handels- sowie steuerrechtlich grundsätzlich zu bilden sind. Die Berechnung dieser Rückstellung eröffnete in der Vergangenheit allerdings unter anderem wegen individueller Aufbewahrungsfristen (6 oder 10 Jahre) für unterschiedliche Arten von Geschäftsunterlagen und divergierender Meinungen über die korrekte Berechnung einen gewissen Interpretationsspielraum.

Sachverhalt

Der Kläger ist Betreiber einer Apotheke; er erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen bildete er im Jahresabschluss des Streitjahres 2003 eine Rückstellung von 10.700 EUR. Er hatte dafür die jährlich entstehenden Kosten für die Aufbewahrung von 1.070 EUR mit 10 multipliziert. Er nahm als Aufbewahrungsfrist für alle Unterlagen 10 Jahre an; zudem berücksichtigte er durch den Faktor 10 den Umstand, dass sein Archiv zwar jährlich durch Aussonderung von bereits mehr als 10 Jahre alter Unterlagen entlastet werde, dieser frei werdende Stauraum aber auch gleichzeitig mit neuen Unterlagen aufgefüllt würde. Das Finanzamt folgte dieser Berechnung nicht. Der Kläger unterlag schließlich vor dem BFH.

Entscheidung

Der BFH stellte klar, dass lediglich die am Bilanzstichtag bereits entstandenen Unterlagen für die Berechnung der Aufbewahrungsrückstellung berücksichtigungsfähig sind. Dabei ist, ausgehend von einer Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren für alle Geschäftsunterlagen, der vereinfachende Ansatz der Finanzverwaltung, d. h. die Annahme einer durchschnittlichen Restaufbewahrungsdauer von 5,5 Jahren, nicht zu beanstanden. Diese ermittelt sich aus dem Durchschnitt der Restaufbewahrungsdauer aller am Bilanzstichtag bereits vorhandenen Unterlagen ([10+1]:2 = 5,5).

Konsequenz

Die Entscheidung des BFH schränkt den Interpretationsspielraum für die Berechnung der Aufbewahrungsrückstellung bezüglich der Berücksichtigung in Zukunft entstehender Unterlagen ein. Damit schafft er Rechtssicherheit für die Bilanzierenden, die ihre Rückstellung mit Hilfe der vereinfachenden Formel der Finanzverwaltung ermitteln. Dass im vorliegenden Fall entschieden wurde, dass noch nicht verursachte Kosten bei der Berechnung der Rückstellung nicht zu berücksichtigen sind, war zu erwarten. Angesichts des in aller Regel lediglich steuerstundenden Effekts dieser Rückstellung im Jahr ihrer Bildung ist eine möglichst einfache, von der Finanzverwaltung akzeptierte Ermittlungsmethode zu begrüßen.

Anspruch aus Darlehensvertrag zählt zur Insolvenzmasse

Anspruch aus Darlehensvertrag zählt zur Insolvenzmasse

Kernaussage

Der Anspruch des Insolvenzschuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einem bestimmten Gläubiger zuzuwenden, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun, dass dies auch dann gilt, wenn der Kredit nicht unmittelbar an den Begünstigten ausgezahlt wird, sondern die Valuta zunächst auf das Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Darlehensgeber gemeinsam beauftragten Rechtsanwalts überwiesen und von dort an den Begünstigten weitergeleitet wird.

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Im Juni 2003 stellte der Beklagte, gestützt auf Steuerforderungen in Höhe von rd. 71.000 EUR, einen ersten Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin. Daraufhin beauftragte diese einen Rechtsanwalt, mit ihren Gläubigern zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens über eine einverständliche Schuldenbereinigung zu verhandeln. Im Rahmen dieses Auftrages vereinbarte der Rechtsanwalt namens der Schuldnerin mit dem Beklagten, dass bei sofortiger Zahlung eines Teilbetrages von 30.000 EUR auf die offene Steuerschuld der Insolvenzantrag zurückgenommen werde. Weil die Schuldnerin nicht zur Aufbringung dieses Teilbetrags in der Lage war, überwies ihr Lebensgefährte entsprechend der zunächst mündlich, später schriftlich getroffenen Vereinbarung das Geld auf ein Fremdgeldkonto des beauftragten Rechtsanwalts zur Weiterleitung an den Beklagten. Dieser erklärte nach Erhalt des Geldes im September 2003 den Insolvenzantrag für erledigt. Im Oktober 2004 stellte der Beklagte wegen Abgabenrückständen in Höhe von rd. 115.000 EUR erneut Insolvenzantrag. Im Mai 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger focht die Zahlung an den Beklagten wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 Abs. 1 InsO) an. Nach Erfolglosigkeit der Klage in den Unterinstanzen wies der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück.

Entscheidung

Nach den Vorschriften der Insolvenzordnung (§ 129 Abs. 1 InsO) setzt jede Anfechtung eine Rechtshandlung voraus, die die späteren Insolvenzgläubiger benachteiligt. Eine solche objektive Gläubigerbenachteiligung tritt ein, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Dies kann geschehen durch eine Verringerung des Aktivvermögens oder eine Vermehrung der Passiva. Hier wurde das Aktivvermögen der Schuldnerin durch die Zahlung an den Beklagten gläubigerbenachteiligend verkürzt. Die nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung (§ 143 Abs. 1 InsO) zurückzugewährenden Werte müssen nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Anfechtbar können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt. Für den Dritten muss hierbei erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat. Um eine derartige mittelbare Zuwendung handelt es sich auch hier. Die Schuldnerin hatte gegen den Lebensgefährten zwar keinen Anspruch auf Abschluss des Darlehensvertrages. Die mittelbare Zuwendung konnte aber nur infolge und nach Einräumung des von der Schuldnerin erbetenen Kredits bewirkt werden. Dieser unmittelbar aus dem Vermögen des Lebensgefährten herrührende Zahlungsfluss ist deshalb der Schuldnerin zuzurechnen. So hat auch der Beklagte die über das Fremdgeldkonto des eingeschalteten Rechtsanwalts erfolgte Zahlung des Lebensgefährten als Leistung der Schuldnerin in Erfüllung der im Ratenzahlungsvergleich vereinbarten Bedingungen verstanden. Auch der Anspruch eines (Insolvenz-)Schuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einer bestimmten Person zuzuwenden, gehört zur Insolvenzmasse. Das gilt auch bei einer nicht unmittelbaren Auszahlung – aber späteren Weiterleitung – an den Begünstigten.

Konsequenz

Wäre die Zahlung des Mittlers nicht anfechtbar, wäre ein Schuldner regelmäßig in der Lage, eigene Vermögenswerte einem Einzelgläubiger unanfechtbar zu übertragen. Er müsste lediglich eine Zwischenperson einschaltet, für die von dieser zu erbringende Leistung als Zweckbindung die Befriedigung des von ihm ausgewählten Gläubigers vereinbaren und die Auszahlung über ein Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Zahlungsmittler beauftragten Dritten vornehmen lassen. Damit könnte die Durchsetzung von Rückgewähransprüchen, wie sie durch die Anfechtungsvorschriften begründet sind, weitgehend unterlaufen werden.

Stempelaufdruck dokumentiert nicht ausreichend die Vertretung der GbR

Stempelaufdruck dokumentiert nicht ausreichend die Vertretung der GbR

Kernaussage

Wenn ein unterzeichnender Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auch für die übrigen vertretungsberechtigten Gesellschafter handeln will, muss dies zur Wahrung der Schriftform eines Vertrages stets deutlich werden. Selbst wenn durch einen Stempelzusatz offensichtlich ist, dass durch die Unterschrift eines einzelnen Gesellschafters die GbR verpflichtet werden soll, reicht dies nicht aus.

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die wirksame Beendigung eines Mietvertrages mit fester Laufzeit. Den Mietvertrag hatte für die klagende Mieterin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Namen „R-GbR“, einer der Gesellschafter unterzeichnet. Über seiner Unterschrift befand sich ein Firmenstempel mit dem Aufdruck „R-GbR“. Unstreitig waren die GbR-Gesellschafter gemeinsam vertretungsberechtigt. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis vorzeitig; sie meinte, dazu berechtigt zu sein, weil der Mietvertrag nicht die erforderliche Schriftform einhielt. Die Unwirksamkeit folge aus dem unzureichenden Vertreterzusatz bei der Unterschrift des Gesellschafters unter dem Mietvertrag. Die Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses hatte Erfolg.

Entscheidung

Die Kündigung des Mietverhältnisses war wirksam. Die Schriftform des Mietvertrages war nicht gewahrt, weil der Unterschrift des Gesellschafters nicht entnommen werden konnte, dass er den Vertrag auch für weitere Gesellschafter der klagenden GbR mitunterzeichnet hatte. Zwar war aufgrund des Stempelaufdrucks zweifellos erkennbar, dass der Gesellschafter jedenfalls nicht für sich, sondern für die GbR handelte. Jedoch hätte die Unterschrift deutlich zum Ausdruck bringen müssen, dass sie auch in Vertretung der nicht unterzeichnenden Vertragsparteien geleistet wurde, weil der unterschreibende Gesellschafter nur als Teil der gemeinsam zur Vertretung berechtigten Gesellschafterrunde gehandelt hatte. Auch der Stempelaufdruck dokumentierte nicht ausreichend zuverlässig eine Vertretung der übrigen Gesellschafter.

Konsequenz

Um den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu genügen, sollte bei einem Mietvertrag mit Personenmehrheiten immer erkennbar sein, ob ein unterzeichnender Gesellschafter nur für sich oder auch als Vertreter der anderen handelt. Dies geschieht regelmäßig durch den Vermerk „i. V.“ und dient dem Zweck, auszuschließen, dass vorgesehen war, auch die restlichen Gesellschafter sollten den Vertrag mitunterschreiben.

Elektronische Einkommensteuererklärung ohne elektronische Signatur

Elektronische Einkommensteuererklärung ohne elektronische Signatur kann steuerlich bedeutend seinKernaussage

Fehlt bei einer per „Elster“ übermittelten Steuererklärung die elektronische Signatur, ist die Erklärung mangels Einhaltung der Formvorschrift nicht wirksam. Sie kann aber steuerliche Bedeutung erlangen, z. B. als schlichter Änderungsantrag.

Sachverhalt

Das beklagte Finanzamt erließ am 23.7.2008 einen gegen die Klägerin gerichteten Schätzbescheid, da diese auch nach Aufforderung keine Steuererklärung eingereicht hatte. Um das Finanzamt von der überhöhten Schätzung abzubringen, holte die Klägerin am 29.7.2008 per elektronischer Steuererklärung „Elster“ die Erklärung nach. Allerdings enthielt diese keine elektronische Signatur. Den eigenhändig unterzeichneten komprimierten Papierausdruck reichte die Klägerin erst am 22.9.2008, also nach Ablauf der Einspruchsfrist, beim Finanzamt ein. Das Finanzamt verweigerte die begehrte Änderung zugunsten der Klägerin und argumentierte, dass die unterschriebene Steuererklärung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen und daher wegen Fristablaufes nicht mehr zu berücksichtigen sei. Die zuvor eingereichte elektronische Erklärung habe mangels Unterschrift keine Rechtswirkung. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht. Die über Elster übermittelten Daten sind nicht unbeachtlich, sondern sind als Antrag auf schlichte Änderung des Steuerbescheides zu interpretieren. Für diesen Antrag gilt anders als für die Einkommensteuererklärung oder das Rechtsmittel des Einspruchs kein Unterschriftenerfordernis. Der Änderungsantrag kann auch formlos, z. B. telefonisch oder stillschweigend, gestellt werden. Entscheidend ist, dass konkretisiert wird, inwieweit und aus welchen Gründen der ergangene Steuerbescheid zu ändern ist. Ob das beklagte Finanzamt den Antrag auf schlichte Änderung als solchen erkennt, ist unbeachtlich. Da die Elsterübertragung innerhalb der Einspruchsfrist stattfand, wurde das beklagte Finanzamt vom Gericht zur Änderung verpflichtet.

Konsequenz

Einen Änderungsantrag beim Finanzamt stellen oder dort einen Einspruch einlegen kann der Steuerpflichtige nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des betreffenden Bescheids. Danach wird der Steuerbescheid bestandskräftig, und ist grundsätzlich nicht mehr änderbar. Die Fristen sind daher in jedem Fall zu beachten.

Ärztlicher Vergütungsanspruch gegen Privatpatienten entsteht mit Rechnungserteilung

Ärztlicher Vergütungsanspruch gegen Privatpatienten entsteht mit Rechnungserteilung

Rechtslage

Die regelmäßige Verjährung von Ansprüchen beträgt 3 Jahre. Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist mit Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden und fällig ist. Die Erteilung einer Rechnung ist in der Regel keine Fälligkeitsvoraussetzung. Bei ärztlichen Honorarforderungen wird nach einer eine Sondervorschrift der Gebührenordnung für Ärzte (§ 12 GOÄ) die Vergütung für ärztliche Leistungen erst fällig, wenn dem Patienten eine Rechnung erteilt worden ist. Erst dann beginnt auch die Verjährungsfrist zu laufen. Ähnliche Sondervorschriften, die für die Fälligkeit eine Rechnungsstellung fordern, existieren für Werklohnforderungen (wenn VOB/B 16 Nr. 3 anwendbar ist), Architektenhonorare oder Nachforderungen von Versorgungsunternehmen.

Sachverhalt 

Der Beklagte war bei dem Kläger von Juni 2003 bis September 2004 in fachärztlicher urologischer Behandlung. Der Kläger berechnete seine Leistungen mit Rechnungen vom Dezember 2006 und Dezember 2007. Der Beklagte bezahlte beide Rechnungen nicht. Der Kläger beantragte im Dezember 2009 einen Mahnbescheid, gegen den der Beklagte Widerspruch erhob, weil die Forderungen verjährt seien. Das Amtsgericht gab der Klage schließlich statt.

Entscheidung 

Durch die Einreichung des Mahnbescheids wurde die Verjährung der Forderungen gehemmt. Eine Verjährung der Forderungen ist nicht eingetreten, denn nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte ist die Erteilung einer ordnungsgemäßen Gebührenrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs für die ärztliche Leistung. Die Verjährung beginnt daher nicht bereits mit Ende des Jahres der Leistungserbringung, sondern mit dem Ende des Jahres der Rechnungsstellung. Für eine Verwirkung des Honoraranspruchs ist auch der Zeitablauf allein nicht ausreichend. Hinzutreten müssen weitere Umstände, z. B. ein Verhalten des Arztes, aus dem der Patient hätte schließen können, dass er die Forderung nicht mehr geltend machen würde.

Konsequenz 

Mit der Rechnungsstellung kann ein Arzt den Beginn der Verjährung hinauszögern. Privatrechnungen sind daher zeitnah zu erstellen. Der Honoraranspruch eines Arztes kann im Einzelfall dann verwirkt sein, wenn dieser mit der Stellung seiner Rechnung mehr als 3 Jahre nach Leistungserbringung zuwartet. Der Patient ist in diesen Fällen häufig zu schützen, da die Rechnung erschwert auf Richtigkeit geprüft werden kann.

Bei psychischem Druck durch FA kann Einspruchsrücknahme unwirksam sein

Bei psychischem Druck durch FA kann Einspruchsrücknahme unwirksam sein

Kernaussage

Ein Steuerpflichtiger, der sich gegen seinen Steuerbescheid zur Wehr setzen will, richtet zunächst einen Einspruch an das zuständige Finanzamt. Nimmt der Steuerpflichtige den Einspruch später zurück, etwa weil er die Erfolgsaussichten als nicht gegeben ansieht, wird der Bescheid bestandskräftig und kann im Regelfall nicht mehr geändert werden. Das gilt dann nicht, wenn die Rücknahme des Einspruchs unwirksam ist. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied nun, dass eine unwirksame Einspruchsrücknahme dann vorliegt, wenn die Finanzbehörde in unzulässiger Weise auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen eingewirkt hat.

Sachverhalt

Die klagende Geschäftsführerin einer GmbH, die für diese einen zunächst eingelegten Einspruch zurückgenommen hatte, machte geltend, sie sei vom Finanzamt zu diesem Schritt genötigt worden. Dies sei durch die Anordnung und Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung geschehen sowie durch ein gegen sie eingeleitetes Steuerstrafverfahren. Ferner habe sie sich durch ein 4 Monate vor der Einspruchsrücknahme an sie gesandtes Schreiben des beklagten Finanzamtes unter Druck gesetzt gefühlt, in dem ihr die Festsetzung einer – irrtümlich in Euro statt in DM ausgewiesenen und damit zu hohen – Zahllast für den Fall der Weiterverfolgung ihres Einspruchs angedroht worden sei. Die Klägerin blieb vor dem Finanzgericht erfolglos; die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist beim Bundesfinanzhof anhängig.

Entscheidung

Das Gericht hielt das klägerische Vorbringen nicht für ausreichend, um eine Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr ein unzulässige Einwirkung der Behörde auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen. Psychischer Druck, der von einem Erläuterungsschreiben des Finanzamtes und der Einleitung eines Strafverfahrens ausgeht, ist jedenfalls dann nicht geeignet, die Rücknahme des Einspruchs als unwirksam anzusehen, wenn zwischen diesen Ereignissen und der Einspruchsrücknahme mehrere Monate liegen und der Steuerpflichtige sich in der Zwischenzeit in sachgerechter Weise mit der Finanzbehörde auseinandersetzt.

Konsequenz

An die Unwirksamkeit einer Einspruchsrücknahme gegen einen Steuerbescheid sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein dafür erforderlicher, seitens der Behörde ausgeübter, psychischer Druck ist allerdings regelmäßig weder in der Durchführung einer Außenprüfung noch in der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zu sehen.

Illegale Downloads: Beschwerderecht im Auskunftsverfahren nach dem Urhebergesetz

Illegale Downloads: Beschwerderecht im Auskunftsverfahren nach dem Urhebergesetz

Einführung

Das Landgericht Köln erlässt seit einiger Zeit fortlaufend eine Vielzahl von Beschlüssen in Auskunftsverfahren nach dem Urhebergesetz (§ 101 Abs. 9 UrhG). Hintergrund ist das illegale so genannte File-Sharing in Tauschbörsen: Bei Rechtsverletzungen im Internet kann der Urheber eines Werkes zwar regelmäßig die IP-Adresse des Rechtsverletzers ermitteln (lassen); er weiß aber nicht, wer sich hinter der IP-Adresse verbirgt. Die Regelung in § 101 Abs. 9 UrhG gibt dem Urheber eines Werkes im Falle der Verletzung seines Urheberrechts in gewerblichem Ausmaß einen Anspruch auf Auskunft gegenüber Internetprovidern. Er kann verlangen, dass die Verletzter ihm Namen und Anschrift derjenigen ihrer Kunden, denen eine bestimmte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, benennen müssen. Solche Auskunftsansprüche sind regelmäßig nur die erste Stufe einer Handlungskette, die der Urheber zur Abwehr der angeblichen Rechtsverletzung einleiten wird. Mit den vom Internetprovider erlangten Informationen kann er einzelne Nutzer identifizieren, die unter Umständen seine Urheberrechte verletzt haben (zum Beispiel Personen, die mutmaßlich Musikdateien in File-Sharing-Netzwerken heruntergeladen und eingestellt haben). Mit dem Gestattungsbeschluss ist das Verfahren zunächst abgeschlossen. Das Oberlandesgericht Köln entschied nun, dass dem Anschlussinhaber im Auskunftsverfahren gegebenenfalls ein Beschwerderecht zusteht (§ 62 FamFG).

Sachverhalt

Ein Musikunternehmen, das die Urheberrechte seiner Künstler wahrnimmt, hatte festgestellt, dass ein Pop-Album in einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Das Landgericht Köln hatte dem beteiligten Internet-Provider auf Antrag der Musikfirma gestattet, Auskunft über Namen und Anschrift des Nutzers zu erteilen, dem die IP-Adresse zugewiesen war und von dessen Anschluss das Album angeboten wurde. Die so benannte Anschlussinhaberin wurde von der Plattenfirma zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Kostenübernahme oder Zahlung eines abschließenden Vergleichsbetrages von 1.200 EUR aufgefordert. Mit ihrer Beschwerde wehrt sie sich dagegen, dass der Provider ihre Daten auf Gestattung des Landgerichts weitergegeben hat, ohne sie davon zu unterrichten.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Köln bejahte das Beschwerderecht der Anschlussinhaberin. Sie habe ein Interesse daran, die Rechtswidrigkeit des Gestattungsbeschlusses auch nachträglich feststellen zu lassen. Der Anschlussinhaber wird durch die richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, weil sich der Rechtsinhaber nach Auskunftserteilung zunächst an ihn wendet und er gezwungen wird, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu verteidigen. Diese Verteidigung wäre ohne das Beschwerderecht im Anordnungsverfahren aber wesentlich erschwert. Denn der Anschlussinhaber könnte die aus seiner Sicht unrichtigen Feststellungen des anordnenden Gerichts erst in einem späteren Klageverfahren überprüfen lassen, wenn er auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Im Rahmen seiner Beschwerde wird der Anschlussinhaber aber nicht mit Einwänden gehört wie z. B. er selbst habe den Internet-Anschluss zum fraglichen Zeitpunkt nicht genutzt. Diese spielen im Gestattungsverfahren keine Rolle. Im konkreten Fall war die Anschlussinhaberin in ihren Rechten verletzt, weil das gewerbliche Ausmaß der Urheberrechtsverletzung nicht feststellbar war. Bei einem vor fast 2 Jahren erschienenen Musikalbum müssen besondere Umstände vorliegen, um eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß annehmen zu können. Das OLG ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu.

Konsequenz

Im Rahmen des Auskunftsverfahrens wird nicht geprüft, ob eine bestimmte Person eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Es wird z. B. auch nicht darüber entschieden, ob ein Anschlussinhaber sein W-LAN ungenügend gesichert oder im Haushalt wohnende Kinder, die Tauschbörsen genutzt haben, unzureichend beaufsichtigt hat. Auch über die Berechtigung von Abmahnkosten wird in diesem Verfahren keine Entscheidung getroffen. Erst nachdem der Urheber die Namen und Anschriften der Anschlussinhaber erhalten hat, kann er auf der zweiten Stufe – zumeist über außergerichtliche Abmahnungen – gesonderte rechtliche Schritte gegen die ermittelten Nutzer (Unterlassungs- oder Schadensersatzbegehren) einleiten. Führen diese nicht zu einer außergerichtlichen Einigung und wird sodann der Rechtsweg beschritten (insbesondere zur Klärung der vorgenannten Fragen, die nicht Gegenstand des Auskunftsverfahrens sind), handelt es sich dabei um gesonderte, von dem Auskunftsbegehren zu trennende Verfahren, die vor den ordentlichen Gerichten verhandelt werden.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin