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Liebhaberei: Einstellung der Tätigkeit beweist nicht Gewinnerzielungsabsicht

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 05.03.2013
Streitjahre: 2004, 2005, 2006
Aktenzeichen: X B 98/11
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, § 2 Abs 1 EStG 2002, 15 Abs 2 EStG 2002
Liebhaberei

Leitsatz
NV: Allein der Umstand, dass eine verlustbringende Tätigkeit während der Anlaufphase wieder eingestellt wird, beweist nicht, dass sie von Beginn an mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde (Anschluss an das Senatsurteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 18. Mai 2011, Az: 3 K 451/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 31. Juli 2012, Az: X B 164/11
im Text BFH, 19. Mai 2011, Az: X B 164/10
Vergleiche BFH, 23. Mai 2007, Az: X R 33/04
Vergleiche BFH, 29. März 2007, Az: IV R 6/05
Vergleiche BFH, 21. Juli 2004, Az: X R 33/03
im Text BFH, 10. September 2003, Az: X B 132/02

Tatbestand
1
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren die Berücksichtigung von Verlusten, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) unter Berufung auf fehlende Gewinnerzielungsabsicht verwehrt hat.

2
Der Kläger hatte gemeinsam mit einem Dritten seit 2003 einen damals 13 oder 14 Jahre alten Sportler finanziell unterstützt, mit … € im Jahre 2004 und mit … € im Jahre 2006. Er hätte dafür gemäß mündlicher Absprache im Erfolgsfalle an Werbe- und Preisgeldern beteiligt werden sollen. Diese blieben aus. Nach einer Verletzung des Sportlers 2007 stellte der Kläger die Förderung ein. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, da von Beginn der Förderung an weder eine positive Ergebnisprognose zu stellen gewesen sei noch der Kläger diese Förderung zum Zwecke der Erzielung eines Totalüberschusses betrieben habe.

3
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger Divergenzen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie Verfahrensmängel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt mangelnder Sachaufklärung und unzureichender Hinweise geltend.

Entscheidungsgründe
4
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Weder die geltend gemachten Abweichungen zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) noch die behaupteten Verfahrensmängel liegen vor.

5
1. Die Kläger sehen Divergenzen zu den Urteilen des BFH vom 23. Mai 2007 X R 33/04 (BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874), vom 21. Juli 2004 X R 33/03 (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) und vom 29. März 2007 IV R 6/05 (BFH/NV 2007, 1492). Die abstrakten Rechtsgrundsätze, von denen das FG ausgegangen ist, weichen jedoch von den tragenden Rechtsausführungen der genannten BFH-Urteile nicht ab (vgl. zu den Voraussetzungen der Divergenz Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53 ff.).

6
a) In der Entscheidung in BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874 hatte der BFH (dort unter II.2.b dd) ausgeführt, solange der Anlaufzeitraum noch nicht abgeschlossen sei, könne einer unternehmerischen Tätigkeit, selbst wenn sie von Beginn an nur Verluste eingebracht habe und nach der Art, wie sie betrieben werde, auch auf Dauer gesehen nicht geeignet sei, Gewinne abzuwerfen, nur in Ausnahmefällen die steuerliche Anerkennung versagt werden. Der Anlaufzeitraum wiederum sei regelmäßig mit fünf Jahren zu bemessen (unter II.2.b cc).

7
aa) Dies bedeute, so meinen die Kläger, dass von der Ausübung einer verlustbringenden Tätigkeit aus im Bereich der privaten Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen nur dann ausgegangen werden könne, wenn diese verlustbringende Tätigkeit über einen längeren Zeitraum fortgesetzt werde. Erst nach einer betriebsspezifischen Anlaufzeit würden größere Korrektur- und Umstrukturierungsmaßnahmen notwendig.

8
Das FG gehe hingegen davon aus, dass trotz Einstellung der Tätigkeit nach einem (noch als Anlaufphase anzusehenden) Zeitraum von zwei Jahren bei Eintreten der Erkenntnis, dass keine Überschüsse erzielt werden könnten, nicht von einer Tätigkeit zur Erzielung eines Totalüberschusses, sondern einer Tätigkeit aus im Bereich der persönlichen Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen (Liebhaberei) auszugehen sei.

9
bb) Mit dieser Gegenüberstellung verkennen die Kläger den Inhalt sowohl des BFH-Urteils als auch des FG-Urteils.

10
aaa) Die Kläger verstehen das BFH-Urteil so, als ob die Anlaufphase eine Art Schonfrist sei, vor deren Ablauf einer Tätigkeit die steuerliche Anerkennung niemals versagt werden könne. Dies ergibt sich aus ihrer Formulierung „nur dann ausgegangen“. Eine derartige Aussage ist der Entscheidung allerdings gerade nicht zu entnehmen. Der BFH hat ausdrücklich ausgeführt, in derartigen Fällen könne der Tätigkeit nur in Ausnahmefällen die steuerliche Anerkennung versagt werden. In Ausnahmefällen ist dies also möglich.

11
bbb) Ebenfalls missverstanden haben die Kläger das FG-Urteil.

12
Das FG hat ausgeführt, dass die Beendigung des finanziellen Engagements nach lediglich zwei Verlustjahren für die Erfolgsorientierung gesprochen habe. Es hat aus weiteren Umständen, nicht zuletzt der unzureichenden Durchsetzbarkeit der Forderungen, geschlossen, dass im konkreten Fall trotz der schnellen Beendigung von einer Tätigkeit im Bereich der allgemeinen Lebensführung in Gestalt des Sportmäzenatentums auszugehen sei.

13
Danach liegt dem FG-Urteil der Rechtssatz zugrunde, dass unter bestimmten Umständen trotz Einstellens der verlustbringenden Tätigkeit nach zwei Jahren bei Eintreten entsprechender Erkenntnis von Liebhaberei ausgegangen werden könne.

14
cc) Da der BFH in Ausnahmefällen auch bei Beendigung der Tätigkeit innerhalb der regelmäßigen Anlaufphase die Annahme von Liebhaberei für möglich hält, steht ein derartiger Rechtssatz dazu nicht in Widerspruch.

15
Es trifft nicht zu, wie die Kläger meinen, dass das FG anders als der BFH nicht von einer Regel-Ausnahme-Konstellation ausgegangen wäre und auf diese Weise von den abstrakten Aussagen des BFH abgewichen wäre. Das FG hat tatsächlich einen derartigen Ausnahmefall bejaht. Unerheblich ist, ob es den entschiedenen Sachverhalt ausdrücklich als „Ausnahmefall“ bezeichnet hat. Maßgebend ist nicht die Wortwahl, sondern die Sache. Das FG hielt die Beendigung innerhalb der Anlaufphase im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung für ein starkes Indiz zu Gunsten der Gewinnerzielungsabsicht und hat so den Ausnahmecharakter der Konstellation verdeutlicht.

16
b) In dem in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 veröffentlichten Urteil hatte der BFH (dort unter II.3.b) ausgeführt, da eine Betriebsführung, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt sei, mit Gewinn zu arbeiten, ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht darstelle, könne aus der Vornahme betriebswirtschaftlich sinnvoller Umstrukturierungen bzw. dem Bemühen um eine Betriebsbeendigung nach Erkennen der fehlenden Eignung des Betriebs zur Erzielung eines Totalgewinns auf das Vorhandensein von Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden.

17
Die Kläger sehen in dieser Entscheidung den abstrakten Rechtssatz, aus dem Bemühen um eine Betriebsbeendigung nach Erkennen der fehlenden Eignung des Betriebs zur Erzielung eines Totalgewinns könne auf das Vorhandensein von Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden. Sie stellen denselben abstrakten Rechtssatz des FG gegenüber, den sie bereits im Rahmen der vorangehenden Divergenzrüge formuliert haben.

18
Abgesehen davon, dass der vermeintliche divergente Rechtssatz dem FG-Urteil nicht zu entnehmen ist (s.o.), haben die Kläger aber auch die Aussage des BFH in der vermeintlichen Divergenzentscheidung in unzutreffender Weise verkürzt. Der BFH hat hier den –wiederum nur möglichen („kann“) und nicht zwingenden– Schluss von der Umstrukturierung oder der Betriebsbeendigung auf die Gewinnerzielungsabsicht unter die Voraussetzung gestellt, dass es sich um einen Betrieb handelt, der dem Grunde nach geeignet ist, mit Gewinn zu arbeiten. Das FG ist hingegen zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche positive Erfolgsprognose objektiv nicht zu stellen war.

19
c) Das Urteil in BFH/NV 2007, 1492 schließlich enthält die Aussage, das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, spreche für sich schon dafür, dass langjährige, stetig ansteigende Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (dort unter II.2.c).

20
Hieraus leiten die Kläger im Umkehrschluss den Rechtssatz ab, dass das Ergreifen geeigneter Bemühungen, Verluste zu unterbinden (zumal in der Anlaufphase, nach wenigen Jahren, und nicht erst nach langjährigen, stetig ansteigenden Verlusten) ein wichtiges Beweisanzeichen dafür sei, dass die Tätigkeit nicht aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven betrieben werden.

21
Dem stellen die Kläger den bereits genannten abstrakten Rechtssatz gegenüber, den sie dem FG-Urteil meinen entnehmen zu können.

22
Diese Divergenz liegt schon deswegen nicht vor, weil der von den Klägern abgeleitete Umkehrschluss nicht zwingend ist. Selbst wenn der BFH davon ausgegangen wäre, dass eine fehlende Verhaltensänderung nach Erkennen fehlender Erfolgsaussicht für sich genommen ein nicht widerlegbarer Beweis für fehlende Gewinnerzielungsabsicht wäre –was er nicht getan hat–, so hieße das nicht unbedingt, dass eine Verhaltensänderung ein Beweis für vorhandene Gewinnerzielungsabsicht ist. Es heißt nur, dass der positive Beweis für das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

23
Im Übrigen haben die Kläger selbst ihren Umkehrschluss so formuliert, dass Korrekturmaßnahmen innerhalb der Anlaufphase nicht zwingend für eine von Beginn an vorhandene Gewinnerzielungsabsicht sprächen, sondern lediglich ein wichtiges Beweisanzeichen seien. Dies hat das FG nicht in Abrede gestellt.

24
2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Der Senat kann daher offenlassen, inwieweit im Einzelnen den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt ist.

25
a) Die Kläger meinen, das FG habe seiner Hinweispflicht sowie damit zusammenhängend seiner Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 und 2 FGO nicht genügt.

26
Das FG hätte auf seine Zweifel hinweisen müssen, die es an der Tragfähigkeit der bisherigen sportlichen Erfolge, der Belastbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit, der Eignung des Sportlers als Sympathieträger zu Werbezwecken und schließlich der Bindungswirkung hege, die die Vertragsparteien der mündlich geschlossenen Vereinbarung über die Beteiligung an etwaigen künftigen Erträgen beigelegt hätten. Es hätte so Gelegenheit geben müssen zu erläutern, auf Grund welcher Tatsachen der Kläger die sportlichen und damit finanziellen Erfolgsaussichten meinte abschätzen zu können, so dass die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf der Erhebung der Beweise hätten bestehen können.

27
Hätte das FG –wie beantragt– den Sportler sowie den diesen ebenfalls fördernden Dritten als Zeugen vernommen, hätte es sowohl zu einer positiven Erfolgsprognose als auch zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht kommen können. Der Sportler hätte die Zweifel ausräumen können. Der Dritte hätte den Eindruck geschildert, den er damals von dem Sportler gewonnen hatte.

28
In der mündlichen Verhandlung habe zu einer Rüge kein Anlass bestanden, da das FG seine Zweifel erstmals im Urteil und damit überraschend geäußert habe.

29
b) Eine Verletzung der Hinweispflicht liegt nicht vor.

30
Gemäß § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Einerseits darf das FG nicht ohne vorherigen Hinweis eine Klage wegen fehlender Substantiierung abweisen, obwohl der Beteiligte konkrete und unstreitige Angaben gemacht hat, die für die Ausfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der entscheidungserheblichen Rechtsnorm sprechen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2011 X B 164/10, BFH/NV 2011, 1706). Andererseits ist das FG nicht verpflichtet, seine vorläufige Beweiswürdigung oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung zahlreicher Einzelumstände offenzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495).

31
Das FG hat die Klage nicht etwa abgewiesen, weil es den Sachvortrag für unzureichend (unsubstantiiert) gehalten, sondern weil es aus den Tatsachen (überdurchschnittliche regionale Erfolge, Bezirksförderung) andere Schlussfolgerungen als die Kläger gezogen hat. Dies ist Bestandteil der Gesamtwürdigung, auf deren Ergebnis es nicht hinweisen musste.

32
Soweit das FG ausgeführt hat, der Kläger habe nichts dafür vorgetragen, inwiefern er auf Grund bestimmter Tatsachen zu einer Abschätzung künftiger finanzieller Erfolge in der Lage gewesen sei, hat es damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass weitere oder andere Tatsachen, die einen anderen Schluss hätten rechtfertigen können, nicht erkennbar waren. Denn diese Aussage steht im Kontext der objektiven Erfolgsprognose, nicht der subjektiven Erfolgsorientierung. Damit handelte es sich nicht um eine Frage unzureichender Substantiierung, sondern um die einfache Frage, ob die vorhandenen Tatsachen ausreichen. Die Kläger haben im Übrigen auch im Rahmen ihrer Beschwerde nicht dargestellt, welche konkreten Tatsachen sie auf entsprechenden Hinweis zu diesem Punkt noch hätten vortragen wollen.

33
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob, wie das FA vorträgt, das FG bereits in der mündlichen Verhandlung seine Rechtsauffassung mitgeteilt hat und ob es überdies den voraussichtlichen Entscheidungsinhalt angedeutet hat.

34
c) Auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 FGO –soweit die Kläger überhaupt deren Voraussetzungen in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt haben– liegt jedenfalls nicht vor.

35
Nach § 76 Abs. 1 FGO ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt zu erforschen. Ist das geschehen, erübrigen sich weitere Aufklärungsmaßnahmen. Daher muss das FG selbst einem ausdrücklich gestellten Beweisantrag nicht nachgehen, wenn es eine unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt. Soweit kein Beweisantrag gestellt ist, verletzt das FG seine Sachaufklärungspflicht nur, wenn sich die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2012 X B 164/11, BFH/NV 2012, 1985).

36
Nach diesen Maßstäben brauchte das FG keine weiteren Beweise zu erheben.

37
aa) Alle konkreten Tatsachen, auf die sich die Kläger für ihr Begehren berufen haben, hat das FG zur Kenntnis genommen und als zutreffend zugrunde gelegt. Auf die Frage, ob die Kläger eine unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung hätten rügen müssen, kommt es daher nicht an.

38
Das betrifft zunächst die bereits genannten Faktoren, die zum damaligen Leistungsbild des Sportlers gehörten (Erfolge, Bezirksförderung). Das FG hat diese Umstände bei der Prüfung der objektiven Erfolgsprognose im Rahmen seiner Gesamtbewertung berücksichtigt. Welches Gewicht ihnen beizumessen war, ist keine zu beweisende Tatsache. Es betrifft aber auch die Absprache über die Gewinnbeteiligung des Klägers, die das FG im Rahmen der Prüfung der subjektiven Erfolgsorientierung gewürdigt hat. Dass diese Vereinbarung lediglich mündlich getroffen wurde, ist unstreitig. Welche Folgerungen daraus zu ziehen waren, ist wiederum eine Frage der Beweiswürdigung.

39
bb) Die voraussichtliche Belastbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit und die voraussichtliche Eignung des Sportlers als Sympathieträger zu Werbezwecken sind Umstände in dessen Person, die ihrerseits nur durch Hilfstatsachen bewiesen werden könnten.

40
Der Senat erkennt nicht, was das FG hierzu noch ermitteln oder was es sonst hätte aufklären können und sollen. Auch die Kläger haben nicht mitgeteilt, welche konkreten Tatsachen im Wissen des Sportlers sowie des ebenfalls fördernden Dritten stehen sollten, die sie als Zeugen hätten bekunden können und die Grundlage einer abweichenden Gesamtwürdigung hätten sein können. Dies ist auch nicht von Amts wegen ersichtlich. Beide konnten ebenso wie der Kläger zum damaligen Zeitpunkt lediglich den damaligen sportlichen Auftritt kennen. Alles andere beschränkte sich auf Mutmaßungen. Ob beide zum damaligen Zeitpunkt die Erfolgsaussichten positiv eingeschätzt haben, worauf sich die Kläger berufen, ist weder für die objektive Erfolgsprognose noch für die subjektive Erfolgsorientierung des Klägers erheblich.

41
Das FG hat vielmehr im Rahmen seiner Gesamtbewertung aus dem unbestritten jugendlichen Alter des Sportlers sowie der ebenfalls unbestrittenen Tatsache, dass der Sportler bis dato noch keine finanziellen Ergebnisse vorzuweisen hatte, gefolgert, dass die Erfolgsaussicht bei objektiver Betrachtung fehlte. Soweit die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung eingehend geschildert haben, inwiefern die Umstände für eine auch finanziell erfolgreiche Karriere des geförderten Sportlers sprachen, haben sie diesen Umständen lediglich höheres Gewicht beigemessen als das FG.

42
Unerheblich wäre schließlich eine Zeugenaussage auch zu dem das FG-Urteil maßgeblich tragenden Gesichtspunkt, dass die Vereinbarung über die Gewinnbeteiligung lediglich mündlich abgeschlossen worden war. Das FG hat nicht bezweifelt, dass die Parteien der mündlichen Vereinbarung dieser Bindungswirkung beigemessen haben und sich auch daran halten wollten. Nichts anderes hätte der Sportler auch nach dem Vortrag der Kläger aussagen sollen und können. Eine Aussage, wie er sich mit gutem Willen verhalten hätte und verhalten wollte, kann aber naturgemäß nicht beweisen, wie es um die rechtliche Durchsetzbarkeit einer Forderung bestellt ist, wenn dieser gute Wille nicht mehr vorhanden ist.

43
Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im Falle von ernstlichen Meinungsverschiedenheiten die Forderungen des Klägers mangels schriftlicher Fixierung rechtlich kaum durchsetzbar gewesen wären. Die Zeugenaussage des Kompagnons wäre ein denkbar schlechtes Beweismittel gewesen. Hieraus hat es gefolgert, dass dem Kläger die finanziellen Aussichten der Angelegenheit von zweitrangiger Bedeutung waren. Dies alles sind keine streitigen oder unklaren Tatsachen, zu denen der Sportler als Zeuge Aussagen hätte treffen können, sondern Schlussfolgerungen aus unstreitigen Tatsachen.

44
Der ebenfalls für das FG-Urteil tragende Umstand, dass der Kläger selbst nach der von ihm dargestellten mündlichen Vereinbarung keine rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf Art und Ausmaß des sportlichen Engagements hatte, ist in gleicher Weise unbestritten und wäre selbst durch eine Zeugenaussage des Inhalts, dass entsprechende Bereitschaft vorhanden war, nicht widerlegbar.

45
cc) Nach alledem beschränken sich die Differenzen zwischen den Klägern und dem FG auf eine unterschiedliche Bewertung der vorliegenden unstreitigen Tatsachen. Selbst wenn die Beweiswürdigung auch anders hätte vorgenommen werden können oder gar fehlerhaft wäre, was der Senat nicht zu beurteilen hat, läge darin allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.

46
Vielmehr hat das FG in einem Grenzfall, den es offenkundig auch selbst als Grenzfall bewertet hat, durch Abwägung der für und wider die Kläger sprechenden Umstände eine Entscheidung getroffen, die im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht anzugreifen ist.

47
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Nichtzulassungsbeschwerde: Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 19.09.2012
Streitjahre: 2003, 2004, 2005
Aktenzeichen: X B 40/11
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO
NZB: Sachaufklärungsmängel

Leitsatz
1. NV: Falsche Rechtsanwendung allein ist kein Revisionszulassungsgrund(Rn.8).

2. NV: Betrifft ein Verfahrensmangel eine verzichtbare Verfahrensvorschrift, so geht das Rügerecht durch Unterlassen rechtzeitiger Rüge verloren(Rn.15)(Rn.16).

3. NV: Wenn der ordnungsgemäß geladene Beteiligte zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erscheint, verzichtet er auf die Wahrnehmung des Rügerechts(Rn.16).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 9. Februar 2011, Az: 3 K 287/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 23. Februar 2012, Az: X B 91/11
Vergleiche BFH, 7. Juni 2011, Az: X B 212/10
Vergleiche BFH, 4. August 2010, Az: X B 198/09
Vergleiche BFH, 23. Oktober 2006, Az: I B 173/05
Vergleiche BFH, 2. März 2005, Az: VII B 142/04

Tatbestand
1
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wenden sich gegen Bescheide, die nach einer Betriebsprüfung erlassen wurden. Der Kläger betrieb in den Streitjahren eine Spedition, die Klägerin eine Gaststätte. Die Kläger hielten unter anderem bei der Gaststätte den Ansatz des Eigenverbrauchs angesichts geringer Gesamtumsätze für unzulässig. Ferner begehrten sie nunmehr die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen für den Kläger und boten zum Nachweis für dessen Abwesenheit im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage von Fahrtenschreiberaufzeichnungen an, ohne diese indes tatsächlich vorzulegen.

2
Nach Eingang der Ladung hatten die Kläger auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Das Finanzgericht (FG) hat gleichwohl die mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der weder die Kläger noch ein Vertreter erschienen waren. Das FG hat ohne Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Der Eigenverbrauch sei angemessen angesetzt. Die Fahrtenschreiber bewiesen nicht, dass tatsächlich der Kläger (und nicht einer seiner mehreren Angestellten) mit dem betreffenden Fahrzeug unterwegs gewesen sei.

3
Die Kläger meinen, die Entscheidung des FG verstoße hinsichtlich der Entnahmen aus der Gaststätte gegen § 162 der Abgabenordnung (AO). Nachdem der Prüfbericht festgestellt habe, dass die Buchführung materiell richtig und formell ordnungsgemäß sei, fehle eine Verprobung, die Voraussetzung für eine Ermittlung der Einkünfte im Schätzungswege sei. Dem Prüfer hätte auffallen müssen, dass der formalisierte Ansatz des Eigenverbrauchs nach der Richtsatzsammlung zu einer Abweichung von den Normwerten über die darin genannten Schranken hinaus führe und daher ermessensfehlerhaft sei. Die Berücksichtigung fiktiver Teilwerte führe zu einer Verletzung von Art. 14 des Grundgesetzes (GG).

4
Hinsichtlich der Reisekosten des Klägers seien ebenfalls die Ermessensgrenzen überschritten und möglicherweise wegen der Selbstbindung der Verwaltung der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es wäre bereits in der Betriebsprüfung und noch im gerichtlichen Verfahren möglich gewesen, die Richtigkeit seiner Angaben durch Überprüfung der Namen der Kunden und der Fahrziele wenigstens auf Plausibilität zu untersuchen, statt die Beweislast dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen und ohne Anhaltspunkte vorsätzliche Falschangaben zu unterstellen. Angesichts der strengen Anforderungen für das Vorhalten der Fahrtenschreiberaufzeichnungen hätte das FG insbesondere dem ausdrücklichen Angebot folgen müssen, diese einzusehen.

5
In Hinblick auf den entsprechenden Vortrag mit Schreiben vom 26. März 2010 (hinsichtlich der Entnahmen) sowie vom 20. Januar 2011 (hinsichtlich der Reisekosten) lägen darin Verletzungen rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG, in Verbindung mit der Nichtzulassung der Revision ein Versagen effektiven Rechtsschutzes.

6
Das FG stelle zu Unrecht § 162 AO über § 6 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies müsse im Berufungsverfahren überprüft werden, damit nicht aus formaljuristischen Gründen Verfahrensfehler sanktioniert werden.

Entscheidungsgründe
7
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger haben entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht dargelegt.

8
1. Mit den Einwänden, die Entnahmen der Klägerin aus der Gaststätte sowie die Reisekosten des Klägers seien falsch beurteilt worden, stellen die Kläger lediglich eine nach ihrer Auffassung falsche Rechtsanwendung dar. Das ist nach § 115 Abs. 2 FGO kein Revisionszulassungsgrund. Anders kann es sich lediglich verhalten, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102, sowie vom 7. Juni 2011 X B 212/10, BFH/NV 2011, 1709).

9
Umstände, die diese Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht dargelegt. Soweit die Kläger die Schätzung als solche für unzulässig erachten, machen sie einen reinen Rechtsfehler im genannten Sinne geltend. Das FG geht im Ausgangspunkt davon aus, dass jedenfalls Entnahmen –in welcher Höhe auch immer– vorgelegen haben, schließt auf dieser Grundlage auf einen Aufzeichnungsmangel und leitet hieraus die Schätzungsbefugnis ab. Der Ausgangspunkt, es müsse Entnahmen gegeben haben, ist ungeachtet der Frage, ob er zutrifft, nach der Lebenserfahrung zumindest nachvollziehbar und damit nicht willkürlich.

10
Im Übrigen wird nicht deutlich, was die Kläger mit Normwerten und fiktiven Teilwerten meinen und über welche Schranken die Richtsätze hinausgegangen sein sollen. Ermessensfehler können nicht vorliegen, da die Schätzung keine Ermessensentscheidung ist.

11
Ebenso wenig ist nachvollziehbar, welche Ermessensgrenzen hinsichtlich der Reisekosten überschritten sein sollen. Auch insoweit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine Entscheidung nach der Feststellungslast getroffen worden.

12
2. Soweit die Kläger meinen, das FG hätte zur Überprüfung der geltend gemachten Reisekosten die Fahrtenschreiberaufzeichnungen einsehen müssen, machen sie einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 FGO geltend.

13
Zur Darlegung eines Sachaufklärungsmangels gehören Ausführungen, dass entweder der Mangel gegenüber dem FG erfolglos gerügt wurde oder welche Aufklärungsmaßnahme sich dem FG aus welchen Gründen auch ohne ausdrückliche Rüge aufdrängen musste (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 23. Oktober 2006 I B 173/05, BFH/NV 2007, 724).

14
An beidem fehlt es. Der Senat lässt dahingestellt, ob die Kläger hinsichtlich der Fahrtenschreiberaufzeichnungen, die sie im finanzgerichtlichen Verfahren zwar mehrfach angeboten, aber nicht von sich aus vorgelegt haben, wirksam Beweis angetreten haben. § 420 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach der Beweisantritt zum Urkundsbeweis (erst) durch Vorlegung der Urkunde angetreten wird, ist gemäß § 82 FGO im Finanzprozess nicht entsprechend anwendbar. Der Senat verkennt nicht, dass das FG die weitere Sachaufklärung durch Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen wohl nicht von vornherein mit der Begründung hätte ablehnen dürfen, dass sich hieraus die Person des Fahrers nicht ergebe. Die eigentlich außersteuerlichen Zwecken –namentlich der Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften– dienenden Fahrtenschreiber besitzen Beweiswert nur auf Grund und in Verbindung mit dem Namen des jeweiligen Fahrers, so dass nicht anzunehmen war, dass die Aufzeichnungen keine Auskunft über den Namen des Fahrers geben würden. Ob das FG diesen Aufzeichnungen wiederum Glauben schenken will, kann es erst beurteilen, wenn es sie gesehen hat.

15
Die Kläger haben jedoch die fehlende Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt und dadurch ihr Rügerecht verloren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Kläger in der Verhandlung niemand erschienen war.

16
Ein Verfahrensmangel kann jedenfalls bei sachkundig vertretenen Steuerpflichtigen nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Dazu gehört auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Das Rügerecht geht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (Senatsbeschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150, m.w.N.). Wenn der ordnungsgemäß geladene Beteiligte zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erscheint, verzichtet er auf die Wahrnehmung seiner diesbezüglichen Rechte (vgl. BFH-Beschluss vom 2. März 2005 VII B 142/04, BFH/NV 2005, 1576).

17
3. Worin die Verletzung rechtlichen Gehörs liegen soll, die, wenn sie vorläge, ein Revisionsgrund nach § 119 Nr. 3 FGO wäre, ist nicht dargelegt. Das FG hat sich ausdrücklich mit dem Vortrag zu den Abwesenheitszeiten des Klägers und mit den Fahrtenschreiberaufzeichnungen auseinandergesetzt, lediglich nicht in der von den Klägern gewünschten Weise. Effektiver Rechtsschutz wird durch die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO gewährleistet.

18
4. Die Ausführungen der Kläger zu dem Konkurrenzverhältnis von § 162 AO zu § 6 Abs. 1 EStG und der Sanktionierung von Verfahrensfehlern aus formaljuristischen Gründen sind nicht verständlich.

19
5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Gründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Anforderungen an einen Anspruch des Jugendhilfeträgers auf Erstattung des Kindergelds durch die Familienkasse

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 14.02.2013
Streitjahr: 2011
Aktenzeichen: III B 133/12
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle:
Normen: § 74 Abs 2 EStG 2009, § 104 Abs 1 S 4 SGB 10, § 104 Abs 2 SGB 10, §§ 91ff SGB 8, § 91 SGB 8, EStG VZ 2011
Anforderungen an einen Anspruch des Jugendhilfeträgers auf Erstattung des Kindergelds durch die Familienkasse

Leitsatz
1. NV: Ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 2 SGB X setzt nur voraus, dass ein in § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X genannter Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten bestandskräftig Aufwendungsersatz geltend gemacht oder einen Kostenbeitrag erhoben hat und der Kindergeldberechtigte diesen nicht oder nicht in vollem Umfang geleistet bzw. erbracht hat (Rn.12).

2. NV: Der Familienkasse steht bei der Entscheidung über den kraft Gesetzes entstehenden Erstattungsanspruch kein Ermessen zu. Etwaige eigene Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Sozialleistungen beziehende Kind können daher allenfalls in dem Verfahren Berücksichtigung finden, in dem der Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten einen Aufwendungsersatzanspruch geltend macht oder einen Kostenbeitrag erhebt (Rn.12)(Rn.13).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 11. September 2012, Az: 12 K 1/12, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 19. April 2012, Az: III R 85/09
im Text BFH, 3. November 2010, Az: I B 102/10
im Text BFH, 21. April 2010, Az: IV B 32/09
im Text BFH, 19. Mai 2008, Az: V B 29/07
im Text BFH, 22. Januar 2008, Az: X B 185/07
im Text BFH, 7. September 2005, Az: IV B 67/04
im Text BFH, 17. August 2004, Az: III B 121/03
im Text BFH, 27. Januar 2004, Az: IV B 135/01
im Text BFH, 22. Oktober 2003, Az: III B 59/03
im Text BFH, 28. Januar 2003, Az: VI B 161/00

Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter der im August 1992 geborenen T. T ist seit dem 2. August 2010 in einer vollstationären Jugendhilfeeinrichtung auf Kosten des Beigeladenen untergebracht. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hat zugunsten der Klägerin Kindergeld für T festgesetzt.

2
Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 begehrte der Beigeladene wegen der im Rahmen der Eingliederungshilfe erbrachten Aufwendungen die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Dem Schreiben war ein Bescheid vom 1. September 2010 beigefügt, wonach die Klägerin ab dem 1. August 2010 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu leisten habe. Mit Bescheid vom 3. August 2011 entschied die Familienkasse, dass das Kindergeld für den Zeitraum März bis Juli 2011 an den Beigeladenen ausgezahlt wird.

3
Mit weiterem Bescheid vom 3. August 2011 erklärte die Familienkasse gegenüber der Klägerin, dass deren Kindergeldanspruch im Hinblick auf den durch den Beigeladenen geltend gemachten Erstattungsanspruch (§ 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes –EStG– i.V.m. §§ 104, 107 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch –SGB X–) für den Zeitraum von März bis Juli 2011 als erfüllt anzusehen sei, jedoch von einer Rückforderung des für den Monat März 2011 bereits ausbezahlten Kindergeldes abgesehen werde. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2012).

4
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass der Beigeladene gegenüber der Klägerin bestandskräftig einen Kostenbeitrag in Höhe des vollen monatlichen Kindergeldbetrages (184 €) geltend gemacht habe und ihm nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse zustehe, da die Klägerin den Kostenbeitrag nicht geleistet habe.

5
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe
6
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

7
1. Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.

8
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, u.a. BFH-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, BFH/NV 2010, 1469, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder wenn sie bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783).

9
Um den Darlegungsanforderungen für diesen Zulassungsgrund zu genügen, muss sich die Beschwerdebegründung mit den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603, und vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501). Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, ist darzulegen, weshalb eine erneute oder weitere Entscheidung für erforderlich gehalten wird (z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 III B 59/03, BFH/NV 2004, 166). Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (z.B. Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46, m.w.N.). Dagegen reicht es zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht aus, im Stil einer Revisionsbegründung Einwände gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und die von dem FG vorgenommene Einzelfallwürdigung geltend zu machen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234).

10
b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht.

11
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit ergebe sich daraus, dass geklärt werden müsse, ob bei der durch einen Jugendhilfeträger erfolgenden Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 SGB X und § 94 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung berücksichtigt werden müsse, welche eigenen Aufwendungen (z.B. für Fahrten, Telefonate, Geschenke, Bereitstellung von Wohnraum für Besuche und für Zusatzversicherungen) dem Kindergeldberechtigten im Zusammenhang mit der Unterstützung des Kindes entstanden sind.

12
Mit diesem Vortrag macht die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Die Klägerin hat sich insbesondere nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH auseinandergesetzt. Danach ist Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 SGB X nur, dass ein in § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X genannter Sozialleistungsträger –mithin insbesondere ein Träger der Sozial- oder Jugendhilfe– gegenüber dem Kindergeldberechtigten bestandskräftig Aufwendungsersatz geltend gemacht oder einen Kostenbeitrag erhoben hat und der Kindergeldberechtigte diesen nicht oder nicht in vollem Umfang geleistet bzw. erbracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2012 III R 85/09, BFHE 237, 145, BStBl II 2013, 19, m.w.N.). In diesem Zusammenhang hat der BFH bereits geklärt, dass der Familienkasse bei der Entscheidung über den Erstattungsanspruch kein Ermessen eingeräumt wird. Vielmehr hat die Familienkasse, da der Erstattungsanspruch kraft Gesetzes entsteht, das Kindergeld entsprechend dem Umfang des jeweils nicht geleisteten Aufwendungsersatzes bzw. nicht erbrachten Kostenbeitrags an den Sozialleistungsträger zu erstatten.

13
Damit ergibt sich aber auch ohne Weiteres aus dem Gesetz, dass etwaige eigene Aufwendungen des Kindergeldberechtigten für das Sozialleistungen beziehende Kind in dem Verfahren geltend gemacht werden müssen, in dem der Sozialleistungsträger gegenüber dem Kindergeldberechtigten einen Aufwendungsersatzanspruch geltend macht oder einen Kostenbeitrag erhebt. Insoweit ist etwa für den Fall, dass Träger der Jugendhilfe für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen gegenüber den Eltern der geförderten Kinder Kostenbeiträge erheben, in den §§ 91 bis 94 SGB VIII im Einzelnen geregelt, inwieweit eine Heranziehung erfolgen darf. Dabei sieht etwa § 94 Abs. 4 SGB VIII bei vom Jugendhilfeträger über Tag und Nacht erbrachten Leistungen nur in ganz bestimmten Fällen eine Anrechnung von tatsächlichen Betreuungsleistungen des Kostenbeitragspflichtigen auf den Kostenbeitrag vor. Soweit der Kindergeldberechtigte seine diesbezüglichen Einwendungen im Verfahren über die Erhebung des Kostenbeitrags nicht geltend gemacht hat oder mit diesen nicht durchgedrungen ist, kann er sie nicht (erneut) im Verfahren über die Erstattung des Kindergeldanspruches geltend machen.

14
2. Die Revision ist auch nicht wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen. Denn der Vortrag der Klägerin, das Urteil des FG beruhe auf einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht, genügt nicht den hierbei zu beachtenden Darlegungserfordernissen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

15
a) Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend gemacht, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ferner muss dargelegt werden, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2003 VI B 161/00, BFH/NV 2003, 793; vom 3. November 2010 I B 102/10, BFH/NV 2011, 808).

16
b) Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie macht lediglich geltend, das FG habe nicht ermittelt, wie sich die finanzielle Lage der Klägerin dargestellt habe, aus welchen –nicht familieninternen– Gründen Maßnahmen der Jugendhilfe notwendig geworden seien, welche eigenen Aufwendungen die Familie im Zusammenhang mit der Tochter T getragen habe und in welchem Umfang auch unvorhersehbare Kosten entstehen könnten.

17
Aus diesem Vortrag wird indessen nicht deutlich, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, obgleich es diesen Gesichtspunkten nach dessen materiell-rechtlichem Standpunkt keine Entscheidungserheblichkeit beimaß.

Teiloption bei Grundstücksvermietung

Gericht: BFH 5. Senat
Entscheidungsdatum: 25.01.2013
Streitjahre: 1996, 1997, 1998, 1999, 2000
Aktenzeichen: V B 95/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 4 Nr 12 UStG 1993, § 4 Nr 12 UStG 1999, § 9 Abs 2 UStG 1993, § 9 Abs 2 UStG 1999
Teiloption bei Grundstücksvermietung

Orientierungssatz
NV: Der Verzicht auf Steuerfreiheit einer nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung ist nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Für den Vermieter besteht die Möglichkeit einer sog. Teiloption, nach der sich der Verzicht auf einen „abgrenzbaren Teil“ beschränkt. Die Teiloption setzt die ausschließliche Verwendung von Grundstücksteilen für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze voraus.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend FG Nürnberg, 31. Juli 2012, Az: 2 K 539/2009, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 15. Februar 2012, Az: IV B 126/10
im Text BFH, 1. Dezember 2011, Az: I B 80/11
im Text BFH, 10. Juni 2011, Az: IX B 13/11
im Text BFH, 10. Februar 2010, Az: IX B 163/09
Vergleiche BFH, 22. November 2007, Az: V R 43/06
Vergleiche BFH, 28. September 2006, Az: V R 43/03
im Text BFH, 7. Juli 2005, Az: IX B 13/05
im Text BFH, 11. Dezember 2002, Az: IX B 124/02
Vergleiche BFH, 26. Juni 1996, Az: XI R 43/90

Gründe
1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist nicht begründet.

2
1. Die Revision ist nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

3
a) Die Klägerin macht geltend, dass die Frage, „in welcher Höhe dem leistungsempfangenden Unternehmer der Vorsteuerabzug aus einem Mietvertrag zusteht, für den der Vermieter die Option nach § 9 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in größtmöglichem Umfang ausgeübt hat, … [wobei] der Leistungsempfänger das Grundstück teils steuerpflichtig selbst nutzt, teils steuerpflichtig vermietet und teils steuerfrei vermietet“ der Rechtsfortbildung dient.

4
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert die Zulassung der Revision wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts substantiierte und konkrete Angaben dazu, weshalb eine Entscheidung des BFH zu einer bestimmten, abstrakt formulierten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig und im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Juni 2011 IX B 13/11, BFH/NV 2011, 2074).

5
c) Im Streitfall fehlt es an der danach erforderlichen Klärungsfähigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage. Denn entscheidungserheblich ist im Streitfall nicht die Frage, in welchem Umfang die Klägerin –aus einer steuerpflichtig bezogenen Eingangsleistung– zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, sondern die dem vorgelagerte Frage, in welchem Umfang die Klägerin eine steuerpflichtige Leistung bezogen hat. Bei der von der Klägerin bezogenen Leistung handelte es sich um eine nach § 4 Nr. 12 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Vermietung, für die der Vermieter unter den Bedingungen des § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten konnte. Der Verzicht ist dabei gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG „nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen“. Maßgeblich für den Verzicht des Vermieters gegenüber der Klägerin ist daher, „inwieweit“ die Klägerin das Grundstück –z.B. bei der durch sie erfolgten Weitervermietung an mehrere „Untermieter“– für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug verwendete.

6
Insoweit hat der BFH bereits entschieden, dass für den Vermieter die Möglichkeit einer sog. Teiloption besteht, nach der sich der Verzicht auf einen „abgrenzbaren Teil“ beschränkt, wobei der BFH von einer „Aufteilung nach räumlichen Gesichtspunkten (nicht dagegen eine bloße quotale Aufteilung) für möglich“ gehalten hat (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 XI R 43/90, BFHE 181, 191, BStBl II 1997, 98).

7
Unabhängig von der Frage, ob am Ausschluss der sog. quotalen Aufteilung im Hinblick auf die spätere BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417, und vom 22. November 2007 V R 43/06, BFHE 219, 450, BStBl II 2008, 770) festzuhalten ist, steht nach dieser Rechtsprechung jedenfalls fest, dass die Teiloption die ausschließliche Verwendung von Grundstücksteilen für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze voraussetzt. Die Bestimmung, in welchem Umfang eine derart ausschließliche Verwendung eines Teils eines Grundstücks vorliegt, kann dabei entgegen der Auffassung der Klägerin weder unmittelbar noch in Analogie zu § 15 Abs. 4 UStG erfolgen, da diese Vorschrift im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 UStG eine „gemischte“ Verwendung der Eingangsleistung für Zwecke, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, und für Zwecke, bei denen dieses Recht nicht besteht, voraussetzt, so dass nach dieser Vorschrift nicht bestimmbar ist, wann eine ausschließliche Verwendung für eine dieser beiden Zweckbestimmungen vorliegt.

8
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Es liegt auch kein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung vor, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495; vom 10. Februar 2010 IX B 163/09, BFH/NV 2010, 887). Dabei reichen unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031, und vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774).

9
3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

10
Die Klägerin macht geltend, dass das FG gegen Denkgesetze und damit gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen habe. Bei einem Verstoß gegen Denkgesetze handelt es sich aber um einen materiell-rechtlichen Fehler, der nicht zur Revisionszulassung berechtigt, nicht aber um einen Verfahrensfehler (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2011 I B 80/11, BFH/NV 2012, 954).

Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen

Das deutsche Abkommensnetz umfasst im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen derzeit DBA mit mehr als 90 Staaten. Ungeachtet des Einflusses der Abkommensmuster der OECD und der Vereinten Nationen werden DBA individuell in einem intensiven Verhandlungsprozess zwischen Vertragsstaaten mit jeweils eigener DBA-Politik und Rechtstradition ausgehandelt. Die vorliegende Verhandlungsgrundlage dient einer effizienten Umsetzung der deutschen Abkommensziele unter Verwendung möglichst einheitlicher Formulierungen.

Im Rahmen der Abkommensverhandlungen ist jedoch stets eine an den konkreten bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ausgerichtete Abwägung der Wettbewerbsinteressen des inländischen Wirtschaftsstandortes, der Auslandsaktivitäten exportorientierter deutscher Unternehmen und der Sicherung des deutschen Besteuerungsinteresses vorzunehmen. Aufgrund der jeweiligen Unterschiede im innerstaatlichen Recht und der nationalen DBA-Politik der anderen Vertragsstaaten werden sich daher auch weiterhin je nach Verhandlungssituation Unterschiede in Form und Inhalt von DBA-Regelungen ergeben.

Die Verhandlungsgrundlage wird nach Bedarf verändert oder ergänzt werden.

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Entscheidungen des FG Niedersachsen (17.04.2013)

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen mit Datum von gestern (17.04.2013) veröffentlicht:

– FG Niedersachsen Urteil vom 27.02.2013 – 2 K 266/12 (Änderbarkeit eines Steuerbescheids bei einem zunächst ausdrücklich auf § 165 Abs. 1 Satz 2 und Satz 2 AO gestützten, später nur noch auf § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gestützten Vorläufigkeitsvermerks: Unterscheidet das FA im Einkommensteuerbescheid ausdrücklich zwischen einer auf § 165 Abs. 1 Satz 1 AO und einer auf § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gestützten Vorläufigkeit, bleibt der auf § 165 Abs. 1 Satz 1 AO gestützte Vorläufigkeitsvermerk und die darauf beruhende Änderungsmöglichkeit auch dann bestehen, wenn in einem danach ergangenen Änderungsbescheid lediglich eine auf § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gestützte Vorläufigkeit enthalten ist. Revision eingelegt, BFH-Az.: VIII R 21/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 12.11.2012 – 7 K 10204/09 (Gewerbesteuerbefreiung für teilstationäre Rehabilitationszentren: Die Erträge aus der ambulanten Rehabilitation können gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStg von der Gewerbesteuer befreit sein, auch wenn kein Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB V abgeschlossen wurde. Revision eingelegt, BFH-Az.: X R 2/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 12.06.2012 – 13 K 135/10 (Teilwert für die unentgeltliche Abgabe von Wärme: Die unentgeltliche Abgabe von Wärme aus einer Biogasanlage ist steuerlich als Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) zu erfassen. Revision eingelegt, BFH-Az.: IV R 42/12);

– FG Niedersachsen Urteil vom 21.02.2012 – 13 K 210/11 (Regelmäßige Arbeitsstätte einer Betriebsprüferin: Fahrten einer Betriebsprüferin zu ihrer Dienststelle beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung sind als Dienstreisen zu berücksichtigen. Rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 12.04.2012 – 14 K 335/10 (Einkommensteuer 2009: Verfassungsmäßigkeit des § 32d Abs. 2 Nr. 1 b EStG
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – BFH-Az.: VIII B 142/12).

Finanzgericht Niedersachsen

Werbungskostenabzug bei Abgeltungsteuer

FG Köln entscheidet Musterverfahren zum Werbungskostenabzug bei Abgeltungsteuer

Das Finanzgericht Köln hat am 17.04.2013 entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die dem Steuerpflichtigen vor dem 01.01.2009 zugeflossen sind, weiterhin unbeschränkt als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden können. Das im Jahr 2009 mit der Abgeltungsteuer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eingeführte Abzugsverbot für Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 EStG) findet auf diese Ausgaben keine Anwendung.

Der Kläger hat Kapitaleinkünfte für das Streitjahr 2010 in Höhe von 11.000 Euro erklärt. Daneben machte er Steuerberatungskosten in Höhe von 12.000 Euro als Werbungskosten geltend, die im Rahmen einer Selbstanzeige von Kapitalerträgen der Jahre 2002 bis 2008 entstanden sind. Das Finanzamt gewährte lediglich den Sparer-Pauschbetrag. Die Anerkennung der tatsächlich entstandenen Werbungskosten lehnte es unter Hinweis auf ein einschlägiges Schreiben des Bundesfinanzministeriums ab. Danach sei das mit der Abgeltungsteuer eingeführte Werbungskostenabzugsverbot im Hinblick auf das geltende Abflussprinzip auch anzuwenden, wenn die ab 2009 entstandenen Kosten früher zugeflossene Kapitalerträge betreffen.

Der 7. Senat des Finanzgerichts Köln gab der Klage statt (Az. 7 K 244/12). Es begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem Wortlaut der einschlägigen Anwendungsregelung (§ 52a Abs. 10 Satz 10 EStG). Diese sehe ausdrücklich vor, dass die entsprechenden Vorschriften der Abgeltungsteuer erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden seien. Neben den tatsächlichen Werbungskosten in Bezug auf die Einkünfte vor 2009 gewährte der Senat dem Kläger für die Kapitalerträge aus 2010 zusätzlich den Sparer-Pauschbetrag. Denn hier kämen im Grunde zwei Besteuerungssysteme nebeneinander zur Anwendung. Für den nach Abzug des Pauschbetrages und der (nachträglichen) Werbungskosten entstehenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen greife auch die Verlustabzugsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG nicht ein. Auch diese komme nur für Kapitalerträge zur Anwendung, die nach 2008 zugeflossen seien.

Der 7. Senat hat gegen das Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen.

Unter dem Aktenzeichen 8 K 1937/11 ist beim Finanzgericht Köln ein weiteres Verfahren zu derselben Problematik anhängig.

FG Köln, Pressemitteilung vom 17.04.2013 zum Urteil 7 K 244/12 vom 17.04.2013

Banken Haftung: Rückvergütung für die Vermittlung einer Kapitalanlage (Filmfonds)

Verjährung wegen verschwiegener Rückvergütung

Leitsatz:
Weiß ein Anleger, dass die ihn beratende Bank für den Vertrieb der empfohlenen Kapitalanlage eine Rückvergütung erhält, deren Höhe ihm die Bank vor seiner Anlageentscheidung nicht mitgeteilt hat, so hängt der Beginn der Verjährungsfrist seines Schadensersatzanspruches wegen verschwiegener Rückvergütung nicht von der Kenntnis der genauen Höhe der Rückvergütung ab.
Gesetze
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2

Instanzenzug
LG Frankfurt am Main v. 02.06.20102-12 O 311/08
OLG Frankfurt am Main v. 08.11.20119 U 54/10
Tatbestand
1 Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an dem Filmfonds V. 3 in Anspruch.
2 Der Kläger zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 15. September 2003 eine Beteiligung an dem Filmfonds (im Folgenden: V 3) im Nennwert von 100.000 € zuzüglich Agio in Höhe von 5.000 €. Davon erbrachte er 65.000 € aus eigenen Mitteln und weitere 40.000 € durch ein Darlehen der Beklagten. Nach dem Inhalt des Verkaufsprospekts sollten 8,9% der Zeichnungssumme sowie das Agio zur Eigenkapitalvermittlung durch die V. AG (im Folgenden: V. AG) verwendet werden. Die V. AG durfte laut Prospekt ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt eine Vertriebsprovision in Höhe von 8,25% der Zeichnungssumme. Dies wurde dem Kläger im Beratungsgespräch nicht offengelegt.
3 Der Kläger begehrt unter Berufung auf mehrere Beratungsfehler, darunter auch die unterbliebene Aufklärung über die von der Beklagten bezogene Vertriebsprovision, die Erstattung des eingesetzten Kapitals, der aufgewendeten Kreditzinsen und von Steuernachzahlungen in Höhe von insgesamt 79.852 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehen keine Ansprüche zustehen, sowie die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Übertragung der Beteiligung.
4 Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist weitgehend erfolglos geblieben. Mit ihrer – vom Senat zugelassenen – Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
5 Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7 Zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie von der V. AG eine Rückvergütung in Höhe von 8,25% der Zeichnungssumme erhalten habe. Diese Verpflichtung habe die Beklagte schuldhaft verletzt und sich insoweit auch nicht in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden.
8 Die unterbliebene Aufklärung über die vereinnahmte Rückvergütung sei kausal für die Anlageentscheidung des Klägers gewesen. Zwar greife die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht ein, wenn sich der Anleger bei gehöriger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Die Beklagte habe die Kausalitätsvermutung jedoch nicht widerlegt. Das Landgericht habe auf der Grundlage der Vernehmung eines Angestellten des Klägers und des Anlageberaters der Beklagten sowie der Anhörung des Klägers rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die fehlerhafte Beratung der Beklagten kausal für die Anlageentscheidung des Klägers gewesen sei. Selbst wenn der Kläger von einem hohen Anteil weicher Kosten im Strukturvertrieb Kenntnis gehabt habe, spreche dies nicht dagegen, dass er davon ausgegangen sei, dass die Beklagte nicht mehr als einen Anteil am Agio erhalte. Ohne die genaue Höhe der Zuwendungen an die Beklagte zu kennen, habe er deren Interessenkollision jedoch nicht einschätzen können. Der Kläger habe die Problematik der Rückvergütungen erkannt, da er sich im Falle einer Aufklärung gefragt hätte, inwieweit die Beklagte im eigenen Interesse handelt, was für ihn „alles sehr in Frage gestellt” hätte. Dies habe das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise ausreichen lassen, um die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens als nicht widerlegt anzusehen.
9 Die Beklagte könne sich nicht auf Verjährung berufen, denn sie habe nicht dargelegt, dass der Kläger bereits im Jahre 2003 erkannt gehabt habe, dass die Beklagte Provisionen in einer Höhe erhalten habe, die für den Kläger Zweifel an einer seinen Interessen entsprechenden Beratung begründet hätten. Selbst wenn der Kläger angenommen habe, dass die Beklagte einen Teil des Agios erhalte, sei er davon ausgegangen, dass die Beklagte jedenfalls nicht mehr erhalte. Der Kläger habe die Pflichtverletzung der Beklagten, nicht auf das Maß ihres Eigeninteresses hinzuweisen, deshalb nicht erkannt gehabt. Er habe nicht sicher gewusst, dass die Beklagte eine ihm nicht offen gelegte Provision erhalten habe, sondern nur gedacht, dass die Beklagte vielleicht 2 bis 3% des Agios bekomme.
II.
10 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
11 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre aus dem – nicht mehr im Streit stehenden – Beratungsvertrag nach den Grundsätzen des Bond-Urteils (Senatsurteil vom 6. Juli 1993 XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 , 128 ) folgende Pflicht, den Kläger über die ihr zufließende Provision in Höhe von 8,25% des Zeichnungskapitals aufzuklären, schuldhaft verletzt hat.
12 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 20 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17).
13 b) Bei den von der Beklagten empfangenen Provisionen handelte es sich, wie der Senat für die Parallelfonds V 3 und V 4 bereits mehrfach entschieden hat, um aufklärungspflichtige Rückvergütungen im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 26 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 18). Wie der Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls schon mehrfach entschieden hat, konnte eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers über diese Rückvergütungen durch die Übergabe des streitgegenständlichen Fondsprospekts nicht erfolgen, weil die Beklagte in diesem nicht als Empfängerin der dort ausgewiesenen Provisionen genannt ist (Senatsbeschluss vom 9. März 2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 27 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 22 mwN).
14 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers über diese Rückvergütung durch die Beklagte nicht im Beratungsgespräch erfolgt ist.
15 Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Kläger zwar „gedacht”, dass die Beklagte einen Teil des Agios erhält; die Höhe der Provision der Beklagten war ihm jedoch nicht bekannt. Darüber ist bei der Anlageberatung nicht gesprochen worden. Nach der Senatsrechtsprechung muss von der anlageberatenden Bank aber auch die Höhe der Rückvergütung ungefragt offen gelegt werden (Senatsbeschluss vom 9. März 2011 XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 27 und Senatsurteile vom 19. Dezember 2006 – XI ZR 56/05 , BGHZ 170, 226 Rn. 24 und vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 22).
16 3. Schließlich hat das Berufungsgericht rechts- und verfahrensfehlerfrei ein Verschulden der Beklagten angenommen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2010 – XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. und vom 19. Juli 2011 XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 10 ff. sowie Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 25, jeweils mwN).
17 4. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung auch insofern stand, als das Berufungsgericht die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für den Erwerb der Fondsbeteiligung durch den Kläger bejaht hat.
18 a) Zutreffend hat das Berufungsgericht dabei angenommen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Kläger hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütung erworben.
19 aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens” gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff. mwN).
20 bb) Soweit die Revision entgegen der Annahme des Berufungsgerichts geltend macht, beim Kläger habe auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung ein Entscheidungskonflikt bestanden, weswegen die Beweislastumkehr nicht eingreife, kann sie damit keinen Erfolg haben. Der Senat hat seine frühere Rechtsprechung, nach der die Beweislastumkehr zulasten der beratenden Bank davon abhing, dass für den Anleger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens bestand, die gehörige Aufklärung beim Anleger also keinen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte, mit Urteil vom 8. Mai 2012 (XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 33 ff.) aufgegeben. Die Beweislastumkehr greift daher bereits bei – wie hier – feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein.
21 b) Rechts- und verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin den der Beklagten obliegenden Nachweis, dass der Kläger die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütung erworben hätte, im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme als nicht geführt angesehen.
22 aa) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Die dabei vorzunehmende Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Im Revisionsverfahren ist somit lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also alle Umstände vollständig berücksichtigt hat, rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 29. Juni 2010 – XI ZR 104/08 , BGHZ 186, 96 Rn. 38 und vom 18. Dezember 2007 – XI ZR 76/06, WM 2008, 292 Rn. 20).
23 bb) Hier hat der Kläger angegeben, er habe erkannt gehabt, dass sich im Hinblick auf die Vereinnahmung von Rückvergütungen die Frage stelle, inwieweit eine Bank bei der Anlageberatung im eigenen Interesse handele, weshalb er bei einer Aufklärung über die von der Beklagten vereinnahmte Provision seinen Anlageentschluss grundsätzlich in Frage gestellt hätte. Angesichts dessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht geschlussfolgert hat, der Kläger hätte bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütung die Fondsbeteiligung nicht gezeichnet.
24 5. Das Berufungsurteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit es die Verjährung des Klageanspruchs nach §§ 195 , 199 Abs. 1 BGB verneint hat. Wie die Revision zu Recht geltend macht, war der Schadensersatzanspruch des Klägers, soweit er auf die Verletzung von Beratungspflichten der Beklagten über Rückvergütungen gestützt wird, entgegen der Ansicht des Revisionsgerichts bei Klageerhebung Mitte 2008 bereits verjährt.
25 a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers bereits mit Zeichnung der Fondsbeteiligung am 15. September 2003 im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, bei der gebotenen wertenden Betrachtung bereits durch den Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist (Senatsurteile vom 8. März 2005 XI ZR 170/04 , BGHZ 162, 306 , 309 f. und vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 22; BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09 , BGHZ 186, 152 Rn. 24 mwN). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob und wann die Kapitalanlage gegebenenfalls später im Wert gefallen ist (BGH, Urteile vom 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, WM 2004, 1823 und vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 24; Senatsurteil vom 12. Mai 2009 XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 22).
26 b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, der Kläger habe nicht bereits bei Zeichnung der Beteiligung an V 3 im Jahr 2003 ausreichende Kenntnis sämtlicher anspruchsbegründender Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt, weil er die genaue Höhe der an die Beklagte geflossenen Rückvergütung nicht gekannt habe.
27 aa) Die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (st. Rspr., BGH, Urteile vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28 und vom 19. März 2008 – III ZR 22/07, WM 2008, 1077 Rn. 7; Senatsurteil vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27). Es kommt auch nicht darauf an, dass der Geschädigte die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und den in Betracht kommenden Kausalverlauf richtig einschätzt (BGH, Urteile vom 25. Februar 1999 IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975 und vom 3. März 2005 – III ZR 353/04, WM 2005, 1328, 1331).
28 In Fällen des Schadensersatzes wegen unzureichender Aufklärung muss der Geschädigte insbesondere nicht die Rechtspflicht des Schädigers zur Aufklärung kennen. Auch insoweit genügt vielmehr die Kenntnis derjenigen tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Aufklärungspflicht ergibt (Senatsurteile vom 29. Januar 2002 – XI ZR 86/01 , WM 2002, 557, 558, vom 28. Mai 2002 XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447 und vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, W M 2008, 1346 Rn. 27; BGH, Urteile vom 2. April 1998 – III ZR 309/96, BGHZ 138, 247 , 252 , vom 14. März 2002 III ZR 302/00, BGHZ 150, 172 , 186 und vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28).
29 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfordert der Verjährungsbeginn des Schadensersatzanspruches wegen verschwiegener Rückvergütung auch nicht die Kenntnis des Anlegers von deren konkreter Höhe. Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist. Von diesem Umstand hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe ihm die Bank nicht mitteilt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 6 U 30/10 , […] Rn. 34 f., rechtskräftig durch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 – III ZR 8/11 ; vgl. auch OLG Karlsruhe, WM 2012, 2245, 2247, rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 3. April 2012 – XI ZR 383/11 und OLG Karlsruhe, BeckRS 2012, 24831, rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 19. Juni 2012 – XI ZR 300/11; U. Schäfer in Schäfer/Sethe/Lang, Handbuch der Vermögensverwaltung, § 21 Rn. 60 aE).
30 Die fehlende Kenntnis des Anlegers von der Höhe der Rückvergütung steht allenfalls in solchen Fällen dem Verjährungsbeginn entgegen, in denen die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung macht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 6 U 30/10 , […] Rn. 36; U. Schäfer in Schäfer/Sethe/Lang, Handbuch der Vermögensverwaltung, § 21 Rn. 60 aE). Denn in diesen Fällen meint der Anleger, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein, weshalb es an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergibt.
31 bb) Nach diesen Grundsätzen waren hier nicht nur die objektiven, sondern -was das Berufungsgericht verkannt hat und die Revision zu Recht rügt -auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits bei Zeichnung der Beteiligung an V 3 am 15. September 2003 erfüllt. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei Zeichnung der Fondsbeteiligung wusste, dass die Beklagte für deren Vermittlung eine Rückvergütung in Form eines Anteils am Agio erhielt.
32 (1) Die Feststellung, ob und wann der Gläubiger Kenntnis von bestimmten Umständen hatte oder ob seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung zwar nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (Senatsurteile vom 15. Juni 2010 – XI ZR 309/09 , WM 2010, 1399 Rn. 13 und vom 23. September 2008 – XI ZR 262/07, WM 2008, 2155 Rn. 17, jeweils mwN). Ein solcher Fehler liegt hier jedoch vor.
33 (2) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht die protokollierten Angaben des Klägers im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung zu der Frage, ob er bei Zeichnung der Fondsbeteiligung bereits davon wusste, dass die Beklagte für deren Vermittlung eine Rückvergütung in Form eines Anteils am Agio erhielt, nicht ausreichend gewürdigt. Anders als das Berufungsgericht ausführt, hat der Kläger nicht nur „angenommen” oder sich nur „gedacht” – also nicht gewusst – dass die Beklagte einen Teil des Agios erhält. Er hat vielmehr ausdrücklich erklärt: „Dass da ein Agio von 5 % berechnet wurde, das war mir damals bekannt gewesen. Dass die Commerzbank an diesem Agio beteiligt würde, das war mir damals auch bekannt.” Aus diesen – vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten – Einlassungen ergibt sich, dass der Kläger im Zeitpunkt der Zeichnung seiner Beteiligung positive Kenntnis davon hatte, dass die Beklagte an dem von ihm zu entrichtenden Agio beteiligt wird. Seine durch die spätere Einschränkung („Ich dachte damals, dass die Bank … vielleicht 2 bis 3 % von den 5 % Agio bekommt”) zum Ausdruck gebrachte Vermutung bezog sich demgegenüber nur auf die Höhe dieser Rückvergütung.
34 c) Da der Anspruch des Klägers somit bereits im Jahre 2003 entstanden ist und der Kläger zu diesem Zeitpunkt auch Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen hatte, ist die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ab dem 1. Januar 2004 zu berechnen (§ 199 Abs. 1 BGB ); sie lief mithin zum Schluss des Jahres 2006 ab. Die am 30. Juni 2008 eingereichte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.
III.
35 Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dabei wird sich das Berufungsgericht mit den vom Kläger behaupteten weiteren Aufklärungspflichtverletzungen durch unrichtige Angaben der Anlageberater der Beklagten über den durch Kapitalgarantien verschiedener Banken sichergestellten 100%igen Geldrückfluss auseinanderzusetzen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 13 ff.; vgl. auch Henning, WM 2012, 153 ff.).

Reform des handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahrens

Entlastung für den Mittelstand

Zum vom Kabinett am 17. April 2013 beschlossenen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 29. November 2012 zur Reform des handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahrens erklärt die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Unternehmen dürfen künftig mit mehr Rechtsschutz und abgestuften Ordnungsgeldern bei Verstößen gegen das Bilanzrecht kalkulieren. Mit dem Gesetz zur Reform des Ordnungsgeldverfahrens sollen die Mindestordnungsgelder von 2.500 Euro auf 500 Euro für kleinste Unternehmen und auf 1.000 Euro für kleine Unternehmen gesenkt werden. Außerdem stärken wir die Mittel, damit sich Unternehmen gegen Fristverstöße zur Wehr setzen können. Mehr Flexibilität im Ordnugsgeldverfahren entlastet die Wirtschaft, ohne die inzwischen hohe Offenlegungsbereitschaft der Unternehmen von 90 Prozent zu gefährden. Das heute vom Kabinett beschlossene Gesetz stärkt durch Entlastung nach dem Micro-Bilanzgesetz zum Bürokratieabbau den Standort Deutschland.

Das Bilanzrecht ist Ausdruck von Transparenz und Verlässlichkeit im Wirtschaftsverkehr und deswegen ein unverzichtbares Element der Wirtschaftsordnung. Für Unternehmen mit geringen Betriebsgrößen ist der bürokratische Aufwand ungleich schwerer als für mittlere und große Unternehmen zu erbringen, die auf Bilanzspezialisten im Unternehmen zurückgreifen können. Künftig bewirkt die Reform des handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahrens Erleichterungen gerade für kleinere Unternehmen, wenn diese die Fristen unverschuldet oder nur geringfügig überschreiten. Außerdem wird eine zweite gerichtliche Instanz eingeführt, so dass grundsätzliche Rechtsfragen einheitlich geklärt werden können. Es wird ein Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingeführt, wenn ein Unternehmen die Sechswochenfrist zur Nachholung der Offenlegung unverschuldet nicht einhalten konnte. Zur Nachholung der Offenlegung erhalten die Unternehmen dann noch einmal sechs Wochen Zeit. Damit können Ausnahmesituationen wie etwa eine lange schwere Erkrankung des Alleingeschäftsführers oder die Vorenthaltung aller Buchführungsunterlagen durch entlassene Alleingeschäftsführer besser als bisher bewältigt werden.

Hintergrund:

Am 17. April 2013 hat das Kabinett den vom Bundesministerium der Justiz vorbereiteten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 29. November 2012 zur Reform des handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahrens beschlossen.

Der Entwurf sieht im Anschluss an frühere Entlastungen für Kleinstkapitalgesellschaften (MicroBilG – s. Pressemitteilung) nunmehr auch Änderungen im Verfahren vor, wenn kleinste und kleine Kapitalgesellschaften zwar ihren handelsrechtlichen Publizitätspflichten nachkommen wollen, aber Fristen versäumen.

Das Bundesamt für Justiz leitet Ordnungsgeldverfahren gegen alle Kapitalgesellschaften ein, die ihre Jahresabschlussunterlagen nicht rechtzeitig offenlegen. Es bleibt auch künftig dabei, dass die Unternehmen nach Androhung eines Ordnungsgeldes noch einmal sechs Wochen Zeit erhalten, um ihre gesetzlichen Pflichten zu erfüllen, bevor das Ordnungsgeld festgesetzt wird. Reagiert ein Unternehmen nicht, setzt das Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeld fest, das mindestens 2.500 Euro beträgt.

Nunmehr wird das Mindestordnungsgeld von 2.500 Euro für Kleinstkapitalgesellschaften bzw. kleine Kapitalgesellschaften auf 500 bzw. 1.000 Euro gesenkt, wenn das Unternehmen verspätet auf die Ordnungsgeldandrohung des Bundesamtes reagiert und die Offenlegung, wenn auch verspätet, nachgeholt hat, bevor das Bundesamt weitere Schritte einleitet.

Gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes durch das Bundesamt kann das Unternehmen Beschwerde beim Landgericht Bonn einlegen. Bislang entscheidet dieses Gericht als einzige Instanz. Nach der Neuregelung gibt es künftig eine Rechtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts Bonn in Ordnungsgeldsachen. Damit wird sichergestellt, dass grundsätzliche Rechtsfragen einheitlich entschieden werden und die Rechtssicherheit für die Beteiligten erhöht wird.

Der Entwurf knüpft an die mit dem Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz vom 20. Dezember 2012 (MicroBilG) geschaffenen Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften an. Für kleine und sehr kleine Unternehmen werden die schon vorhandenen und neuen Erleichterungen beim Umfang der Publizitätspflichten zum Anlass genommen, auch im Ordnungsgeldverfahren Erleichterungen einzuführen. Der Entwurf setzt die Forderungen des Deutschen Bundestages um und mildert Härten des Verfahrens. Er stellt zugleich sicher, dass Deutschland auch künftig seinen europäischen Verpflichtungen vollumfänglich nachkommt, Verstöße von Kapitalgesellschaften gegen ihre Publizitätspflichten wirksam durchzusetzen. Die seit mehreren Jahren erreichte hohe Offenlegungsquote von über 90% der Kapitalgesellschaften kann damit auch künftig sichergestellt werden.

BMJ, Pressemitteilung v. 17.4.2013

Steuerfahndung | Rheinland-Pfalz kauft Steuer-CD

Land kauft Steuer-CD – Kühl „konsequent gegen Steuerbetrug“

Finanzminister Carsten Kühl hat heute Meldungen bestätigt, wonach das Land Rheinland-Pfalz eine sogenannte „Steuerdaten-CD“ angekauft hat. Bisher hatte das Finanzministerium entsprechende Meldungen weder bestätigt noch dementiert, aus ermittlungstechnischen Gründen, wie Kühl heute mitteilte.

Nach Angaben aus dem Finanzministerium handelt es sich um ca. 40.000 Datensätze, die nach intensiven Vorermittlungen zum Preis von vier Millionen Euro von den rheinland-pfälzischen Behörden erworben wurden. „Sie sind authentisch und von einer ausgezeichneten Qualität“, sagte der Minister. „Wir erwarten aus den vorliegenden Informationen ein steuerliches Aufkommen in Höhe von rund 500 Millionen Euro bundesweit. Diese Summe ist auch ein Beleg für die hohe kriminelle Energie, mit der hier Kapitalerträge hinterzogen wurden“ betonte Kühl.

„Steuergerechtigkeit ist in einem modernen Rechts- und Sozialstaat unverzichtbar. Deswegen müssen wir konsequent gegen Steuerbetrug vorgehen. Bei ihren Ermittlungen müssen die Behörden jeden Weg gehen, der nach sorgfältiger Abwägung rechtsstaatlich gangbar ist. Dazu gehört auch der Ankauf von Steuer-CDs. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.“ Kühl bestätigte, dass seit dem 16. April zahlreiche Durchsuchungen bundesweit stattfinden, die durch eine von Rheinland-Pfalz angekaufte Steuer-CD angestoßen wurden.

Quelle: FinMin Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v. 16.4.2013

 

Ankauf „Steuer-CD“ – Ministerium widerspricht Bund der Steuerzahler

Ein Sprecher des Finanzministeriums ist einer Erklärung des Bundes der Steuerzahler Rheinland-Pfalz entgegengetreten, der den Ankauf einer „Steuer-CD“ kritisierte.

„Zwei Dinge sollten wir gelernt haben. Die Daten der angekauften ‚Steuer-CD‘ zeigen erneut, dass die Abgeltungssätze, die in der Debatte um ein Steuerabkommen mit der Schweiz für die Besteuerung der Vorgänge aus der Vergangenheit vorgesehen waren, viel zu gering angesetzt waren.

Außerdem haben gerade die Diskussionen in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass sich Österreich, Luxemburg und die Schweiz darauf einstellen, den automatischen Informationsaustausch nun doch zuzulassen. Genau das war die zentrale Forderung der  rot-grün regierten Länder, und genau dies hätte das von der Bundesregierung verhandelte Abkommen verhindert.“