Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Keine unbare Zahlung der zur Kinderbetreuung beschäftigten Minijobber erforderlich

Entgegen dem (vermeintlichen) Wortlaut der Vorschrift ist für den Abzug der Aufwendungen für die Kinderbetreuung nach § 9c EStG in den Streitjahren 2009 und 2010 nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist, da sich dieses Nachweiserfordernis ausschließlich auf Dienstleistungen, für die Rechnungen ausgestellt werden, und nicht auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (sog. Minijobs) bezieht.

Nichtzulassungsbeschwerde – BFH-Az.: VI B 43/13

Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 20.03.2013, 3 K 12356/12
§ 10 Abs 1 Nr 5 EStG, § 10 Abs 1 Nr 8 EStG, § 35a Abs 1 EStG, § 4f EStG, § 9c EStG, § 9c Abs 2 EStG
Tatbestand
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Streitig ist, ob die Kläger Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten abziehen können, obwohl sie die von ihnen beschäftigte Teilzeitkraft bar bezahlten.
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Die Kläger sind beide berufstätig und erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zur Betreuung ihres 3-jährigen Sohnes beschäftigten sie für ein monatliches Gehalt in Höhe von 300 € eine Teilzeitkraft als Kinderbetreuerin. Das Gehalt zahlten die Kläger ihr jeweils bar aus. Im Februar 2011 meldeten die Klägerin die Beschäftigung der Kinderbetreuerin im sogenannten Haushaltsscheckverfahren bei der Minijob-Zentrale der Knappschaft-Bahn-See (rückwirkend) für die Streitjahre an. Sie zahlten im März 2011 die sich daraus ergebenden Abgaben (Kranken-, Renten- und Unfallversicherung sowie die Pauschsteuer) in Höhe von insgesamt 1.027,44 € an die Knappschaft-Bahn-See.
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In ihren Einkommensteuererklärungen für 2009 und 2010 beantragten sie den Abzug dieser Aufwendungen für die Kinderbetreuung in Höhe von jährlich 2.400 € (2/3 von 3.600 €) nach § 9c des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA lehnte dies unter Hinweis auf die Regelung des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG ab, da die Zahlung nicht auf das Konto des Empfängers – sondern in bar – erfolgt sei. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
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Die Kläger behaupten, sie seien sich nicht bewusst gewesen, dass Zahlungen an eine Kinderbetreuerin nicht in bar erfolgen dürften, wenn ein steuerlicher Abzug erfolgen solle. Die Kinderbetreuerin habe auf Barzahlungen bestanden.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21. November 2012 dahingehend zu ändern, dass in beiden Jahren jeweils 2.400 € als abziehbare Werbungskosten – nämlich Kinderbetreuungskosten nach § 9c EStG (2/3 von jeweils 3.600 €) – zum Abzug zugelassen werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und hält daran fest, dass nach dem klaren Wortlaut solche Kinderbetreuungskosten nur abziehbar seien, wenn die Zahlung auf ein Konto des Erbringers der Leistung erfolgt sei. Daran fehle es – unstreitig – im Streitfall.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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1. Aufwendungen der Kläger für die Kinderbetreuung in Höhe von jeweils 2.400 € (2/3 von 3.600 €) sind in den Streitjahren 2009 und 2010 (dort zusätzlich) nach § 9c Abs. 1 EStG als Werbungskosten abziehbar. Unstreitig haben die Kläger jeweils Aufwendungen für die Kinderbetreuung in Höhe von 3.600 € durch die Anstellung einer geringfügig Beschäftigten für die Kinderbetreuung getragen, die von den Klägern jeweils in bar gegen Quittung ausgezahlt worden sind.
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a) Dem steht – entgegen der Ansicht des FA – die Regelung des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG nicht entgegen, die den Abzug der Aufwendungen für die Kinderbetreuung davon abhängig macht, „dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt“ ist. Diese Voraussetzungen mussten im Streitfall nicht zusätzlich vorliegen, da sich dieses Nachweiserfordernis ausschließlich auf Dienstleistungen, für die Rechnungen ausgestellt werden, und nicht auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (sog. Minijobs) bezieht. Dies ergibt sich nach Ansicht des Senats aus der Auslegung der Vorschrift nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte der Norm und nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Bei Aufwendungen für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, für die auch im Rahmen der im Übrigen ähnlichen Vorschrift des § 35a Abs. 1 EStG keine unbaren Zahlungen erforderlich sind, haben die Steuerpflichtigen keine zusätzlichen Nachweise gemäß § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG als Voraussetzungen für den Abzug der Aufwendungen zu erbringen (teleologische Reduktion). Im Einzelnen:
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b) Bereits nach dem Wortlaut des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG erstreckt sich das Nachweiserfordernis des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG nicht auf Minijobs. Dort sind ausdrücklich nur Dienstleistungen angesprochen, die von Dritten bei ordnungsgemäßer steuerrechtlicher Handlungsweise gegen Rechnung angeboten und abgerechnet werden. Für diese Art von Dienstleistungen muss der Steuerpflichtige „eine Rechnung erhalten“ haben und das Entgelt „auf das Konto des Erbringers der Leistung“, also des vorstehend in der erhaltenen Rechnung bezeichneten Dienstleisters, gezahlt haben.
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Bei Arbeitsverhältnissen, erst Recht nicht bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (Minijobs), ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, Rechnungen auszustellen. Vielmehr hat dieser aufgrund des Arbeitsverhältnisses Leistungen zu erbringen, die der Arbeitgeber ihm zu vergüten hat. Unter diesen arbeitsrechtlichen Umständen kommt die Ausstellung von gesonderten Rechnungen wie aufgrund eines gewerblich tätigen Dienstleisters nicht in Betracht. Dazu kann der Arbeitgeber, der hier als Steuerpflichtiger den Abzug begehrt, seinen Arbeitnehmer, den Minijobber, arbeitsrechtlich gar nicht verpflichten. Diese kombinierte Abzugsvoraussetzung (Rechnung und unbare Zahlung an den Rechnungsaussteller) ist danach schon vom Wortlaut her nicht auf Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen übertragbar.
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Diese Diskrepanz zwischen dem Wortlaut des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG einerseits und den tatsächlich vielfältigen Varianten, in denen Kinderbetreuung tatsächlich wahrgenommen wird, andererseits hat der Bundesminister der Finanzen frühzeitig erkannt. Bereits im BMF-Schreiben vom 19. Januar 2007 zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten (BStBl I 2007, 184) hat dieser für die Finanzverwaltung angeordnet, dass bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und Minijobs der Rechnung im Sinne des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG der „abgeschlossene schriftliche (Arbeits-) Vertrag“ der Rechnung „gleich stehe“ (BMF-Schreiben, aaO., Rz. 21). Damit hat das BMF – ebenso wie der Senat – erkannt, dass die gesetzliche Regelung nach ihrem Wortlaut überhaupt nicht auf alle tatsächlich vorkommenden Fälle der Kinderbetreuung angewendet werden kann. Soweit das BMF dies zum Anlass nimmt, andere vermeintlich gleichwertige Nachweisanforderungen aufzustellen (hier: schriftlicher Arbeitsvertrag), findet dies nach Ansicht des Senats im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Diese Ansicht geht vielmehr weit über den Wortlaut der Vorschrift hinaus und ist vom Wortlaut nicht mehr gedeckt. Diese Regelung verschärft die Voraussetzungen für einen Abzug über die gesetzliche Regelung hinaus, ohne dass eine gesetzliche Ermächtigung für eine daraus entstehende Abzugsbeschränkung erkennbar ist.
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c) Auch nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergeben sich für die Auslegung der Regelung keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Abzugsmöglichkeit in den Fällen, in denen die Kinderbetreuung durch Minijobber erbracht werden.
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Zunächst waren auch die Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (in begrenztem Umfang) in § 35a Abs. 1 EStG enthalten, der durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführt worden war (BGBl I 2002, 4621). Dies entsprach den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 13. November 2002 (BT-Drs. 15/77, Seite 5). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift, der ausschließlich Arbeitsverhältnisse im inländischen Haushalt regelte, sah das Gesetz weitere Nachweisanforderungen nicht vor. Durch das Gesetz sollten vor allem in Haushalten legale Arbeitsverhältnisse geschaffen oder jedenfalls in legale Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden.
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Nur für andere haushaltsnahe Dienstleitungen nach § 35a Abs. 2 EStG, also die nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses erbrachten Leistungen, sah das Gesetz erstmals als Abzugsvoraussetzung die Rechnung und die unbare Zahlung vor (§ 35a Abs. 2 Satz 3 EStG in der Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt).
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Der Gesetzgeber hat diese gesetzgeberische Grundkonzeption auch durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung (BGBl I 2006, 1091) beibehalten und es im Rahmen des § 35a dabei belassen, dass zusätzliche Nachweiserfordernisse, die sprachlich leicht verändert worden sind, nur für die haushaltsnahen Dienstleistungen nach Abs. 2 Voraussetzungen für den Abzug sind. Für Arbeitsverhältnisse im Haushalt bestanden weiterhin keine solchen Erfordernisse (Rechnung und unbare Zahlung).
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Zugleich führte der Gesetzgeber neu die (inzwischen schon wieder aufgehobene) Vorschrift des § 4f EStG mit der Überschrift „Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten“ ein. Die Regelung differenzierte nicht zwischen Arbeitsverhältnissen einerseits und anderen Dienstleistungen andererseits. Der Gesetzgeber war vielmehr bestrebt, eine allumfassende Begünstigung zu schaffen und den Haushalt als Feld für neue Beschäftigungsmöglichkeiten steuerlich zu fördern (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/643, S. 6). Er wollte eine Ausweitung der steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten erreichen und die unterschiedlichen Formen der Betreuungsangebote gleichstellen und Anreize dafür geben, dass legale Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten geschaffen werden (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/643, S. 10; ebenso in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/974, S. 7 und in Redebeiträgen des Bundestages in seiner Sitzung vom 16. Februar 2006).
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Die anhand der schon bestehenden Regelung des § 35a Abs. 2 EStG entwickelte Formulierung „Voraussetzung … ist, dass der Steuerpflichtige durch Vorlage einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung nachweist“ hat der Gesetzgeber sodann sowohl für den § 35a Abs. 2 EStG als auch für den § 4f EStG und § 10 Abs. 1 Nrn. 5 und 8 EStG verwendet. Im Bundestag ist die Summe der Regelungen vor allem aber auch die Regelungen zu Kinderbetreuungskosten als weiterer Baustein für ein immer komplizierter werdendes Steuerrecht bezeichnet worden (Rede der Abgeordneten Christiane Scheel, Plenarprotokoll der Sitzung vom 16. Februar 2006, S. 1332 und Rede der Abgeordneten Kerstin Andreae, aaO., S. 1342).
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Die Übertragung der identischen Formulierung aus § 35a Abs. 2 EStG auch in die neu geschaffenen Vorschrift des § 4f und § 10 Abs. 1 Nrn. 5 und 8 EStG speziell für Kinderbetreuungskosten spricht danach insgesamt dafür, dass der Gesetzgeber auch im Jahr 2006 für die Abzugsfähigkeit in beiden Vorschriften gleichartige Voraussetzungen schaffen wollte. Das spricht bei der Auslegung der Norm des § 4f EStG nach der Entstehungsgeschichte für eine Anwendbarkeit dieser zusätzlichen Nachweisanforderungen ausschließlich für Dienstleistungen, die nicht aufgrund von Arbeitsverhältnissen erbracht werden. An keiner Stelle des Gesetzgebungsverfahrens finden sich Hinweise darauf, dass im Rahmen des § 4f EStG ein strengerer Maßstab als nach § 35a Abs. 1 EStG angelegt werden sollte. Im Gegenteil, der Gesetzgeber wollte für Kinder, die nicht in das Altersspektrum des § 4f passten, daneben eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen im Rahmen des § 35a offen halten (Rede der Abgeordneten Lydia Westrich, aaO., S. 1346) und eine im Ergebnis gleichartige Abzugsfähigkeit der Aufwendungen erreichen.
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Dieses System hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Einführung des § 9c EStG durch das Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungsgesetz; BGBl. I 2008, 2955) beibehalten. Dabei sind vor allem die Einzelvorschriften des früheren § 4f EStG und die Regelungen des § 10 Abs. 1 Nrn. 5 und 8 EStG in eine Gesamtregelung unter der Gliederung „§ 9c“ zusammengeführt worden. Ziel war es nur, die Regelungen zusammenzufassen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 753/08, S. 2). Die frühere Regelung des § 35a Abs. 2 EStG (andere als Arbeitsverhältnisse) ist weiter differenziert in neuen Regelungen (Abs. 2 und 3) verändert worden, ohne dass hinsichtlich der Nachweiserfordernisse eine Änderung beschlossen worden ist. Die bisherige Regelung in § 35a Abs. 2 ist lediglich in den Abs. 5 verschoben worden und die Anwendbarkeit (Rechnung und unbare Zahlung) auf die neuen Abs. 2 und 3 bezogen worden. Für die geringfügigen Arbeitsverhältnisse nach Abs. 1 ergab sich keine Änderung. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber auch im Zeitpunkt der Schaffung des § 9c EStG das ursprüngliche System mit unterschiedlichen Voraussetzungen für den Nachweis unangetastet lassen wollte. Es gibt kein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber erstmals im Rahmen der Schaffung des § 9c EStG für derartige Aufwendungen, die im Rahmen von Arbeitsverhältnissen (anstatt durch externe Dienstleister) ausgeübt werden, strengere Nachweisanforderung schaffen wollte. Im Gegenteil, die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Haushalten sollte ausdrücklich steuerlich gefördert werden.
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Insgesamt ergibt die historische Auslegung, dass der Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt erhöhte Nachweisanforderungen für den steuerlichen Abzug von Aufwendungen für im Haushalt angestellte Beschäftigte eingeführt hat oder einführen wollte.
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d) Zuletzt spricht für die vom Senat verwendete Auslegung des § 9c EStG auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Durch das besondere Nachweiserfordernis für den Abzug von Aufwendungen für externe Dienstleister sollte dem Missbrauch vorgebeugt werden und die Schwarzarbeit in diesem Bereich bekämpf werden. Dem diente von Anfang an der Nachweis durch eine Rechnung und die unbare Zahlung (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/643, S. 9). Diese Gesetzesbegründung kann sich aus der Natur der Sache nur auf externe Dienstleister beziehen und bezogen haben. Es sollte einerseits dem Steuerpflichtigen die Abzugsmöglichkeit eingeräumt werden und andererseits die unbare Zahlung sicherstellen, dass der Leistungserbringer das erzielte Entgelt auch versteuern würde. Deshalb stellen die beiden Einzelvoraussetzungen (Rechnung und unbare Zahlung) sind im Kern als eine untrennbare gemeinschaftliche Voraussetzung dar.
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Auf legale Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer, bei denen der Arbeitgeber – wie im Streitfall – bereits pauschaliert Abgaben abzuführen hat, sind diese Regelungen danach überhaupt nicht übertragbar. Die Versteuerung ist bereits sichergestellt. Deshalb hat der Gesetzgeber nach dem Sinn und Zweck seiner Regelung in § 35a Abs. 1 EStG ganz bewusst auf gesonderte Nachweisanforderungen verzichten können und tatsächlich verzichtet. Für die Vorschrift des § 9c EStG ergeben sich nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes keine anderen Anforderungen.
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e) Aus der Systematik des Einkommensteuergesetzes lassen sich im Streitfall daneben keine Gesichtspunkte für die Auslegung gewinnen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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3. Das Gericht konnte nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.
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4. Von einer Zulassung der Revision hat der Senat abgesehen, da es sich im Streitfall um die Anwendung und Auslegung bereits wieder ausgelaufenen Rechts (§ 9c EStG) handelt, auch wenn die zurzeit gültige Nachfolgeregelung (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, Fassung ab 2011) die frühere Regelung in seinen Wortlaut aufgenommen hat.

Auswirkungen der Lohnsteuerklassen auch bei Lohnersatzleistungen!

Ehepartner stellen sich immer wieder die Frage, welche Lohnsteuerklassenkombination ist für uns am besten? Hier treten steuerliche Folgen – aber auch erhebliche Folgen hinsichtlich von Sozialleistungen auf. 
Für Ehepartner gibt es die Möglichkeiten der folgenden Kombinationen, wobei der Ehemann immer zuerst genannt ist: III/V, IV/IV sowie V/III. Bei einem Bruttoentgelt von € 3.500,– fallen bei der Lohnsteuerklasse III Lohnsteuern von € 350,66 bei IV 618,56 und bei V € 975,58 (Quelle: Stollfuß Tabellen Lohnsteuer 2011) an. Daneben werden noch der Solidaritätszuschlag, die Kirchensteuer als auch die Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Allgemein gilt die Faustformel: Verdient ein Ehepartner doppelt soviel wie der Andere, führt die Lohnsteuerklassenwahl III (für den Besserverdienenden) und V (für den Partner) zu dem niedrigsten Lohnsteuerabzug. Man sollte aber gerade bei der Lohnsteuerklassenkombination III/V bedenken, dass diese Kombination in der Praxis bei der in diesen Fällen obligatorischen Einkommensteuerveranlagung oft zu Nachzahlungen führt. Anders herum werden bei der Einkommensteuerveranlagung zuviel bezahlte Lohnsteuerbeträge des Jahres durch das Finanzamt zurückgezahlt.
Aber worauf hat die Lohnsteuerklasse weitere Auswirkungen? Nach dem Nettoeinkommen richten sich nämlich auch bestimmte Lohnersatzleitungen, wie z. B. Arbeitslosengeld I, Mutterschutzgeld, Krankengeld und Elterngeld. Das Arbeitslosengeld beträgt 60 % (mit anrechenbarem Kind 67 %) des letzten Nettoentgeltes. Bei einem Bruttoeinkommen von € 3.500,– erhält ein Arbeitsloser zum Beispiel monatlich ca. € 430,– weniger Arbeitslosengeld bei der Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Lohnsteuerklasse III. Ändert ein Arbeitsloser während der Arbeitslosigkeit seine Lohnsteuerklasse von III auf V, damit der Ehegatte mehr Nettoentgelt erzielt, mindert sich zeitgleich das Arbeitslosengeld. Ein „Zurückwechseln“ der Lohnsteuerklasse korrigiert diesen Umstand nicht! Ferner wird ein Wechsel der Lohnsteuerklasse kurz vor Eintritt in die Arbeitslosigkeit aus rein leistungsrechltichen Aspekten nicht akzeptiert. Beim Elterngeld ist dies anders: Die zuletzt gültige Lohnsteuerklasse ist immer die maßgebliche Grundlage für die Berechnung des Elterngeldes.  Auch bei einer so unscheinbaren Entscheidung wie der Lohnsteuerklassenwahl kann Ihnen Ihr Steuerberater ein wertvoller Berater sein und Ihnen bei der richtigen Entscheidung auch noch finanzielle Vorteile bringen.

Quelle: Steuerberaterverband Schleswig-Holstein e.V.

Hohe Benzinpreise von der Steuer absetzen!

Die derzeitigen Benzinpreise haben das bisherige Höchstniveau aus 2008 überschritten.
Hier stellt sich die Frage: Kann ich diese hohe Belastung bei der Steuererklärung geltend machen?

Der Steuerberaterverband Schleswig-Holstein erklärt dazu, dass das Einkommensteuergesetz zwei unterschiedliche Fahrtanlässe vorsieht: 
Als erstes Fahrtkosten, die auf Geschäftsreisen entstehen – und die keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind. Auf derartigen Geschäftsreisen können sämtliche Kosten, wie Benzin bzw. Diesel, sämtliche Versicherungen, Kfz-Steuer, Abschreibung (Verteilung der Anschaffungskosten auf die Jahre der Nutzungsdauer) geltend machen. Die in einem Jahr errechneten Kosten werden dann durch die tatsächlich gefahrenen Kilometer dividiert. Dieser individuelle Kostenansatz ist dann für jeden gefahrenen Kilometer einer Geschäftsreise absetzbar. Beispiel: Gesamtkosten pro Jahr € 10.000, insgesamt 20.000 gefahrene Kilometer im Jahr entspricht € 0,50 je gefahrenen Kilometer. Werden 5.000 Kilometer beruflich gefahren, sind € 2.500,- von der Steuer absetzbar.
Statt des Ansatzes der tatsächlichen Kosten kann auch der Pauschbetrag in Höhe von € 0,30 je gefahrenen Kilometer abgesetzt werden. Dieser spiegelt allerdings das Benzinpreisniveau nicht wieder. Auch wenn bei den erstgenannten Fahrtkosten die Aufzeichnung mühevoll ist, lohnt zumindest bei neuen oder größeren Pkw ein derartiges Vorgehen. Erstattungen vom Arbeitgeber mindern in beiden Fällen die absetzbaren Kosten.
Von diesen Fahrkosten sind Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz bzw. Wohnung und Betriebstätte abzugrenzen: Hier ist grundsätzlich nur der Betrag in Höhe von € 0,30 je Entfernungskilometer (nicht gefahrenen Kilometer!) absetzbar. Ausnahme: Bestimmte behinderte Menschen können wiederum die tatsächlichen Aufwendungen steuerlich geltend machen.
In diesem Zusammenhang kann lt. Steuerberaterverband erfreulicherweise darauf hingewiesen werden, dass neuerdings die Einschränkungen der Entfernungspauschale nur die Fahrt zum tatsächlichen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber betreffen. Ist der Arbeitnehmer beim Kunden eingesetzt – auch bei einem dortigen mehrmonatigen Einsatz –, gilt die Entfernungspauschale nicht. Folglich lassen sich die oben dargestellten tatsächlichen Kosten oder € 0,30 je gefahrenen Kilometer berücksichtigen. Der Steuerberaterverband Schleswig-Holsteins erläutert, das Angestellte bei sogenannten Zeitarbeitsunternehmen nahezu regelmäßig bei Kunden zum Einsatz kommen. Folglich können diese grundsätzlich sämtliche Kosten oder den Pauschsatz je gefahrenen Kilometer ansetzen.

Quelle: Steuerberaterverband Schleswig-Holstein e.V.

Beratungskosten bei Betriebsübergabe absetzbar?

Im ersten Quartal 2013 wurden bisher 15.600 Betriebe in Deutschland an Nachfolger übergeben (Quelle: Statistisches Bundesamt). Zu diesen Vorgängen gehören auch Betriebsübergaben vom Senior an die nachfolgende Generation. Wie sieht es mit der steuerlichen Abziehbarkeit der in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten aus? Um einen für beide Seiten sicheren Übergang zu schaffen, ist die Beratung durch Steuerberater erforderlich. Zudem sind i.d.R. im Rahmen der Erstellung von Verträgen Rechtsanwälte und Notare zu beauftragten. Die Summe dieser Beratungskosten kann durchaus erheblich sein. Im Rahmen der steuerlichen Abziehbarkeit wurde der Vorgang in der Vergangenheit als privat veranlasst angesehen. Dieses hatte zur Folge, dass diese Kosten steuerlich nicht abziehbar waren. Der Präsident des Steuerberaterverbandes Schleswig-Holstein e.V. Lars-Michael Lanbin, weist aktuell auf folgende Entwicklung hin: „Es ist ein Verfahren vor dem höchsten deutschen Finanzgericht – dem Bundesfinanzhof in München – anhängig, in dem die Kläger die steuerliche Abziehbarkeit derartiger Kosten geltend machen. Dieser Rechtsstreit bietet die Chance, das Finanzamt an diesen Kosten zu beteiligen“. Bei entsprechenden Steuererklärungen sollten diese Kosten steuermindernd in Ansatz gebracht werden. Da die derzeitige Rechtslage die Abziehbarkeit nicht ermöglicht, dürften die Finanzämter den Abzug versagen. In einem solchen Fall sollte Einspruch gegen die Nichtberücksichtigung eingelegt werden. „Dabei ist insbesondere die einmonatige Einspruchsfrist beachten“, so Lanbin. Mit Verweis auf das Verfahren (Aktenzeichen IV R 44/12) sollte das Ruhen des Einspruchs beantragt werden, bis das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist. Ist die Steuererklärung bereits abgegeben, ohne dass ein Bescheid vorliegt, sollten diese Positionen nachträglich geltend gemacht werden. Liegt bereits ein Steuerbescheid vor, welcher unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, sollte die Änderung der Veranlagung beantragt werden. Jeder dieser Maßnahmen sichert die Möglichkeit, nach einem positiven Abschluss des Verfahrens die Berücksichtigung der entstandenen Kosten im nachhinein sicher zu stellen.

Quelle: Steuerberaterverband Schleswig-Holstein e.V.

Lohnsteuer: Besteuerung von Pensionen und Betriebsrenten verfassungsrechtlich unbedenklich

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Urteilen vom 7. Februar 2013 (VI R 83/10 und VI R 12/11) entschieden, dass gegen die derzeit geltende Besteuerung beamtenrechtlicher Ruhegehälter sowie gegen die Besteuerung von Betriebsrenten keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Durch das Alterseinkünftegesetz (vom 5. Juli 2004, BGBl I S. 1427) ist die Besteuerung der Alterseinkünfte zum 1. Januar 2005 neu geregelt worden. Diese Neuregelung war erforderlich, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die nur anteilige Besteuerung von Sozialversicherungsrenten gegenüber der vollen Besteuerung von Beamtenpensionen für verfassungswidrig erklärt hatte. Im Alterseinkünftegesetz hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, dass Sozialversicherungsrenten ebenso wie Beamtenpensionen vollständig nachgelagert besteuert werden. Dazu wird der steuerpflichtige Anteil der Sozialversicherungsrenten in einer Übergangszeit kontinuierlich erhöht bis im Jahr 2040 Sozialversicherungsrenten ebenso wie Beamtenpensionen der vollen Besteuerung unterliegen.

In dem Verfahren VI R 83/10 wandte sich ein Wahlbeamter gegen die Besteuerung von Pensionen. Der Wahlbeamte begehrte für sich die niedrigere Besteuerung nach der für Sozialversicherungsrentner geltenden Übergangsregelung. Dies gebiete der verfassungsrechtliche allgemeine Gleichheitssatz. Dem hat sich der BFH nicht angeschlossen. Dem gesetzgeberischen Leitgedanken der vollständigen nachgelagerten Besteuerung läuft es zuwider, wenn in einer Übergangszeit auch für Beamte eine nur anteilige Besteuerung erfolgt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil während der Übergangszeit bis zum Jahr 2040 zugunsten der Beamten Maßnahmen zur Abmilderung der Besteuerungsunterscheide bestehen.

Das Verfahren VI R 12/11 betrifft den Bezieher einer gesetzlichen Rente, der von seinem ehemaligen Arbeitgeber seit seinem 60. Lebensjahr eine Betriebsrente erhält. Für die Betriebsrente wird erst ab dem 63. Lebensjahr die steuerliche Vergünstigung eines Versorgungsfreibetrags gewährt. Dagegen sind aufgrund von beamtenrechtlichen Vorschriften gezahlte Bezüge unabhängig von einer Altersgrenze steuerlich begünstigt. Der Rentner sah in dieser Differenzierung eine generelle Benachteiligung der Betriebsrentner gegenüber den Beamten.

Demgegenüber hält es der BFH für verfassungsgemäß, dass Betriebsrenten erst ab dem 63. Lebensjahr steuerlich begünstigt sind. Erstens werden Betriebsrentner nicht generell benachteiligt. Denn erhalten sie Versorgungsbezüge aufgrund einer verminderten Erwerbsfähigkeit, steht ihnen der Versorgungsfreibetrag unabhängig von dem Erreichen einer Altersgrenze zu. Zweitens bedurfte es für Beamte keiner Festlegung einer Altersgrenze von 63 Lebensjahren. Der Gesetzgeber hat die Begünstigung des Versorgungsfreibetrags nur für Bezüge gewähren wollen, die der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen. Insoweit hat er zulässigerweise unterstellt, dass dies erst für Bezüge gilt, die ab dem 63. Lebensjahr gewährt werden. Bei Beamten durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass diese üblicherweise erst mit dem 63. Lebensjahr in den Ruhestand gehen und deshalb auf eine ausdrückliche Bestimmung einer entsprechenden Altersgrenze verzichten. Denn für Beamte ist eine solche Grenze dienstrechtlich festgelegt. Da eine solche gesetzliche Regelung für Sozialversicherungsrentner nicht besteht und diese aufgrund von Vereinbarungen mit ihrem Arbeitgeber den Zeitpunkt des Altersruhestandes frei bestimmen dürfen, musste der Gesetzgeber eine Altersgrenze nur für Sozialversicherungsrentner festlegen. Aus diesen Gründen kam in beiden Verfahren eine Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht.

Quelle: Bundesfinanzhof

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 7.2.2013, VI R 12/11

Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage

Leitsätze

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es nicht, Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage bereits vor dem Erreichen der in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG vorgesehenen Altersgrenzen als Versorgungsbezüge anzusehen.

Tatbestand

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I. Streitig ist, ob aufgrund einer Direktzusage gewährte Leistungen wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes bereits vor dem Erreichen der in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgesehenen Altersgrenze als steuerrechtlich begünstigte Versorgungsbezüge anzusehen sind.
2
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger vollendete im Streitjahr 2007 das 60. Lebensjahr. Er bezog seit dem 1. Oktober 2007 unter anderem eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage seiner ehemaligen Arbeitgeberin.
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Im Rahmen der Einkommensteuererklärung unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Einnahmen aus der Direktzusage der Einkommensteuer und zog hiervon den Arbeitnehmer-Pauschbetrag ab. Daraufhin beantragten die Kläger, die Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 zu ändern und einen Versorgungsfreibetrag, einen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sowie einen Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 102 EUR zu berücksichtigen. Da die Gewährung dieser Abzugsbeträge bei beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen nicht von dem Erreichen eines bestimmten Alters abhängig sei, stünden den Beziehern von Leistungen aus einer betrieblichen Direktzusage in verfassungskonformer Auslegung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG die steuerlichen Vergünstigungen für Versorgungsbezüge ebenfalls unabhängig von dem Erreichen eines Mindestalters zu. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe den Gesetzgeber wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu einer steuerrechtlichen Gleichbehandlung sämtlicher Alterseinkünfte verpflichtet. Das FA lehnte diesen Änderungsantrag ab. Der gegen die Ablehnung dieses Antrags gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 869 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Verfassungsrechts.
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Sie beantragen sinngemäß,das Urteil des FG sowie den Ablehnungsbescheid vom 15. Dezember 2008 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 9. Februar 2009 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2007 dahingehend zu ändern, dass ein Versorgungsfreibetrag in Höhe von 2.760 EUR, ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Höhe von 828 EUR und ein Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 102 EUR berücksichtigt werden,

hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und dem BVerfG die Frage der Vereinbarkeit des § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG vorzulegen.

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Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger aufgrund der Direktzusage bezogenen Leistungen keine Versorgungsbezüge darstellen und auch von Verfassungs wegen nicht als solche zu behandeln sind.
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1. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG gelten Bezüge und Vorteile aus früheren privatrechtlichen Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.
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Von diesen Versorgungsbezügen bleiben gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Werden keine höheren Werbungskosten nachgewiesen, ist bei der Ermittlung der Einkünfte von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit für Werbungskosten ein Pauschbetrag von 102 EUR abzuziehen, soweit es sich um Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG handelt (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG). Werden keine Versorgungsbezüge gewährt, ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR in Abzug zu bringen (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG).
11
2. Die aufgrund der privatrechtlichen Direktzusage vom Kläger bezogenen Leistungen gelten nicht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG als Versorgungsbezüge. Denn der nicht schwerbehinderte Kläger vollendete im Streitjahr 2007 noch nicht das 63. Lebensjahr. Mithin war für die Leistungen aufgrund der Direktzusage weder ein Versorgungsfreibetrag noch ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag zu berücksichtigen. Da höhere Werbungskosten nicht nachgewiesen wurden, war insoweit der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG abzuziehen.
12
3. Entgegen der Auffassung der Kläger verstoßen diese Vorschriften nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG; eine Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht einzuholen.
13
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 15. Juli 1998  1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94, BVerfGE 98, 365). Er verbietet sowohl ungleiche Belastungen wie auch ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 1988  1 BvR 1239/85, BVerfGE 79, 1).
14
Im Bereich des Steuerrechts begrenzt der allgemeine Gleichheitssatz die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in einer speziell diesem Regelungsgegenstand Rechnung tragenden Weise (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BGBl I 2008, 2888, m.w.N.). So hat der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Insoweit ist insbesondere für den Einkommensteuergesetzgeber dessen weitgehende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen gehören Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997  2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl II 1997, 518). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010  1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, m.w.N.). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767, m.w.N.). Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767, m.w.N.).
15
b) Nach diesen Maßstäben widerspricht die steuerliche Behandlung der betrieblichen Zusatzversorgung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG nicht Art. 3 Abs. 1 GG.
16
aa) Anders als die Kläger meinen, benachteiligt § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG nicht generell die im privaten Dienst gewährten Versorgungsbezüge.
17
Denn die aus früheren privatrechtlichen Dienstleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährten Bezüge sind ebenso unabhängig von dem Erreichen einer Altersgrenze nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG begünstigt wie solche Erwerbsunfähigkeitsbezüge, die aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften gewährt werden.
18
bb) Bezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG und solche aus früheren Dienstverhältnissen i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG wegen des Erreichens einer Altersgrenze werden zwar unterschiedlich behandelt, weil bei Letzteren ein Versorgungsfreibetrag erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres oder bei Schwerbehinderten mit Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt wird, dagegen § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG keine Altersgrenze vorsieht. Dieser Unterschied ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
19
aaa) Es ist bereits fraglich, ob die hier angegriffenen Regelungen bei Beamten und bei Rentnern der privaten Wirtschaft wesentlich Gleiches i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG betreffen. Denn während § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bei den Beamten die Besteuerung der zur Grundversorgung dienenden Beamtenpensionen betrifft, regelt § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG die Besteuerung der in der Regel zur Basisversorgung hinzutretenden betrieblichen Zusatzversorgung (vgl. zum sog. Drei-Schichten-Modell Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen vom 11. März 2003).
20
bbb) Ungeachtet dessen ist die Besteuerung der betrieblichen Zusatzversorgung als Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erst ab dem Erreichen einer Altersgrenze verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
21
(1) Der Versorgungsfreibetrag wurde zur steuerlichen Entlastung von Pensionsempfängern eingeführt. Denn die volle steuerliche Erfassung ihrer Bezüge im Vergleich zu der nur geringfügigen Besteuerung von Sozialversicherungsrenten mit dem Ertragsanteil wurde als unbefriedigend empfunden (zu BTDrucks IV/3189, S. 2). Die zur Minderung dieser Ungleichbehandlung eingeführte Steuervergünstigung gilt nach der gesetzlichen Ausgestaltung des § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG unabhängig davon, ob die Versorgungsbezüge im öffentlichen oder im privaten Dienst gewährt werden.
22
Der Gesetzgeber stellt jedoch bei Versorgungsbezügen privater Unternehmen typisierend auf das Erreichen eines Mindestalters von 63 Lebensjahren bzw. 60 Lebensjahren bei schwerbehinderten Menschen ab, um zu gewährleisten, dass diese Steuervergünstigung nur für zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienende Bezüge gewährt wird. Gesetzgeberisches Leitbild für dieses Mindestalter ist der Zeitpunkt, zu dem Beamte die Versetzung in den Ruhestand ohne Angabe von Gründen beantragen können (§ 52 des Bundesbeamtengesetzes; vgl. zu BTDrucks IV/3189, S. 8, sowie BTDrucks 14/1514, S. 29 f.). Nur wenn dieses Lebensalter erreicht wird, unterstellt das Gesetz, dass die Bezüge und Vorteile der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen. Während sich bei Ruhegehaltsempfängern i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bereits aus dem Gesetz ergibt, dass es sich um Bezüge handelt, die der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen, unterliegen die in der Privatwirtschaft gewährten Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstverhältnissen der freien Vertragsgestaltung. Ohne die im Gesetz genannten Altersgrenzen bedürfte es daher einer eingehenden, mit den Erfordernissen einer Massenverwaltung nicht zu vereinbarenden Prüfung jedes einzelnen Falles, ob es sich tatsächlich um Bezüge des früheren Arbeitgebers handelt, die mit den in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind. Dieses gesetzgeberische Anliegen, das darauf abzielt, eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung gegenüber anderen Einkünften zu verhindern, ist ein hinreichend gewichtiger Grund, die Vergünstigung des § 19 Abs. 2 EStG bei Bezügen aus früheren Dienstverhältnissen der privaten Wirtschaft an eine feste Altersgrenze zu knüpfen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber z.B. bei Bezügen aus früheren Dienstverhältnissen der privaten Wirtschaft, die aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt werden, zu Recht keine Altersgrenze vorgesehen, weil sich in diesen Fällen die verminderte Erwerbsfähigkeit anhand objektiver, leicht nachprüfbarer Umstände feststellen lässt.
23
(2) Der Gesetzgeber hat dabei auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse die Grenzen zulässiger Typisierung nicht überschritten. Nach dem Vierten Versorgungsbericht der Bundesregierung (BTDrucks 16/12660, S. 63) stieg im Zeitraum 1993 bis 2006 die Zahl der Pensionäre, die die gesetzliche Altersgrenze (von damals 65 Lebensjahren) erreichten, von 13,1 % auf 63 %; im Jahr 2006 waren bereits 86,5 % der Neupensionäre zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand 65 Jahre alt. Die im Gesetz genannte Altersgrenze von 63 Jahren spiegelt daher das Alter, in dem Beamte typischerweise in den Ruhestand gehen, zutreffend wider. Nach den tatsächlichen Verhältnissen in jüngerer Zeit ergibt sich sogar –jedenfalls für den Bereich des Bundes– ein gegenüber der gesetzlichen Typisierung höheres Eintrittsalter in den Ruhestand.
24
Dieser Beurteilung stehen die Einwendungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, aus den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Finanzen und Steuern, Versorgungsempfänger des öffentlichen Dienstes, Fachserie 14 Reihe 6.1, 106) ergäbe sich ein abweichendes Bild. Danach lag zwar das Durchschnittsalter der Empfänger von Ruhegehalt in den Jahren 1993 bis 2011 bei den Bundesbeamten (ohne Berufssoldaten) zwischen 59,4 und 61,3 Lebensjahren, im Landesbereich zwischen 58,8 und 62,1 Lebensjahren und im kommunalen Bereich zwischen 59,0 und 61,1 Lebensjahren. Da diese Zahlen jedoch auch Empfänger enthalten, die wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ein Ruhegehalt beziehen (Statistisches Bundesamt, a.a.O., S. 96 bis 105), geben sie das Eintrittsalter in den Ruhestand von Beamten aus Altersgründen nicht zutreffend wieder. Denn Renten, die die Privatwirtschaft ihren ehemaligen Arbeitnehmern wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zahlt, sind unabhängig vom Alter des Empfängers ebenfalls begünstigte Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG. In die Vergleichsbetrachtung, ob Bezieher von Renten aus der Privatwirtschaft wegen Erreichens einer Altersgrenze gegenüber Beamten gleichheitswidrig benachteiligt werden, kann daher auch nur das Eintrittsalter in den Ruhestand derjenigen Beamten einbezogen werden, die aus anderen Gründen als einer verminderten Erwerbsfähigkeit in den Ruhestand getreten sind.

Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge bei (Teil-)Auszahlung des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der Rentenzahlung

Zu der Frage, wie der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge bei (Teil-)Kapitalauszahlungen des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der laufenden Rentenzahlung zu ermitteln ist, gilt nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

Bei einer Rentenversicherung besteht die Versicherungsleistung grundsätzlich in der Zahlung einer lebenslänglichen Rente für den Fall, dass die versicherte Person den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn erlebt. Die laufende Rentenzahlung unterliegt gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG der Besteuerung mit dem Ertragsanteil. Hierbei wird u. a. berücksichtigt, dass mit der Rentenzahlung auch eine Rückzahlung der zum Aufbau der Anwartschaft aus dem versteuerten Einkommen eingesetzten Beiträge erfolgt.

Zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zählt die Versicherungsleistung aus einer Rentenversicherung, soweit sie nicht in Form einer lebenslangen Leibrente erbracht wird. Dies gilt insbesondere, wenn ein laufender Rentenzahlungsanspruch nach einer Kündigung oder Teilkündigung des Versicherungsvertrages durch Auszahlung des Zeitwertes der Versicherung abgegolten wird.

Wie der Unterschiedsbetrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG im Falle einer Teilkapitalauszahlung einer Rentenversicherung zum Ende der Ansparphase zu berechnen ist, ergibt sich aus Rz. 64 des BMF-Schreibens vom 1. Oktober 2009.

Erfolgt die Kapitalauszahlung nach Beginn der Auszahlungsphase der Rentenversicherung, ist bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages zu berücksichtigen, dass in den bis zum Zeit-punkt der Auszahlung geleisteten Rentenzahlungen anteilige Versicherungsbeiträge enthalten sind. Diese ergeben sich in pauschalierender Form aus der Differenz zwischen dem bisher ausgezahlten Rentenbetrag und dem für diese Rentenzahlung anzusetzenden Ertragsanteil. Der so ermittelte Betrag ist bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG als bereits verbrauchte Beiträge zu berücksichtigen.

Die anteilig entrichteten Beiträge sind dabei wie folgt zu ermitteln:

Berechnung des Unterschiedsbetrages:12.000 Euro – 7.540 Euro = 4.460 Euro
Ertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG: 4.460 Euro

Soweit der Unterschiedsbetrag bei (Teil-)Auszahlungen des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der Rentenzahlung abweichend von diesem Schreiben entsprechend der Rz. 61 – 64 des BMF-Schreibens vom 1. Oktober 2009 (BStBl I Seite 1172) berechnet wurde, wird dies für Teilauszahlungen vor Veröffentlichung dieses Schreibens nicht beanstandet.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-2252 / 07 / 0001:023 vom 18.06.2013

Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge bei (Teil) -Auszahlungen des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der Rentenzahlung

BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2009 (BStBl I Seite 1172) – IV C 1 – S 2252/07/0001; DOK 2009/0637786 – GZ IV C 1 – S 2252/07/0001 :023 DOK 2013/0556629

Zu der Frage, wie der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge bei (Teil-)Kapitalauszahlungen des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der laufenden Rentenzahlung zu ermitteln ist, gilt nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

Bei einer Rentenversicherung besteht die Versicherungsleistung grundsätzlich in der Zahlung einer lebenslänglichen Rente für den Fall, dass die versicherte Person den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn erlebt. Die laufende Rentenzahlung unterliegt gemäß § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG der Besteuerung mit dem Ertragsanteil. Hierbei wird u. a. berücksichtigt, dass mit der Rentenzahlung auch eine Rückzahlung der zum Aufbau der Anwartschaft aus dem versteuerten Einkommen eingesetzten Beiträge erfolgt. Zu den Einnahmen nach § 20 Absatz 1 Nummer 6 EStG zählt die Versicherungsleistung aus
einer Rentenversicherung, soweit sie nicht in Form einer lebenslangen Leibrente erbracht Seite 2 wird. Dies gilt insbesondere, wenn ein laufender Rentenzahlungsanspruch nach einer Kündigung oder Teilkündigung des Versicherungsvertrages durch Auszahlung des Zeitwertes der Versicherung abgegolten wird.

Wie der Unterschiedsbetrag nach § 20 Absatz 1 Nummer 6 EStG im Falle einer Teilkapitalauszahlung einer Rentenversicherung zum Ende der Ansparphase zu berechnen ist, ergibt sich aus Rz. 64 des BMF-Schreibens vom 1. Oktober 2009. Erfolgt die Kapitalauszahlung nach Beginn der Auszahlungsphase der Rentenversicherung, ist bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages zu berücksichtigen, dass in den bis zum Zeitpunkt der Auszahlung geleisteten Rentenzahlungen anteilige Versicherungsbeiträge enthalten sind. Diese ergeben sich in pauschalierender Form aus der Differenz zwischen dem bisher ausgezahlten Rentenbetrag und dem für diese Rentenzahlung anzusetzenden Ertragsanteil. Der so ermittelte Betrag ist bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages nach § 20 Absatz 1 Nummer 6 EStG als bereits verbrauchte Beiträge zu berücksichtigen. Die anteilig entrichteten Beiträge sind dabei wie folgt zu ermitteln:


Beispiel: 

Zeitwert der Versicherung zum Auszahlungszeitpunkt 24.000 €
Teilauszahlung von 50 % des Zeitwertes der Versicherung 12.000 €
Summe der auf die Versicherung entrichteten Beiträge 20.000 €
bei Beginn der Rente vollendetes Lebensjahr des Rentenberechtigten 65
Ertragsanteil der Rente in Prozent 18
Monatliche Rente 100 €
Dauer des Rentenbezuges bis zur Teilauszahlung in Monaten 60
Summe der Rentenzahlungen 6.000 €
Kumulierter Ertragsanteil auf die Rentenzahlungen 1.080 €
Anteilig entrichtete Beiträge:
12.000  20.0004.920
24.000
= 7.540 € Seite 3 Berechnung des Unterschiedsbetrages:
12.000 € – 7.540 € = 4.460 €
Ertrag nach § 20 Absatz 1 Nummer 6 EStG: 4.460 €

-> Rentenrechner

Soweit der Unterschiedsbetrag bei (Teil-)Auszahlungen des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der Rentenzahlung abweichend von diesem Schreiben entsprechend der Rz. 61 – 64 des BMF-Schreibens vom 1. Oktober 2009 (BStBl I Seite 1172) berechnet wurde, wird dies für Teilauszahlungen vor Veröffentlichung dieses Schreibens nicht beanstandet. Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten – Abgeltungsteuer – (http://www.bundesfinanzministerium.de) zum Download bereit.

Aufwendungen für Heileurythmie als außergewöhnliche Belastung

Mit Urteil vom 17. April 2013 (Az. 5 K 71/11) hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt werden können, wenn eine vor den Behandlungen ausgestellte ärztliche Verordnung vorlag.

Im Streitfall machte die Klägerin mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG geltend. Hierzu legte die Klägerin ärztliche Verordnungen eines Arztes für Allgemeinmedizin vor, auf denen jeweils „12 x Heileurythmie“ verordnet wird und als Diagnose „Z. n. Discusprolaps“ sowie chronisch rezidives LWS-Syndrom vermerkt ist. Die Klägerin reichte Rechnungen einer Heileurythmistin über jeweils 12 Behandlungen ein. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2009 diese Aufwendungen nicht und wies den Einspruch zurück. Mit der Klage hat die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes sowie Studien zur Wirksamkeit der anthroposophischen Medizin eingereicht.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings habe der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen, nachdem der Gesetzgeber auf die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Nachweispflicht reagiert hat. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V -) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV (i. d. F. des StVereinfG 2011) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V).

Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStDV) sowie bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV), erforderlich. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV fordere den strengen amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden. Auch die Behandlungsmethoden der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, zu denen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie gehören (BSG-Urteil vom 22. März 2005 B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221), seien wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33 Rn. 53; Geserich, DStR 2012, 1490, 1493).

Im Streitfall seien die vor den Behandlungen ausgestellten ärztlichen Verordnungen zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ausreichend, da der Nachweis von der Klägerin nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu erbringen sei. Bei der Heileurythmie handele es sich um ein Heilmittel im Sinne der §§ 2 und 32 SGB-V. Heilmittel seien ärztlich verordnete Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern sollen und nur von entsprechend ausgebildeten, berufspraktisch erfahrenen Personen erbracht werden dürfen. Dies sei bei der Heileurythmie der Fall. Die Heileurythmie sei eine aktive Bewegungstherapie, die in Einzelbehandlungen mit einem speziell dazu ausgebildeten Therapeuten ausgeführt werde. Als Heilmittel der anthroposophischen Medizin und damit eine der besonderen Therapierichtungen sei sie nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr ermögliche es diese Vorschrift den Krankenkassen, derartige Leistungen zu übernehmen, verpflichte sie aber nicht dazu (BFH-Urteil vom 08. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623).

Ein amtsärztliches Gutachten sei dagegen für den Nachweis der Zwangsläufigkeit nicht erforderlich. Der Senat ist der Auffassung, dass die heileurythmische Behandlung keine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV sei, weil sie als eine anthroposophische Behandlungsmethode einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen zuzuordnen sei, zu denen die Anthroposophie gehöre. Auch nach den von der Klägerin vorgelegten Studien, die nicht ausschließlich von Vertretern der Anthroposophischen Medizin stammten, sei eine Wirksamkeit der Behandlungsmethoden der Anthroposophischen Medizin gegeben. Ob eine Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruhe, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermöge, sei zudem nicht aus schulmedizinischer Sicht zu beurteilen. Maßstab sei vielmehr insoweit nur die naturheilkundliche Lehre selbst (BFH-Urteil vom 05. Oktober 2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33 m.w.N.). Die besondere Anerkennung sowohl der besonderen Therapierichtung der anthroposophischen Medizin als auch der Homöopathie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen spreche dagegen, die Heileurythmie der Nr. 2 Buchst. f von § 64 Abs. 1 EStDV zuzuordnen. Die Heileurythmie sei auch nicht in den Beispielsfällen unter den in Ziffer 2 von § 64 Abs. 1 EStDV aufgeführten wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Gelath- und Eigenbluttherapie aufgeführt.

Da der formalisierte Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV von der Klägerin erbracht worden sei, bestehe aus Sicht des Senats kein Anlass, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Denn es bestehe kein Grund, an der Richtigkeit der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes zu zweifeln. Der 5. Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen. Das Revisionsverfahren ist bei dem BFH unter dem Aktenzeichen VI R 27/13 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.06.2013 zum Urteil 5 K 71/11 vom 17.04.2013

Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat am 7. April 2013 (Az. 5 K 156/12) entschieden, dass die Kosten eines in einem Scheidungsfolgenverfahren beauftragten britischen Rechtsanwalts und die mit dem Verfahren in Zusammenhang stehenden Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig sind, soweit sich der Steuerpflichtige dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum zu stellen hatte, das Verfahren nicht mutwillig oder ohne Aussicht auf Erfolg war, die Höhe der vereinbarten Kosten nach landestypischen Gesichtspunkten angemessen ist und keine Kostenerstattung erfolgt.

Der Kläger war bis 2006 in Großbritannien verheiratet und hat aus dieser Ehe zwei unterhaltsberechtigte Kinder. 2004 trennten sich die Eheleute und schlossen im gleichen Jahr eine privatschriftliche Vereinbarung zur Regelung der mit der Trennung zusammenhängenden Angelegenheiten. Der Kläger ist in zweiter Ehe in Deutschland verheiratet. Die geschiedene Ehefrau machte Anfang 2009 Ansprüche gegen den Kläger wegen Kindesunterhalts, Versorgungsausgleichs, Unterhalts für sich und Vermögensausgleichs geltend. Der Kläger wurde Mitte 2010 zur mündlichen Verhandlung vor einem Gericht in Großbritannien geladen. Der Kläger schloss im Juni 2010 mit einem in London praktizierenden, Deutsch und Englisch sprechenden, auf Familienrecht spezialisierten Anwalt einen Anwaltsvertrag, der u. a. eine Vergütung von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer vorsah. Dem Kläger entstanden im Streitjahr 18.000 Euro Anwalts- und rund 830 Euro Reisekosten.

Nach dem BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFH/NV 2011, 1612) sind Zivilprozesskosten mit Rücksicht auf das staatliche Gewaltmonopol unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und einen angemessenen Betrag nicht überschreitet.

Auf Betreiben seiner geschiedenen Ehefrau und wegen der letztlich von ihr rechtshängig gemachten Klage hatte sich der Kläger dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum zu stellen. Ein Versuch des Klägers, eine gütliche Einigung herbeizuführen, hatte keinen Erfolg. Die Einwände des Klägers gegen die von seiner geschiedenen Ehefrau geltend gemachten Ansprüche erscheinen weder ohne Aussicht auf Erfolg noch mutwillig, denn bereits aus der Verhandlung im November 2010 ergibt sich, dass für den Kläger hinreichende Erfolgsaussichten bestanden: Die ursprünglich geltend gemachten Ansprüche konnten in erheblichem Umfang beschränkt und letztlich auf die Höhe des Kindesunterhaltes reduziert werden. Der Versorgungsausgleich ist in der Bundesrepublik zu verhandeln.

Auch der Höhe nach sind die Rechtsanwaltskosten unter Berücksichtigung der landestypischen Besonderheiten nicht unangemessen. Dies folgt für den Senat bereits aus dem Umstand, dass es gerichtsbekannt in Großbritannien kein mit der Bundesrepublik vergleichbares System von Rechtsanwaltsgebühren gibt, sondern grundsätzlich Stundensätze vereinbart werden (vgl. insoweit auch das Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland London vom Februar 2013 „Rechtsberatung und Rechtsverfolgung in Großbritannien“), und dass einer Bestätigung der British-German Jurists‘ Association zufolge der vereinbarte Stundensatz in Höhe von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer für einen im Familienrecht und im internationalen Familienrecht tätigen Anwalt in London als angemessen anzusehen sei. Für den Senat nachvollziehbar hatte der Kläger einen in England tätigen, im internationalen Familienrecht bewanderten, Englisch und Deutsch sprechenden Anwalt zu beauftragen.

Auch die Reisekosten teilen in diesem Einzelfall nach Überzeugung des Senats das Schicksal der Anwaltskosten. Die wesentlichen Verfahrenshandlungen fanden in England statt. Der Kläger war verpflichtet, persönlich zum Prozess zu erscheinen. Auch im Fall der kurzfristigen Aufhebung des Verhandlungstermins hatte sich das wirtschaftliche Risiko für den Kläger bereits so weit konkretisiert, dass ihm die als Stornokosten geltend gemachten Reisekosten aus den dargelegten Gründen im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig entstanden und der Höhe nach angemessen sind. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles, dass nämlich der Kläger ohne eigene Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeit Beklagter vor einem britischen Zivilgericht in einer vielschichtigen Familiensache wurde und sich Forderungen von nicht unerheblicher Höhe und wirtschaftlichem Risiko ausgesetzt sah, aber auch aus den in der Natur der Sache liegenden Umständen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung hält der Senat zudem den Anteil der Reisekosten des Klägers nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig, der im Zusammenhang mit der Besprechung der Angelegenheit mit seinem Rechtsanwalt entstanden ist. Der Senat hat die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren ist bei dem BFH unter dem Aktenzeichen VI R 26/13 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.06.2013 zum Urteil 5 K 156/12 vom 07.04.2013

Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung elterlicher Aufwendungen für ein zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachtes volljähriges Kind

Mit Urteil vom 20. Februar 2013 (Az. 5 K 217/12) hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass gegen die im Jahr 2009 geltenden gesetzlichen Regelungen der §§ 33 a Abs. 2 Satz 1 EStG und § 32 Abs. 6 EStG zur Höhe der steuerlichen Berücksichtigung elterlicher Aufwendungen für ein zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachtes Kind keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Geklagt hatten die Eltern einer im Veranlagungszeitraum 2009 19-jährigen Studentin, die außerhalb ihres elterlichen Wohnortes im September 2009 ein Studium aufgenommen und an ihrem Studienort eine eigene Wohnung bezogen hatte. Die Tochter der Kläger erhielt aufgrund der eigenen Einkommenssituation und derjenigen ihrer Eltern keine BAföG-Leistungen. Die Eltern kamen für den allgemeinen Lebensunterhalt, Miete und Krankenversicherungsbeiträge ihrer Tochter auf. Das Finanzamt hatte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 entsprechend den gesetzlichen Regelungen zum einen die doppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von insgesamt 6.024 Euro (Kinderfreibetrag in Höhe von 1.932 Euro sowie Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von 1.080 Euro) vom Einkommen der Eltern abgezogen. Zum anderen hatte das FA im Hinblick auf § 33 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung einen – bezogen auf den Beginn des Studiums der Tochter im September – anteiligen Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 308 Euro berücksichtigt. Über diese Freibeträge hinaus konnten nach Auffassung des Finanzamts nach den gesetzlichen Regelungen keine weiteren Aufwendungen der Eltern steuermindernd Berücksichtigung finden.

Hiergegen wandten sich die Kläger. Sie waren der Auffassung, dass Eltern, deren Kinder keine BAföG-Leistungen erhielten, gegenüber denjenigen Eltern, deren Kinder durch BAföG-Leistungen staatlich unterstützt würden, schlechter gestellt würden. Den konkreten Bedarf eines auswärtig untergebrachten Studenten habe der Gesetzgeber im BAföG gewissermaßen als studentisches Existenzminimum definiert. Zumindest in diesem Umfang müsse auch eine steuerliche Entlastung derjenigen Eltern erfolgen, deren Kinder nicht in den Genuss der staatlichen BAföG-Leistungen kämen.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Nach den gesetzlichen Regelungen stünden den Klägern lediglich die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und § 33 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 EStG in der gewährten Höhe zu. Dies sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschlüsse vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346; vom 12. Januar 2006 2 BvR 660/05, NJW 2006, 1866), der das Gericht folgte, seien Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern, insbesondere auch für deren auswärtige Unterbringung, von Verfassungs wegen nicht genauso zu behandeln wie Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums. Über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten entscheide der Gesetzgeber in erweiterter Gestaltungsfreiheit. Wähle er den Weg einkommensteuerlicher Absetzbarkeit, liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz jedenfalls dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber die Absetzbarkeit auf die „Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten“ begrenze. Der Gesetzgeber müsse also nicht die Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe oder in Höhe der BAföG-Sätze zum Abzug zulassen. Letztere könnten jedoch Ausgangspunkt für die Bemessung der „Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten“ sein. Zudem nahm das Gericht auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487; vom 25. November 2010 III R 111/07, BFHE 21, 567) Bezug, wonach bei der Frage, ob die steuerliche Entlastung von Eltern mit volljährigen, zu Ausbildungszwecken auswärts untergebrachten Kindern ausreichend sei, das gesamte betroffene Normengeflecht zu betrachten, § 33 a Abs. 2 EStG mithin insoweit nicht isoliert zu betrachten sei.

Von diesen Grundsätzen ausgehend bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Streitjahr geltende Beschränkung des Abzugs. Nehme man die Summe der doppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und des Freibetrags nach § 33 a Abs. 2 EStG übersteige diese sogar noch den sich aus den monatlichen BAföG-Sätzen für den allgemeinen monatlichen Bedarf (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG) und den allgemeinen zusätzlichen Unterkunftsbedarf bei auswärtiger Unterkunft (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG) ergebenden Jahresbetrag. Auch sei die Vorgabe des BVerfG („Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit zumindest auf die Hälfte der aus Sicht des Gesetzgebers üblicherweise anfallenden Kosten“) selbst dann erfüllt, wenn man bei den BAföG-Sätzen auch noch einen erhöhten Bedarf für nachweislich höhere Mietkosten (§ 13 Abs. 3 Satz 1 BAföG) und Krankenversicherungsbeträge (§ 13 a Abs. 1 BAföG) mit in die Vergleichsbetrachtung einbezöge. Auch darüber hinaus sei keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung festzustellen. Es lägen keine vergleichbaren Sachverhalte vor. Bei den BAföG-Leistungen handele es sich um staatliche Sozialleistungen. Deren Zielrichtung stimme bereits nicht mit der hier in Rede stehenden Zielrichtung der steuerlichen Freibeträge für unterhaltsverpflichtete Eltern überein. Darüber hinaus sei auch noch zu berücksichtigen, dass auch die BAföG-Leistungen – jedenfalls im Rahmen der hier in Rede stehenden Förderung einer Ausbildung an einer Hochschule – im Streitjahr nicht in vollem Umfang als Zuschuss, sondern grundsätzlich zur Hälfte lediglich als Darlehen gewährt wurden (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG), wenn auch unverzinslich und mit großzügigen Rückzahlungsregelungen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.06.2013 zum Urteil 5 K 217/12 vom 20.02.2013

Eine monatliche Entschädigung an einen Handelsvertreter wegen Nichtausübung der Handelsvertretung unterliegt grds. nicht dem ermäßigten Steuersatz

Mit Urteil vom 19. Februar 2013 (Az. 3 K 111/12) hatte das Schleswig-Holsteinische FG die Frage zu entscheiden, ob Entschädigungszahlungen an einen Handelsvertreter, die für die Nichtausübung der Handelsvertretung bis zu deren zivilrechtlichen Beendigung gezahlt werden, dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG unterliegen, wenn der Handelsvertreter nach Beendigung der Vertretung eine andere Vertretung aufnimmt.

Der Kläger war als Versicherungskaufmann für die X-Versicherung in A als selbständiger Handelsvertreter tätig. Am 19. Februar 2008 kündigte die X den Handelsvertretervertrag zum 31. Dezember 2008. Im gegenseitigen Einvernehmen wurde der Kläger von jeder weiteren Tätigkeit bis zur Beendigung des Vertretervertrages entbunden und erhielt als Ausgleich für entgehende Provisionen während des Freistellungszeitraumes (03 – 12/2008) einen monatlichen Betrag in Höhe von 8.559 Euro (= monatliche Durchschnittsprovision des Vorjahres). Am 20. Februar 2008 übernahm Herr C als von der X-Versicherung bestellter Nachfolger die Handelsvertretung, erwarb von dem Kläger dessen Büromöbel und technische Geräte. Zum 31. Dezember 2008 rechnete die X den Ausgleichsanspruch des Klägers gemäß § 89b HGB ab (89.090,42 Euro). Am 01. Januar 2009 eröffnete der Kläger ein Versicherungsbüro für die Y-Versicherungen in D (ca. 42 km entfernt von dem bisherigen Standort).

Mit ESt-Bescheid für 2008 gewährte das FA den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG nur für den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB (89.090,42 Euro), nicht aber für die monatlichen Zahlungen im Freistellungszeitraum (insgesamt 77.031 Euro). Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass die monatlichen Zahlungen entweder als Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG oder aber als Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG und damit in jedem Fall als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 2 EStG zu qualifizieren seien.

Der Senat hat die Klage abgewiesen. Die streitbefangenen Zahlungen in Höhe von 77.031 Euro seien nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern.

Nach Auffassung des Senats handele es hierbei nicht um Veräußerungsgewinne im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG. Eine Betriebsveräußerung liege bereits deswegen nicht vor, weil der Kläger nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen seiner Handelsvertretung an einen Erwerber (Herrn C) veräußert habe. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Handelsvertretung gehöre das immaterielle Wirtschaftsgut „Vertreterrecht“, d. h. im Streitfall die von der X dem Kläger verschaffte – rechtlich verfestigte – wirtschaftliche Chance, Provisionseinnahmen in einem bestimmten Bezirk zu erzielen. Das immaterielle Wirtschaftsgut „Vertreterrecht“ sei dem C aber von der X-Versicherung (nach Kündigung des zwischen der X und dem Kläger bestehenden Handelsvertretervertrages) eingeräumt worden. Auch seinen Kundenstamm habe der Kläger nicht an Herrn C veräußert.

Im Streitfall sei desgleichen keine Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gegeben. Der Senat habe offen lassen können, ob die streitigen Zahlungen nicht bereits deswegen zum laufenden Gewinn gehörten, weil der Handelsvertretervertrag zivilrechtlich erst zum 31. Dezember 2008 geendet und auch der Kläger dem FA gegenüber erklärt habe, er habe seine gewerbliche Tätigkeit (erst) zum 31. Dezember 2008 beendet, so dass die streitigen monatlichen Zahlungen als Einnahmen des laufenden Gewerbebetriebs anzusehen wären. Denn die Aufgabe eines Betriebs sei von der bloßen Betriebsverlegung abzugrenzen. Die Betriebsverlegung sei dadurch gekennzeichnet, dass der alte und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch seien. Dementsprechend liege nach einhelliger Auffassung in Rspr. und Literatur, der sich der Senat anschließe, bei einem Handelsvertreter keine begünstigte Betriebsaufgabe vor, wenn der Handelsvertreter seine bisherige(n) Vertretung(en) aufgebe und alsbald eine andere Vertretung in der gleichen Branche übernehme (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1966 I 221/63, BStBl III 1966, 459; Wacker in Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 16 Rz. 104).

Dieser Auffassung folgend sei im Streitfall von einer Betriebsverlegung auszugehen. Der Kläger habe sich nach Kündigung seines Handelsvertrages und nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung um eine Versicherungsvertretung eines anderen Versicherungsunternehmens bemüht und nach zivilrechtlicher Beendigung des Handelsvertretervertrages zum 31. Dezember 2008 dann am 01. Januar 2009 in der gleichen Branche eine neue Versicherungsvertretung (ca. 42 km entfernt von dem alten Standort) übernommen.

Die (getrennt von der Handelsvertreterausgleichszahlung nach § 89b HGB zu beurteilenden) monatlichen Zahlungen stellten auch keine außerordentlichen Einkünfte gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 24 Nr. 1a EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 24 Nr. 1b EStG dar. Außerordentliche Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG seien nur solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG verlange daher, dass in den Fällen des § 24 Nr. 1a EStG bzw. § 24 Nr. 1b EStG die Entschädigung für entgehende mehrjährige Einnahmen bzw. für die Nichtausübung einer mehrjährigen Tätigkeit in einem Betrag gezahlt worden sein müsse oder dass Entschädigungen für entgehende einjährige Einnahmen bzw. für die Nichtausübung einer einjährigen Tätigkeit in einem anderen Jahr ausgezahlt worden seien und dadurch ein Progressionsnachteil entstanden sei (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 10/92, BStBl II 1993, 497). Hieran fehle es im Streitfall. Die Entschädigung sei allein für das Jahr 2008 (d. h. für den Freistellungszeitraum 03 – 12/ 2008) gezahlt worden und dem Kläger auch im Jahr 2008 zugeflossen. Einen Progressionsnachteil habe der Kläger infolge der monatlichen Zahlungen nicht erlitten.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 14/13 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.06.2013 zum Urteil 3 K 111/12 vom 19.02.2013