Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil (Az.: IX R 26/19) wesentliche systemische Defizite in der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Kaufpreisaufteilung bei Immobilienkäufen aufgedeckt. Diese Entscheidung betrifft insbesondere Steuerpflichtige, die den Kaufpreis von Grundstücken und Gebäuden für steuerliche Zwecke aufteilen müssen, etwa zur Bemessung der Absetzung für Abnutzung (AfA).
Der Fall im Überblick
Im verhandelten Fall ging es um die Kaufpreisaufteilung einer vermieteten Eigentumswohnung. Die Kläger hatten die vertraglich vereinbarte Kaufpreisaufteilung zugrunde gelegt, während das Finanzamt die BMF-Arbeitshilfe nutzte. Diese Arbeitshilfe wies jedoch einen deutlich niedrigeren Gebäudeanteil aus, was zu erheblich geringeren Abschreibungen führte.
Die Kläger argumentierten, dass die in der Arbeitshilfe zugrunde gelegten Werte weder die tatsächlichen Gegebenheiten noch die Marktverhältnisse korrekt widerspiegelten. Insbesondere sei der Gebäudeanteil massiv unterbewertet, während der Bodenwert überproportional hoch angesetzt wurde.
Kritikpunkte des BFH an der BMF-Arbeitshilfe
Der BFH stellte fest, dass die BMF-Arbeitshilfe grundlegende systemische Fehler aufweist:
- Einschränkung auf ein Bewertungsverfahren
Die Arbeitshilfe verengt die Bewertung auf das vereinfachte Sachwertverfahren, ohne alternative Methoden wie das Ertragswertverfahren zu berücksichtigen. Dies widerspricht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine flexible Anwendung verschiedener Bewertungsverfahren je nach Einzelfall verlangt. - Keine Berücksichtigung regionaler Unterschiede
Die Gebäudewerte in der Arbeitshilfe basieren auf bundesweiten Durchschnittswerten (NHK 2010), ohne regionale Faktoren zu berücksichtigen. Dies führt insbesondere in Ballungsgebieten mit hohen Bodenrichtwerten zu einer überproportionalen Gewichtung des Bodens und einer Unterbewertung des Gebäudes. - Mangelnde Marktnähe
Die ermittelten Werte spiegeln häufig nicht die tatsächlichen Marktverhältnisse wider. Gerade in Zeiten stark steigender Baukosten bleiben die in der Arbeitshilfe genutzten Daten hinter der Realität zurück. - Fehlende Bindungswirkung
Der BFH machte deutlich, dass die Arbeitshilfe weder eine Rechtsnorm noch eine bindende Verwaltungsanweisung darstellt. Sie ist lediglich ein Hilfsmittel der Finanzverwaltung und darf nicht de facto als bindend für Steuerpflichtige behandelt werden.
Konsequenzen des Urteils
Der BFH hob das vorinstanzliche Urteil auf und wies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Das Finanzgericht muss nun die tatsächlichen Wertverhältnisse durch ein Gutachten eines unabhängigen, vereidigten Sachverständigen klären lassen.
Bedeutung für Steuerpflichtige
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Steuerpflichtigen, die Kaufpreisaufteilungen für steuerliche Zwecke vornehmen müssen. Die Entscheidung unterstreicht, dass eine vertraglich vereinbarte Aufteilung Vorrang hat, sofern sie die tatsächlichen Wertverhältnisse abbildet und wirtschaftlich haltbar ist.
Steuerpflichtige sollten prüfen, ob die vom Finanzamt vorgenommene Kaufpreisaufteilung korrekt ist. Im Zweifel kann die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen sinnvoll sein, um eine marktorientierte Bewertung sicherzustellen.
Fazit
Das Urteil des BFH zeigt, dass die BMF-Arbeitshilfe in ihrer aktuellen Form gravierende Schwächen aufweist. Steuerpflichtige sollten sich nicht scheuen, die Ergebnisse der Arbeitshilfe anzufechten, wenn diese offensichtlich von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichen. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer sachgerechten und individuellen Bewertung von Immobilien für steuerliche Zwecke.