Internationale elektronische Dienstleistungen – schneller in der Steuerfalle als gedacht

Schweden wertet Kreditkartenzahlungen aus, Island Zahlungen über PayPal. Rumänien wird zum 01.01.2018 ein „split payment“ einführen, in Ungarn soll ab 2018 jede Rechnung vor dem Versand an den Kunden dem Fiskus zur Prüfung vorgelegt werden müssen. Die ungarische Finanzverwaltung vergibt eine Steuernummer, die der Unternehmer in die Rechnung einzufügen hat. Erst danach darf er die Rechnung an den Kunden versenden. Spanien hat mit der Immediate Provision of Information (SII) eine „extrem heftige“ Regelung geschaffen, die einen täglichen Informationsaustausch vorsieht – so die Wertung von Robert Hammerl, Steuerberater aus München, beim Steuerfach- und Zukunftskongress Celle 2017 mit insgesamt 250 Teilnehmern.

Aber auch in Deutschland drohe eine ungewollte Steuerhinterziehung, wenn in der Umsatzsteuer-Voranmeldung und/oder -erklärung die Zeilen 75 und 76 (Feld 23) nicht ordnungsgemäß ausgefüllt werden. Der Hintergrund: Ein Unternehmer hat bei elektronischen Erklärungen immer dann Angaben zu machen, wenn er von einer Verwaltungsmeinung abweicht. Diese ergänzenden Angaben sind bei Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -erklärungen in jedem Fall in einer vom Unternehmer zu erstellenden gesonderten Anlage zu machen, welche mit der Überschrift „Ergänzende Angaben zur Steueranmeldung“ zu kennzeichnen ist. Hammerl sind bereits zwei Fälle bekannt, in denen im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Bußgeld- und Strafsachenstelle hinzugezogen worden ist, weil der Unternehmer von der Finanzamtsmeinung abgewichen ist und das genannte Feld nicht befüllt hat.

Quelle: Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung vom 24.09.2017

 

Rechnungsberichtigung statt Storno und Neuausstellung

Bei steuerlichen Außenprüfungen kommt es regelmäßig vor, dass Rechnungen als nicht ordnungsgemäß beanstandet werden. Dies führt zu Problemen beim Vorsteuerabzug nach der Berichtigung von Rechnungen. Verwirft eine Außenprüfung Rechnungen als nicht ordnungsgemäß, müssen auch die Vorsteuererstattungen korrigiert werden, was in aller Regel zu teilweise erheblichen Mehrbelastungen beim Unternehmer führt. Es gibt jedoch die Möglichkeit, Rechnungen mit Wirkung für die Vergangenheit zu berichtigen. So lassen sich die Nachteile infolge einer Verzinsung nach § 233a AO vermeiden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vom 15.09.2016, C 518/14) ist der Vorsteuerabzug auch dann zu gewähren, wenn „nur“ die materiellen Voraussetzungen einer Rechnung erfüllt sind. Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung sei lediglich eine formale Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Zwar könnten die Mitgliedstaaten Sanktionen vorsehen, wenn es an den Formalien fehle. Allerdings verstießen Nachzahlungszinsen, die kraft Gesetzes entstehen (§ 233a AO), gegen den Neutralitätsgrundsatz. Der BFH (vom 20.10.2016, V R 26/15) hat die vom EuGH entwickelten Grundsätze umgesetzt und dabei auch einige Fragen beantwortet, die der EuGH offen lassen konnte. Wird eine Rechnung, die nicht den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG entspricht, berichtigt, kann der Vorsteuerabzug aufgrund der berichtigten Rechnung für den Besteuerungszeitraum, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, gewährt werden. Die Rechnungsberichtigung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG erfolgen, da § 31 Abs. 5 UStDV keine Begrenzung vorsehe.

Universitäts-Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität (Universität der Bundeswehr Hamburg), wies im Rahmen seines Fachvortrags beim Steuerfach- und Zukunftskongress Celle 2017 mit insgesamt 250 Teilnehmern auf die Möglichkeit hin, nunmehr mit Wirkung für die Vergangenheit eine Rechnung zu berichtigen. So ließen sich die Nachteile infolge einer Verzinsung nach § 233a AO vermeiden. Allerdings setze dies voraus, dass eine Berichtigung der ursprünglichen Rechnung erfolge. Hingegen sei die Stornierung der alten und die Ausstellung einer neuen Rechnung nicht geeignet, dieses Ergebnis eintreten zu lassen. Der Grund: Dann liege keine Rechnungsberichtigung vor, sondern vielmehr würde die ursprüngliche Rechnung ersatzlos aufgehoben und vollständig durch eine neue Rechnung ersetzt.

Kaminski warnte allerdings ausdrücklich davor, die Entscheidungen des EuGH und des BFH als „Freibriefe“ misszuverstehen. Niemand könne und solle auf eine eingehende Prüfung von Rechnungen auf die Erfüllung der formalen Anforderungen verzichten. Immerhin sei es aus den unterschiedlichsten Gründen denkbar, dass eine berichtigte Rechnung später nicht mehr erlangt werden könne, etwa wenn der Rechnungsaussteller wegen Insolvenz oder Geschäftsaufgabe nicht mehr existiere. In diesen Fällen drohe der endgültige Verlust des Vorsteuerabzugs infolge der nicht möglichen Vorlage einer berichtigten Rechnung. Schon deshalb bleibe das Risiko des Verlusts der Vorsteuerabzugsberechtigung unverändert bestehen, wenn keine ordnungsgemäße Rechnung nach §§ 14 und 14a UStG vorgelegt werden könne.

Offen sei aber die Frage, ob es sich bei der Berichtigung der Rechnung um ein rückwirkendes Ereignis (§ 233a Abs. 2a, Abs. 7 i. V. m. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO) handelt. Diese Frage ist für die Fälle von Bedeutung, in denen ein Unternehmer bisher nicht mit Rechtsbehelfen gegen Änderungsbescheide vorgegangen ist. Fraglich sei weiter, ob – wenn bei bestandskräftigen Steuerbescheiden der Vorsteuerabzug aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Rechnung trotz Rechnungsberichtigung versagt wurde – verfahrensrechtlich eine Aufhebung des ergangenen Änderungsbescheids auf der Grundlage von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung erreicht werden kann.

Quelle: Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung vom 24.09.2017

 

Bauträger erbringen keine Bauleistungen

Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann – zu seinem Nachteil – geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht (BFH V R 16, 24/16 vom 23.02.2017). Ein Bauträger erbringe keine Bauleistungen. Er betreibe den Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken. Danach veräußere er sie, was keine Bauleistung, sondern eine Lieferung bebauter Grundstücke darstellt. Deshalb kann er kein Steuerschuldner als Leistungsempfänger von Bauleistungen i. S. des § 13b UStG sein. Nach § 13b UStG schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer bei bestimmten Bauleistungen, wenn er seinerseits Bauleistungen erbringt (Reverse-Charge-Verfahren). Es komme für den Übergang der Steuerschuldnerschaft auch nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger selbst nachhaltig Bauleistungen erbringe, sondern lediglich darauf, ob der Empfänger der Bauleistung die an ihn erbrachte einzelne Leistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwende.

Der Gesetzgeber besserte mit Wirkung für die Zukunft nach und schuf eine Übergangsregelung für sogenannte Altfälle. Stichtag war der 15.02.2014. So sollte bei der Rückerstattung der gezahlten Steuern an den nur vermeintlichen Steuerschuldner (Bauträger) der eigentliche Steuerschuldner (Bauhandwerker) nachträglich belastet werden können (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG): „Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein.“ Die Steuerfestsetzung, die gegen den leistenden Unternehmer wirkt, ist also zu ändern, wenn der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert und beide davon ausgegangen waren, dass der Leistungsempfänger die Steuer auf die vom Leistenden erbrachte Leistung schuldet.

Die gesetzliche Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG schließt den allgemeinen Vertrauensschutz gegenüber einer belastenden Änderung (§ 176 Abs. 2 AO) aus. Die Rechtslage entspreche aber nur dann den unionsrechtlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Neutralität, wenn die Befugnis des Finanzamts zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegen den Leistenden voraussetzt, dass diesem ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger tatsächlich zusteht.

Der Münchner Steuerberater Robert Hammerl wies beim Steuerfach- und Zukunftskongress Celle 2017 mit insgesamt 250 Teilnehmern darauf hin, dass ein Bauhandwerker auf diese Weise vollständig von der Umsatzsteuer auf seine Leistungen entlastet wird: Er steht dann so, wie er stünde, wenn alles von vornherein richtig beurteilt worden wäre.

Quelle: Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung vom 24.09.2017

 

EU-Kommission will Besteuerung der digitalen Wirtschaft reformieren

Die Europäische Kommission hat die Weichen für eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft gestellt. In ihrer am 21.09.2017 veröffentlichten Mitteilung stellt sie Herausforderungen dar, mit denen die Mitgliedstaaten derzeit konfrontiert sind und legt eine langfristige Strategie sowie kurzfristige Lösungen vor. „Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft enorme wirtschaftliche Chancen eröffnet. Gleichzeitig sollten sich unsere Steuersysteme so entwickeln, dass sie neue Geschäftsmodelle erfassen und dabei fair, effizient und zukunftstauglich sind“, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis. „Dabei geht es auch um die Nachhaltigkeit unserer Steuereinnahmen, denn die traditionellen Steuerquellen geraten unter Druck. Und nicht zuletzt gilt es, die Integrität des Binnenmarkts zu wahren und Fragmentierung zu vermeiden, indem wir gemeinsame Antworten auf globale Herausforderungen finden.“

Die EU-Kommission fordert eine grundlegende Reform der internationalen Steuervorschriften, bei der die Art der Wertschöpfung und der Ort der Besteuerung besser verknüpft werden. Dazu sollen sich die Mitgliedstaaten sich auf einen starken und ehrgeizigen Standpunkt der EU bis zum Frühjahr 2018 einigen.

Solange es keinen angemessenen Fortschritt auf globaler Ebene gibt, soll die EU ihre eigenen Lösungen für die Besteuerung der in der digitalen Wirtschaft tätigen Unternehmen umsetzen. Für EU-Kommission ist der Vorschlag für die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) eine gute Grundlage, um die zentralen Herausforderungen zu bewältigen. Außerdem bietet er die Möglichkeit, einen nachhaltigen, stabilen und fairen Rahmen für die künftige Besteuerung aller großen Unternehmen zu schaffen. Da dieser Vorschlag derzeit von den Mitgliedstaaten erörtert wird, ließe sich die Besteuerung im digitalen Raum ohne Weiteres in den Geltungsbereich der Vorschriften aufnehmen, sobald diese endgültig beschlossen sind.

Hintergrund

Der derzeitige steuerliche Rahmen steht mit den modernen Gegebenheiten nicht im Einklang. Mit den geltenden Steuervorschriften, die für die traditionelle Wirtschaft konzipiert wurden, können keine Tätigkeiten erfasst werden, die zunehmend auf immateriellen Vermögenswerten und auf Daten beruhen. Daher wird der effektive Steuersatz der digitalen Unternehmen in der EU auf die Hälfte des Steuersatzes herkömmlicher Unternehmen geschätzt – und oftmals noch deutlich niedriger. Gleichzeitig birgt das Flickwerk unilateraler Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Bewältigung des Problems die Gefahr, dass neue Hindernisse und Schlupflöcher im Binnenmarkt entstehen.

Nächste Schritte

Wie bei dem informellen Treffen des ECOFIN-Rates im September angekündigt, wird der estnische Vorsitz sich weiter mit diesen Themen befassen, damit bis Ende des Jahres klare und ehrgeizige Schlussfolgerungen des Rates vorliegen. Diese Schlussfolgerungen sollen als Beitrag der EU zu den internationalen Diskussionen über die Besteuerung der digitalen Wirtschaft dienen und das Fundament für die künftigen Arbeiten im Binnenmarkt legen.

In der Zwischenzeit wird die Kommission weiterhin die politischen Optionen prüfen und die Interessenträger und Vertreter der Industrie zu dieser wichtigen und drängenden Frage konsultieren.

Die Kommission sieht dem Bericht der OECD an die G20 im Frühjahr 2018 erwartungsvoll entgegen, der angemessene und sinnvolle Lösungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft auf internationaler Ebene enthalten dürfte, die wiederum in den anstehenden Vorschlag der Kommission über verbindliche Vorschriften im EU-Binnenmarkt eingebunden werden können. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird die Kommission jedenfalls bereit sein, einen eigenen Legislativvorschlag zur Gewährleistung eines fairen, wirksamen und wettbewerbsfähigen steuerlichen Rahmens für den digitalen Binnenmarkt vorzulegen.

Weitere Informationen

Pressemitteilung: Besteuerung: Kommission stellt Weichen für faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Q&A (MEMO/17/3341)Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufen

Website des GD TAXUD zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft

 Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 21.09.2017
 

Einkommensteuer: Lohnsteuerliche Behandlung vom Arbeitnehmer selbst getragener Aufwendungen bei der Überlassung eines betrieblichen Kfz

Zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 2016 – VI R 49/14 (BStBl II 2017 Seite …) und VI R 2/15 (BStBl II 2017 Seite …) – gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder zur lohnsteuerlichen Behandlung vom Arbeitnehmer selbst getragener Aufwendungen bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs Folgendes:

Die Urteile sind über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinaus entsprechend den nachfolgenden Regelungen anzuwenden.

1. Grundsätze der BFH-Rechtsprechung

1 Der BFH hat mit seinen Urteilen vom 30. November 2016 (a. a. O.) entschieden, dass ein vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber gezahltes Nutzungsentgelt den vom Arbeitnehmer zu versteuernden Nutzungswert auf der Einnahmenseite mindert (R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 Satz 1 LStR 2015) und ein den Nutzungswert übersteigender Betrag weder zu negativem Arbeitslohn noch zu Werbungskosten führt (vgl. Rdnr. 8).

Der BFH hat zudem seine im Urteil vom 18. Oktober 2007 (VI R 96/04, BStBl II 2008 Seite 198) vertretene Rechtsprechung geändert. Er vertritt nunmehr die Auffassung, dass im Rahmen der privaten Nutzung vom Arbeitnehmer selbst getragene (laufende) individuelle Kraftfahrzeugkosten (z. B. Treibstoffkosten) bei der pauschalen Nutzungswertmethode (1 %-Regelung, 0,03 %-Regelung) den Nutzungswert auf der Einnahmenseite mindern. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den geltend gemachten Aufwand im Einzelnen umfassend darlegt und belastbar nachweist.

2. Nutzungsentgelt i. S. von R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 LStR 2015

Zahlt der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber oder auf dessen Weisung an einen Dritten zur Erfüllung einer Verpflichtung des Arbeitgebers (abgekürzter Zahlungsweg) für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, insbesondere für die Nutzung zu

  • privaten Fahrten,
  • Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG und
  • Heimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung,

ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Nutzungswert, siehe R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 Satz 1 LStR 2015, BFH-Urteile vom 30. November 2016 (a. a. O.).

Nutzungsentgelt i. S. von R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 LStR 2015 ist bei der pauschalen und der individuellen Nutzungswertmethode:

a) ein arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage vereinbarter nutzungsunabhängiger pauschaler Betrag (z. B. Monatspauschale)

b) ein arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage vereinbarter an den gefahrenen Kilometern ausgerichteter Betrag (z. B. Kilometerpauschale),

c) die arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage vom Arbeitnehmer übernommenen Leasingraten,

und bei der pauschalen Nutzungswertmethode (zur Nichtbeanstandungsregelung bei der individuellen Nutzungswertmethode s. Rdnr. 13):

d) die arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage vereinbarte vollständige oder teilweise Übernahme einzelner Kraftfahrzeugkosten durch den Arbeitnehmer (BFH-Urteil vom 30. November 2016 – VI R 2/15 – a. a. O.).

Dies gilt auch für einzelne Kraftfahrzeugkosten, die zunächst vom Arbeitgeber verauslagt und anschließend dem Arbeitnehmer weiterbelastet werden oder, wenn der Arbeitnehmer zunächst pauschale Abschlagszahlungen leistet, die zu einem späteren Zeitpunkt nach den tatsächlich entstandenen Kraftfahrzeugkosten abgerechnet werden.

5 Vom Arbeitnehmer selbst getragene einzelne Kraftfahrzeugkosten i. S. der Rdnr. 4 Buchstabe d sind Kosten, die zu den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 gehören, z. B. Treibstoffkosten, Wartungs- und Reparaturkosten, Kraftfahrzeugsteuer, Beiträge für Halterhaftpflicht- und Fahrzeugversicherungen, Garagen-/Stellplatzmiete, Aufwendungen für Anwohnerparkberechtigungen, Aufwendungen für die Wagenpflege/ -wäsche, Ladestrom. Unberücksichtigt bleiben Kosten, die nicht zu den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs gehören, z. B. Fährkosten, Straßen- oder Tunnelbenutzungsgebühren (Vignetten, Mautgebühren), Parkgebühren, Aufwendungen für Insassen- und Unfallversicherungen, Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgelder.

6 Bei der individuellen Nutzungswertmethode ist R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 8 zweiter Halbsatz LStR 2015 weiter anzuwenden, vgl. Rdnr. 12.; zur Nichtbeanstandungsregelung siehe Rdnr. 13.

7 Kein Nutzungsentgelt i. S. von R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 LStR 2015 ist insbesondere der Barlohnverzicht des Arbeitnehmers im Rahmen einer Gehaltsumwandlung.

8 In Höhe des Nutzungsentgelts i. S. von Rdnr. 4 ist der Arbeitnehmer nicht bereichert und die gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 EStG i. V. m. § 19 Abs. 1 EStG sind nicht erfüllt. Übersteigt das Nutzungsentgelt den Nutzungswert, führt der übersteigende Betrag weder zu negativem Arbeitslohn noch zu Werbungskosten (BFH-Urteile vom 30. November 2016, a. a. O.).

3. Pauschale Nutzungswertmethode (1 %-Regelung, 0,03 %-Regelung)

9 Der geldwerte Vorteil aus der Gestellung eines Dienstwagens ist monatlich pauschal mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer zu bewerten (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Wird der geldwerte Vorteil aus der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten typisierend nach der 1 %-Regelung ermittelt, so ist der geldwerte Vorteil grundsätzlich um monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG zu erhöhen, wenn das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG genutzt werden kann (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG, im Übrigen vgl. BMF-Schreiben vom 1. April 2011, BStBl I Seite 301). Die Begrenzung des pauschalen Nutzungswerts auf die Gesamtkosten ist zu beachten (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Mai 1996, BStBl I Seite 654 Tz. I.8).

4. Beispiele zur pauschalen Nutzungswertmethode

10 Der Arbeitgeber hat seinem Arbeitnehmer ein betriebliches Kraftfahrzeug auch zur Privatnutzung überlassen und den geldwerten Vorteil aus der Kraftfahrzeuggestellung nach der 1 %-Regelung bewertet.

Beispiel 1

In der Nutzungsüberlassungsvereinbarung ist geregelt, dass der Arbeitnehmer ein Nutzungsentgelt in Höhe von 0,20 Euro je privat gefahrenen Kilometer zu zahlen hat.Es handelt sich um ein Nutzungsentgelt i. S. der Rdnr. 4 Buchst. b.

Beispiel 2

In der Nutzungsüberlassungsvereinbarung ist geregelt, dass der Arbeitnehmer die gesamten Treibstoffkosten zu zahlen hat.

Die Kostenübernahme durch den Arbeitnehmer ist ein Nutzungsentgelt i. S. der Rdnr. 4 Buchst. d.

5. Individuelle Nutzungswertmethode (Fahrtenbuchmethode)

11 Statt des pauschalen Nutzungswerts können die auf die außerdienstlichen Fahrten entfallen-den tatsächlichen Aufwendungen als individueller Nutzungswert angesetzt werden. Diese Bewertungsmethode setzt den Nachweis der tatsächlichen Kraftfahrzeugkosten (Gesamtkosten) und die Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs voraus. Werden auf Grund eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs die außerdienstlichen und die dienstlichen Fahrten nachgewiesen, kann der auf die außerdienstliche Nutzung entfallende Anteil an den Gesamtkosten konkret ermittelt werden (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG).

12 Bei der Fahrtenbuchmethode fließen vom Arbeitnehmer selbst getragene individuelle Kraftfahrzeugkosten nicht in die Gesamtkosten ein und erhöhen damit nicht den individuellen Nutzungswert (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 8 zweiter Halbsatz LStR 2015). Zahlt der Arbeitnehmer ein pauschales Nutzungsentgelt i. S. der Rdnr. 4 Buchst. a bis c, ist der individuelle Nutzungswert um diesen Betrag zu kürzen.

13 Es wird nicht beanstandet, wenn bei der Fahrtenbuchmethode vom Arbeitnehmer selbst getragene Kosten abweichend von R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 8 zweiter Halbsatz LStR 2015 in die Gesamtkosten i. S. von § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG einbezogen und wie bei der pauschalen Nutzungswertmethode als Nutzungsentgelt (Rdnr. 4 Buchst. d) behandelt werden.

6. Beispiele zur individuellen Nutzungswertmethode

14 Der Arbeitgeber hat seinem Arbeitnehmer ein betriebliches Kraftfahrzeug auch zur Privatnutzung überlassen und den geldwerten Vorteil aus der Kraftfahrzeuggestellung nach der Fahrtenbuchmethode bewertet.

Beispiel 3

In der Nutzungsüberlassungsvereinbarung ist geregelt, dass der Arbeitnehmer ein Nutzungsentgelt in Höhe von 0,20 Euro je privat gefahrenen Kilometer zu zahlen hat.

Es handelt sich um ein Nutzungsentgelt i. S. d. Rdnr. 4 Buchst. b.

Beispiel 4

In der Nutzungsüberlassungsvereinbarung ist geregelt, dass der Arbeitnehmer die gesamten Treibstoffkosten zu zahlen hat. Diese betragen 3.000 Euro. Die übrigen vom Arbeitgeber getragenen Kraftfahrzeugkosten betragen 7.000 Euro. Auf die Privatnutzung entfällt ein Anteil von 10 %. Der individuelle Nutzungswert ist wie folgt zu ermitteln:

a) Bei Anwendung der Regelung in R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 8 zweiter Halbsatz LStR 2015 (Rdnr. 12) fließen die vom Arbeitnehmer selbst getragenen Treibstoffkosten nicht in die Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs ein. Es handelt sich auch nicht um ein Nutzungsentgelt i. S. d. Rdnr. 4. Anhand der (niedrigeren) Gesamtkosten ist der individuelle Nutzungswert zu ermitteln (10 % von 7.000 Euro = 700 Euro).

Ein Werbungskostenabzug i. H. von 2.700 Euro (90 % von 3.000 Euro) ist nicht zulässig.

oder

b) Bei Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung (Rdnr. 13) fließen die vom Arbeitnehmer selbst getragenen Treibstoffkosten in die Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs ein. Es handelt sich um ein Nutzungsentgelt i. S. d. Rdnr. 4 Buchst. d i. H. von 3.000 Euro. Anhand der Gesamtkosten ist der individuelle Nutzungswert zu ermitteln (10 % von 10.000 Euro = 1.000 Euro). Dieser Nutzungswert ist um das Nutzungsentgelt bis auf 0 Euro zu mindern. Der den Nutzungswert übersteigende Betrag i. H. von 2.000 Euro führt nicht zu Werbungskosten (vgl. Rdnr. 8).

7. Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten

15 R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 Satz 2 und 3 LStR 2015 ist weiter anzuwenden. Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines ihm auch zur privaten Nutzung überlassenen betrieblichen Kraftfahrzeugs können nicht nur im Zahlungsjahr, sondern auch in den darauf folgenden Kalenderjahren auf den privaten Nutzungswert für das jeweilige Kraftfahrzeug bis auf 0 Euro angerechnet werden.

8. Anwendung

16 Die BFH-Rechtsprechung ist im Lohnsteuerabzugsverfahren und im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren anwendbar.

8.1 Anwendung im Lohnsteuerabzugsverfahren

17 Im Lohnsteuerabzugsverfahren ist der Arbeitgeber zur Anrechnung der individuellen Kraftfahrzeugkosten des Arbeitnehmers bei der Nutzungswertermittlung nach Rdnr. 2 oder Rdnr. 13 verpflichtet, wenn sich aus der arbeitsvertraglichen oder einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage nichts anderes ergibt.

18 Hierzu hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber jährlich fahrzeugbezogen schriftlich die Höhe der individuellen Kraftfahrzeugkosten und die Gesamtfahrleistung des Kraftfahrzeugs zu erklären und im Einzelnen umfassend darzulegen und belastbar nachzuweisen. Der Arbeitgeber hat aufgrund dieser Erklärungen und Belege des Arbeitnehmers den Lohnsteuerabzug durchzuführen, sofern der Arbeitnehmer nicht erkennbar unrichtige Angaben macht. Ermittlungspflichten des Arbeitgebers ergeben sich hierdurch nicht. Die Erklärungen und Belege des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber im Original zum Lohnkonto zu nehmen.

19 Es ist aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn für den Lohnsteuerabzug zunächst vorläufig fahrzeugbezogen die Erklärung des Vorjahres zugrunde gelegt wird. R 8.1 Abs. 9 Nr. 3 Satz 2 und 3 LStR 2015 ist sinngemäß anzuwenden.

8.2. Anwendung im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren

20 Macht der Arbeitnehmer im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren individuelle Kraftfahrzeugkosten vorteilsmindernd geltend, muss er die Nutzungsvereinbarung vorlegen und fahrzeugbezogen darlegen, wie der Arbeitgeber den Nutzungswert ermittelt und versteuert hat (z. B. Gehaltsabrechnung, die die Ermittlung und Besteuerung des Nutzungswerts erkennen lässt; Bescheinigung des Arbeitgebers) sowie schriftlich die Höhe der von ihm selbst getragenen individuellen Kraftfahrzeugkosten und die Gesamtfahrleistung des Kraftfahrzeugs im Kalenderjahr umfassend darlegen und belastbar nachweisen.

21 Dieses Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Das BMF-Schreiben vom 19. April 2013 (BStBl I Seite 513) wird hiermit aufgehoben.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Anwendung von R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 Satz 5 LStR 2015 und R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 LStR 2015

Anwendung der Urteile des BFH vom 30. November 2016 – VI R 49/14 (BStBl II 2017 Seite …) und VI R 2/15 (BStBl II 2017 Seite …)

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2334 / 11 / 10004-02 vom 21.09.2017

Aktualisierter Praxishinweis: Neue Anforderungen an die Offenlegung von Abschlüssen nach BilRuG

Im Rahmen der WPK-Kammerversammlung am 18. September 2017 in Berlin kam die Frage auf, welche neuen Anforderungen bei der Offenlegung von Abschlüssen nach dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRuG) zu beachten sind.

In diesem Zusammenhang wird auf die WPK-Newsmeldung vom 11. August 2017 hingewiesen.

Für das nach dem 31. Dezember 2015 beginnende Geschäftsjahr sind erstmals die Neuregelungen des BilRUG anzuwenden. Bei kalendergleichem Geschäftsjahr ergeben sich somit entsprechende Auswirkungen für den Abschluss zum 31. Dezember 2016.

Das HGB nach BilRUG sieht mit Blick auf die Offenlegung vor, dass

  • der festgestellte oder gebilligte (Jahres-)Abschluss
  • der Lagebericht und
  • der Bestätigungs-/Versagungsvermerk sowie
  • der Bericht des Aufsichtsrats und
  • die nach § 161 AktG vorgeschriebene Erklärung

spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag des betreffenden Geschäftsjahres offenzulegen sind (§ 325 Abs. 1a HGB in Verbindung mit § 325 Abs. 1 HGB). Bei kalendergleichem Geschäftsjahr müssen die genannten Unterlagen für das Geschäftsjahr 2016 dementsprechend bis zum 31. Dezember 2017 offengelegt werden.

Allerdings können der Bericht des Aufsichtsrats und die Erklärung nach § 161 AktG zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden, sollten diese nicht innerhalb der Jahresfrist vorliegen (§ 325 Abs. 1a Satz 2 HGB n. F.).

Für Jahresabschluss, Lagebericht und Testat ist eine vergleichbare nachträgliche Einreichung nach Ablauf der Jahresfrist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Offenlegung eines ungeprüften Abschlusses zur Fristwahrung – wie bislang zulässig – ist nicht mehr möglich.

Bei nicht fristgerechter Einreichung des Bestätigungs-/Versagungsvermerks (beziehungsweise von Abschluss oder Lagebericht) hat der Bundesanzeiger das Bundesamt für Justiz zu unterrichten (§ 329 Abs. 1, Abs. 4 HGB). Das Bundesamt für Justiz ist über § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB gesetzlich verpflichtet, ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 Abs. 2 bis 6 HGB einzuleiten.

Ausnahmen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Bundesanzeiger sowie Bundesamt für Justiz haben diese Rechtslage bestätigt und mitgeteilt, dass die gesetzlichen Fristen nicht verlängert werden können.

Umstände, die einer fristgerechten Offenlegung des Bestätigungs-/Versagungsvermerks (beziehungsweise von Abschluss oder Lagebericht) entgegenstehen, können lediglich im Einzelfall nach Einleitung eines Ordnungsgeldverfahrens mittels Einspruch gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes geltend gemacht werden. Dann wird geprüft, ob die Beteiligten unverschuldet gehindert waren, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen. Der Einspruch hat allerdings keine aufschiebende Wirkung.

Ein Berufsangehöriger, der beispielsweise erst gegen Ende des Jahres 2017 eine Anfrage zur Prüfung des 2016er Abschlusses erhält, kann diesen Auftrag annehmen, auch wenn das Datum der Erteilung des Bestätigungsvermerks absehbar erst nach dem 31. Dezember 2017 liegen wird.

Der Mandant sollte jedoch auf die neuen Offenlegungsanforderungen sowie auf die mögliche Fristüberschreitung, die in einem solchen Fall vom Mandanten zu vertreten wäre, und deren Rechtsfolgen hingewiesen werden. Der Abschlussprüfer hat ungeachtet der neuen, strengeren Offenlegungsanforderungen selbstverständlich für eine sachgerechte Prüfungsplanung und -durchführung Sorge zu tragen.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 22.09.2017

 

Betriebliche Altersversorgung: Bilanzsteuerrechtliche Berücksichtigung von Versorgungsleistungen, die ohne die Voraussetzung des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis gewährt werden, und von vererblichen Versorgungsanwartschaften

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteilen vom 5. März 2008 (BStBl II 2015 S. 409) und vom 23. Oktober 2013 (BStBl II 2015 S. 413) entschieden, dass Versorgungszusagen nicht den Charakter als betriebliche Altersversorgung verlieren, wenn Leistungen nicht von dem Ausscheiden des Begünstigten aus dem Dienstverhältnis abhängig gemacht werden. Der BFH stellt aber klar, dass Pensionsleistungen in erster Linie der Deckung des Versorgungsbedarfes dienen und folglich regelmäßig erst bei Wegfall der Bezüge aus der betrieblichen Tätigkeit gezahlt werden.

Zur bilanzsteuerrechtlichen Berücksichtigung von Versorgungsleistungen, die ohne die Voraussetzung des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis gewährt werden, und von vererblichen Versorgungsanwartschaften nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

1. Grundsatz der Ausgeglichenheitsvermutung von Arbeitsleistung und Entgelt

1 Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG können wegen der Ausgeglichenheitsvermutung von Arbeitsleistung und Entgelt grundsätzlich nur auf Basis der nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zu gewährenden Leistungen angesetzt und bewertet werden.

2. Versorgungszusagen ohne Aussagen zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis als Voraussetzung für die Gewährung von Pensionsleistungen

2 Enthält eine Pensionszusage im Sinne von § 6a EStG keine Aussagen zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis als Voraussetzung für die Gewährung der Versorgungsleistungen nach Eintritt des Versorgungsfalles, ist davon auszugehen, dass zeitgleich mit der Inanspruchnahme der Leistungen auch das Arbeitsverhältnis beendet wird. Die Möglichkeit einer Ausübung des sog. zweiten Wahlrechtes nach R 6a Abs. 11 Satz 3 ff. EStR bleibt davon unberührt. In der Anwartschaftsphase ist die Versorgungsverpflichtung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG zu bewerten.

3 Werden bei Eintritt der Invalidität oder bei Erreichen einer vereinbarten Altersgrenze die schriftlich zugesagten Versorgungsleistungen gewährt, gilt der Versorgungsfall auch dann als eingetreten, wenn das Arbeitsverhältnis weiter bestehen bleibt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Pensionsrückstellung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG zu berechnen.

4 Randnummer 2 des BMF-Schreibens vom 11. November 1999 (BStBl I S. 959) ist nicht weiter anzuwenden.

5 Beiträge an Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds sind unter den Voraussetzungen der §§ 4 Abs. 4, 4c und 4e EStG unabhängig davon als Betriebsausgaben abzugsfähig, ob das Arbeitsverhältnis für den Erhalt der zugesagten Leistungen beendet werden muss.

6 Zuwendungen an Unterstützungskassen sind nach Maßgabe des § 4d EStG abzugsfähig. Bei Zusagen auf lebenslänglich laufende Leistungen ist das Deckungskapital nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a EStG aber erst maßgebend, wenn der Berechtigte aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, da nur ehemalige Arbeitnehmer Leistungsempfänger im Sinne dieser Regelung sind.

3. Versorgungszusagen, die Versorgungsleistungen neben dem Arbeitslohn in Aussicht stellen

7 Steht bei Pensionszusagen, die den Bezug von Versorgungsleistungen neben dem laufenden Arbeitslohn eröffnen oder vorsehen, der Ausscheidezeitpunkt noch nicht fest, ist dieser wegen der Ausgeglichenheitsvermutung von Arbeitsleistung und Entgelt (Randnummer 1) sachgerecht zu schätzen und der Bewertung der Pensionsrückstellung nach § 6a EStG zugrunde zu legen. Ein Anhaltspunkt für die Schätzung kann die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder das Ende des Anstellungsvertrages sein. Die Randnummer 3 sowie die Randnummern 5 und 6 bei den Durchführungswegen, Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds und Unterstützungskassen gelten entsprechend.

4. Teilweise Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen ohne Ausscheiden

8 Werden die zugesagten Versorgungsleistungen bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze oder bei Eintritt der Invalidität unter entsprechender Herabsetzung des Beschäftigungsgrades und des Arbeitslohns nur teilweise in Anspruch genommen, gilt der Versorgungsfall insoweit als eingetreten. In diesem Fall ist die Bewertung der Pensionsverpflichtung an Bilanzstichtagen zwischen der erstmaligen teilweisen Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen und dem Erreichen des vom Steuerpflichtigen zulässigerweise gewählten Finanzierungsendalters (sog. rechnerisches Pensionsalter) für bilanzsteuerliche Zwecke aufzuteilen. Soweit Leistungen bereits gewährt werden, gilt Randnummer 3 entsprechend. Für die noch nicht laufenden Leistungen ist bis zum Erreichen des maßgebenden rechnerischen Pensionsalters weiterhin § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG maßgebend. Für Bilanzstichtage nach Erreichen des rechnerischen Pensionsalters bedarf es einer Aufteilung nicht, da in diesen Fällen die Bewertung der noch nicht laufenden Leistungen nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG (Teilwert eines sog. technischen Rentners) dem Barwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG entspricht. Die Nachholung von Fehlbeträgen gemäß § 6a Abs. 4 Satz 5 EStG ist nur insoweit zulässig, als der Versorgungsfall nach Satz 1 als eingetreten gilt.

9 Das BMF-Schreiben vom 25. April 1995 (BStBl I S. 250) zu Pensionsrückstellungen für betriebliche Teilrenten ist nicht weiter anzuwenden und wird aufgehoben.

5. Körperschaftsteuerliche Regelungen

10 Die körperschaftsteuerlichen Regelungen für Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften bleiben unberührt (BFH-Urteile vom 5. März 2008, a. a. O. und vom 23. Oktober 2013, a. a. O.).

In der Anwartschaftsphase ist eine Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer, die zwar die Vollendung des vereinbarten Pensionsalters voraussetzt, nicht jedoch dessen Ausscheiden aus dem Betrieb oder die Beendigung des Dienstverhältnisses, körperschaftsteuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie führt nicht von vorneherein wegen Unüblichkeit oder fehlender Ernsthaftigkeit zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.

In der Auszahlungsphase der Pension führt die parallele Zahlung von Geschäftsführergehalt und Pension – sowohl bei einem beherrschenden als auch bei einem nicht beherrschenden – Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, soweit das Aktivgehalt nicht auf die Pensionsleistung angerechnet wird.

Die Grundsätze gelten sowohl bei monatlicher Pensionsleistung als auch bei Ausübung eines vereinbarten Kapitalwahlrechts bei Erreichen der vereinbarten Altersgrenze.

Die Auflösung der Pensionsrückstellung steht der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht entgegen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch dann zu bejahen, wenn das Aktivgehalt und die Arbeitszeit nach Eintritt des Versorgungsfalls deutlich reduziert werden, da eine „Teilzeittätigkeit“ mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht vereinbar ist.

6. Vererbliche Versorgungsanwartschaften und Versorgungsleistungen

11 Sieht eine Pensionszusage die Vererblichkeit von Versorgungsanwartschaften oder Versorgungsleistungen vor und sind nach der Zusage vorrangig Hinterbliebene entsprechend der Randnummer 287 des BMF-Schreibens vom 24. Juli 2013 (BStBl I S. 1022) Erben, ist die Pensionsverpflichtung nach § 6a EStG zu bewerten. Im Vererbungsfall ist für die Bewertung der Leistungen, soweit sie nicht an Hinterbliebene im Sinne des Satzes 1 erbracht werden, § 6 EStG maßgebend.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2176 / 07 / 10006 vom 18.09.2017

 

Verbraucherschutz: Countdown für VW-Kunden läuft

Vom VW-Abgasskandal betroffenen Kunden bleibt nicht mehr viel Zeit

vzbv setzt sich für Verlängerung der Gewährleistungsfrist durch VW ein

vzbv, Pressemitteilung vom 18.09.2017

  • Millionen VW-Kunden könnten zum 31.12.2017 Gewährleistungsansprüche aus dem Diesel-Skandal verlieren. An diesem Tag läuft der von VW erklärte Verzicht auf die Einrede der Verjährung aus. Ein höchstrichterliches Urteil ist bis dahin nicht zu erwarten. Sollten Schäden etwa nachweislich durch Betrug, sittenwidrige vorsätzliche Täuschung oder Kartellabsprachen entstanden sein, könnten auch längere Fristen gelten. Die Rechtslage ist für die Verbraucher derzeit extrem undurchsichtig.
  • Dabei gibt es einen einfachen Weg, die Unsicherheit für die geschädigten Kunden sofort zu reduzieren: Volkswagen kann den drohenden Verfall der Verbraucheransprüche stoppen, indem der Konzern seine Verzichtserklärung erneuert – im Idealfall bis zum Jahr 2021. Denn bis dahin sollte es Urteile des Bundesgerichtshofes geben, die eine klare und eindeutige Rechtslage schaffen.
  • „Volkswagen verhindert, dass das höchstrichterlich geklärt wird“, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner. „Volkswagen hat Verbraucher, seine Kunden, geschädigt und deshalb ist Volkswagen auch in der Pflicht, das wieder gut zu machen“.

Volkswagen hat erklärt, sich bis Ende 2017 nicht auf Verjährung zu berufen, wenn Kunden Ansprüche im Abgasskandal stellen. Die verbleibenden Tage reichen nach Einschätzung des vzbv aber nicht aus, damit die Vielzahl der Geschädigten ihre Ansprüche geltend machen können. Der Grund: Bis dahin werden die ausschlaggebenden und derzeit noch offenen Rechtsfragen nicht geklärt sein. Der vzbv fordert daher von VW, sich auch nach dem 31.12.2017 nicht auf Verjährung zu berufen.

„Volkswagen spielt auf Zeit. Immer mehr Gerichte urteilen zugunsten der Verbraucher. Doch VW zeigt weiterhin kein Einsehen. Bis zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs wird es drei bis vier Jahre dauern. Das bedeutet: Viele der 2,4 Millionen betroffenen Verbraucher in Deutschland könnten nicht von einem BGH-Urteil profitieren. VW muss also die Gewährleistung bis Ende 2021 verlängern“, fordert Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands.

Dies sind die Forderungen des vzbv an Volkswagen:

Verlängerung der Gewährleistungsfrist

Der vzbv fordert den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis Ende 2021, also eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist durch VW für betroffene Fahrzeuge hinsichtlich aller Gewährleistungsansprüche. Händler müssen das dann gegenüber den Kunden auch umsetzen.

Den Umrüstplan schnell und verbraucherfreundlich umsetzen

VW muss den vom Kraftfahrtbundesamt verlangten Umrüstplan schnell und verbraucherfreundlich umsetzen. Das heißt auch, dass für einen etwaigen kurzfristigen Fahrzeugausfall kostenlos Ersatzfahrzeuge gestellt werden.

Eine umfassende Garantieerklärung abgeben

VW muss eine umfassendere Garantieerklärung als bisher abgeben. Eine solche Erklärung muss Zusagen enthalten, dass

  • keine Nachteile bei Leistung und Kraftstoffverbrauch zu erwarten sind.
  • die Lebensdauer der Motoren und anderer technischer Komponenten nicht verkürzt wird.
  • der Wartungsbedarf nach der Umrüstung nicht steigt.

Verbrauchervertrauen zurückgewinnen

VW muss Kundenvertrauen zurückgewinnen. Betroffene Fahrzeuge müssen zurückgenommen und der Kaufvertrag rückabgewickelt werden, wenn Verbraucher dies fordern.

Schadensersatz leisten

VW muss den betroffenen Verbrauchern Schadensersatz leisten

  • für einen etwaigen höheren Wartungsbedarf.
  • für eine schlechtere Restwertentwicklung im Falle des Wiederverkaufs.
  • für einen etwaigen höheren Verbrauch, etwa von Treibstoff oder AdBlue.

Die Forderungen des vzbv beziehen sich auf mögliche Ansprüche von Käufern von Autos mit dem Motortyp EA 189. Es handelt sich um 1,2-Liter-, 1,6-Liter- und 2,0-Liter-Motoren. Manipuliert wurden auch Autos weiterer Marken des Konzerns, nämlich Audi, Seat, Skoda und Volkswagen Nutzfahrzeuge. Die verlängerte Gewährleistungsfrist soll auch für Kunden gelten, deren Ansprüche bereits verjährt sind.

 Quelle: vzbv

Samstag ist Werktag i. S. v. § 6 Abs. 3 Satz 3 und § 6.1 Abs. 2 Satz 1 TVöD-K

Der Samstag ist ein Werktag i. S. v. § 6 Abs. 3 Satz 3 und § 6.1 Abs. 2 Satz 1 des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K).

Nach diesen Tarifnormen ist für schichtdienstleistende Beschäftigte eine Verminderung der Sollarbeitszeit vorgesehen, wenn sie an bestimmten Vorfeiertagen (Heiligabend, Silvester) oder Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sind. Ohne diese Regelungen müssten die nach Dienstplan arbeitenden Beschäftigten zur Erreichung der vollen Vergütung die am (Vor-)Feiertag dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden an einem anderen Tag ableisten.

Die Klägerin ist als Krankenschwester in einem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-K Anwendung. Die Klägerin arbeitet nach einem Dienstplan, der Wechselschichten an allen sieben Tagen in der Woche vorsieht. Innerhalb dieses Rahmens wird die Klägerin an fünf Tagen mit jeweils 7,7 Stunden eingesetzt.

Am 1. Januar 2011 und 24. Dezember 2011 hatte die Klägerin dienstplanmäßig frei. Bei beiden Tagen handelte es sich um Samstage. Die Beklagte hat für diese Tage keine Sollstundenreduzierung vorgenommen, da ein Samstag kein Werktag im Tarifsinne sei. Die Klägerin meint hingegen, ihre Sollarbeitszeit vermindere sich für beide Tage um jeweils 7,7 Stunden.

Die Vorinstanzen haben ihrer Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass der Samstag als Werktag i. S. v. § 6 Abs. 3 Satz 3 und § 6.1 Abs. 2 Satz 1 TVöD-K anzusehen ist.

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 20.09.2017 zum Urteil 6 AZR 143/16 vom 20.09.2017

 

Mindestlohn – Feiertagsvergütung – Nachtarbeitszuschlag

Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich – soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht – nach § 2 EFZG* i. V. m. § 1 MiLoG**. Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen.

Die Klägerin ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie i. d. F vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht u. a. einen Nachtarbeitszuschlag i. H. v. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein „Urlaubsentgelt“ i. H. d. 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 Euro brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Zehnten Senat – abgesehen von einer geringen rechnerischen Differenz – ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgeldes“ auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.

Hinweis zur Rechtslage

*§ 2 Abs. 1 EFZG lautet:

„Entgeltfortzahlung an Feiertagen

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.“

**§ 1 MiLoG (in der hier maßgeblichen Fassung) lautete auszugsweise:

„Mindestlohn

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. …“

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 20.09.2017 zum Urteil 10 AZR 171/16 vom 20.09.2017

 

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin